Protokoll der Sitzung vom 27.01.2016

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Staatssekretärin Ohler)

Damit schließe ich den ersten Teil und rufe auf den zweiten Teil

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Benachteiligung ostdeutscher Rentnerinnen und Rentner auch in Thüringen endlich beenden“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/1654

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Abgeordneten Stange, Fraktion Die Linke.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren, werte Zuhörerinnen und Zuhörer am Livestream! Werte Abgeordnete, erinnern Sie sich noch an die Blüm’schen Versprechungen: „Deutschland wächst zusammen – die Rente mit“, an die großen bunten Wahlplakate aus dem Bundestagswahlkampf 1994, wo die CDU den Ostdeutschen immer wieder versprach, wir alle werden blühende Landschaften erhalten, wir werden bald gleiche Lebensbedingungen haben? Und erinnern Sie sich vielleicht auch noch – und das ist noch viel wichtiger – an die berechtigten Forderungen von Gewerkschaften, Sozialorganisationen, Vereinen und Verbänden, die da heißen: „Die Rente muss den Lebensstandard im Alter sichern“, „Rente muss zum Leben reichen“ oder auch – anders formuliert – „Ein Leben frei von Armut und Diskriminierung sollte gewährleistet sein nach erfolgreichem Abschluss des Berufslebens“? Werte Abgeordnete, aber wie sieht die Realität aus? Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland, gleiche gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen in unserem Land sind nach mehr als 25 Jahren deutscher Einheit auch in Bezug auf die Renteneinheit nicht gewährleistet. Noch immer gibt es eine große trennende Kluft. Im Einigungsvertrag war Bestandsschutz und Gleichbehandlung zugesagt. Die Erfüllung dieser Zusagen steht leider immer noch aus. Aber dass Sie mich richtig verstehen, ich rede nicht nur von der Angleichung der Rentenentgeltpunkte Ost an West, sondern auch, dass viele Gruppen noch auf ihre Angleichung warten. Ich nenne hier nur die in der DDR geschiedenen Frauen oder die bestimmten Berufsgruppen, wie zum Beispiel die Beschäftigten im DDR-Gesundheitswesen oder die Balletttänzerinnen. Erinnern möchte ich auch an die Bezieherinnen von Invalidenrenten. Die warten bis heute auf die Anrechnung ihrer Leistungen, die sie zu DDR-Zeiten erworben haben und wo auch eingezahlt wurde. Wir als Linke sagen: 25 Jahre nach der deutschen Ein

heit muss unverzüglich auch die Einheit im Rentenrecht hergestellt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Das Thema darf nicht jetzt bzw. zukünftig länger politische Manövriermasse bei den sogenannten großen Volksparteien kurz vor den Bundestagswahlen bleiben, es muss endlich gehandelt werden.

Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen, die Bürgerinnen und Bürger nicht vergessen. Kanzlerin Merkel versprach auf dem 9. Seniorentag im Juni 2009 in Leipzig, ich zitiere: „Wir führen in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West ein.“ Das war vor sieben Jahren. Selbst in der jetzigen Koalition von SPD, CDU und CSU wird im Koalitionsvertrag geschrieben, dass man 2016 prüfe, ob man 2017 vielleicht etwas unternimmt, um irgendwie ab 2020 ein einheitliches Rentenrecht zu haben. Diese Hinhaltetaktik, werte Kolleginnen und Kollegen, haben Thüringerinnen und Thüringer oder alle ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger einfach satt.

(Beifall DIE LINKE)

Sie wollen nicht mehr länger mit Versprechungen immer kurz vor Bundestagswahlen hingehalten werden; sie wollen, dass endlich Taten erfolgen. Die Fraktion Die Linke im Bundestag, aber auch die rot-rot-grüne Landesregierung haben sich diesbezüglich in den letzten Jahren immer starkgemacht, um hier auch in Berlin für eine Angleichung der Renten in Ost und West zu streiten. Ich will es noch einmal ganz deutlich formulieren: Es war Unrecht, es ist Unrecht und es bleibt Unrecht, wenn für die gleiche Tätigkeit ein Mensch in Erfurt gegenüber einem Menschen in Hamburg nach 45 Arbeitsjahren unterm Strich circa 97 Euro weniger Rente im Monat hat, nur weil er in den neuen Bundesländern geboren wurde, gearbeitet und gelebt hat. Das muss endlich beseitigt werden. Die Linke will deshalb endlich eine Einheit im Rentenrecht herstellen. Wir wollen mit einem steuerfinanzierten Zuschlagsmodell den aktuellen Rentenwert Ost bis 2017 an den aktuellen Rentenwert West angleichen. Die Zuschläge müssen für Prozesse der Lohnangleichung ergänzt werden. Wir wollen die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf mindestens 10 Euro und eine Tarifbindung Ost muss endlich stärker beschleunigt werden. Dies darf nicht zum Nachteil der heutigen Versicherten gehen. Deshalb muss die sogenannte Hochwertung der ostdeutschen Gehälter und Löhne erhalten bleiben, bis die Lohndifferenzierung zwischen Ost und West aufgelöst ist.

Lassen Sie mich noch einen Satz sagen: In Thüringen arbeiteten 2014 21.670 Rentnerinnen. Das tun sie nicht, weil sie Langeweile haben, das tun sie, weil sie zu wenig Rente zum Leben haben. Das ist ein Beispiel für Altersarmut. Hier muss Politik handeln. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat Abgeordnete Holzapfel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Stange, das war ein Rundumschlag.

Lassen Sie mich im Einzelnen etwas dazu sagen. Unsere Argumente sind etwas anders, und zwar sagen wir: Keine Verschlechterung für Ostdeutschland bei der gesetzlichen Rente. Die CDU als Partei der deutschen Einheit steht nach wie vor zu ihren Versprechen, wie Sie auch aufgezählt haben, „blühende Landschaften“ usw. Ich bitte einfach mal, die Brillen zu putzen und durch unsere Landschaften zu fahren.

(Beifall CDU)

Wir stehen zu unseren Versprechungen, gleichwertige Lebensbedingungen in allen Teilen unseres Landes zu schaffen. Dies ist gerade in Bezug auf die aktuelle Rentnergeneration in Ostdeutschland weitgehend gelungen. Wenn Sie sich mit dem äußerst schwierigen Rentensystem mal auseinandersetzen, dann werden Sie merken, dass man das nicht einfach hier so pauschal in den Saal schmeißen kann. Die Rentenberechnung ist eines der schwierigsten Dinge, die wir in der Bundesrepublik haben. Zum 1. Juli 2015 sind die Renten in Ostdeutschland um 2,5 Prozent gestiegen, in den alten Ländern um 2,1 Prozent. Der Rentenwert Ost ist somit von 26,39 Euro auf 27,05 Euro gestiegen. Dies bedeutet eine Steigerung von zuletzt 92,24 Prozent auf 92,61 Prozent des aktuellen Rentenwerts von 29,21 Prozent in den alten Ländern. Die Entwicklung zeigt, dass die Rentenanpassungsformel wirkt. Wie wir alle wissen – und das ist auch bereits angekündigt –, wird im Juli 2016 wieder eine Rentenerhöhung mit weitaus höheren Renten für die ostdeutschen Rentner als für die westdeutschen stattfinden.

Bei der Herstellung der deutschen Einheit war die Verbesserung der rentenrechtlichen Situation der Menschen in den neuen Bundesländern ein erklärtes politisches Ziel der CDU. Die Ostrente war eine vernünftige Reaktion auf die erheblichen Unterschiede, die 1989 bei Einkommen und Renten zwischen Ost und West bestanden. Das Schlimme ist nur, dass viele von uns anscheinend das Gedächtnis verloren haben und nicht mehr wissen, was 1989 für Renten gezahlt wurden und mit was für Renten wir in die Bundesrepublik gegangen sind.

(Beifall CDU)

Das bestehende System sorgt dafür, dass mit der Angleichung der Löhne in Ost und West automatisch auch die Renten angeglichen werden. So stehen die ostdeutschen Rentner heute unvergleichlich besser da als in der DDR. Ich möchte nicht wissen, was 25 Jahre DDR für unsere Rentner noch bedeutet hätten. Ich will es nicht wissen.

(Beifall CDU)

Das Ziel der Rentenangleichung darf dennoch nicht aus dem Blick geraten, denn wir wollen, dass die ostdeutschen Rentner auch in Zukunft finanziell gut abgesichert sind. Wenn sich Rentengerechtigkeit aber mit einem Federstrich herstellen ließe, hätten wir sie bereits, denn im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD auf Bundesebene ist dieses Ziel lange formuliert. Frau Präsidentin, ich möchte aus dem Koalitionsvertrag zitieren, Seite 74 – Sie hatten es auch schon angesprochen, Frau Stange: „Angleichungsprozess Ost-West fortsetzen – Der Fahrplan zur vollständigen Angleichung, gegebenenfalls mit einem Zwischenschritt, wird in einem Rentenüberleitungs[...]gesetz festgeschrieben: Zum Ende des Solidarpakts, also 30 Jahre nach Herstellung der Einheit Deutschlands, wenn die Lohn- und Gehaltsangleichung weiter fortgeschritten sein wird,“ – der nächste Schritt passiert also im Juli – „erfolgt in einem letzten Schritt die vollständige Angleichung der Rentenwerte. Zum 1. Juli 2016 wird geprüft, wie weit sich der Angleichungsprozess bereits vollzogen hat und auf dieser Grundlage entschieden, ob mit Wirkung ab 2017 eine Teilangleichung notwendig ist.“

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir aufgrund der Höherbewertung – das ist das, was die Wenigsten wissen – der Löhne und Gehälter

Frau Holzapfel, letzter Satz bitte.

ich weiß – im Augenblick in einer komfortablen Situation sind, die uns eine plötzliche Rentenangleichung nicht bringen würde.

Frau Holzapfel, Ihre Redezeit ist jetzt wirklich um.

Tut mir leid.

(Beifall CDU, SPD)

Mir tut es auch leid, aber die Redezeit ist um. Für die Fraktion der SPD hat die Abgeordnete Lehmann das Wort.

(Abg. Stange)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Lange war die Verteilungsfrage nicht so präsent wie in diesen Tagen, wenn wir an die Zahlen denken, die „Oxfam“ vor wenigen Wochen veröffentlicht hat, dass die 62 reichsten Menschen auf dieser Welt genauso viel besitzen, wie die Hälfte der Menschen auf der Welt. Bei aller methodischen Kritik, die man an diesen Zahlen haben kann, zeigt es doch eine Schieflage in der Vermögensverteilung. Diese Debatte ist im Nachgang auch für Deutschland wieder aufgegriffen worden. Auch hier zeigt sich: Einkommen und Vermögen sind zunehmend ungleicher verteilt, wenn 10 Prozent der Haushalte in Deutschland über genauso viel Vermögen verfügen wie 52 Prozent, vor 15 Jahren waren es übrigens noch 45 Prozent. Das heißt, es gibt hier einen deutlichen Anstieg. Und es zeigt und das wissen wir eigentlich auch schon lange, es gibt eine zunehmend ungleiche Vermögensverteilung in unserem Land, Reiche werden reicher und Arme immer ärmer. Das zeigt sich aber nicht nur bei Vermögen, sondern das zeigt sich auch bei Einkommen und eben auch bei Rente. Deswegen ist es gut, dass wir heute über die Unterschiede in der Ost- und Westrente sprechen. Dass das ein sehr komplexes System ist, haben wir eben schon gehört, aber ich würde trotzdem gern insbesondere auf zwei Aspekte eingehen.

Das eine ist, dass wir 25 Jahre nach der Wiedervereinigung ein einheitliches Rentensystem brauchen oder zumindest einen Weg, der uns zeigt, wie wir das irgendwann erreichen können. Das ist eine Forderung der SPD nicht nur hier in Thüringen, sondern auch im Bund. Das ist auch deswegen notwendig, weil es ein Zeichen dahin ist, dass wir tatsächlich eine Einheit in Deutschland erreichen, und zwar über die sozialen Sicherungssysteme, über Einkommen, über Löhne, weil wir wissen, dass es hier immer noch deutliche Unterschiede zwischen Ost und West gibt. Das spiegelt sich auch darin wider, dass Menschen in Ostdeutschland – und das zeigt uns die Debatte zum Thüringen-Monitor, die wir vor zwei Monaten hier geführt haben – immer noch das Gefühl haben, abgehängt zu sein.

(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Das Ge- fühl! Das ist aber nicht so!)

Ja. Das Gefühl kommt aber irgendwo her. Und das liegt auch daran, dass die Politik nicht alle Möglichkeiten nutzt, hier eine Angleichung vorzunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, aus diesem Grund möchte ich auch noch einmal den Appell an Sie herantragen, Ihre Blockadehaltung aufzuheben und sich daran zu beteiligen, dass wir diese Angleichung der Ost- und Westrente im Bund umsetzen. Wenn wir über die Benachteiligung von Renten in Ost und West sprechen, sprechen wir

aber auch – und das macht eben die Komplexität des Systems bewusst – über Einkommen in Deutschland, weil Rentenpolitik immer auch Arbeitsmarktpolitik ist und die unterschiedlichen Löhne, die wir in Ost- und Westdeutschland haben, daraus resultieren, dass wir ein ganz unterschiedliches Lohnniveau haben.

Wir wissen jetzt schon, dass Altersarmut in den nächsten Jahren zunehmen wird. Die Parität hat hierzu eine Studie veröffentlicht, die sagt, dass die Altersarmut in zehn Jahren von 2011 bis 2021 um 5 Prozent auf 8 Prozent steigen wird. Das ist auch ein Ergebnis der Lohnsituation, die wir hier in Thüringen haben, und ein Ergebnis der Niedriglohnstrategie, die die CDU lange gefahren hat. Frau Holzapfel, Sie müssen mir irgendwann noch mal erklären, was das damit zu tun hat, dass Sie für gleichwertige Lebensbedingungen in Ost und West kämpfen, wenn Sie sich hier 20 Jahre lang dafür eingesetzt haben, dass die Menschen deutlich weniger verdienen. Wenn Sie jetzt auch noch die niedrigen Löhne als Zweck dafür anführen, dass wir die Rentenangleichung nicht vornehmen können, weil wir dann den Faktor zur Lohnaufwertung absetzen müssen, dann ist das wirklich ein Treppenwitz und wird den Menschen in diesem Land nicht gerecht, die hier jeden Tag hart dafür arbeiten und die auch eine ganz massive Aufbauleistung für dieses Land geleistet haben.

Das macht aber einmal mehr deutlich, dass wir hier vor ganz enormen Herausforderungen stehen und dass es eigentlich weit mehr Reformen braucht. Da nützt manchmal der Blick über die eigenen Grenzen hinaus. Da nützt manchmal der Blick zum Beispiel nach Österreich. Da sagt die Böckler-Studie zum Beispiel in einer relativ neuen Studie gerade, dass das Rentensystem in Österreich weit mehr in der Lage ist, einen guten Schutz im Alter zu ermöglichen als unser eigenes System.

Wir müssen also, wenn wir über die Veränderung in der Rente reden und über eine Anhebung des Rentenniveaus, auch darüber sprechen, dass Renten auch zukünftig sicher und altersarmutsfest sind. Wir brauchen eine Debatte darüber, dass das Lohnniveau ansteigt, dass wir eine Ausweitung von Tarifverträgen haben, von Mitbestimmung, von der Anhebung des Mindestlohns, weil wir eben wissen, dass der nicht altersarmutsfest ist, und dass wir auch über die Angleichung in Ost und West reden. Weil das so ein langer Weg ist, wissen wir, dass wir jetzt damit anfangen müssen, weil viele der Schritte, die wir gehen werden, nicht unmittelbar wirken. Wir sollten das gemeinsam machen, weil wir es den Menschen in diesem Land schuldig sind, die jeden Tag einen Beitrag dafür leisten, dass diese Gesellschaft hier funktioniert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war eine Punktlandung. Das Wort für die Fraktion der AfD hat Abgeordnete Herold.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauer auf der Tribüne und im Internet, Thema der Aktuellen Stunde ist die echte oder vermeintliche Gerechtigkeitslücke bei der Rentenzahlung in Deutschland Ost und West. Laut Einigungsvertrag ist eine Anpassung der Löhne und Renten in den neuen Bundesländern an das Niveau der alten Länder das Ziel gewesen. Darauf hatte man sich 1990 geeinigt.

Um dieses Ziel zu erreichen wurde im Sozialgesetzbuch VI eine besondere Rentenformel für die neuen Länder festgeschrieben. Man war davon ausgegangen, dass das Lohnniveau als Berechnungsgrundlage für die Renten in den östlichen Bundesländern im Jahre 2030 das Niveau der westlichen Länder erreicht haben sollte. Das glauben mittlerweile nicht einmal mehr die Experten. Wenn man sich heutzutage auf dem Arbeitsmarkt umschaut, kann man das auch als Laie erkennen angesichts der Heerscharen von Mindestlöhnern und Minijobbern in Thüringen, das sich über die Jahre auch unter der Herrschaft von CDU und FDP zu einem Niedriglohnland entwickelt hat. Ein Übriges zu dieser Entwicklung wird der bislang ungebremste Zustrom von Arbeitskräften aus dem Ausland bewirken, die nach allen bisher getätigten seriösen Prognosen zu 80 Prozent und mehr im Niedriglohnsektor landen werden. Die zeitweise Öffnung des Mindestlohns nach unten für Zuwanderer wird auch dieser Bevölkerungsgruppe einen hohen Anteil an Altersarmen bescheren.

Alle bisherigen Versuche der Politik, eine salomonische Rentengerechtigkeit herzustellen, sind an den sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und den nicht auszugleichenden Interessenlagen gescheitert. Seit der Wiedervereinigung wird mehr oder weniger erfolgreich am Rentenrecht herumgeschraubt. So etwas wie Gerechtigkeit ist an dieser Stelle sehr schwer herstellbar. Irgendjemand oder eine Gruppe wird sich immer unzureichend gewürdigt fühlen. Die Folgen der Teilung Deutschlands sind eben nicht nach einer Generation beseitigt. Dazu waren die Systeme zu unterschiedlich und die finanziellen Rahmenbedingungen der Erwerbsarbeit in Ost und West so grundverschieden. Die Nachkommen oder die damaligen Teilnehmer am ostdeutschen Arbeitsmarkt tragen auch heute noch an den Folgen der linksexperimentellen Gesellschaftsgestaltung.

(Beifall AfD)

In den Frauenberufen, im Handel, bei der Dienstleistung und im Gesundheitswesen wurden so nied

rige Einkommen bezahlt, dass es fast unmöglich ist, diese in ein Verhältnis zu altbundesdeutschen Einkommen zu setzen.

Eine exemplarische Gerechtigkeitslücke an dieser Stelle ist die im Einigungsvertrag festgeschriebene Benachteiligung der vor 1992 geschiedenen Frauen. Zur Währungsunion und Wiedervereinigung gab es 800.000 von diesen, heute leben noch 300.000. Politiker aller Parteien haben sich in den letzten Jahren auf Länder- und Bundesebene immer wieder verbal dafür eingesetzt, diesen zum Teil in Altersarmut lebenden Frauen zu mehr Rente zu verhelfen. Erst letzte Woche gab es dazu einen sehr unschön klingenden Schlussakkord. Mit Hinweis auf den Vertrauensschutz der eventuell zu Leistungen heranzuziehenden ehemaligen Lebenspartner mit höherem Einkommen hat die UN mit dem Menschenrechtsausschuss CEDAW die Eröffnung eines Diskriminierungsverfahrens gegen Deutschland abgelehnt. Damit verbleiben die überlebenden 300.000 in der DDR geschiedenen Frauen weiterhin in Altersarmut ohne Kompensation von staatlicher oder privater Seite.

Wenn heute über niedrige Renten im Osten gesprochen und geklagt wird und das durchschnittliche Rentenniveau mit circa 760 Euro noch deutlich unter der Eckrente Ost von etwa 1.200 Euro liegt, sollte man auch einmal interessehalber die Folgen der Europäischen Währungsunion für die Entwicklung niedriger Einkommen oder Renten ins Auge fassen. Wer heute 750 Euro Rente bekommt, hatte vor 15 Jahren 1.500 DM Rente. Alle diejenigen hier, die damals schon einkaufen gegangen sind und mit Geld umgehen konnten, werden sich vielleicht erinnern, was mit 1.500 DM Rente alles möglich gewesen wäre. Statt nun weitere Zuwendungen an die Gruppe der heutigen Rentner zu fordern, die, wie zum Beispiel die Rente mit 63, von der Allgemeinheit teuer bezahlt werden müssen, sollten wir uns Gedanken darüber machen, welche politischen Weichenstellungen erforderlich sind, um die jetzt schon absehbare Altersarmut großer Gruppen von Arbeitnehmern abzuwenden.