Protokoll der Sitzung vom 30.09.2015

(Beifall AfD)

Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die zweite Beratung des Gesetzentwurfs. Ich rufe die dritte Beratung auf und eröffne die Aussprache. Gibt es Wortmeldungen? Das kann ich nicht erkennen.

Dann stimmen wir direkt über den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD in Drucksache 6/974 in dritter Beratung ab. Wer dem – Herr Abgeordneter Möller?

(Zuruf Abg. Möller, AfD)

Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Schriftführer und eröffne die namentliche Abstimmung.

Hatten alle Abgeordneten die Gelegenheit zur Abstimmung? Dann schließe ich die Abstimmung und bitte um Auszählung.

Ich darf das Ergebnis bekannt geben: anwesende Abgeordnete zu Sitzungsbeginn: 87. Es wurden 74 Stimmen abgegeben. Mit Ja stimmten 7 Abgeordnete, mit Nein 67 Abgeordnete (namentliche Ab- stimmung siehe Anlage 1). Damit ist gemäß § 41 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung nach Artikel 83 Abs. 2 der Landesverfassung die notwendige Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder nicht erreicht.

Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 4

Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 6/929 ZWEITE BERATUNG

Ich eröffne die Aussprache. Es erhält Abgeordneter Möller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bereits vor der ersten Behandlung unseres Gesetzentwurfs zum Flüchtlingsaufnahmegesetz war uns klar, dass Sie sich mit diesem natürlich nicht inhaltlich und sachlich auseinandersetzen werden. Das wird vermutlich auch heute nicht anders sein. Ich gehe trotzdem mal kurz auf Ihre Argumentation aus dem letzten Plenum ein, mit der Sie damals unseren Entwurf in einer ganz großen Koalition von ganz links bis zur CDU gemeinsam abgelehnt haben.

Ich fange mal mit Ihnen an, lieber Herr Kollege Herrgott. Sie gaben folgende Erläuterung zur Ablehnung unseres Entwurfs ab: „Wir halten es als CDU-Fraktion nicht für dienlich, Ihrem Gesetzentwurf hier in irgendeiner Form zuzustimmen, weil wir ihn nicht für geeignet halten, die derzeitige Situation in Thüringen rein faktisch zu ändern oder auch in irgendeiner Form zu verbessern.“ Diese Begründung – ich weiß, das wird jetzt ein bisschen hart klingen – ist so ungefähr auf dem Niveau der Bundeskanzlerin, die mit hilflosen Phrasen wie „nicht hilfreich“, „alternativlos“ gern eine Argumentation in der Sache vermeidet. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht zu sagen, dies oder jenes oder das müsste anders geregelt werden, sondern Sie haben von vornherein diese Debatte über den Gesetzentwurf abgewürgt. Dabei sollten Sie natürlich wissen, dass eine faktische Verbesserung der Situation in der Folge einer neuen, gerecht geregelten Lastenverteilung selbstverständlich eintreten würde, ebenso wie durch die Neuregelung der vollständigen Übernahme der Kosten. Das wissen Sie schon deshalb, weil genügend Bürgermeister in Ihren Reihen sind.

Wissen Sie, uns als AfD ist es am Ende egal, aus welchen Gründen Sie die inhaltliche Diskussion und die Mitwirkung an einer Novellierung dieses wichtigen Gesetzes meiden. Aber den bisherigen CDUWähler wird es sehr interessieren, warum Sie bei Unterbringungsund Versorgungsstandards für Asylbewerber keinen Handlungsbedarf sehen und sich einer rechtzeitigen Mitwirkung verweigern. Glauben Sie mir, wir werden dafür sorgen, dass sich der Wähler diese Frage stellt.

(Beifall AfD)

Kommen wir nun zu Ihnen, Herr Lauinger. Sie meinten das letzte Mal, dass auch aufseiten der Landesregierung keinerlei Anlass bestünde, über diesen Gesetzentwurf der AfD ernsthaft nachzudenken. Ich glaube, mit der Aussage haben Sie im letzten Plenum unbeabsichtigterweise das Hauptproblem Ihrer rot-rot-grünen Koalition offengelegt.

(Abg. Muhsal)

(Beifall AfD)

Ohne ernsthaft nachzudenken und möglicherweise sogar ohne ernsthaft nachzulesen, hatten Sie behauptet, dass wir mit unserem Gesetzentwurf fordern würden, dass der Landtag konkret die Zahl der jeweils in einem Landkreis bzw. in einer kreisfreien Stadt unterzubringenden Asylbewerber festlegen solle. Doch da liegen Sie natürlich falsch, mittlerweile wissen Sie das sicherlich auch. Unser Gesetzentwurf ändert ausschließlich die Vorgaben für den Verteilungsschlüssel. Selbst die konkrete Erstellung des Schlüssels bleibt Ihre Aufgabe als zuständiger Minister, so wie natürlich die Anwendung des Schlüssels Aufgabe der Landesverwaltung bleibt. Sie sehen also, wir haben die Gewaltenteilung sehr gut verstanden.

(Beifall AfD)

Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit allgemeinen Vorgaben zur Verteilung der Asylbewerber wäre im Übrigen auch dringend geboten. Gerade kleinere Kommunen sind mit der heutigen Verteilungspraxis völlig überfordert. Rockensußra im Kyffhäuserkreis beispielsweise hat 250 Einwohner und aktuell 94 Asylbewerber, Linderbach – ein dörflicher, abgeschlossener Vorort Erfurts – soll mehr als 300 Asylbewerber aufnehmen und das bei 830 Einwohnern und in Reinsdorf sollen 200 Asylbewerber in einem Ort mit 750 Einwohnern leben. Wie soll denn bei solchen Verhältnissen auch nur zeitweise eine Integration von Asylbewerbern funktionieren, wenn diese mancherorts ein Drittel oder noch größere Anteile der Einwohner stellen? Dies angesichts der Tatsache, Frau Rothe-Beinlich, dass diese dörflichen Gemeinschaften, erstens bisher weder Erfahrungen mit Ausländern hatten – jedenfalls in aller Regel – und zweitens nicht ansatzweise dazu in der Lage sind, das mittlerweile offenkundige, ethnisch-kulturelle bzw. religiöse Konfliktpotenzial in den Griff zu bekommen oder zu verwalten. Es ist nicht verwunderlich, dass sich vor diesem Hintergrund Protest regt, vor allem wenn Ihre Antwort auf diese Fragen allein in Phrasen über eine vermeintlich fehlende Willkommenskultur besteht.

Auch, dass Sie sich fraktions- und lagerübergreifend von der Linken bis zur CDU gemeinsam einer notwendigen parlamentarischen Diskussion über die Standards der Asylbewerberunterbringung trotz der bereits überall erkennbaren Eingriffe in das öffentliche Leben und deren offenkundige Missbilligung durch die Bevölkerung verweigern, spricht Bände. So ist eine Belegung von Schulen und Turnhallen ein massiver Eingriff in das Leben unserer Bürger. In Thüringen werden zwei Förderschulen, nämlich in Waltershausen und in Heiligenstadt, zur Unterbringung von Asylbewerbern genutzt, die Schüler müssen teilweise ausweichen, zum Teil auch unter Inkaufnahme besonders langer Anfahrtswege. Nach Information des Landessport

bunds werden zurzeit neun Turnhallen für die Asylbewerberunterbringung verwendet. Das scheint für die Landesregierung trotz der bekannten Probleme unserer immer bewegungsärmer werdenden Gesellschaft nichts zu bedeuten. Der Ausfall von Schul- und Vereinssport, der die Kinder und Jugendlichen zu mehr Bewegung und zu einer aktiven Lebensweise motivieren soll, ist keine Lappalie. Im Jahr 2013 waren 52 Prozent der Erwachsenen in Deutschland übergewichtig, hier im Raum sind es wahrscheinlich noch viel mehr.

(Beifall AfD)

Deutschland gehört weltweit zur Spitzengruppe, was den Anteil von Übergewichtigen an der Gesamtbevölkerung angeht. Es ist daher geradezu grotesk, dass Schulsporthallen zur Unterbringung von Asylbewerbern genutzt werden. Auch kann die durch das Land verstärkte Förderung von Sportangeboten für Asylbewerber wohl kaum erfolgreich greifen, wenn die Turnhallen, die dafür erforderlich sind, als Asylbewerberheime genutzt werden.

(Beifall AfD)

Im Übrigen ist es so, dass Großraumunterkünfte wie Turnhallen auch aus ganz anderen Gründen eine Gefährdung des öffentlichen Wohls darstellen. In solchen Großraummassenunterkünften können sich Viren und Infektionskrankheiten besonders schnell verbreiten. Bisher hatten wir Glück, dass sich die drei Tuberkuloseverdachtsfälle in Erfurt nicht bestätigt haben, woanders ist es schon zu TBC-Ausbrüchen gekommen. Beispielsweise ist ein Mitarbeiter eines Asylbewerberheims in HamburgBramfeld an Tuberkulose erkrankt und eigentlich sollte dies aufgrund der medizinischen Erstuntersuchung vermieden werden. Aber Sie kennen alle die langen Schlangen, die großen Wartezeiten und Sie wissen natürlich auch, dass Asylbewerber zum Teil auch auf eigene Faust einfach weiterreisen, dass Ihnen also die Kontrolle über diese ganzen Vorgänge schon längst entglitten ist.

Mit der Nutzung völlig ungeeigneter Turnhallen als Massenunterkünfte schaffen Sie angesichts der sowieso bereits erhöhten Ansteckungsgefahr unter Asylbewerbern – die sind gesundheitlich oft genug schon angeschlagen – gerade in der nun aufkommenden feuchtkalten Jahreszeit ideale Ausgangsbedingungen für die rasche Ausbreitung aller möglichen Infektionskrankheiten, da brauchen wir gar nicht auf der Stufe von TBC anzufangen, das gilt eben auch für Grippe- oder Noroviren. Das wird übrigens nicht nur die Asylbewerber betreffen, sondern selbstverständlich auch die Anwohner, die durch die gemeinsame Nutzung von Einkaufsmöglichkeiten und Verkehrsmitteln natürlich auch dieser Ansteckungsgefahr unterliegen. Und für all das, meine Damen und Herren, tragen Sie die Verantwortung. Weil Sie trotz des absehbar hohen Gefahrenpotenzials

(Beifall AfD)

untätig bleiben, eine parlamentarische Diskussion über diese Vorgänge verweigern und statt entsprechende Fehler – wie die Schaffung von Großraumunterkünften in Turnhallen – rückgängig zu machen, entsprechende Warnhinweise als vermeintlich populistische Panikmache diffamieren. Danke.

(Beifall AfD)

Das Wort hat Abgeordnete Lehmann, Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, natürlich beschäftigen wir uns inhaltlich hier mit allen Gesetzentwürfen und Anträgen ordentlich, auch wenn das vielleicht nicht jeder Gesetzentwurf gleichermaßen verdient hat. Dass wir uns inhaltlich mit diesem Gesetzentwurf schon befasst haben, das können Sie zum Beispiel auch im Plenarprotokoll der vergangenen Plenarsitzung nachlesen. Da hat nämlich meine Kollegin Sabine Berninger schon sehr ausführlich ihre Zweifel ausgeräumt, dass die Ermächtigungen zum Erlass der Flüchtlingskostenerstattungsverordnung nicht hinreichend bestimmt sind. Wenn Sie sich daran nicht erinnern, lesen Sie das gern noch mal nach.

Deswegen will ich mich an der Stelle auch nur auf zwei Punkte beschränken, nämlich zum einen auf die Forderung, dass es eine Zustimmungspflicht des Landtags beim Erlass von Rechtsverordnungen gemäß des Flüchtlingsaufnahmegesetzes geben muss, und die Frage eines neuen Verteilungsschlüssels bei der Zuweisung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern an die Kommunen, die sich dann an der Finanzkraft und nicht an der Einwohnerzahl orientieren sollen.

Die Frage der Zustimmung zur Rechtsverordnung durch den Landtag ist an und für sich eine paradoxe Forderung, denn warum gibt es denn Rechtsverordnungen? Die dienen dazu, dass es eine flexible und verwaltungsnahe Ausgestaltung von Gesetzen durch die Exekutive, also durch die Landesregierung, geben kann, und der Landtag als Gesetzgeber behält natürlich seine Kontrollmöglichkeit. Er bleibt jederzeit regelungsbefugt und kann über die Materie von Rechtsverordnungen bestimmen. Ihm bleibt auch unbenommen, die Änderung oder Aufhebung von Ermächtigungen oder eben die Materie selbst zu regeln. Damit ist dieser Vorschlag weder notwendig noch sinnvoll.

Und zur Frage des Verteilungsschlüssels: Der aktuelle Verteilungsschlüssel ist mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt. Die sind damit einverstanden. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, die

sen zu ändern, auch weil die Kosten an die Kommunen über festgelegte Pauschalen erstattet werden. Das heißt, die Finanzkraft der Kommunen oder das Argument der Finanzkraft der Kommunen funktioniert als Argument hier nur bedingt. Deswegen werden wir den Gesetzentwurf seitens der Koalitionsfraktionen ablehnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat Abgeordneter Herrgott das Wort.

Meine sehr verehrte Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass ich hier schon mit der Kanzlerin auf eine Stufe gehoben werde, das ehrt mich sehr.

(Beifall CDU)

Ich kann das Kompliment von der AfD allerdings nicht annehmen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Mir per- sönlich wäre das peinlich!)

Herr Brandner, Ihnen kann einiges peinlich sein, das wissen wir hier in diesem Haus, abgesehen von diesen Vergleichen, aber das Kompliment der AfD muss ich leider zurückgeben. Ich glaube, es ist nicht redlich, wenn Sie einschätzen, ob die Kanzlerin mit mir auf einer Stufe steht oder ich mit der Kanzlerin, und deswegen gebe ich das an der Stelle deutlich zurück. Herzlichen Dank.

(Heiterkeit SPD)

Zu Ihrem Gesetzentwurf haben wir heute nicht viel Neues gehört, leider, was wir nicht in der letzten Beratung schon gehört haben. Der Erkenntnisgewinn ist an dieser Stelle sehr, sehr übersichtlich und es gilt das, was ich beim letzten Mal gesagt habe: Wir als CDU-Fraktion erachten diese Vorschläge nicht als geeignet, um hier eine entsprechende Verbesserung herbeizuführen. Hier gilt es, eine intensive Diskussion parteiübergreifend, wie ich es vorhin schon gesagt habe, im Licht der aktuellen Ereignisse zu führen. Den singulären Vorschlag hier der AfD-Fraktion, der in vielen Fällen und in vielen Bereichen nicht wirklich durchdacht ist, den lehnen wir ab. Deswegen sage ich an dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank für die Komplimente. Das war ja nicht das erste heute, sondern es gab ja vorhin schon Komplimente. Ich finde es ganz gut, heute werde ich von hier drüben gelobt, das letzte Mal von der Regierungsfraktion. Es ist immer schön, wenn man Komplimente bekommt.

Es gibt eine Zwischenfrage, Frau Präsidentin.

(Abg. Möller)

(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Nein!)

Was? Doch keine Zwischenfrage. Ach so, jetzt soll ich das hier noch ein bisschen in die Länge ziehen! Aber das mache ich nicht.

Ich habe zu dem Gesetzentwurf der AfD-Fraktion hier alles gesagt und dem gibt es auch nichts hinzuzufügen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Dann fas- sen Sie es noch einmal zusammen!)