Protokoll der Sitzung vom 09.09.2015

Das Problem mit der Argumentation wegzudiskutieren, man könne hier keine generelle Regelung finden, weil man damit die Asylbewerber zu einer Gruppe stigmatisieren würde, von der besondere Gefahren ausgehen, funktioniert aber auch nicht, meine Damen und Herren. Von Asylbewerbern gehen im Durchschnitt nicht mehr Gefahren aus als von hier lebenden anderen Bürgern.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber – und das sage ich sehr deutlich – es gehen von diesen auch nicht weniger Gefahren aus.

(Beifall CDU)

Jeder, der etwas anderes behauptet, verkennt hier die Realität. Von einem Radfahrer – wie im genannten Beispiel – geht grundsätzlich eine Gefahr aus, deren etwaige Folgen abgedeckt und geregelt werden müssen, egal ob dieser Radfahrer nun ein Deutscher oder ein Asylbewerber ist. Die Folgen von eintretenden Schäden können im Fall des Asylbewerbers aber nicht auf die Opfer abgewälzt werden, weil der Verursacher selbst den Schaden nicht begleichen kann.

Die gesamte Problemstellung trifft Thüringen in der Tat nicht allein. Hier bedarf es einer bundeseinheitlichen Regelung. Wenn diese einmal umgesetzt werden sollte, wir haben das verschiedentlich diskutiert, müsste Thüringen aber mit einem guten Beispiel vorangehen und diese auch bundeseinheitlich mitfordern und durchsetzen.

In Sachsen gab es beispielsweise vor zwei bis drei Monaten das Angebot eines Versicherers, hier einen Gruppentarif einzuführen. Für Thüringen wäre das eine mögliche Option.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Risiko von Schäden, die bei über 20.000 Asylbewerbern in diesem Jahr in unserem Bundesland rein statistisch schon auftreten werden, darf die Landesregierung nicht auf die Kommunen und schon gar nicht auf die Thüringer Opfer abwälzen. Das wäre weder angemessen für die Opfer noch gerecht gegenüber den Menschen, die aktuell und in Zukunft zu uns kommen werden. Lassen Sie uns hier eine gemeinsame Regelung finden und gemeinsam für eine bundeseinheitliche Regelung in dem Fall kämpfen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Herrgott. Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Lauinger gemeldet. Sie haben das Wort.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Der Rechtsbruchminister!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir erleben gegenwärtig die größte Migrationsbewegung seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Bis zum Ende dieses Jahres werden voraussichtlich mehr als 800.000 Menschen in Deutschland um Asyl nachsuchen. Für Thüringen bedeutet dies, dass 2015 mindestens 22.000 Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen sind.

Angesichts dieser wirklich dramatischen Lage unternehmen das Land, die Landkreise und die kreisfreien Städte zurzeit alles, um die bei uns um Schutz nachsuchenden Menschen menschenwürdig unterzubringen und ihnen in einem ersten – aber auch immens wichtigen – Schritt jedenfalls ein Dach über dem Kopf bieten zu können.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir alle haben sicherlich noch die Bilder vom letzten Wochenende – und zwar nicht nur aus Saalfeld, sondern aus ganz Deutschland – vor Augen. Dank dem Engagement von Hunderten ehrenamtlichen Helfern und dem unermüdlichen Einsatz vieler Mitarbeiter ist es gelungen, kurzfristig die aus Bayern weiter verteilten Flüchtlinge in Saalfeld und in der Messe Erfurt aufzunehmen.

Dies ist eine Leistung, die nur durch ein schnelles Zusammenwirken aller beteiligten Stellen und durch das engagierte Handeln der hilfsbereiten Thüringer

möglich war. Deshalb von dieser Stelle Dank an alle, die sich in diesen Tagen dafür engagiert haben.

(Beifall CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein paar Sätze zu dem sagen, was Herr Fiedler gesagt hat. Es war tatsächlich so, dass vor diesem Wochenende die Zahl der Menschen nicht zu erwarten war. Es war ein Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem österreichischen Kanzler, das dazu geführt hat, dass die Grenzen geöffnet wurden und dass innerhalb eines Wochenendes 30.000 Menschen nach Bayern eingeströmt sind.

Damit Sie mich an dieser Stelle nicht falsch verstehen: Im Gegensatz, im völligen Gegensatz zu Herrn Höcke sage ich, das war ein gute und richtige Entscheidung der Bundeskanzlerin.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Das war Rechtsbruch!)

Von daher auch ein deutliches Lob an das Handeln der CDU-Bundesregierung, die sagt, es deutet sich dort eine humanitäre Katastrophe an, und da muss ich als Bundeskanzlerin reagieren. Das war richtig so. Die Konsequenz war natürlich dann, dass an diesem Wochenende 30.000 Menschen nach Bayern gekommen sind, was dazu führte, dass Ihre Schwesterpartei in Bayern einen bundesweiten Hilferuf gesandt hat an alle Regierungen aller Länder: Wir schaffen das nicht mehr in München, wir brauchen eure Hilfe.

Wenn dann die drei mitteldeutschen Länder Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen als die ersten – ich betone wirklich noch mal, die ersten – sagen: Na klar können wir die Bayern nicht im Stich lassen und na klar sollen sie den ersten Zug, der Richtung München fährt, sofort in Richtung Thüringen umleiten, wir werden das schaffen, dann ist das ein gemeinsames Zeichen von Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen, dass man die Bayern nicht im Stich lassen kann.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Da wissen Sie, worum es unseren Bürgermeistern geht!)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dann haben Sie eine Situation: Dieses Telefonat war vielleicht – ich weiß es nicht, ich war nicht dabei – am Donnerstag oder Freitag. Samstag setzen sich diese Menschen in Bewegung und kommen in Bayern an. Samstagvormittag sagt der Bundesinnenminister – auch wieder Ihre Partei: Liebe Länder, helft uns!

(Abg. Herrgott)

Wir sagen – wie ich es eben gerade gesagt habe: Natürlich helfen wir und wir sind bereit, innerhalb von wenigen Stunden eine Logistik aufzustellen, dass diese Menschen in Saalfeld nicht nur ankommen können – denn damit ist es ja nicht getan. Sie waren nicht registriert, sie waren nicht untersucht.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Zum Thema eigentlich!)

Wir haben das alles zusammen mit den örtlichen Behörden dort innerhalb weniger Stunden auf die Beine gestellt.

(Unruhe AfD)

Dann war die zweite Situation, dass wir sie natürlich nicht nur aufnehmen können, sondern auch unterbringen müssen. Das ist ja klar. Wir alle haben in allen Ländern – ob das Sachsen ist oder Thüringen – überfüllte Erstaufnahmeeinrichtungen. Wir schafften es dann innerhalb von wenigen Stunden, dass wir eine Halle bereitstellten, damit die Menschen ein Dach über dem Kopf hatten.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Herr Lauinger, reden Sie mal zum Thema!)

Und da hilft es auch nicht, wenn sich Mitglieder Ihrer Fraktion vor den Zaun stellen, sich fotografieren lassen und so tun: Hier kommt keiner rein. Aber dabei will ich es auch bewenden lassen zu den Geschichten vom Wochenende.

(Beifall AfD)

Angesichts dieser dramatischen Situation, die ich versucht habe Ihnen zu schildern, bin ich eigentlich ziemlich verwundert darüber, dass die Fraktion der AfD das Thema „Schadensregulierung bei Verursachung von Schäden durch Asylbewerber im Freistaat Thüringen“ zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde dieses Hohen Hauses machte.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Mich wundert das nicht!)

Ich denke, es gibt zurzeit wahrlich wichtigere Punkte als diesen.

(Unruhe AfD)

Dennoch wird die Landesregierung natürlich auch zu diesem Punkt Stellung nehmen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Den Leer- stand in Thüringen zum Beispiel!)

Derzeit leben in den Landesaufnahmeeinrichtungen sowie in den kommunalen Gemeinschaftsunterkünften und Wohnungen circa 15.000 Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge. Dass von diesen Flüchtlingen, abgesehen von solchen Fällen wie in Suhl, die ich auch überhaupt nie beschönigt habe, ein größerer Schaden

(Unruhe AfD)

hören Sie mir doch erst einmal zu – verursacht wurde, ist nicht bekannt. Klar ist, das habe ich an dieser Stelle auch gesagt, Sie haben immer noch nicht den Unterschied zwischen Strafrecht und Zivilrecht verstanden. Herr Herrgott, vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank an dieser Stelle auch einmal für die klaren Ausführungen, die versucht haben, den Kollegen der AfD klarzumachen, wo die Unterschiede sind.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Nein, das verstehen Sie auch nicht!)

Es ist Ihnen anscheinend nicht gelungen. Klar ist aber auch, das habe ich auch nie anders gesagt, und auch die gesamte Landesregierung hat das nie anders gesagt, diese Vorfälle vom 19. zum 20. August in Suhl, bei denen mutwillig Schäden verursacht wurden, sind unter gar keinen Umständen hinzunehmen. Es gilt, das haben wir auch immer gesagt, die Täter zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen. Schadensregulierung setzt nämlich immer erst zunächst voraus, den Verursacher zu finden. Davon abgesehen ist es selbstverständlich, und auch da stimmten Ihre Ausführungen nicht, dass das Land seine Bediensteten, die während der Dienstausübung etwaige Schäden erleiden, nicht allein lässt. Unabhängig davon, ob es sich um Körper- oder Sachschäden handelt, können sich die Bediensteten mit ihrem Schadensersatzbegehren natürlich an die zuständige Landesfinanzdirektion oder unmittelbar an ihre Dienststelle wenden.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Ach, Sie haben die falsche Rede mit!)

Natürlich kann daneben aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass Asylbewerber, wie übrigens jeder andere auch – wie Sie, ich und jeder in diesem Land –, Sachschäden verursachen, ob vorsätzlich oder fahrlässig. Das Thema wird natürlich bundesweit diskutiert und auch da hat Herr Herrgott recht. Natürlich bedarf es einer bundeseinheitlichen Regelung – ohne, dass in dieser Landesregierung, das sage ich auch, die Meinungsbildung hierzu bereits abgeschlossen ist. Es wird diskutiert, aber nicht – wie Sie unterstellen, weil Asylbewerber besonders viele Sachschäden verursachen, sondern weil die Tatsache, dass bei Menschen, die keine Haftpflichtversicherung haben, die kein Vermögen haben und die ein Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze haben, natürlich immer die Situation gegeben ist, dass, wenn diese Menschen einen Schaden verursachen, der Geschädigte auf seinem Schaden sitzen bleibt. Glauben Sie mir, ich war 22 Jahre Richter, ich habe unglaublich viele Fälle erlebt, wo Leute zu Schaden gekommen und die Schädiger letztendlich nicht finanziell zur Verantwortung gezogen worden sind, weil eben nichts zu