Protokoll der Sitzung vom 02.10.2015

(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Stadt- staat!)

Bayern gehen sollte? Es gibt keine Vorgaben. Die Vorgaben wollten Sie machen, die waren im „blauen Wunder“ drin, dem Vorschlag der CDU, der CDU-geführten Landesregierung. Da waren solche Landkreise drin.

(Unruhe CDU)

Davon sind Sie dann weggegangen, haben nicht erklären können, warum Sie solche Vorschläge machen, um sie dann gleich wieder wegzunehmen. Aber warum glauben Sie, uns diskreditieren zu müssen? Reichen die Argumente nicht im Disput? Ich bin ja ganz bei Ihnen, die Frage zu stellen: Wie ist das mit VGs? Kollege Höhn hat plastisch dargestellt, was es für eine ganz kleine Kommune bedeutet, einen Haushalt aufzustellen. Das ist ja greifbar geworden, vielleicht pointiert, aber auf jeden Fall doch realitätsnah.

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Das ist bei je- dem Haushalt so!)

Bei jedem Haushalt, Vermögenshaushalt, der von der Größe einer Farbdose ausgeht. Also lieber Herr Henke, da scheinen Sie jetzt Thüringen nicht zu kennen!

(Unruhe AfD)

Die große Frage ist also: Warum braucht die CDU diese Diskreditierung? Vielleicht haben Sie noch die Chance, darauf eine Antwort zu geben.

Und dann gibt es das Zweite: Sie haben gesagt, es gibt keine Argumente dafür. Ich kann nur wiederholen, was ich in der Rede schon gesagt habe und was auch der Innenminister gesagt hat. Wir haben eine Enquetekommission – in der vierten Legislatur war es gewesen – mit diesem Thema befasst. Viel Material, viel angehört, guter Endbericht! Durchlesen! Darin sind die Argumente zu finden. Wir haben einen Expertenkommissionszyklus – könnte man fast sagen – in der letzten Legislatur, in der fünften, durchgeführt. Darin sind die Argumente enthalten, warum Thüringen eine Gebietsreform benötigt. Ich frage mich, ob die CDU das nicht zur Kenntnis nehmen kann oder nicht will. Und dann haben Sie weiterhin behauptet, dass es in der ganzen Bundesrepublik überhaupt nur aus ihrem Geburtsjahr eine wissenschaftliche Studie geben würde, die sich mit den Fragen von kommunaler Effizienz auseinandersetzt. Auch das stimmt nicht annähernd. Kennen Sie denn die Studien von Geys zum Beispiel aus dem Jahr 2007, das ist die älteste dabei. Heinemann und Kalb 2011 oder Fritz aus dem Jahr 2011.

(Abg. Fiedler)

Kennen Sie die nicht? Nehmen Sie die nicht zur Kenntnis? Wenn Sie die nicht kennen sollten, empfehle ich Ihnen noch mal das grüne Heft zur Gebietsreform, da ist eine umfangreiche Literaturliste hinten drin, da finden Sie jede Menge Studien zum Thema „Effizienz auf kommunaler Ebene“.

Herr Abgeordneter Adams, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Brandner?

Nein, das mache ich nicht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Unruhe AfD)

Wenn wir, lieber Herr Voigt, dann gemeinsam anerkennen, dass es diese Datengrundlage erst einmal gibt, dann bin ich auch bereit, über jede einzelne Aussage aus diesen Studien, aus dieser Enquetekommission, aus der Expertenkommission mit Ihnen zu diskutieren. Aber solange sie leugnen, dass es das als Grundlage gibt, ist es wirklich schwer, mit Ihnen zu diskutieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter Kuschel zu Wort gemeldet, der gerade nicht anwesend ist. Dann rufe ich den Abgeordneten Harzer auf. Sie haben noch 1 Minute und 40 Sekunden.

Da muss ich mich beeilen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, was haben wir heute gelernt? Die CDU weiß alles. Also warum brauchen wir das Parlament, Dr. Voigt, wenn Sie schon alles wissen, wenn Sie das Land kennen?

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Na sehen Sie!)

Herr Fiedler: Kleinstaaterei geht über alles. Und Frau Tasch, blühende Gemeinden: Also viele Gemeinden im Freistaat Thüringen haben außer ihrer Feuerwehr nichts mehr. Feuerwehr und Bürgermeister, was ist da noch Selbstverwaltung?

(Unruhe CDU)

Wir müssen einfach mal darüber nachdenken, dass die Kleinteiligkeit in Thüringen nicht abgeschafft wird. Genau das Gegenteil ist nämlich der Fall. Verwaltungsstrukturen schaffen nämlich keine Identität,

sondern unsere Dörfer, unsere Gemeinden, unsere Städte, die schaffen Identität in diesem Land und die bleiben erhalten, weil wir diese nicht hochnehmen und zusammensetzen, sondern wir schaffen Verwaltungsstrukturen, damit diese Ortsteile blühen, damit diese Ortsteile vernünftig verwaltet werden und damit die Menschen vor Ort sich engagieren können für ihren Ortsteil – und nichts anderes. Denken Sie mal darüber nach, dass man nicht einfach eine Gemeinde wegnimmt und woanders hinsetzt, sondern dass man die dort lässt, wo sie hingehört, nämlich in die Region, in den ländlichen Raum in diesem Lande.

Noch einmal zum Mitmeißeln für Sie: Verwaltungsstrukturen schaffen keine Identität und Kleinteiligkeit wird durch Neustrukturierung von Verwaltungsstrukturen nicht abgeschafft.

Und noch einmal zu VGs: Der Kollege Fiedler hat ja seine 22 Gemeinden umfassende VG gepriesen. Was bedeuten denn 22 Gemeinden in der VG?

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: 23!)

22 Haushaltspläne, 22 Haushaltsabwicklungen, 22 Haushaltsrechnungen, 22 Haushaltsprüfungen.

Herr Abgeordneter Harzer, Ihre Redezeit ist leider um.

Das bedeutet es. Und wenn dann jemand sagt, das ist effizient, dann lügt er bewusst. Danke.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ich lass mich von Ihnen nicht …!)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Unruhe AfD)

Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordneter Höhn zu Wort gemeldet.

Es ist echt schade, dass der Kollege Mohring nicht mehr die Gelegenheit hat, seine Sicht der Dinge hier darzulegen. Redezeitübertragungen von Fraktion zu Fraktion haben wir, glaube ich, in der Geschäftsordnung nicht geregelt. Aber ich wäre da kulant, ich brauche auch nicht die 6 Minuten, die ich noch habe. Ich möchte mit einem Zitat beginnen, das stammt von der von mir sehr geschätzten Frau Lieberknecht. Das hat sie während ihrer Amtszeit als Ministerpräsidentin, ich glaube, nicht nur einmal benutzt, dass Thüringen ein Land der gelebten, vielleicht auch geliebten, aber ich glaube, das Zitat

(Abg. Adams)

war, der gelebten Kleinteiligkeit sei. Das mag sein. Aber wenn ich jetzt erlebe, wie der Kollege Voigt hier von diesem Pult aus die Arbeit Ihrer politischen Vorfahren – wenn ich es mal so bezeichnen darf, das soll jetzt nicht respektlos klingen, die Leute, die damals entschieden haben, sind zum Teil noch hier, aber die meisten eben nicht mehr –, die sie mit der 93er- bzw. 94er-Reform auf den Weg gebracht haben, die nun wirklich ein Meilenstein für die Entwicklung Thüringens gewesen ist, wie Sie Ihre eigene Arbeit und die der Leute, die damals entschieden haben, so in den Senkel stellen und so in Abrede stellen, ehrlich gesagt, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Wer möchte ernsthaft bezweifeln, dass die 94er-Reform keine Einspareffekte auf der kommunalen Ebene zur Folge hatte? Wer möchte das wirklich ernsthaft bezweifeln, meine Damen und Herren? Das ist doch absurd.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das sind doch Argumente, die sind dermaßen lebens- und realitätsfremd. Sie nehmen für sich in Anspruch, Sie wären die Partei, die am besten den Bürgerwillen kennt und sich am besten in der kommunalen Familie auskennt. Das mag vielleicht sein. Sie haben immer noch die meisten Bürgermeister und die meisten Landräte. Das ist alles richtig. Aber ich habe sehr ernsthafte Diskussionen auch mit Leuten führen dürfen, die Ihrer politischen Richtung angehören. Ich will jetzt niemanden namentlich nennen, damit er nicht von einem Parteiausschlussverfahren bedroht wird. Aber das fängt in Nordthüringen an und geht über Ostthüringen bis hin in den Süden, wo es sehr vernünftige Ansichten aus Ihren Reihen gibt, von Leuten, die in Verantwortung stehen. Die sagen selbst, die in Erfurt – damit sind Sie in diesem Fall ausnahmsweise mal gemeint – denken nur an ihr parteitaktisches Kalkül. Das stammt nicht von mir, das habe ich nicht erfunden. Aber deswegen habe ich das hier gesagt. Die Arbeit dieser damaligen Reformbemühungen in den Senkel zu stellen, ich muss sagen, das erschüttert mich sehr. Das ist auch nicht angemessen und das haben sowohl die kommunale Familie als auch die damals Verantwortlichen wirklich nicht verdient. Ich bitte Sie ernsthaft, darüber mal nachzudenken. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine Wortmeldungen vor. Herr Minister Poppenhäger, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich gestehe, die Debatte beginnt, mir Freude zu machen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ich will mich ausdrücklich bei Abgeordnetem Höhn bedanken, aus einem Grund, weil er, wie ich finde, eine große Rede gehalten hat, die auch die Vergangenheit, die letzte Legislaturperiode mit in den Blick genommen hat, und weil er versucht hat, über den Tellerrand hinwegzuschauen und auch das eigene Handeln in Bezug zu setzten, was wir selbst beide erlebt haben. Denn wir beide waren auch integrativer Bestandteil der letzten Regierung.

Frau Abgeordnete Tasch, das ist eben der Unterschied, ob man selbstreferenziell handelt und Dinge hinterfragt. Wie man sich hier hinstellen kann und Ihre Meinung, die ich akzeptiere, hier vortragen kann, ohne gleichzeitig zu erwähnen, dass Ihr Landrat der erste war, der mir eine neu gemalte Karte geschickt hat, wie er sich das Eichsfeld vorstellt und wo nur noch Einheitsgemeinden da sind, das bleibt mir ein Rätsel.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Hört, hört!)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Es kann je- der eine eigene Meinung haben!)

Deswegen plädiere ich für eine sehr differenzierte Meinung. Und Herr Generalsekretär außer Dienst – wo ist er, da hinten –, Herr Generalsekretär außer Dienst, Sie dürfen sich nicht beim Schwindeln erwischen lassen. Das ist das Problem.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Gerade diese Metapher mit dem Saarland. Was glauben Sie denn, warum wir eine Größenbegrenzung hier reingenommen haben? Warum glauben Sie denn, dass ich nicht weiß, wie groß das Saarland ist? Worauf Sie anspielen, ist die alte Karte der Expertenkommission, die in der Tat einen Kreis beinhaltet hätte, der größer gewesen wäre als das Saarland. Ich bitte einfach zur Kenntnis zu nehmen, dass ich ein Diskussionspapier vorgelegt habe, was auf diese Überlegung eingeht, also mit Augenmaß versucht, auf die Thüringer Verhältnisse Bezug zu nehmen, und deshalb innerhalb des Korridors, den wir vorgesehen haben, jedenfalls eine solche Lösung nicht mehr ermöglichen würde, wenn der Korridor so bleibt, wie er ist. Deswegen vielleicht noch ein zweiter Punkt, wo Sie sich auch nicht beim Schwindeln erwischen lassen sollten, wo es gegenüber dem Abgeordneten Höhn hieß, man müsse erst mal bei Wahlen einen Fuß auf die Erde kriegen. Ich erinnere daran, dass die SPD-Landräte,