Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, nachdem ich nun ausführlich auf die Gründe für den aktuellen Handlungsbedarf und die künftigen Herausforderungen eingegangen bin, will ich im letzten Abschnitt noch kurz auf die wesentlichen Eckpunkte des Leitbildentwurfs eingehen. Von einer Leistungsfähigkeit der Landkreise ist danach grundsätzlich auszugehen, wenn sie dauerhaft nicht weniger als 130.000 bis 230.000 Einwohner aufweisen. Ich erinnere noch einmal daran, dass wir für unsere Voraussicht das Jahr 2035 in den Blick genommen haben. Dabei soll die Fläche der neuen Landkreise 2.500 Quadratkilometer nicht überschreiten. Von der Zukunftsfähigkeit einer kreisfreien Stadt ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn sie dauerhaft nicht weniger als 100.000 Einwohner hat und vorauszusehen ist, dass die wirtschaftliche Erledigung der ihr obliegenden Aufgaben gewährleistet werden kann. Über die erforderliche Leistungs- und Verwaltungskraft auf der gemeindlichen Ebene verfügen in der Regel Einheitsund Landgemeinden mit mindestens 6.000 bis 8.000 Einwohnern. Die Verwaltungsgemeinschaften und erfüllenden Gemeinden sollen zu Einheits- und Landgemeinden fortentwickelt werden. Die Stärkung der Zentralen Orte ist bei der Optimierung der Gemeindestrukturen vorrangig zu
berücksichtigen. Der Freiwilligkeit bei der leitbildgerechten Schaffung neuer Gemeindestrukturen soll Vorrang eingeräumt werden. Das Ortsteil- bzw. Ortschaftsrecht der Gemeinden soll gestärkt werden und Bürgerservicebüros sollen unter Beachtung der Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung und wirtschaftlicher Vertretbarkeit eingerichtet werden. Den Möglichkeiten der innerkommunalen Zusammenarbeit soll weiterhin angemessener Raum gegeben werden. Im Rahmen der Funktionalreform sollen Aufgabenverlagerungen geprüft und durchgeführt werden. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips sollen Aufgaben möglichst orts- und adressatennah erledigt werden. Für die Finanzierung von auf die kommunale Ebene übertragenen Aufgaben gilt das Konnexitätsprinzip der Verfassung. Der immer bedeutenderen Rolle des E-Governments in der öffentlichen Verwaltung soll Rechnung getragen werden. Insbesondere sollen IT-Infrastrukturen nach einheitlichen Standards errichtet und fortentwickelt werden.
Im Ergebnis der Aufgabenprüfung und Aufgabenverlagerung findet auch eine Umstrukturierung der Landesverwaltung statt. Dazu wird auch die Prüfung der Umstrukturierung vom derzeit dreistufigen zu einem grundsätzlich zweistufigen Verwaltungsaufbau zählen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wie Sie sehen, betrifft der Reformprozess die Landesverwaltung ebenso wie den kommunalen Bereich. Auch das Land muss und wird seine Hausaufgaben machen.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen: Bei dem vorliegenden Leitbildentwurf handelt es sich zunächst um Eckwerte, die als Grundlage für eine Diskussion dienen sollen. Das sind die Vorstellungen der Landesregierung, die sie mit den jeweiligen Verantwortungsträgern, Interessenvertretern, aber auch den Bürgerinnen und Bürgern umfassend erörtern will.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Worte zu den Gebietsneugliederungen sagen, die auch immer wieder in der Presse Nennung finden, wie heute wieder in der BILD-Zeitung, glaube ich, wo eine fränkische Region gefordert wird, wobei ich darauf hinweisen muss, dass aus dieser Sicht natürlich auch die fränkischen Teile südlich unserer Thüringer Grenzen im Grunde „besetztes Gebiet“ sind. Ich will noch mal betonen, dass wir die angestrebten Gebietsgliederungen nicht willkürlich festlegen wollen. Vielmehr wird der Reformbedarf basierend auf einer kritischen Analyse des Bestehenden ermittelt. Die neu
en Verwaltungsstrukturen sollen nicht einfach am Reißbrett entstehen, sie werden auch nicht im politischen Raum ausgekungelt, sondern sie werden das Ergebnis komplexer Betrachtungen von zahlreichen relevanten Indikatoren, aber auch von Zukunftsprognosen sein.
Sie stützen sich insbesondere auf die zu erwartende demografische Entwicklung, die wirtschaftlichen Aussichten und die finanzielle Leistungsfähigkeit der einzelnen Regionen. Sie berücksichtigen strukturelle Verflechtungsbeziehungen und Wanderungsbewegungen ebenso wie historische und kulturelle Zugehörigkeiten. Neben dem reichen Fachwissen der Verwaltung, aber auch der Rechtsprechung zu dieser Problematik fließen in hohem Maße ebenfalls Erfahrungen anderer Bundesländer sowie wissenschaftliche Erkenntnisse in diesen Reformprozess ein. Konkret werden wir hier im Prozess begleitet von Herrn Prof. Dr. Hesse, der als Leiter des Internationalen Instituts für Staats- und Europawissenschaften der Freien Universität in Berlin über bundesweit geschätzte wissenschaftliche Kenntnisse und praktische Expertise aus fast allen Länderreformen verfügt.
Ebenso wichtig ist uns natürlich auch die Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger sowie der Kommunalvertreter vor Ort. Wir wollen diese Reform nicht von oben verordnen.
Ziel ist vielmehr eine umfassende Diskussion, um eine breite Basis auch für unsere Meinungsbildung zu erhalten. Am Ende der Diskussion und damit am Anfang der Reform sollen möglichst viele Bürgerinnen und Bürger hinter der Neuordnung der öffentlichen Verwaltung unseres Landes stehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir werden uns daher mit diesem Entwurf unseres Leitbilds und mit den Eckwerten einer breiten öffentlichen Diskussion stellen.
Den Landräten und Oberbürgermeistern, den Bürgermeistern und Gemeinschaftsvorsitzenden habe ich den Entwurf bereits mit einem Schreiben zugesandt. Alle Bürgerinnen und Bürger können außerdem das Papier auf den Internetseiten des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales abrufen. Die kommunalen Mandatsträger und Bürger in den Kommunen kennen die örtlichen Probleme und Entwicklungspotenziale am besten. Sie wissen, worauf es vor Ort schließlich ankommt. Sie sind es auch, die die neuen Strukturen letztlich mit Leben füllen müssen.
Im Rahmen des nun vor uns stehenden Diskussionsprozesses werde ich in den kommenden Monaten den Leitbildentwurf in Regionalkonferenzen den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes vorstellen. Ich möchte vor Ort einen Meinungsaustausch darüber, wie sich Thüringen zukunftssicher aufstellen kann. Gemeinsam sollten wir auch die beste Lösung für die einzelnen Regionen in Thüringen finden. Ich freue mich auf eine offene, eine interessante Debatte, die ich begrüße. Denn es geht um nicht mehr und nicht weniger als die beste, die zukunftsfähige Struktur für unser Land.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir werden im Ministerium für Inneres und Kommunales auf der Grundlage des Entwurfs des Leitbilds mit Eckwerten, den Ergebnissen der Aufgabenkritik und der Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der öffentlichen Diskussion darüber das kommunale Leitbild „Zukunftsfähiges Thüringen“ erarbeiten und dem Kabinett im Dezember dieses Jahres zur Beschlussfassung vorlegen. Parallel dazu wird jetzt im Ministerium für Inneres und Kommunales damit begonnen, das erforderliche Vorschaltgesetz zur Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform zu erarbeiten. Wesentlicher Inhalt des Gesetzes wird sein, den Übergang auf die neuen Gebietsstrukturen zu gestalten. Dabei können beispielsweise Grundsätze für eine Aufgabenübertragung festgelegt, Übergangsfristen für kommunale Wahlbeamte normiert oder eine Freiwilligkeitsphase für die Zusammenlegung von Gemeinden eingeräumt werden. Der Gesetzentwurf soll dem Landtag im Frühjahr 2016 zugeleitet werden, sodass das Gesetz bis zur Sommerpause verabschiedet werden kann, soweit Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, dem zustimmen. Damit liegt dann der Rahmen für die anstehenden Neugliederungsmaßnahmen vor. Danach wird sich eine Freiwilligkeitsphase von gut einem Jahr anschließen, in der wir entsprechende Gemeindeneugliederungsgesetze auf der Grundlage von Beschlüssen der beteiligten Gemeinden erarbeiten werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, für die Landesregierung steht die Entscheidung für eine umfassende Gebietsreform fest. Das Leitbild ist ein im Koalitionsvertrag vereinbartes, gemeinsames Ziel der gesamten Landesregierung und der die Regierung tragenden Fraktionen. Die Koalition aus Linken, SPD und Grünen steht für diesen Weg. Wir wollen keine Reform von oben verordnen, aber wir können auch nicht zulassen, dass noch länger Entscheidungen verschleppt werden, dass nicht gehandelt wird.
Ich frage: Wer wünscht die Aussprache zur Regierungserklärung? Das sind alle Fraktionen. Damit eröffne ich die Aussprache. Ich darf darauf hinweisen, dass die Aussprachen zu Regierungserklärungen grundsätzlich in langer, also in doppelter Redezeit verhandelt werden und übergebe das Wort an Herrn Abgeordneten Fiedler von der CDU-Fraktion.
es fällt mir schwer, am 25. Jahrestag der Deutschen Einheit, den wir morgen gemeinsam feiern, heute über dieses Thema reden zu müssen.
Meine Damen und Herren, es sitzen noch zwei Mann in diesem Raum, die damals die deutsche Einheit mit beschlossen haben, Egon Primas und ich. Das war, denke ich mal, der wichtigste Tag, den wir damals in unserem Leben gemeinsam gestalten konnten.
Ich denke und ich habe einfach mal eine Bitte an das Hohe Haus. Ich glaube, es wäre angebracht, heute am Vorabend des Tags der Deutschen Einheit, dass wir in diesem Landtag bei allem politischen Streit gemeinsam das Lied der Deutschen singen. Und dazu bitte ich Sie aufzustehen.
Kollege Fiedler, jetzt bitte ich Sie, zur Debatte zurückzukehren. Das Lied der Deutschen können wir morgen gern gemeinsam singen.
Herr Präsident, ich bin empört. Sie hätten es in der Hand gehabt, das überhaupt hier mal zu singen, das Lied der Deutschen. Wir reden über Zahnmedizin und das hier interessiert uns nicht.
Herr Kollege Fiedler, ich habe Ihnen das Wort entzogen. Ich werde es Ihnen gern nachher wiedergeben. Ich möchte Sie jetzt bitten, das Rednerpult zu räumen.
Die Geschäftsordnung gilt. Sie sagt, dass man zum Thema reden soll. Dazu haben wir eine Tagesordnung verabredet. Ich möchte Sie einfach bitten, dazu zurückzukehren.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt noch mal zurück zu dem sogenannten Leitbild. Für mich, für meine Fraktion ist es eine Gebietszusammenlegung, nichts anderes. Ich will Sie daran erinnern, wenn man schon manche Dinge hier nicht mehr sagen darf, ich hatte das Glück oder das Pech – wie man es auch immer nennen will –, zwei Gebietsreformen in diesem Hohen Haus mitmachen zu dürfen, mit begleiten zu dürfen. Sie können mir glauben, das war keine einfache Zeit. Ich will einfach daran erinnern, dass wir damals in der Volkskammer bestimmte Dinge auf den Weg gebracht haben, dass überhaupt das Land Thüringen wieder entstehen konnte, dass überhaupt die Kommunen wieder entstehen konnten, denn wir waren zerlegt in Bezirke, willkürlich zerlegt in Bezirke. Dann hatten wir die Möglichkeit, das Land neu zu gestalten. Ich weiß, es gab den einen oder anderen, der auch damals schon an Gebietszusammenschlüsse, vielleicht auch mit Hessen, gedacht hat, aber das waren nur Einzelne. Ich denke, es war wichtig, dass wir gesagt haben, wir wollen unser Land Thüringen