Protokoll der Sitzung vom 02.10.2015

(Minister Dr. Poppenhäger)

wieder gründen. Von dieser Wiedergründung ausgehend haben sich die Landkreise gebildet. Wir hatten eine ganze Zeit, in der die Landkreise, ich sage mal, allein regieren konnten, weil hier die Regierung noch gar nicht so weit war. Aber es hat sich deutlich gezeigt, die Menschen im Lande, sie haben darauf gewartet, sie wollten dieses Wieder-gemeinsam-nach-vorn-Gehen und Wieder-gemeinsam-Entscheiden. Damals haben sich eben kleinere Kreise gebildet, das war der Zeit geschuldet, irgendwo so 30.000er/40.000er und ähnliche Kreise. Die Kommunen waren verhältnismäßig klein, weil sie sich natürlich nach ihren alten Vorbildern wieder gegründet hatten. Ich denke, das sollte man einfach nicht vergessen. Nach einigen Jahren haben wir uns dann entschlossen, wir gehen eine Verwaltungs-/Gebietsreform an. Das war vor allen Dingen, dass wir gesagt haben, wir müssen größere Einheiten bilden. Ich verweise darauf, welche Größenordnungen wir hatten. Ich habe es gerade genannt, das waren teilweise 30.000/40.000. Wir haben uns auf den Weg gemacht und der war nicht einfach. Wir haben das noch entschieden in der alten Baracke, also im alten Plenarsaal. Dort ging es einfach darum, bei mir zum Beispiel, drei Landkreise zusammenzufügen. Dann ging es darum, einen Kreissitz zu finden. Auch das hat viele bewegt und viele umgetrieben, denn die hatten alle einen Kreissitz. Dann musste man aus den dreien noch eine Kreisstadt finden, zum Beispiel. Das war nicht einfach. Ich denke, genauso war es, als es darum ging, dass wir uns um die Kommunen damals gekümmert haben, denn auch die Kommunen hatten bestimmte Größenordnungen, bei denen vielleicht der eine oder andere sagt, auch der Innenminister und die Koalition, dass die Kommunen nicht groß genug seien. Was haben wir damals gemacht? Wir haben das Instrumentarium der Verwaltungsgemeinschaft geschaffen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das hat gut funktioniert!)

Ich denke, das war eine sehr gute Entscheidung,

(Beifall CDU)

denn damit haben wir es unseren Kommunen ermöglicht, selbstständig zu bleiben, aber sich gemeinsam zu verwalten. Meine Damen und Herren, es hat sich im Land bewährt, circa 80 Prozent unserer Kommunen sind in Verwaltungsgemeinschaften organisiert.

(Beifall CDU)

Und jetzt will die Koalition dieses zerstören, dieses auseinandernehmen, das ganze Land anzünden, damit die gesamten Kommunen hier in Aufruhr geraten.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Jetzt zügeln Sie sich mal in Ihrer Wortwahl!)

(Beifall CDU)

Ich und meine Fraktionen finden das einfach nicht in Ordnung.

(Unruhe DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, dieses Land hat sich in den letzten Jahrzehnten, denke ich, gut entwickelt. Das Land ist gut aufgestellt, unsere Kommunen können sich sehen lassen, wir stehen gut da.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das hat sich aber gestern anders angehört!)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ge- nau!)

Ich versuche einfach, heute nicht zu antworten, sondern ich sage meine Dinge, die mir wichtig sind.

Meine Damen und Herren, ich habe das bewusst an den Anfang gestellt, damit wir auch noch mal darüber nachdenken, wie sich das Land entwickelt hat, wie sich die Kommunen entwickelt haben. Denn die Kommunen sind unsere Grundlage, nichts anderes ist die Grundlage, die haben unmittelbar mit den Menschen zu tun. Die bekommen unmittelbar sämtliche Sorgen auf den Tisch und müssen sehen, wie das Ganze weitergeht. Ich war nicht umsonst 25 Jahre ehrenamtlicher Bürgermeister, nicht, um mir irgendwas ans Revers zu heften, sondern um vor Ort zu erleben, was die Menschen zu unseren Beschlüssen hier sagen. Ich habe mir viel anhören müssen in den 25 Jahren, was wir hier alles für Zeug entschieden haben, wozu viele anderer Meinung waren. Aber im Grundsatz haben wir es möglich gemacht, dass sich das Land so entwickelt hat, wie es heute dasteht. Darauf können wir, die das mit auf den Weg gebracht haben, schon ein bisschen stolz sein.

(Beifall CDU)

Wir alle – nicht nur wir –, die kommunale Familie – denn das ist und bleibt das Rückgrat des Landes –, hat dieses Land aufgebaut, hat dieses Land entwickelt und wir haben die Rahmenbedingungen dazu geschaffen. Ich denke, das sollten wir bei alledem nicht vergessen, dass ohne die kommunale Familie hier viele Dinge nicht so wären, und diese kommunale Familie wird sich auch wehren.

(Beifall CDU)

Jetzt will ich vielleicht noch mal auf einige Punkte eingehen. Meine Damen und Herren, ich kann nicht erkennen, dass das ein Leitbild ist, sondern für mich ist es eine Gebietszusammenlegung, nichts anderes.

(Beifall CDU, AfD)

Ich denke, das Leitbild ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht.

(Beifall CDU)

Nur eine Woche, dann ist das Leitbild schon wieder Makulatur. Erst wurden in dem Leitbild von Minister Poppenhäger folgende Zahlen veröffentlicht, er hat es noch mal genannt: Gemeindeuntergrenzen 6.000 bis 8.000, Landkreise zwischen 130.000 und 200.000 Einwohnern, kreisfreie Städte mindestens 100.000, Kreisgrößen bis 2.500 Quadratkilometer, kreisfreie Städte usw. habe ich genannt.

Meine Damen und Herren, hier zeigt sich, dass der Verfall sehr kurz ist, denn gestern wurde bekannt, dass Die Linke ab 2018 deutlich größere Gemeindeund Kreisgrößen anstrebt; Gemeinden ab 10.000 Einwohner, Kreise zwischen 175.000 und 300.000 Einwohner. Meine Damen und Herren, mit dieser Maßgabe zeigt sich erstens die Zerrissenheit in dieser Koalition

(Beifall Abg. Gentele, fraktionslos)

und es wird jetzt schon wieder dem zuständigen Kommunalminister der Boden unter den Füßen weggezogen. Er hat sein Leitbild vorgelegt. – Lieber Herr Ministerpräsident Bodo Ramelow, ich mache gern immer mal so ein Seitengespräch und dafür habe ich auch viel übrig. Das habe ich selbst mit Lieberknecht und mit Althaus, die hier saßen, gern gemacht. Wenn sie mal meinten, ich sage was Falsches, habe ich meine Meinung trotzdem durchgesetzt.

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Wir dürfen auch unsere Meinung sagen!)

Ja, die könnt ihr haben. Dagegen habe ich nichts.

Meine Damen und Herren, das zeigt doch eigentlich Zerrissenheit in dieser Koalition, wo wir jetzt stehen. Lieber Herr Ministerpräsident, lieber Bodo Ramelow, 2013 hast du schon angekündigt, dass acht Landkreise Realität werden sollen – damals schon angekündigt. Wie will Ministerpräsident Bodo Ramelow bei all diesen Zahlen die von ihm erklärte Bestandsgarantie für das Eichsfeld erhalten? Dieser Kreis hat nur circa 100.000 Einwohner. Will er hier mit Extrawürsten vielleicht die CDU-Hochburg Eichsfeld ködern? Auch mit den paar katholischen Dörfern aus Unstrut-Hainich, die er dem Eichsfeld vielleicht zuschlagen will, kommt der Kreis trotzdem nicht auf 130.000 Einwohner. Ich gehe von den alten Zahlen aus.

(Beifall CDU)

Man sollte sich hier nicht fangen lassen, auch nicht im Eichsfeld, dass man Zusagen macht, die am Ende nicht mal das eigene Leitbild hergeben. Aber es wurde in den Raum gestellt und versprochen.

Meine Damen und Herren, wir haben hier ein illusorisches Vorhaben ohne parallele Verwaltungsreform. Natürlich, wir haben die Einwohnerprognosen für 2035, das soll zulässig sein. Daran mache ich aber zwei, drei dicke Fragezeichen. Einwohnerzahlen sagen nichts über Leistungsfähigkeit aus, die

sagen null darüber aus. 130.000 Mindesteinwohner pro Kreis oder gar 300.000 sind eine völlig willkürliche Zahl. Warum nicht 120.000, 150.000? Kreise mit 300.000 sind lebensfremd und unverantwortlich. Würde das umgesetzt, würden bürgerfremde Strukturen entstehen. Das sollte man sich einfach mal vor Augen führen, was man hier vorhat. Dann kommt man bei Landkreisen in Größenordnungen so irgendwo in die Richtung vom Saarland. Ich stelle mir vor, als Kreisrat, ich sitze in meinem Kreistag und soll bei so einem riesigen Gebilde über Schulstrukturen entscheiden, wo wird eine Straße gebaut etc. pp. Ich stelle mir vor, dass hier gerade auch – wozu das weiterführt, das wird einfach gar nicht benannt –, die gesellschaftlichen Strukturen, die sich im Lande gut entwickelt haben, vollständig zerstört werden. Ich erinnere daran: Wir haben heute in den Landkreisen überall Kreisfeuerwehrverbände, Kreissportverbände und, und, und. Ich könnte 20 an der Zahl aufzählen. Am Ende werden diese Strukturen zerstört. Wer soll sich denn noch in so einen Kreistag setzen und dazu noch Entscheidungen treffen? Das kann ich mir nicht vorstellen und das will ich mir nicht vorstellen.

(Beifall CDU; Abg. Gentele, fraktionslos)

Meine Damen und Herren, ich will einfach nur mal versuchen, darauf hinzuwirken, was dort eigentlich alles folgt. Bestehende Strukturen werden hier willkürlich kaputt gemacht. Im 25. Jahr der Einheit wird versucht, das Land in Riesenstrukturen zu pressen, in ein Korsett zu pressen. Ich will daran erinnern, meine Damen und Herren, wir sind hier nicht in Sachsen. Sachsen war schon immer ein Königreich. Dort ging die Welt ganz anders und da konnte man einfacher bestimmte Dinge durchsetzen.

(Beifall AfD)

Wir sind in Thüringen. Wir waren schon immer kleinteilig. Wir haben uns schon immer gewehrt und haben uns von der Obrigkeit nichts gefallen lassen.

(Beifall CDU, AfD)

Ich sehe das hier wieder genau so kommen. Die kommunale Ebene wird sich wehren und wird sich das nicht gefallen lassen.

Meine Damen und Herren, ich will Sie noch einmal daran erinnern, nur wenige Stunden nach Bekanntwerden des Leitbilds haben sich auch Vertreter der Linkspartei von der vereinbarten Linie distanziert. Ich denke an Petra Enders. Auch Michaele Sojka äußerte sich kritisch gegenüber den Plänen der Landesregierung. Die Bildung von Großkreisen bis 2018 sei zu rasch. Sojka plädierte in der TA für eine Neugliederung erst nach der nächsten Wahlperiode 2019. Ähnlich äußerte sich Frau Enders: Thüringen sei momentan mit der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen ausgelastet.

Meine Damen und Herren, auch der Landkreistag, auch wenn sich einige SPD-Landräte, die sich wahrscheinlich unter die Parteidisziplin haben bringen lassen, anders äußern,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Und die von der CDU nicht?)

auch andere sich wider besseres Wissen unter diese haben bringen lassen, hoffe ich, dass die Kreistage vor Ort den Landräten etwas anderes erzählen und ihnen sagen, dass sie für ihren Kreistag da sind und nicht für die Parteipolitik und nicht für

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Das sind doch Drohungen!)

Bodo, ich lasse mich heute nicht aus der Ruhe bringen.

Herr Ministerpräsident, ich bitte alle Abgeordneten, sich hier an die Gepflogenheiten zu halten. Der Regierung kann ich es natürlich nicht empfehlen, aber es wäre schön, wenn Sie sich vielleicht auch daran halten und sich melden, wenn Sie dran sind.

(Beifall CDU, AfD)

Meine Damen und Herren, selbst nachdem sich die Landkreise und alle geäußert hatten, auch der Gemeinde- und Städtebund hat sich klipp und klar dazu geäußert und sagt, so kann es nicht gehen. Jetzt muss ich leider etwas sagen, was mir heute sehr schwer fällt, weil der Herr Kollege Kuschel heute früh schon wieder angefangen hat rumzuerzählen – ich will mal ein vornehmes Wort nehmen –, dass er vielleicht in einigen Punkten recht hat. Vor einer Gebietsreform muss eine Verwaltungs- und Funktionalreform stehen. Wenn man überhaupt so etwas angehen will und muss, dann muss dieses auf den Tisch und dann muss dieses umgesetzt werden, damit man überhaupt erst einmal weiß, ob es dann noch ein Landesverwaltungsamt gibt. Bis vor Kurzem sollte es abgeschafft werden. Auf einmal gab es einen SPD-Präsidenten, da war es wieder da. Wie sind die Strukturen im Land weiter aufzubauen? Ich denke, das ist schon wichtig, dass man vorher weiß, was in dem Land passiert, damit man vorher weiß, was die Landkreise für entsprechende Dinge umsetzen müssen. Das kann ich bei Weitem nicht entdecken – nichts ist da, nichts kommt, sondern man legt erst einmal etwas auf den Tisch unter dem Motto: Warten wir doch mal ab, wie es sich entwickelt.

Da vorhin vom verehrten Herrn Innenminister auch das sogenannte blaue Wunder angesprochen wurde: Ich kann Ihnen nur sagen, das ist immer so, das wird den heutigen regierungstragenden Fraktionen auch so gehen, dass Landesregierungen natürlich