Manchmal reicht es aus, einfach seine eigenen Wortmeldungen von vor zwei Jahren noch mal vorzunehmen, ganz tief in sich zu gehen und zu überlegen, klug nachzudenken, bevor man jedes Mal sofort laut herausbrüllt. Manchmal holt es einen auch alles wieder ein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung ist überfordert und sie ist zerstritten. Ich habe es an den Beispielen gesagt, aber es lohnt sich auch, das anhand der Landesregierungserklärung beispielhaft noch mal herauszusuchen. Meine Kollegin Annette Lehmann hat am 09.07. eine Antwort bekommen auf ihre Kleine Anfrage zum Thema „Verbindliche Standards für Erstaufnahmeeinrichtungen in Thüringen“. Dort antwortet die Landesregierung: Es gibt keine verbindlichen Standards für Erstaufnahmeeinrichtungen in Thüringen. Uns will der zuständige Minister in der Regierungserklärung verkünden, es hätte eine Änderung bei den Standards bei der Erhöhung der Quadratmeterzahlen für die Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl gegeben. Alle wissen, dass bei dem Belegungszustand in Suhl selbst die Zahl vom Minister hier in der Regierungserklärung nicht eine Sekunde haltbar ist. 3,5 Quadratmeter finden die Asylbewerber in Suhl an Aufenthaltsfläche vor, das ist weniger als vor der behaupteten Änderung. Sie kommen Ihrer Aufgabe nicht nach! Vielleicht wissen Sie auch gar nicht, was Sie selbst manchmal antworten, wenn die Kollegen nachfragen.
Sie sagen in Ihrer Regierungserklärung, Sie hätten sich auf die steigenden Flüchtlingszahlen eingestellt. Dem widerspreche ich. Mit Ihrem zu spät vorgelegten Landeshaushalt für 2015 haben Sie nur die Prognose von 8.500 Flüchtlingen und Asylbewerbern in diesem Land haushaltstechnisch berücksichtigt. Wir haben beantragt, auf die aktuelle Situation Bezug zu nehmen. Diesen Antrag haben Sie abgelehnt. Als wir beim Finanzausgleich gefordert haben – Sie haben dafür ein Übergangsgesetz vorgelegt –, nicht außer Acht zu lassen, dass auch der Mehrbelastungsausgleich im Jahr 2015 angeglichen gehört, haben Sie diesen Antrag abgelehnt. Jetzt kündigen Sie das zwar für 2016 an, aber es bleibt dabei, die Landräte dieses Landes haben recht: Sie haben weder beim Mehrbelastungsaus
gleich noch bei den Bundeshilfen noch bei Ihren eigenen Haushaltszahlen auf die steigenden Flüchtlingsströme in diesem Land reagiert. Sie haben an dieser Stelle schlicht und einfach versagt.
Meine Damen und Herren, Sie wollten auch nicht reagieren. Ich will noch mal das Beispiel der Containeranlage bringen. Am 09.03. hat das Ingenieurbüro Sie angeschrieben und Ihnen die Containeranlage exklusiv angeboten. Sie haben durch Ihr Haus, Herr Justizminister, dem Anschreiber am 24.03. in einem kurzen Brief geantwortet und ihm mitgeteilt, als schon klar war, wohin die Reise geht und wie der Flüchtlingsstrom ansteigen wird, derzeit besteht kein Interesse an der Einrichtung einer Containeranlage zur Unterbringung von Asylbewerbern. Es passt in Ihre Lesart rein, jeder Asylbewerber ist ein Flüchtling, ein Integrationsfall, jeder hat eine dauerhafte Bleibeperspektive. Ihr Antwortschreiben entlarvt Sie.
(Zwischenruf Lauinger, Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz: Lesen Sie den zweiten Satz!)
Sie waren nicht auf die Situation vorbereitet. Sie wollten nicht auf die Situation vorbereitet sein. Sie müssen sich mindestens konkludent manche Eskalation in den Einrichtungen anrechnen lassen. Sie haben die Probleme verschärft und nicht entschärft.
Ich will Ihnen das weiter sagen. Die letzte Landesregierung von Christine Lieberknecht mit Innenminister Jörg Geibert hat Vorsorge getroffen bei einer weiteren Einrichtung in Rudolstadt.
Wir haben diese Anlage vorbereitet, wir haben Kommunikation vor Ort gemacht. Der damalige zuständige Landrat war dafür, dass in Rudolstadt eine weitere Aufnahmeeinrichtung installiert wird. Es war Ihre erste Amtshandlung in Ihrem Ministerium, auf Rudolstadt zu verzichten. Rudolstadt hätte vor dem Sommer freigezogen und genutzt werden können.
Sie haben durch Ihr Aussetzen bei Rudolstadt auch zur Eskalation in Suhl beigetragen, weil dort die Einrichtung überfüllt und Rudolstadt erst jetzt Ende August bezogen werden konnte.
Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Ihre Politik des Nichtstuns der ersten Monate, jeder ist willkommen, alle dürfen hierbleiben, hat zur Verschärfung der Situation beigetragen. Am Beispiel der Contai
Mit Verlaub, sehr geehrter Herr Minister, Sie können alles machen auf dieser Welt, aber Sie müssen ehrlich sein.
Ihre Taskforce haben Sie am 11.08. eingerichtet, einen Tag, nachdem die Drucksache zum Antrag auf die Sondersitzung in diesem Landtag gestellt wurde. Sie fangen erst an zu arbeiten, Sie fangen erst an nachzudenken und Sie merken erst, dass die Probleme dieses Landes größer sind als in Ihrer schönen rot-rot-grün-bunten Welt, nachdem die Opposition Ihnen gesagt hat, werden Sie endlich tätig für dieses Land. Die Menschen erwarten zu Recht eine Landesregierung, die eine Idee hat von diesem Land und die mit den größten Regierungsproblemen dieses Landes umgeht und eine Lösung hat, und die nicht tatenlos zuschaut und den schönen Sommer genießt. Da haben Sie eindeutig versagt.
Meine Damen und Herren, weil nicht nur die Kritik auf einer Stelle ausreicht, weil wir auch zeigen wollen, wie wir es besser machen würden, wenn wir in Verantwortung wären, schlagen wir ein Sofortprogramm vor, wovon wir sagen, damit kann man die ersten Maßnahmen umsetzen und kann der schwierigen Situation auch Abhilfe schaffen. Dazu gehört als Allererstes die Anerkennung der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl als eigenständige Aufnahmestelle.
Das haben Sie bisher nicht gemacht. Das müssen Sie sich zurechnen. Falls Sie es noch nicht wissen, Sie regieren seit acht Monaten. Es wäre schön, Sie würden an der Stelle endlich schneller handeln.
Die Anerkennung bringt natürlich eines mit sich, nämlich mehr Verwaltungspersonal. In der Einrichtung in Suhl mit dreimal so vielen Asylbewerbern ist nur gleich viel Verwaltungspersonal wie in der unterbesetzten Einrichtung in Eisenberg vorgesehen. Sieben von 21 Stellen sind derzeit nur besetzt und in dieser Größenordnung ist auch nur Verwaltungspersonal in Suhl vorhanden. Die Probleme der Überforderung der Mitarbeiter vor Ort hängen auch damit zusammen, dass Sie nicht in der Lage sind, Ihren Beitrag zu leisten – ich weiß, dass sie gleich wieder nach dem Bund rufen wollen –, damit dort ausreichend Verwaltungspersonal vorhanden ist.
Ich will Ihnen vorhalten: Den geringen Wachschutzanteil in Suhl müssen Sie sich zurechnen lassen. Derzeit sind pro Schicht zwei Mitarbeiter des Wachschutzes in jedem Block engagiert, zwei pro ZwölfStunden-Schicht. Beantragt waren von den Zuständigen vor Ort fünf pro Schicht. Sie haben diesen Antrag auf erhöhtes Wachschutzpersonal in Ihrer Landesregierungsverantwortung abgelehnt, deswegen sind nur zwei Mann in der Einrichtung und deshalb kam es auch zur besonderen Eskalation in der Suhler Nacht letzte Woche. Sie haben die Anträge auf mehr Sicherheitspersonal abgelehnt und dann mussten zwei Mann in der Schicht mit der Bewältigung der Krise zurechtkommen. Das müssen Sie sich zuschreiben lassen. Mehr Wachschutz ist in diesen Einrichtungen unbedingt notwendig.
Meine Damen und Herren, wir erwarten mehr Mitarbeiter in den Sozialdiensten. Ich kann nur jedem empfehlen, mal nach Suhl zu fahren, wenn da 1.650 Flüchtlinge aller Religionen, aus vielen Staaten nach einer langen Flucht in dieser Einrichtung sind, den ganzen Tag, weil die Betreuung nicht ausreicht, weil zu wenig Sozialarbeiter vor Ort sind, dann erwarten wir erst recht von einer rot-rot-grünen Landesregierung, dass sie so viele Sozialarbeiter zur Verfügung stellt, dass auch Betreuung stattfinden kann. Ich will Ihnen mal zwei Zahlen nennen. Nach unserer Berechnung ist die Quote von Sozialarbeitern für Flüchtlinge in Thüringen 1 : 100; in Nordrhein-Westfalen, wo Grün und Rot regieren, ist sie 1 : 10. Nehmen Sie sich doch mal ein Beispiel bei denen, die schon länger regieren! Machen Sie es doch wenigstens noch ein bisschen besser in diesem Land in den drei Jahren und elf Monaten, in denen Sie noch Verantwortung tragen! Das kann doch nicht so viel verlangt sein.
Ich will Ihnen ausdrücklich sagen, der Dank an die ehrenamtlichen Helfer aus den Wohlfahrtsverbänden, der ist auch mit einer Hoffnung dieser Menschen verbunden, und zwar brauchen die feste vertragliche Zusagen. Deswegen brauchen sie länger als ein halbes Jahr Befristung von finanziellen Zusagen. Fragen Sie doch mal die Wohlfahrtsvertreter, es gibt ja auch welche hier in diesem Parlament. Die gehen derzeit alle bei den Sozialarbeitern in finanzielle Vorleistung und haben nur mündliche Zusagen seitens der Landesregierung. Wenn Sie so schön problemhaft beschreiben, welche Aufgaben Sie zu schultern haben, wie wäre es einfach mal mit dauerhaften Finanzierungszusagen, die länger als ein halbes Jahr gehen? Sie glauben doch nicht ernsthaft, bei dem Fachkräftegebot, was Sie gleichzeitig vereinbaren, dass irgendjemand in diesem Land ausreichend qualifizierte Sozialarbeiter findet, die eine Finanzierungszusage, eine
mündliche zudem, von einem halben Jahr bekommen. Dann werden Sie des Problems nicht Herr, dann haben Sie neue Eskalationsstufen vor sich. Mehr Sozialarbeiter, dauerhafte Finanzierungszusagen – das muss jetzt endlich geschehen.
(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Ihr fordert doch auch nur mehr Sozialarbeiter! Ich kann es schon nicht mehr hören!)
Es braucht mehr Personal in der zentralen Landesabschiebestelle, das habe ich gesagt, und es braucht auch mehr Verwaltungsrichter an der Thüringer Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wenn nämlich die Entscheidung zur Abschiebung gekommen ist und die Hälfte derer dann anschließend in Widerspruchsverfahren geht, dann muss die Thüringer Verwaltungsgerichtsbarkeit besser als jetzt ausgestattet sein, damit es auch zur schnellen Entscheidung kommt. Ich muss einfach vermuten, wenn zu wenig Mitarbeiter in der Landesabschiebestelle eingestellt sind, wenn zu wenig Verwaltungsrichter zur Verfügung gestellt werden, dann will man auch gar nicht, dass es zu zügigen Entscheidungen kommt, die den Bleiberechtsstatus abschließend definieren, damit dann die Abschiebung auch ansteht bei denen, wo kein Asylgrund vorliegt. Ihr Handeln in der Folge, das kann man kausal feststellen, führt auch zur Überforderung der Einrichtungen im Lande bei den Kommunen. Daran sind Sie schuld und Sie müssen sich dafür verantworten.
Wir teilen die Auffassung, das sagen wir ganz klar, dass natürlich auch für den Kostenträger Land freiwillig Ausreisende günstiger sind, aber wenn es nicht zur freiwilligen Ausreise kommt, dann muss dahinter zwingend ein Instrumentarium entwickelt sein, was zwingend auch die Abschiebung zur Folge hat. Es gibt keinen Staat dieser Welt, der denjenigen, die in das Land kommen, überlässt, ob sie freiwillig bleiben wollen oder nicht. Jedes Land dieser Welt hat dafür klare Regeln für die, die bleiben und klare Regeln für die, die nicht bleiben dürfen. Sie können sich aus diesem Weltkonsens nicht ausschließen. Schutz für die Schutzbedürften – ja, die auch vor Krieg und Tod flüchten müssen, die Angst um ihr Leib und Leben haben. Das gilt immer wieder vorweg geschoben. Aber wer keinen Asylgrund hat, der hat natürlich Anrecht auf ein Asylverfahren, das entwickelt sich aus unserem Grundgesetz, aber danach folgt die Entscheidung und nach der Entscheidung folgt die Abschiebung und beides gehört zusammen. Schutz den Schutzbedürftigen und Abschiebung, wo kein Asylgrund vorliegt. Das müssen Sie auch an der zweiten Stelle gewährleisten.
Deswegen ist Ihre Position, dass Migranten ohne Bleiberecht selbst entscheiden können, ob sie gehen oder bleiben, grundfalsch und sie ist ideologisch. Mit Blick auf die Notwendigkeit des Konzepts der sicheren Herkunftsstaaten sagen Hamburg und Bremen und auch Baden-Württemberg neben den unionsregierten Ländern von CDU und SPD zu Recht ausdrücklich: Wir müssen über diese Frage reden. Man muss sich das auch einen Moment vergegenwärtigen: Wie passt das denn zusammen, dass Albanien und andere, die seit 2014 im Aufnahmeverfahren für die Europäische Union sind, gleichzeitig als Verfolgerstaaten anerkannt werden? Wer in der Europäischen Union irgendwann nach einem längeren Verfahren Mitglied ist, bei dem schließt sich aus, dass das kein sicherer Herkunftsstaat ist. Entweder Beitritt zur Union, auch mit allen langen Prozessen, mit aller Rechtsstaatlichkeit, die dort notwendig ist vor Ort, aber beides sein, gleichzeitig Verfolgerstaat und Beitrittskandidat, schließt sich aus. Deshalb ist die Erweiterung der sicheren Drittstaaten auch auf den Westbalkan – unbedingt notwendig. Sie dürfen es im Bundesrat nicht blockieren, Sie müssen es umsetzen!
Meine Damen und Herren, das muss man ganz klar sagen: Das Asylrecht – Christian Herrgott hat es in der Einbringungsrede gesagt – ist unverrückbar. Unser Grundgesetz ist an diesem Punkt bestandssicher und von niemandem infrage zu stellen. Deswegen hat jeder – ob Asylgrund ja oder nein – einen Anspruch auf Asylverfahren. Aber es gibt eben keinen Asylgrund für die, die ihre wirtschaftliche Lage verbessern wollen. Natürlich ist es schwierig, in so einem Land zu leben, natürlich. Und natürlich ist es schwer, aus menschlichem Herzen heraus zu verstehen, wenn diese Menschen in diese schwierige wirtschaftliche Situation nach einem abgelehnten Asylantrag zurückgeschickt werden müssen. Aber noch unmenschlicher ist Ihre Politik, den Menschen zunächst durch ein verzögertes Asylverfahren die Hoffnung zu geben, sie hätten eine dauerhafte Bleibeperspektive, und dann werden sie trotzdem abgeschoben, nachdem nach drei Monaten die Kinder in den Kindergarten oder in die Schule gekommen sind und am Deutschkurs teilnehmen. Das ist unmenschlich – erst Hoffnung machen und dann abschieben. Schnelle Entscheidung tut auch weh, aber schafft klare Perspektive und Klarheit, wo unsere Grenzen des Gesetzes sind.
Meine Damen und Herren, einen Satz muss ich an dieser Stelle mal sagen, weil es in der bundesdeutschen Debatte von links immer wieder hervorgezogen wird: Da meinen manche, sie können die Flüchtlingssituation mit 1989 vergleichen. Da will ich mal was ganz Klares sagen,