Protokoll der Sitzung vom 26.11.2015

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Pelke. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich für die Landesregierung Frau Ministerin Werner das Wort erteile.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich möchte zum Antrag der Koalitionsfraktionen Stellung nehmen, aber natürlich zunächst die Frage von Herrn Zippel beantworten. Zu Recht fragen Sie natürlich nach der Beantwortung Ihrer Großen Anfrage. Hier will ich sagen: Uns ging es darum, gründlich zu antworten. Es waren mehrere Ressorts an der Beantwortung beteiligt, aber ich versichere Ihnen, dass Ihnen noch in diesem Jahr die Antwort auf die Große Anfrage zugehen wird.

Bevor ich mich konkret einigen Schwerpunkten des Antrags widmen werde, möchte ich ausdrücklich betonen, dass wir in Thüringen ein recht gut aufgestelltes Suchthilfesystem haben. Die Suchtprävention wurde erst im Jahr 2013 durch eine neue Struktur in ihrer Arbeit und ihren Angeboten gestärkt. Langfristiges Ziel hierbei ist es, die Implementierung der Anwendung guter und erfolgreicher Maßnahmen der Suchtprävention in allen Regionen Thüringens mit und durch die kommunalen Fachkräfte zu erreichen. Die Umsetzung in das Thüringer Hilfesystem fiel nicht immer ganz leicht und bedurfte intensiver und engagierter Unterstützung der entscheidungstragenden Akteurinnen und Akteure. Mittlerweile können wir auf eine gut funktionierende Struktur blicken, welche ihren Schwerpunkt in der kommunalen Arbeit findet und suchtmittelübergreifend in ihren Inhalten flächendeckend ausgerichtet ist. Wichtige Partner hierbei sind die Thüringer Fachstelle Suchtprävention, das Präventionszentrum und die Thüringer Landesstelle für Suchtfragen e. V. als überregionale Ansprechpartner für die projektbezogene Arbeit und Koordinatoren in der Netzwerkarbeit. Beabsichtigt ist es, im Jahr 2018 eine grundsätzliche Evaluierung der strukturellen

Ausrichtung der Suchtprävention in enger Kooperation mit den Kommunen, der Thüringer Fachstelle, dem Präventionszentrum und der Thüringer Landesstelle für Suchtfragen und den beteiligten Ressorts in Form eines detaillierten Sachstands zur Suchtprävention vorzulegen.

Frau Ministerin, Entschuldigung. Ich bitte die Kollegen doch mal um etwas mehr Aufmerksamkeit für die Rednerin, die Frau Ministerin. Sehr geehrte Kollegen, das gilt für alle Fraktionen. Herr Mohring, es wäre nett, wenn wir mehr Ruhe haben. Danke schön.

Danke schön. Es soll auch künftig an dieser Struktur festgehalten werden. Wir wollen neue Inhalte und Schwerpunkte aufnehmen, die sowohl fachlich als auch finanziell berücksichtigt und umgesetzt werden können.

Für das Jahr 2016 möchte ich an dieser Stelle einige wenige Maßnahmen aus meinem Geschäftsbereich erwähnen. Für den 17. Februar 2016 werden zum Beispiel Expertinnen und Experten aus dem medizinischen Bereich zu einer Tagung zum Thema „Fetale Alkoholspektrum-Störung“ in die Rotunde des Regierungsviertels einladen. Am 7. September 2016 veranstaltet die Thüringer Fachstelle „Glücksspielsucht“ eine Fachtagung zum Thema „Glücksspiel- und Jugendschutz“. Am 26. Oktober 2016 findet die 3. Thüringer Jahrestagung Suchtprävention zum Thema „Suchtprävention in jugendlichen Lebenswelten“ statt. Im 1. Halbjahr 2016 werden die interaktiven Ausstellungen „High 5“ zum Thema „illegale Drogen“ und „Glücksspiel“ zum Thema „Gewinnen und Verlieren“ an fünf noch nicht festgelegten Standorten in Thüringen implementiert werden. Der „Runde Tisch Crystal Meth“ der Thüringer Landesstelle für Suchtfragen e. V. wird weitergeführt und durch mein Haus begleitet werden. Weiterhin werden im nächsten Jahr wiederholt Methodenschulungen für die Suchtpräventionskräfte durch die Thüringer Fachstelle „Suchtprävention“ angeboten, um die Qualität der Präventionsarbeit vor Ort weiter auszubauen.

Für den thüringenweiten fachlichen Austausch der Suchtpräventionsfachkräfte veranstaltet die Thüringer Fachstelle „Suchtprävention“ in Kooperation mit meinem Haus im Frühling und Herbst Netzwerktagungen, bei denen Themen der Suchtprävention – unter anderem zu Crystal Meth – besprochen werden sollen.

In dem dem Landtag vorliegenden Entwurf des Haushaltsplans 2016/2017 findet sich die Haushaltsanmeldung wieder, die sich auf 942.000 Euro

(Abg. Pelke)

für den Bereich der Suchtprävention beläuft. Der Ansatz fällt um 71.000 Euro höher aus als im Jahr 2015. Berücksichtigung fanden im Doppelhaushalt insbesondere Maßnahmen zur Prävention und Behandlung bei Crystal-Meth-Konsum. Die Fragen im Zusammenhang mit dem Konsum, dem Missbrauch und der Prävention der Droge Crystal Meth bedingen bereits jetzt schon eine intensive Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe sowie mit dem Bereich der Gesundheit und Bildung auf regionaler, aber auch überregionaler Ebene. Es findet also schon jetzt eine enge Zusammenarbeit in dem Schwerpunktthema zwischen den beteiligten Ressorts statt. Beispielhaft seien an dieser Stelle der Thüringer Leitfaden „Crystal Meth“, die Bereitstellung von Informationen über das Internetportal des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales sowie die Gründung eines „Runden Tischs Crystal Meth“ unter der Federführung der Thüringer Landesstelle für Suchtfragen e. V. genannt.

Ein weiterer Schwerpunkt bestimmt die Sucht- und Drogenpolitik des Landes im Jahr 2016: Die Fokussierung auf die jugendlichen Lebenswelten, also Freizeit, Schule, Hobby, Kontakte, soziale Netze, einschließlich des freizeitbestimmenden und familiären Umfelds sowie die Ausbildungs- und Berufssituation von Jugendlichen stehen im Vordergrund der für 2016 geplanten Maßnahmen und Angebote. Die Vorgaben des Koalitionsvertrags bieten die Grundlage für langfristig angesetzte Prüf- und Arbeitsaufträge, welchen sich die Landesregierung stellen wird.

Ein wichtiges Anliegen der Landesregierung ist beispielsweise die Verbesserung der bedarfsgerechten Substitutionsbehandlung opiatabhängiger Personen in Thüringen. Diese Behandlung ist ein bewährter und anerkannter Baustein der Suchthilfe. Sie führt zur gesundheitlichen Stabilisierung der Patientinnen und Patienten und verbessert damit die Chancen für ein besseres Bestehen in der sozialen Umgebung bis hin zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Ein entsprechendes Novellierungsvorhaben des Bundes bei der Änderung der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften wurde durch einen Anfang November 2015 eingebrachten Entschließungsantrag der Länder Baden-Württemberg und Bayern bekräftigt. Erst nach Vorlage eines entsprechenden Änderungsentwurfs zur Betäubungsmittelverschreibungsverordnung können und werden konkrete Maßnahmen auf Landesebene umgesetzt werden.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, es konnte jetzt nicht auf alle Punkte des Antrags eingegangen werden. Dies wird dem beantragten Bericht vorbehalten sein. Ich möchte zum Abschluss aber noch darauf hinweisen und zusammenfassend darlegen, dass es nach wie vor ein wichtiges Ziel der Landesregierung ist, Maßnahmen der Suchtprävention, Beratung und Behand

lung in der bisherigen Intensität weiterzuführen, auszubauen und zu unterstützen. Sich verändernde Konsummuster und psychoaktive Substanzen müssen dabei Beachtung finden. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Weitere Redemeldungen habe ich nicht vorliegen, sodass ich damit die Aussprache schließe. Ausschussüberweisung ist nicht beantragt worden, von keinem Redner. Ich frage noch mal. Nein, das ist nicht der Fall, sodass wir direkt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/1293 kommen. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? Aus den Fraktionen der CDU und der AfD. Vielen Dank. Enthaltungen? Keine. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 7

Straßenausbaubeiträge in Thüringen: Für eine wirkungsvolle Entlastung der Bürger Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/1310

Wünscht die AfD-Fraktion das Wort zur Begründung? Bitte, Herr Abgeordneter Henke.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, werte Gäste! Straßenausbaubeiträge sind in der Thüringer Landespolitik seit Jahren ein heiß umstrittenes Thema. Nach der heutigen Gesetzeslage müssen die Kommunen Beiträge von den Anliegern für den grundhaften Ausbau von Straßen sowie im Übrigen für Maßnahmen zur Verbesserung, Erneuerung und Anschaffung der sogenannten Nebeneinrichtungen, wie zum Beispiel Straßenbeleuchtung, Gehwege, Stellplätze, Kinderspielplätze oder Begleitgrün, erheben. Gerechtfertigt wird das mit dem angeblich besonderen Vorteil, den die Anlieger durch den Ausbau einer Straße erhalten. Dabei bleibt fraglich, ob den Anliegern durch den Straßenausbau überhaupt besondere Vorteile entstehen. Häufig führt die Erneuerung einer Straße sogar zu empfindlichen Nachteilen: weniger Parkplätze, höheres Verkehrsaufkommen, dadurch mehr Lärm und höhere Feinstaubbelastungen mit den entsprechenden Folgen für Mietflucht und steigende Mieten. Besonders die rückwirkende Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist ein großes Ärgernis für die Betroffenen. Bis 1991 dürfen Anlieger

(Ministerin Werner)

durch Straßenausbaubeiträge belastet werden. Dies stellt insbesondere Bürger und sozial Schwächere vor große finanzielle Herausforderungen und verletzt den Vertrauensschutz der Bürger. Dabei liegen nach wie vor keine statistischen Angaben darüber vor, inwiefern die Kommunen selbst, die die Straßenausbaubeiträge erheben, überhaupt von den Erhebungen profitieren. Entstehen nicht mehr Verwaltungs- und Rechtsfolgekosten bei langwierigen Streitfällen vor Gericht, die die Einnahmen durch die Erhebung der Straßenausbaubeiträge übersteigen oder doch zumindest erheblich schmälern? Die AfD-Fraktion fordert mit dem Antrag, dass die Landesregierung eben darüber Auskunft gibt, damit man auf einer verlässlichen Grundlage eine Kosten-Nutzen-Analyse der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen vornehmen kann. Dieser Bitte kommt die Landesregierung nach, die wir begrüßen können. Schon jetzt ist für uns klar: Zumindest die rückwirkende Erhebung der Straßenausbaubeiträge ist schnellstmöglich abzuschaffen. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer I des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Götze das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Antrag der AfD hat zwei Schwerpunkte, zum einen die Berichterstattung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen in diesem und im vorigen Jahr und zum anderen eine Aufforderung an die Landesregierung zur Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes. Lassen Sie mich zunächst zu Punkt I des Antrags kommen. Einleitend möchte ich zu diesem Antrag darauf hinweisen, dass die Gemeinden über die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung von Gemeindestraßen im Rahmen ihres verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Selbstverwaltungsrechts entscheiden. Auch die Refinanzierung dieser Investitionen wird von den Kommunen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung wahrgenommen. Dem Thüringer Landesamt für Statistik liegen für das noch laufende Jahr 2015 noch keine Jahresdaten vor. Für das Jahr 2014 befinden sich die Daten der Jahresrechnung im Plausibilisierungs- und Prüfungsprozess. Aber auch bei Vorliegen der entsprechenden Daten werden die im Antrag geforderten Rückschlüsse nicht möglich sein. Um ins Detail zu gehen: Straßenausbaubeiträge können über die Gruppierung 35 „Beiträge und ähnliche Entgelte“ und für den Aufgabenbereich 63 „Gemeindestraßen“ ausgewiesen werden. In der Gruppierung 35 sind jedoch auch andere Entgelte

bzw. Beiträge enthalten, die nicht nur die Straßenausbaubeiträge betreffen. Somit ist es der Finanzstatistik nicht in Gänze möglich, die Straßenausbaubeiträge zu filtern und darzustellen. Erst recht lassen sich aus einer solchen Statistik keine Aussagen zu einer möglichen rückwirkenden Erhebung entnehmen. Auch eine Differenzierung von den bei den Gemeinden im Zusammenhang mit der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen entstandenen Verwaltungs- und Rechtsverfolgungskosten lassen die statistischen Daten nicht zu. Die im Antrag geforderten Aussagen zu Einnahmen aus Straßenausbaubeiträgen können auch nicht von den Rechtsaufsichtsbehörden zur Verfügung gestellt werden. Es ist gerade nicht Aufgabe der Rechtsaufsichtsbehörden, solche Statistiken zu führen. Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist Teil des verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden. Allein die Gemeinden haben Kenntnis über den konkreten Stand der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen. Es ist für die Arbeit der Rechtsaufsichtsbehörden nicht erforderlich, dass diese Daten von den Gemeinden vollumfänglich zur Verfügung gestellt werden. Ebenso ist eine Aussage zu Verwaltungs- und Rechtsverfolgungskosten aus den vorgenannten Gründen nicht möglich.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, dem Antrag der Fraktion der AfD liegt meines Erachtens – und Sie haben das eigentlich sehr deutlich gesagt – die Annahme zugrunde, dass sich eine Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nicht lohnen könne, weil die mit der Beitragserhebung einhergehenden Kosten die Einnahmen aus den Straßenausbaubeiträgen im ungünstigsten Fall sogar übersteigen könnten. So habe ich Sie zumindest verstanden. Gerade diesen Ausnahmefall hat der Gesetzgeber bereits mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes in den Blick genommen. § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Thüringer Kommunalabgabengesetz enthält die entsprechende Regelung. Demnach können die Gemeinden auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichten, wenn diese für sie zu keinem wesentlichen Vermögenszuwachs führen würden. Der Gesetzgeber hatte ausweislich der Gesetzesbegründung auch den Fall vor Augen, dass die bei der Beitragserhebung anfallenden Verwaltungskosten die zu erzielenden Beitragseinnahmen erreichen oder übersteigen. Um das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu prüfen, eignet sich jedoch keine Gesamtbetrachtung für Thüringen. Vielmehr muss hier jede Gemeinde für sich selbst prüfen, ob die Beitragserhebung für sie zu einem Vermögenszuwachs führen würde, denn wie ich bereits ausführte, bewegen wir uns im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung.

Die jeweiligen Straßenausbaubeiträge stehen den einzelnen Gemeinden zu, die Verwaltungsausga

(Abg. Henke)

ben entstehen dort. Die Errechnung eines Landeswerts für die Bewertung der Situation in der einzelnen Gemeinde wäre wenig hilfreich. Darüber hinaus ist es nicht auszuschließen, dass die korrespondierenden Einnahmen und Ausgaben in unterschiedlichen Haushaltsjahren anfallen. Eine Betrachtung von Zweijahresscheiben würde hierfür somit keine Aufschlüsse geben. Der Antrag der Fraktion der AfD geht somit ins Leere.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, nun möchte ich zum zweiten Teil des Antrags der Fraktion der AfD kommen. Die Landesregierung wird aufgefordert, schnellstmöglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der zumindest die rückwirkende Erhebung der Straßenausbaubeiträge abschafft. Ich gehe davon aus, dass die Mitglieder der AfD-Fraktion Kenntnis von den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags genommen haben. Das Thema „Straßenausbaubeiträge“ und die Begrenzung der rückwirkenden Erhebung haben dort eine ausdrückliche Erwähnung gefunden. Hierzu wird ausgeführt: „Eine Landesregierung soll im Dialog mit den kommunalen Spitzenverbänden und dem Dachverband der Bürgerinitiativen das Thema Straßenausbaubeiträge auf die Tagesordnung setzen. Dabei soll u. a. diskutiert werden, welche Modelle der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen anderer Bundesländer für Thüringen Vorbildcharakter haben, wie die Entscheidungskompetenz der Gemeinden gestärkt, die Transparenz erhöht und die Bürgerinnen und Bürger nicht über Gebühr belastet werden. Die Koalition plant, die rückwirkende Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zu begrenzen.“

Im Februar dieses Jahres wurde dieser im Koalitionsvertrag angesprochene Dialog durch das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales gestartet, indem die kommunalen Spitzenverbände und die Bürgerallianz Thüringen um Stellungnahme gebeten wurden. Daneben wurden auch weitere Interessenvertreter eingebunden, um ein vielschichtiges Meinungsbild zu erhalten. Im Ergebnis stellte sich eine sehr differenzierte Interessenlage für die weitere Bearbeitung des Themas dar.

Die Landesregierung hat sich daher entschlossen, mit den verschiedenen Interessenvertretern in einen umfassenden Dialog einzutreten. Dieser wurde aufgrund der im Bereich des Abgabenrechts immer anzutreffenden verfassungsrechtlichen Fragestellungen neben dem Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales vom Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz begleitet.

Das erste Diskussionsforum fand am 12. Mai 2015 in Weimar statt. Hier stellten alle Teilnehmer ihren Standpunkt zum Thema „Straßenausbaubeiträge“ dar. In konstruktiver, ergebnisoffener Diskussion erhielt das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales den Auftrag, bis zum nächsten Dis

kussionsforum Modelle zur Weiterentwicklung des Straßenausbaubeitragsrechts in Thüringen zu erarbeiten.

Diese Modelle wurden den Teilnehmern im Rahmen des zweiten Diskussionsforums am 27. August 2015 vorgestellt und anschließend eingehend diskutiert. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungsansätze wurden betrachtet. Im Rahmen dieser Veranstaltung hat sich gezeigt, dass noch kein abschließender Konsens erzielt werden kann. Die Standpunkte der einzelnen Interessenvertreter sind sehr unterschiedlich. Um alle Anregungen der Teilnehmer bewerten zu können, wurde das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz um eine umfangreiche verfassungsrechtliche Prüfung gebeten.

In diesem Zusammenhang wird auch die Möglichkeit der Begrenzung der rückwirkenden Erhebung von Straßenausbaubeiträgen geprüft. Das Ergebnis der verfassungsrechtlichen Prüfung wird im kommenden Diskussionsforum vorgestellt und in die weiteren Erörterungen einbezogen. Ich bitte um Verständnis, dass ich dem weiteren Verlauf an dieser Stelle nicht vorgreifen kann und auch nicht vorgreifen will.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen am bisherigen Diskussionsprozess beteiligten Interessenverbänden, von der Bürgerallianz über den Mieterbund bis hin zum Gemeinde- und Städtebund Thüringen, für die bisherige Zusammenarbeit zu danken. Bei allen sich aus den unterschiedlichen Interessen naturgemäß ergebenden Differenzen waren alle Beteiligten bereit, eigene Ideen einzubringen, die Argumente des anderen anzuhören und nach Lösungen und Kompromissen zu suchen. Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit in den kommenden Diskussionsrunden weiterhin so konstruktiv verläuft.

Aus alldem ist erkennbar, dass der Antrag der Fraktion der AfD aufgrund des bereits laufenden intensiven Diskussionsprozesses mit den für das Straßenausbaubeitragsrecht relevanten Interessenvertretern bereits jetzt obsolet ist. Ich bitte Sie daher, den Antrag abzulehnen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Henke, dann erteile ich Ihnen das Wort für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, werte Gäste, den Sinn oder Unsinn von gesetzlichen Regelungen erkennt man nirgendwo besser

(Staatssekretär Götze)

als in der Praxis. Das gilt auch und insbesondere für die derzeitige Regelung zu den Straßenausbaubeiträgen.

Also machen wir doch den Praxistest. Kommen wir erstens zur Rechtfertigung für die Erhebung der Straßenausbaubeiträge nach § 7 Abs. 1 Satz 1 des Thüringer Kommunalabgabengesetzes, dass die Einrichtungen, die durch die erhobenen Beiträge finanziert werden, denjenigen, von denen sie erhoben werden, besondere Vorteile bieten sollen. Nur ist eben das nicht zwangsläufig der Fall. So sollen in Jena Ausbaubeiträge von Anliegern erhoben werden, die durch den Ausbau der Ulmerstraße eher Nach- als Vorteile haben. Die Ulmerstraße wird durch den Ausbau an Bedeutung für den Durchgangsverkehr gewinnen, was wiederum dazu führt, dass die Zahl der öffentlichen Parkplätze vor den Häusern der Anlieger sinkt. Profitieren werden vom Straßenausbau diejenigen, die nichts für den Ausbau zahlen – nämlich Bewohner der Häuser, zu denen die ausgebaute Ulmerstraße führt. Die Anlieger haben währenddessen Pech gehabt. Sie bekommen jeweils einen Beitragsbescheid über 30.000 Euro.

Machen wir weiter den Praxistest: Gemäß § 7 Abs. 12 Satz 2 des bereits zitierten Kommunalabgabengesetzes dürfen Straßenausbaubeiträge rückwirkend erhoben werden. Die Satzung über die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist spätestens vier Jahre nach Ablauf des Jahres zu beschließen, in dem die Maßnahme beendet wurde. Bis zum Jahr 1991 dürfen Eigentümer von Grundstücken für den grundhaften Ausbau von Straßen rückwirkend belastet werden. Diese rückwirkende Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist intransparent. Zum Zeitpunkt der Durchführung der Straßenausbaumaßnahmen ist für die Bürger noch nicht erkennbar, welche Kosten auf sie zukommen, wenn keine Satzung vorliegt. Wie sollen dann rückwirkend die genauen Kosten ermittelt werden, aufgrund welcher Berechnungsmethode? Wie soll das Ganze transparent und für den Bürger nachvollziehbar sein? Und vor allem: Was ist, wenn der Bürger durch die plötzlich rückwirkende Erhebung von Straßenausbaubeiträgen finanziell überfordert wird? Ist das wirklich sozial?

Nicht besser ist die Lage der Kommunen, die doch von der Erhebung der Straßenausbaubeiträge profitieren sollen. Bei einer rückwirkenden Erhebung ohne vorliegende Satzung können sich die Entscheidungsträger in den Gemeinden – die Gemeinderäte – nicht der Folgen ihrer Entscheidung bewusst sein. Zum 30. September 2015 gibt es laut einer Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Kuschel über 53 Kommunen in Thüringen, die über keine rechtsgültige Satzung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verfügen oder deren Satzung nicht genehmigt wurde. Das sind im

merhin 6 Prozent aller Thüringer Gemeinden und Städte.

Zum Stand August dieses Jahres gab es 250 Gemeinden in Thüringen, die überhaupt noch nie Straßenausbaubeiträge erhoben haben. Das sind sogar 29 Prozent aller Thüringer Gemeinden und Städte. Die Verwaltungsmitarbeiter in den Gemeinden sehen sich mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. So erfordert die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen eine sichere Kenntnis der sehr stark einzelfallbezogenen Rechtsprechung sowie eine langjährige Erfahrung. Außerdem fällt diese Aufgabe in den meisten Kommunen nicht fortlaufend an, sodass die Verwaltungsmitarbeiter sich immer wieder neu und zeitintensiv einarbeiten müssen. Für die Rechtssicherheit besteht dann ein großes Risiko, wie zuletzt unter anderem das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar bewiesen hat, das die Straßenausbausatzung der Gemeinde Uder im Eichsfeld gekippt hat. Schließlich kann man den Nutzen der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nicht bewerten, wenn man nicht die Kosten ihrer Erhebung – und dazu zählen neben Verwaltungskosten auch Rechtsverfolgungskosten, die aufgrund der hohen Rechtsunsicherheit bei den Straßenausbaubeiträgen oft entstehen dürften – den durch Straßenausbaubeiträge gewonnenen Einnahmen gegenüberstellt.