Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

sprechende Vorlage in dem Parlamentsrecht gegeben hat.

(Unruhe CDU)

Außer Ihnen hat das niemand so praktiziert und dann hat es die FDP noch aufgenommen. Die dunkle Seite der Macht ist bei Ihnen schon ganz gut zu verorten, und wenn ich mir dann vorstelle, mit welcher Verve Sie hier antreten und sagen, wir ruinieren dieses Land, nachdem der höchste Schuldenberg, den dieses Land hat, von Ihnen zu verantworten ist,

(Beifall DIE LINKE)

ist es schon eine gewisse Form von Zynismus,

(Unruhe CDU)

dass Sie dann sagen, alle anderen, die jetzt damit umgehen müssen, seien dafür verantwortlich, was Sie an Altlasten hinterlassen haben.

(Unruhe CDU)

Einige sind von meinen Kolleginnen und Kollegen aufgeführt worden und ich finde, dass wir uns jetzt gut aufstellen, dass alle Häuser sich angestrengt haben, die Zukunftsfähigkeit dieses Landes in das Zahlenwerk des Haushalts aufzunehmen. Ich danke insbesondere der Finanzministerin, dass sie mit ihrer Arbeit und der Arbeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür gesorgt hat, dass das Kabinett einen entsprechenden Haushaltsentwurf als Doppelhaushalt vorlegt, der morgen zur Abstimmung steht. Das mag Sie als CDU dann quälen, aber es ändert nichts daran, dass wir eine Mehrheit im Parlament haben, und diese Parlamentsmehrheit wird morgen auch diesen Doppelhaushalt auf den Weg bringen und das ist gut für unser Land, denn es werden Akzente gesetzt, die deutliche Investitionen in die Zukunft sind.

Deswegen, meine Damen und Herren, beginne ich mit dem Satz: „Was bleibt, ist die Veränderung; nur was sich verändert, das bleibt.“ Wenn wir dieses Land nicht verändern, wenn wir einfach so beharren, wie Sie es hier als CDU mittlerweile immer wieder thematisieren, dass die Kleinstaaterei das zentrale Gestaltungselement dieses Landes ist, und dass man alles das, was man an Geldaufwendung braucht, um Kleinstaaterei bei Abwanderung und bei immer weniger Einwohnern zu finanzieren hat, durch Landesgeld kompensieren soll, das ist kein Geschäftsmodell. Das blockiert dieses Land, das zerstört dieses Land im Kern, das raubt uns die Zukunftsfähigkeit. Deswegen, meine Damen und Herren, ist es gut und richtig, dass wir an den Gestaltungselementen Kommunal-, Gebiets- und Verwaltungsreform intensiv arbeiten. Das Leitbild wird in wenigen Tagen in die entsprechende parlamentarische und gesellschaftliche Debatte übergehen und wird die Grundlagen bilden. Wir wollen am 22. Dezember im Kabinett die entsprechenden Entschei

dungen dazu treffen, damit sich die Diskussion in unserem Land über die Zukunftsfähigkeit, um eine veränderte Struktur, Strukturen, die dieses Land auch zukunftsfähig gestalten, aber darin eingebettet auch Gemeinden und Dörfer, die eine Ausstrahlung haben und bei denen deutlich ist, niemand wird den Dörfern ihre Identität nehmen, denn die Identität eines Dorfs, eines Siedlungsraums ist entscheidend dafür, dass Menschen sich dort wohlfühlen, aber dass wir mit jedem Kilometer, den wir von Erfurt, Weimar, Jena links oder rechts in die Region gehen, in Problemzonen geraten, die Vermögen der Menschen dort, wenn sie Immobilien haben, mit jedem Kilometer, den man weiter weggeht, um 1 Prozent weniger wert sind und wir in Regionen auch Ortschaften haben, in denen mittlerweile jedes vierte Haus leer steht, dann sind das Tatbestände, die uns veranlassen müssen, dieses Land auch zukunftsfester zu gestalten. Das bedeutet, dass wir über Themen reden müssen wie einen Verkehrsverbund, einen integrierten Verkehrsverbund, der nicht an der Kreisgrenze endet, sondern der das ganze Land umfasst. Deswegen – ja, meine Damen und Herren – kämpfen wir auch um die Regionalisierungsmittel, die einfach am Ende eines langen Verhandlungstags im Bundeskanzleramt ohne jede Rücksprache mit irgendeinem der Ministerpräsidenten von Herrn Schäuble mit dem Hinweis auf den Tisch geknallt wurden: Jetzt könnten wir den Kieler Schlüssel sofort anwenden – das bedeutet, dass im Kern in Thüringen jeder dritte Zug abbestellt werden müsste –, dass der Kieler Schlüssel ab sofort gelten soll, ohne jede Übergangsregelung. Da haben die Verkehrsminister aller Länder sich intensiv vorbereitet und haben eine 16-zu-null-Entscheidung getroffen. Und dann kommt auf einmal am Ende eines Tages, wo wir nur über Flüchtlinge reden, eine Entscheidung zu Verkehrsmitteln, die damit überhaupt nichts zu tun hat. Ich habe dazu der Bundeskanzlerin einen Brief geschrieben und das für ungehörig erklärt. Es kann einfach nicht sein, dass man diesem Land Thüringen 590 Millionen Euro in den nächsten 15 Jahren streicht, wenn es um schienengebundene Verkehre geht, mit der Begründung, weil Flüchtlinge Eisenbahn fahren, müsste jetzt der Kieler Schlüssel eingeführt werden. Das ist Zynismus auf dem Rücken von Flüchtlingen. Das ist aber auch Zynismus auf dem Rücken von den Bundesländern, die das nicht kompensieren können.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deswegen ist da auch so ein bisschen die Tonart an den Tag getreten, dass man im Westen denkt, dass die Länder im Osten auf dem Rücken des Westens leben. Das ist eine falsche Tonart. Ich würde mir wünschen, dass Nordrhein-Westfalen genauso viel Verkehrsmittel bekommt, wie es Einwohner hat, aber nicht auf dem Rücken, indem man es den neuen Ländern wegnimmt, sondern indem

(Ministerpräsident Ramelow)

man insgesamt dafür sorgt, dass jeder Zug bezahlt werden muss.

(Beifall SPD)

Denn die Eisenbahn war mal Bundesangelegenheit und steht immer noch im Grundgesetz und hat eine grundgesetzliche Verpflichtung. Wenn man das sozusagen runterbricht und dann die Länder Ost gegen West in Stellung gegeneinander bringt, ist das das Gegenteil von Solidarität.

Meine werten Damen und Herren, wenn ich dann die Kritik aus der CDU höre, dass ich das Land Thüringen isolieren würde – es wird ja immer wieder von Ihrem Fraktionsvorsitzenden vorgetragen, dass die Isolation eins der Probleme sei –, und dann stehe ich hier und muss den Länderfinanzausgleich verteidigen – den Kompromiss der 16 Länder –, dann weiß ich nicht, was bei einer Entscheidung von 16 zu null die Isolation ausmachen sollte. Hätte ich nicht zugestimmt – wie mir hier zugerufen wird –, dann würden Sie sagen: Jetzt isoliert er noch das Land. Wenn man dann aber sagt, das, was auch die CDU-Ministerpräsidenten mit ausgehandelt und mitvereinbart haben, muss dann auch für Thüringen gelten, dann stellen Sie sich hin und sagen, das war der Linke. Das ist doch eine absurde Argumentation.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da kann ich nur sagen, ich teile da die Kritik von Werner Pidde. Werner Pidde hat hier gestern kritische Anmerkungen zum Länderfinanzausgleich und zu dem Kompromisspaket als Ganzes gemacht. Dann freut sich die Union und denkt, der Herr Pidde würde mich damit kritisieren. Nein, er kritisiert das Paket. Da kann ich nur sagen, da bin ich bei Werner Pidde. Ich kritisiere das Paket als Paket auch, denn das Paket selbst ist eine Entscheidung gewesen, am Ende Ja zu sagen, bevor man uns noch mehr Geld wegnimmt. Denn tatsächlich war es so, dass Bayern gesagt hat: Wir wollen in Zukunft mindestens 1 Milliarde Euro mehr vom Länderfinanzausgleich behalten. Und NordrheinWestfalen hat gesagt: Wir wollen, dass der Umsatzsteuervorwegabzug aus dem Länderfinanzausgleich gestrichen wird. Das sind zwei der großen Bundesländer und keines der beiden wird von der Linken regiert und keines von beiden hat eine rotrot-grüne Regierung. Das heißt, alleine von den 8 Milliarden Euro, die Herr Schäuble für den Länderfinanzausgleich zur Verfügung stellen möchte – das war seine Grundaussage –, soll 1 Milliarde Euro für Bayern weggehen und 1 Milliarde Euro für Nordrhein-Westfalen. Das heißt, 16 Länder minus zwei, 14 Länder müssen sich dann um 6 Milliarden Euro streiten.

Daran wird doch deutlich, dass das so gar nicht funktionieren kann. Das ist ein Widerspruch in sich.

Deswegen, meine Damen und Herren, war das eigentliche Problem – und darum habe ich immer wieder öffentlich gekämpft und gesagt, es ist ein schwerer Fehler der Bundesländer, schweigend wegzuschauen, dass der Soli abgeschafft wird. Und ich sage mal: Auch die letzte Landesregierung SPD/CDU hat unter Christine Lieberknecht den Deutschlandfonds als ein Thema angesprochen. Christine Lieberknecht hat mehrfach darauf hingewiesen, dass benachteiligte Regionen in Deutschland diese Aufholjagd wieder in Gang gesetzt bekommen müssen, damit es wieder ein Zuwachsen gibt, damit man überhaupt wieder aus abgehängten Regionen anschließen kann. Deswegen, wenn ich heute über den Soli rede, rede ich nicht über den Ost-Soli. Ich rede nicht über eine nach Himmelsrichtungen ausgerichtete Verteilmethode, sondern ich rede über benachteiligte Regionen. Dazu gehören für mich Bremerhaven und der Pfälzer Wald genauso wie Artern oder Altenburg. Das muss also von dem Strukturabstand abhängen, wenn man dieses Finanzinstrument einsetzen will. Dieses einfach durch die schwarze Null in der Bundesregierung abzuschaffen und einfach zu sagen, der Soli kommt weg, weil wir im Bundestagswahlkampf keine Bundeskanzlerin Merkel wollen, die im Wahlkampf kämpfen muss, dass der Soli weiterfinanziert wird. Sondern man möchte sich öffentlich darstellen: Herr Schäuble einerseits mit der schwarzen Null, koste es, was es wolle, im Zweifelsfall auf dem Rücken der Länder. Und man will den Soli streichen, um dem Bürger zu sagen: Mit weniger Geld geht es auch.

Gleichzeitig nimmt man aber die 16 Milliarden Euro aus dem Soli raus und überlässt es den 16 Bundesländern, mit 6 Milliarden Euro klarzukommen, plus 1 Milliarde Euro für NRW und 1 Milliarde Euro für Bayern. An Plus rausgekommen sind jetzt tatsächlich 1,5 Milliarden Euro für NRW und 1,2 Milliarden Euro für Bayern. Wir als neue Länder sind am Ende nicht die Erfolgreichen, um zu sagen, wir kommen damit gut raus. Nein, das hat gestern Heike Taubert für die Landesregierung, und zwar für die ganze Landesregierung, hier exakt dargestellt. Wir bleiben gerade mal auf der Linie von 2019, was die Einnahme- und Ausgabegrundlage ist. Ja, Herr Kowalleck, da bin ich richtig zitiert worden, das wird zu bitteren Entscheidungen auch in diesem Land führen. Denn 2019 sind es noch einmal 300 Millionen Euro weniger zu dem, was wir 2015 als Ausgangspunkt haben. Allein dieses Gefälle wird sich deutlich stabilisieren. Insoweit müssen wir über Veränderungsprozesse in diesem Land reden.

Ich bleibe dabei: Christine Lieberknecht hat mal in Jena eine pragmatische Rede über das Sparen und Verändern dieses Landes gehalten. Offenkundig ist das nicht mehr allen in der CDU in Erinnerung. Denn an den Tatbeständen hat sich nichts geändert. Die Tatbestände sind die gleichen geblieben.

(Ministerpräsident Ramelow)

Der Soli ist weg, der Länderfinanzausgleich wird 2019 für uns als Bundesland eingefroren. Das sind also keine warmen Geldregen, die vom Bund über uns herabgeschüttet werden. Es gibt kein Manna vom Himmel, sondern es ist tatsächlich so, dass wir mit dem immer wenigeren Geld versuchen müssen, effizienter und nachhaltiger umzugehen. Deswegen brauchen wir zusammen die Veränderung dieses Landes. Ich bleibe dabei: Was bleibt, ist die Veränderung, und nur was sich verändert, das bleibt.

Wir müssen dieses Land verändern. Wir müssen darüber reden, dass die kommunale Strukturanordnung und die kommunale Strukturaufstellung an vielen Orten nicht mehr funktioniert. Wir müssen darüber reden, dass Sie, meine Damen und Herren von der Union, Situationen haben wachsen lassen, auch mit den letzten Gebietsreformen, den Gemeindereformen, die zum Schaden der Städte waren. Ich nenne das Beispiel Ichtershausen versus Arnstadt. Ichtershausen hat als glückliche Fügung ein Gewerbegebiet, das voll ausgelastet ist und das noch zugebaut werden kann. Die haben jetzt die Gewerbesteuereinnahmen und die Stadt Arnstadt, die nebenan aber die Leistung für die Region erbringen soll, hat das Geld nicht. Und die Stadt Ichtershausen stellt sich hin und sagt: Wir können auch noch die anderen Gemeinden mit eingemeinden. Und das hat sie dann auch gemacht und hat den Eltern angeboten: Wenn ihr euch für Ichtershausen entscheidet, werden auch die Elternbeiträge in den Kindereinrichtungen stabil bleiben oder sogar niedriger werden. Das ist natürlich ein Anreizsystem, indem man sich neue Strukturen zusammenkauft, ohne die Frage zu stellen: Wie kann das Stadt-Land-Gefüge eigentlich noch gut aufgesetzt funktionieren und wie kann Arnstadt seine Funktion als Mittelzentrum erfüllen? Dasselbe dekliniere ich am Beispiel von Eisenach durch. Eisenach brauchen wir als einen der Leistungsträger, wenn es um das Reformationsjahr geht, wenn es um die touristische Entwicklung geht, wenn es um die Wirtschaftsentwicklung und um die Industrieentwicklung geht. Und wenn ich mir dann das Verhältnis zwischen Eisenach und Krauthausen ansehe – es wird darüber einfach zu reden sein. Ich denke, dass sich Gemeinden und Städte, die von ihren Gewerbegebieten getrennt worden sind oder die von den Gewerbegebieten abgehängt werden, im Verhältnis zueinander zu keiner guten Entwicklung neu aufstellen. Deswegen müssen wir das eine tun und dürfen das andere nicht lassen. Wir müssen über die veränderten Strukturen reden, wir müssen über Einwohnergrößen reden und wir reden, meine sehr verehrten Damen und Herren, über eine demografische Entwicklung. Die scheint der CDU völlig abhanden gekommen zu sein. 1990 hatten wir eine Einwohnerzahl von 2,611 Millionen. 2015 haben wir 2.160.000. Das sind 450.000 Menschen weniger, 450.000 Menschen weniger in einem Bundesland, das Strukturen hat, die die 450.000 aber verwalten

könnten und auch ernähren könnten und auch Perspektiven bilden könnten. Das sind 450.000 Steuerzahler, die uns fehlen. Ich sage dann immer: Das sind 450.000 Entwicklungshelfer, die wir in den Westen geschickt haben, die dort gute Steuerzahler sind, die dort die Region gut voranbringen. Aber uns fehlt leider derjenige, der hier sein Kind kriegt, den wir dringend bräuchten, damit hier eine Zukunftsperspektive ist, denn die Entwicklung ist: Bis 2035 werden wir nur noch 1,8 Millionen Einwohner haben. Das sind nur noch 900.000 erwerbsfähige Menschen, die den Wohlstand, den wir derzeit in Thüringen haben, überhaupt erarbeiten können. Das sind immer weniger Menschen – darauf hat Wolfgang Tiefensee mehrfach hingewiesen –, und das setzt voraus: Intelligentere Produktion, andere Formen des Umgangs miteinander. Aber am Ende ist es so, dass auch die Sozialministerin sagt: Wer pflegt uns dann im Krankenhaus, wer wird sich um uns im Altenheim kümmern? Denn gleichzeitig bei zurückgehender Einwohnerzahl haben wir ein dynamisches Wachstum im Durchschnittsalter. Das heißt, wir sind irgendwann vor die Frage gestellt, wie wir eigentlich im Altenund Pflegeheim würdig behandelt und begleitet werden. Auch das müssen wir im Blick haben. Das heißt, wir müssen ein Bundesland sein, das endlich Zuwanderung haben will und sich bekennt, ein Zuwanderungsland zu sein. Wenn wir das nicht laut und deutlich formulieren, wenn wir nicht deutlich machen, dass dieses Land dringend Menschen braucht, die hierherkommen, die hierherziehen – ich höre immer die Appelle: Die, die hier weggegangen sind, sollen wiederkommen. Die, die in der Geburts- und Sterbebilanz ausgeschieden sind, werden wir nicht mehr zurückbekommen. Die, die im Westen sind, haben sich anders entschieden und deren Kinder kommen auch nicht mehr hierher. Vielleicht im Alter, wenn es darum geht, die Rente hier zu verleben. Das kann ich gut verstehen, das wird aber nicht die Erwerbsperson sein, die wir brauchen, um unsere Prosperität aufrechtzuerhalten. Deswegen, meine Damen und Herren, müssen wir darüber reden, dass es gut ist, dass wir mit Lemberg zum Beispiel ein Kooperationsabkommen haben, dass junge Ukrainerinnen hier in Thüringen zurzeit Hotelfachausbildungen machen. Diese Kooperation ist genau der richtige Weg. Mit den Spaniern haben wir mittlerweile 80 Auszubildende, die hier sind und ein Teil unserer ganz normalen Ausbildungslandschaft geworden sind. Mit der griechischen, der Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsvereinigung bereiten wir gerade eine Altenpflegekooperation mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband vor. Auch dort sagen wir: Junge Leute aus Griechenland sind uns herzlich willkommen. Und deswegen, meine Damen und Herren, ist jede ausländerfeindliche Demonstration und jeder rassistische Ausfall eine Katastrophe für unser Land, wenn über

(Ministerpräsident Ramelow)

uns in der Öffentlichkeit erzählt wird, dass wir Dunkeldeutschland seien.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn wir uns auch noch selbst einreden, dass wir Dunkeldeutschland wären, wenn wir zulassen, dass diejenigen, die dafür sorgen, dass der Dom dunkel ist, weil sie so finstere Reden halten, wenn die nach außen der Vertreter sind, der unser Land nach außen repräsentiert, dann sage ich mal: Das sind gefährliche Botschaften nach außen, denn jeder, der hierherkommt, überlegt sich dreimal, ob er hier leben will, wenn er nicht weiß, ob das Haus, in das er einzieht, möglicherweise abbrennt oder Ähnliches.

Deswegen ist jedes Haus, das zurzeit brennt, eine Katstrophe für uns alle. Es ist eine demokratiegefährdende Auseinandersetzung, die wir gerade erleben, weil wir – eben haben die Menschen aus Somalia demonstriert, die aus Somalia geflüchtet sind, die eine neue Heimat suchen, weil zu Hause ihr Leben bedroht ist. Deswegen haben sie hier eben demonstriert – nicht, weil sie gegen das Parlament demonstriert haben, das ist nämlich der Unterschied. Die haben hier demonstriert, um auf ein Problem aufmerksam zu machen, das ich auch teile, dass nämlich Menschen, die als Flüchtlinge hierherkommen, acht oder zehn oder zwölf Monate darauf warten, bis sie eine Bleibeperspektive beurteilt bekommen haben. Das finde ich falsch.

(Unruhe AfD)

Es ist ein grober Fehler, dass man die Menschen viel zu lange in der Unsicherheit lässt und dann hinterher sagt: Na ja, aber wer hier nicht hingehört, der muss abgeschoben werden, und da muss unser Innenminister das organisieren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das halte ich für eine Katastrophe, das halte ich auch für uns emotional für den falschen Weg. Wir sind uns in der Landesregierung einig, dass wir die Erstaufnahmestationen, die jetzt auf den Weg gebracht worden sind – das ist Gera, das war vor einem Jahr noch nicht zu erwarten, jetzt ist es Gera mit einem guten Objekt. Das soll die Tage noch gekauft werden, damit man auch da klare Voraussetzungen hat. Mühlhausen – mittlerweile als Bildungs- und Integrationscampus, auch das war vor einem Jahr noch gar nicht vorstellbar, jetzt entwickelt es sich in einer hervorragenden Qualität. Suhl wird im Moment mit Hochdruck umgebaut und muss von den Zahlen wieder auf das Niveau runtergebracht werden, was wir mit den Suhler Stadträten und dem Suhler Oberbürgermeister vereinbart haben. Aber mit den drei Zentren wollen wir es schaffen – und das hat Dieter Lauinger als klare Ziellinie vorgegeben, nach dem Modell, wie es in Heidelberg ist, dass wenigstens nach einer Woche jeder

Mensch schon weiß, ob er eine Bleibeperspektive hat oder nicht. Dann können wir nach einer Woche dafür sorgen, dass sie schneller in Deutschkurse kommen, dass sie schneller in Ausbildung kommen oder in berufspraktische Begleitung oder in Unterweisungs- und Unterrichtungszusammenhänge, damit wir ihnen unsere Hausordnung auch erklären. Dazu gehört auch, dass die Menschen, die hierherkommen, unsere Hausordnung einhalten sollen und einhalten müssen. Das bedeutet aber, dass unsere Menschen auch die Hausordnung einhalten. Häuser anstecken steht nicht in unserer Hausordnung. Häuser anstecken ist ein Verbrechen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deswegen sage ich: Wir müssen mit den Menschen, die hierherkommen, so umgehen, wie wir möchten, dass mit uns umgegangen wird, wenn wir in ihre Heimat geflüchtet wären. Wenn wir mit ihnen anders umgehen, wenn wir meinen, wir könnten mit ihnen schlechter umgehen – ja, es gab mal viele hunderttausend Menschen, die flüchten mussten. Die waren froh, dass sie menschlich aufgenommen worden sind. Deswegen sage ich: Der Bund der Vertriebenen in Thüringen hat es mehrfach deutlich gesagt. So wie man diese Menschen hier aufgenommen hat, so würde ich auch erwarten, dass wir mit Menschen umgehen müssen, die hier zu uns kommen und Schutz suchen. Wer über sie lacht, der hat kein Verhältnis dazu. Der sollte sich auch überlegen, wie sich die Weihnachtsgeschichte als Perspektive zeigt. Da habe ich dann auch meine Schwierigkeiten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will es nur mal sagen, weil Herr Mohring immer kritisiert, der Haushalt, den wir hier zu beraten und zu beschließen haben, sei offenkundig aufgebläht worden, um 25 traumhafte Finanzjahre der CDU zu zerstören. Also der Schuldenberg scheint mir wirklich keine Expertise für traumhafte Finanzpolitik zu sein.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber das ist so die Geschichte, wenn man über Länderfinanzausgleich redet, dann darf man nicht sagen, dass Herr Tillich dem genauso zugestimmt hat wie Herr Ramelow. Wenn man dann sagt, Herr Tillich ist aber auch ein schlechtes Beispiel, wenn es um die Frage der Landesschulden geht im Verhältnis zu den Thüringer Schulden, dann sage ich immer: Die CDU sucht sich immer das aus, was sie braucht, um irgendwie auf den Sack zu schlagen, denn eigentlich meint sie, dass es doof ist, dass sie jetzt Opposition ist. Aus der Sicht der CDU kann ich

(Ministerpräsident Ramelow)

das gut verstehen. Für das Land ist es aber gut, dass Sie mal lernen, wie Opposition geht.

(Beifall DIE LINKE)

Denn, lieber Herr Mohring, ich helfe Ihnen gern bei den Zahlen, und, Herr Kowalleck, ich helfe auch da gern noch einmal nach. 2016 werden wir 474,7 Millionen Euro für Flüchtlinge, Flüchtlingsintegrationskosten, aber auch für die unbegleiteten Kinder und Jugendlichen aufwenden, weil wir gesetzlich gezwungen sind, das zu tun, nicht, weil wir uns das ausgesucht haben. Wenn ich es mir hätte aussuchen können, hätte ich mir durchaus einen Zuzug in einer etwas kontinuierlicheren Art und Weise gewünscht. Ich hätte uns die notwendige Zeit gewünscht, uns Objekt für Objekt langsam auszusuchen, vorzubereiten und dann den Integrationspfad hier in Thüringen zu entwickeln. Aber es war schon die Bundeskanzlerin, die entschieden hat, dass die Züge fahren. Es war nicht diese Landesregierung. Ich finde die Entscheidung der Bundeskanzlerin richtig, dass sie die Budapester Züge hat fahren lassen. Deswegen, wenn der Satz stimmt von Frau Merkel „Wir schaffen das!“, dann bitte ich auch in der CDU dafür zu sorgen, dass Herr Schäuble diesen Satz aufnimmt und dann die Voraussetzungen dafür schafft, dass wir es auch schaffen können.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn ganz klar, 2016 474,7 Millionen Euro Aufwendungen für Flüchtlingsund Integrationskosten, 2017 615,5 Millionen Euro Flüchtlings- und Integrationskosten, einschließlich der unbegleiteten Kinder und Jugendlichen. Herr Mohring kritisiert uns immer, dass wir über 1 Milliarde Euro in den Haushalt hineingeblasen hätten. Ja, das sind 1.087.200.000 Euro, allein nur durch diese beiden Positionen. Es ist relativ leicht, das zusammenzuaddieren. Da muss man nicht irgendwie höhere Schulbildung haben. Es reicht, einfach zwei Zahlen untereinander und einen Strich drunter und addieren, und dann weiß man, wie viel Geld allein durch die Zuordnung nach Königsteiner Schlüssel an Flüchtlingen und an unbegleiteten Kindern und Jugendlichen hier nach Thüringen kommt. Und ich sage, diese rund 1 Milliarde Euro, die wir jetzt ausgeben werden, haben wir uns nicht ausgesucht. Die steht in Bundesgesetzen drin. Wir sind verpflichtet, humanitäre Voraussetzungen zu schaffen, damit Mitmenschlichkeit gelebt wird. Aber ich sage auch, wir geben das Geld aus als Zukunftsinvestition.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)