Protokoll der Sitzung vom 01.10.2015

Aber all das, auch die Auseinandersetzung mit der Bundesregierung, befreit die Landesregierung hier

nicht, eigene Aufgaben zu erledigen. Dazu gehört eben auch, jetzt im Haushalt nachzuarbeiten. Wenn der Asylkompromiss beschlossen wird – und im Zweifelsfall wird er auch beschlossen, weil andere in der Landesregierung verantwortlicher umgehen und die Zustimmung organisieren, es wird in diesen Tagen dazu viel verhandelt und gesprochen –, dann erwarten wir aber, dass Sie bis zur Verabschiedung des Landeshaushalts die Einnahmen aus dem Asylkompromiss in diesem Landeshaushalt darstellen. Und wenn knapp 170, vielleicht rund 200 Millionen Euro aus dem Asylkompromiss in die Kassen des Freistaats Thüringen jedes Jahr gespült und dann wieder auf der anderen Seite ausgegeben werden, weil die Aufgabe dahinter steht, dann muss das wegen des Grundsatzes der Klarheit und Wahrheit im Landeshaushalt abgebildet werden. Wenn Sie die gesetzlichen Lagen kennen, dann erwarten wir von Ihnen Nachbesserung. Es ist nicht alles drin. Sie tun so, als sei alles drin. Wir wollen, dass alles drin ist, weil wir auch transparent und nachvollziehbar sehen wollen, dass jeder Euro, der vom Bund kommt und der durch Ihre rot-rotgrünen Kassen geht, auch bei den Kommunen ankommt, nämlich dort, wo die Aufgabe tatsächlich erledigt wird. Das erwarten wir von Ihnen. Das wollen wir transparent nachvollziehbar sehen und nicht ihren Wolkenbehauptungen hinterherhecheln, wo Sie sagen, alles Geld kommt an. Die Landräte und die Bürgermeister in diesem Land wissen, was in ihren Kassen ist. Und sie wissen, es kommt zu wenig an für die Aufgabenerfüllung, wo Sie die Kommunen in die Aufgabe gesteckt haben.

(Beifall CDU)

Natürlich lassen Sie die Kommunen an dieser Stelle hängen. Wir erinnern uns noch gemeinsam an den kommunalen Flüchtlingsgipfel, als wir uns verabredet haben, gemeinsame Aufgaben jetzt anzugehen, die man aus Thüringer Sicht lösen kann. Was haben Sie gemacht? Nicht mal 48 Stunden nach dem kommunalen Flüchtlingsgipfel konnten die Landräte aus dem Radio erfahren, dass sie plötzlich eine neue Aufgabe bekommen haben, nämlich die Abschiebung der Flüchtlinge jetzt alleine zu organisieren.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die haben es vorher schon ge- habt!)

Plötzlich sei das Land Thüringen nur noch Servicestelle. Ich will sagen, wir wollen nicht, dass Sie Servicestelle sind. Wir wollen, dass Sie Ihre Aufgaben wahrnehmen und nicht den Kommunen neue Aufgaben geben, wo die gar nicht wissen, wie sie damit zurechtkommen sollen, sondern sie unterstützen bei diesen Aufgaben und nicht alleine lassen bei dieser Bewältigung dieser großen Flüchtlingsstromaufgabe.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben ja keine Ahnung von der Rechtslage!)

Dann haben Sie doch wirklich diese ganzen Wochen, seitdem Sie das angekündigt haben – Migrationsminister und Innenminister haben gesagt, ab sofort sind die Landkreise für die Abschiebung zuständig und nicht mehr wir, wir helfen gern noch beim Ticketbuchen, das war die Aussage –, bis zum heutigen Tage nicht genutzt, um die Verfahrenswege auf den Weg zu bringen. Vorgestern haben Sie die Kommunen eingeladen, um heute über die Verfahrensregeln zu sprechen. Es fällt auf, immer dann, wenn Landtagssitzung ist, werden Sie plötzlich aktiv. Beim letzten Mal haben Sie vier Leute für zwei Wochen in der zentralen Abschiebestelle eingestellt. Heute ist Ihnen nichts anderes eingefallen, als mal schnell die Spitzenverbände in einer kurzen Frist einzuladen, weil Sie vergessen haben, die Verfahrenswege auf den Weg zu bringen. Ich kann nur sagen, auch in diesen schwierigen Tagen: Sie müssen zu einem koordinierten und längerfristigen und verlässlichen Verfahren kommen, nur das hilft den Kommunen bei der Bewältigung ihrer Arbeit.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, wenn dieser Doppelhaushalt wirkt und zu Ende geht, 2016/2017, dann wissen alle, es gibt nur noch einen Doppelhaushalt 2018/2019, dann ist die Wahlperiode schon wieder zu Ende.

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Das sind ja noch vier Jahre!)

Drei Jahre und neun Monate ab heute, es geht also schneller. – Dann ist das schon wieder zu Ende, was Sie leisten konnten.

Dann frage ich mich, wenn das alles ist im Doppelhaushalt 2016/2017, dass Ihnen nichts einfällt außer Konten leerzuräumen, außer Steuern zu erhöhen, außer Abgaben zu erhöhen, als die Menschen mit neuen Aufgaben zu belasten, wenn das alles ist: Was soll dann in einem Haushalt, der nahe an dem Wahltermin liegt, für 2018/19 passieren? Dann setzen Sie genau diesen unseriösen Kurs fest. Dann wird die Bilanz am Ende der Wahlperiode sein müssen – und ich hoffe, Sie steuern rechtzeitig um, weil es um die Zukunft dieses Landes geht, aber ich will Ihnen sagen, wenn Sie nicht umsteuern, dann steuern Sie dieses Land in die finanzielle Handlungsunfähigkeit hinein, weil dann das Geld alle ist, die Steuer bis zum Maximum erhöht, die Ausgaben aufgebläht und keine Idee für eine schlankere Verwaltung auf den Weg gebracht wurde. Es wäre der falsche Weg. Wenn Sie den Weg richtig gehen, dann helfen wir Ihnen gern dabei, dann reichen wir Ihnen auch die Hand aus der Opposition für ordentliche Mehrheiten in diesem Land

tag. Aber Sie müssen den Weg der Verantwortung gehen und sich nicht jeden Tag bei jeder Entscheidung in die Büsche schlagen. Wenn Sie das machen, dann geht das auf, was wir vermuten, dann wird diese Viererkoalition von Rot-Rot-RamelowGrün viel gehen, aber nicht den richtigen Weg für diesen Freistaat. Dieser Haushalt steuert in die falsche Richtung. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordnete Susanne Hennig-Wellsow das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Viel Lärm um nichts, trifft – glaube ich – am besten, was Mike Mohring gerade gemacht hat.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn man mal die Seele von Mike Mohring vom Populismus etwas befreit und abklopft, bleibt nichts weiter übrig, als dass man sagen kann, er hat so viel Ahnung vom Haushalt wie ein Hahn vom Eierlegen.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

Dass lediglich das Anwanzen an SPD und Grüne übrig bleibt, das bringt mir ein müdes Lächeln ins Gesicht. Aber Vorschläge habe ich nicht einen gehört.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Nicht einen!)

(Beifall DIE LINKE)

Ich bin gespannt, ob die flammende Rede, die wir heute gehört haben, auch in sehr konstruktive Haushaltsänderungsanträge einfließt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, heute liegt der Entwurf des Doppelhaushalts 2016/2017 vor. Natürlich trägt er einen politischen Gestaltungsanspruch. Wir wollen natürlich Thüringen fit machen für die Zukunft und dabei ist klar: Wir gestalten, wir verändern mit Augenmaß und stellen uns den aktuellen Herausforderungen. Der Haushaltsentwurf enthält an vielen Stellen eine veränderte Handschrift – natürlich –, wir haben ja auch eine andere Landesregierung, eine andere politische Agenda und die setzen wir auch mit dem Haushalt um: Mehr Geld für Schulinvestitionen, eine transparentere und höhere Finanzierung unserer Kindereinrichtungen, mehr Geld für freie Schulen, 1.000 Lehrerinnen und Lehrer in den nächsten zwei Jahren werden an den staatlichen Schulen eingestellt. Wir wenden uns

stärker der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit auch älterer Menschen zu, wir stärken die Demokratie mit der Erhöhung der Mittel für das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit. Rot-Rot-Grün und die sie tragenden Fraktionen stellen sich natürlich auch den aktuellen Herausforderungen. Vieles ist in der Welt in Bewegung, vieles nicht im Guten. Viele Länder der Welt versinken in Barbarei, die Menschen fliehen um das nackte Überleben. Wir möchten aus vielen, allen voran aber humanitären Gründen die zu uns kommenden Menschen integrieren, Thüringen als weltoffenes Land präsentieren und auch und gerade mit dieser Politik Thüringen und unser Land stark machen für die Zukunft und nicht nur die Risiken betonen, sondern vor allem auch die Chancen sehen.

(Beifall DIE LINKE)

Natürlich fällt die Erstellung des Doppelhaushalts 2016/2017 in eine unruhige Zeit. Die Landesregierung muss auf diese Lage reagieren und sie hat reagiert. In den letzten Wochen wurden viele Zahlen korrigiert. Genaue Prognosen einer künftigen Entwicklung fallen schwer. Der Bund hat seine Zahlen ständig nach oben korrigiert und ob wir am Ende der Fahnenstange angekommen sind, wissen wir nicht.

Bei den finanziellen Fragen ist nun ein erster Kompromiss gefunden, ein Gesetzentwurf ist noch nicht abgestimmt. Ich möchte jedenfalls der Landesregierung danken, dass sie so gut wie möglich den Haushalt nach den Maßstäben von Klarheit und Wahrheit eingebracht hat. Wir werden die Entwicklung natürlich auch kritisch begleiten. Keiner geht gern an die Rücklage, aber wir haben auch schon in der Vergangenheit dieses Instrument verteidigt, als beispielsweise der Vorgänger von Frau Taubert, Herr Finanzminister Voß, die Rücklage am Parlament vorbei auflöste – 200 Millionen Euro –, um sie in die Schuldentilgung zu stecken.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will es mit aller Klarheit sagen: Hätten wir dieses Geld nicht zurückgeholt, dann wären wir in der derzeitigen Herausforderung, vor der Thüringen steht, jetzt schon in der Situation, dass wir über eine neue Schuldenaufnahme nachdenken müssten. Wir sind es aber nicht. Wir haben einen Landeshaushalt aufgestellt, der solide und seriös ist. Andere Bundesländer haben nicht mal eine Rücklage – ich erinnere an Hessen. Ich glaube, es ist der Ministerpräsident Bouffier, CDU, der jetzt neue Kredite aufnimmt, ich glaube, von 1 Milliarde Euro ist die Rede.

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Hessen ist ein Geberland!)

Ich will nur noch einmal klarmachen, dass ich deutlich gesagt habe, dass der Doppelhaushalt 2016/

(Abg. Mohring)

2017 ohne Neuverschuldung auskommt, dass wir ihn seriös aufgestellt haben. Dass ich aber eine Schuldenbremse nicht als Wert an sich ansehe, das dürfte kein Geheimnis sein, das ist auch vor dieser Legislatur so gewesen.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Deswegen ist es trotzdem falsch, Frau Hennig!)

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Da klatscht nicht mal die eigene Fraktion!)

Ich will noch mal an das Bundesgeld erinnern, was Mike Mohring als einzigen Punkt sieht, um dem sogenannten Asylkompromiss zuzustimmen. Ich weiß nicht, ob Sie schon die Stellungnahme der EKD und des Kommissariats der deutschen Bischöfe gelesen haben: Geld ist nicht alles im Leben. Es geht auch um humane Werte, es geht um Werte, wenn es darum geht, Flüchtlinge aufzunehmen.

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

Die Kirchen finden deutliche Worte, was die Verschärfung der Asylgesetzgebung in Deutschland angeht und sie lehnen es ab.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will auch daran erinnern, dass es die CDU mit ihrer Auslandspolitik ist, die auch für eine Verschärfung der Situationen international gesorgt hat. Ich erinnere an Rüstungsexporte und Ähnliches.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, oftmals wird in politischen Diskursen versucht, Flüchtlinge gegen die hiesige Bevölkerung auszuspielen. Es werden Botschaften unterzujubeln versucht, die in etwa lauten, um es zusammenzufassen: Wegen der Flüchtlinge geht dieses und jenes nicht mehr. Wir als Linke verweigern uns dieser Argumentation. Wir halten sie für falsch und wollen mit Argumenten dagegen überzeugen.

(Beifall DIE LINKE)

Dies sieht man besonders deutlich, wenn man die Haushalte 2014, da war die CDU noch mitverantwortlich, und 2017 vergleicht. Weil die Opposition immer wieder vom angeblich aufgeblähten Haushalt spricht, will ich den Aufwuchs mal untersetzen, also immer den Vergleich zum Jahr 2017 und 2014. 470 Millionen Euro sind die realistischen Mehrausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. 60 Millionen Euro geben wir für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus. 300 Millionen Euro resultieren aus Personalmehrausgaben wegen der Tarif- und Besoldungsanpassung, und das, obwohl in diesen drei Jahren 717 Stellen abgebaut wurden. Ein Plus von 50 Millionen Euro verzeichnen die Hochschulen. Das sind 12 Prozent mehr innerhalb von drei Jahren. Die BAföG-Darlehen an Studieren

de waren 2014 gar nicht im Haushalt, weil das Geld bei der Thüringer Aufbaubank geborgt wurde. Wenn wir über Haushaltstricks reden, dann: Seit 2015 machen wir eben keine Schulden mehr in solchen Schattenkrediten, sondern veranschlagen korrekt und ehrlich 14 Millionen Euro. Übrigens hat die TAB das Geld nicht geschenkt. Für das Verschwinden der BAföG-Darlehen aus den Landeshaushalten 2014 zahlen wir in diesem Haushalt mehr als 25 Millionen Euro. Auch das ist eine Leiche im Keller der CDU-Finanzpolitik.