Protokoll der Sitzung vom 29.01.2016

(Abg. Wolf)

wert, hätten sie doch einen sicheren und bequemen, mit gutem Gehalt und langen Ferien garnierten Halbtagsjob, der dürfte die Realität des Lehrerberufs gründlich verkennen. Tatsache ist, dass es sich hier um einen der anstrengendsten Berufe handelt. Speziell unter dem Gesichtspunkt der psychischen Belastung erfordert der Lehreralltag sehr viel mehr Kraft als der übliche Arbeitsalltag im Büro oder an der Werkbank.

Ja, wir haben in unseren Untersuchungen – das hat auch Herr Schaarschmidt festgestellt – keinen Beruf mit vergleichbaren kritischen Beanspruchungsverhältnissen feststellen können wie beim Lehrerberuf. Diese besorgniserregenden Befunde werden aber nicht nur in der Fachwissenschaft und unter Berufspraktikern diskutiert. Angesichts einer anhaltenden Medienberichterstattung über Burn-out in Lehrerzimmern, das „Gesundheitsrisiko Lehrerberuf“ und wie die Schlagzeilen alle lauten mögen, wundert es nicht, dass die Gesundheit der Pädagogen, ihre Arbeitssituation und ihre Leistungsfähigkeit in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus der öffentlichen und politischen Aufmerksamkeit gerückt sind. Die bundesweit hohen Zahlen an Langzeiterkrankungen bei den Pädagogen und an gesundheitsbedingten Frühpensionierungen bzw. Frühverrentungen haben dazu geführt, dass sich so manches Vorurteil über den vermeintlich einfachen und stressfreien Pädagogenberuf inzwischen in Luft aufgelöst hat.

Zusätzliche Bedeutung und gesellschaftliche Aufmerksamkeit hat die Pädagogengesundheit nicht zuletzt auch durch Ergebnisse der internationalen Schulleistungsvergleichsstudien und der damit verbundenen Bemühungen um eine bessere Bildungsqualität in den deutschen Schulen erlangt. Dabei hat sich im öffentlichen Bewusstsein allmählich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Gesundheit und Bildung zwei Seiten einer Medaille sind. Gesunde Arbeitsbedingungen und ein gesundes Schulklima – Frau Rothe-Beinlich hat darauf schon hingewiesen – tragen nicht nur maßgeblich zur Gesundheit und zum Wohlbefinden der einzelnen Lehrkraft bei, sie wirken sich auch entscheidend auf die Qualität der Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsauftrags aus.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Gesundheit unserer Pädagoginnen und Pädagogen ist daher ein hohes und zugleich fragiles Gut. Der Freistaat als Arbeitgeber ist in der Pflicht, sie nach Kräften zu schützen und zu bewahren. Das gebieten nicht nur der Respekt vor der hohen Leistungs- und Einsatzbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen und einschlägige rechtliche Verpflichtungen in den Bereichen Arbeitsund Gesundheitsschutz, sondern auch das nüchterne Kalkül, dass gute Schule nur mit gesunden, leistungsfähigen und motivierten Lehrerinnen und Lehrern gelingen kann.

Allerdings wird die Realität an unseren Schulen diesem hohen Anspruch bei Weitem nicht gerecht. Die Zahl der langzeiterkrankten Pädagoginnen und Pädagogen nimmt beispielsweise in Thüringen seit Jahren zu. Von 459 Personen im Schuljahr 2012/ 2013 auf 589 im Schuljahr 2014/2015. 2012 hat die GEW in einer Umfrage nachgewiesen, dass der Anteil psychischer Erkrankungen bei Lehrern doppelt so hoch wie im Durchschnitt aller Landesbediensteten ist. Diese Daten sind alarmierend, kommen aber nicht von ungefähr. Da es in den Jahren 2000 bis 2009 nahezu keinerlei Neueinstellungen in der Thüringer Lehrerschaft gab, ist es im Grunde nicht verwunderlich, dass in Thüringen bundesweit der höchste Altersdurchschnitt bei den Kollegen liegt. Derzeit liegt er in den Thüringer Lehrerkollegien bei 51,2 Jahren. Daran hat auch der breite Einstellungskorridor, der von der SPD in die Gänge gebracht wurde, seit 2009 substanziell nichts ändern können. Es wird vielmehr noch geraume Zeit dauern, bis wir zu einer guten Altersmischung in den Kollegien aller Schularten kommen. Und solange das so ist, führt die Tatsache, dass ältere Menschen in der Regel häufiger und länger krank sind als jüngere, nun einmal dazu, dass die Thüringer Schulen mit vergleichsweise hohen Krankenständen insgesamt und mit einer hohen Zahl an Langzeiterkrankten als Resultat von beidem leben müssen und damit natürlich auch mit der Konsequenz des Unterrichtsausfalls.

Wenn wir gute Schule und Unterrichtsabdeckung ernst nehmen, dann müssen wir also in der Bildungspolitik die Pädagogengesundheit weit stärker als bisher in den Blick nehmen und sie mit konkreten Maßnahmen erhalten und natürlich auch schützen. Dieser Aufgabe stellen sich die Koalitionsfraktionen. In unserem gemeinsamen Antrag fordern wir vom Bildungsministerium nicht nur eine differenzierte Analyse zum aktuellen Stand bei den Erkrankungen von Pädagoginnen und Pädagogen, sondern auch ein stärkeres Engagement bei der Bewahrung der Gesundheit der Beschäftigten als zentrale Ressource unserer Schulen. Wir wollen, dass das Bildungsministerium zusätzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Pädagogengesundheit ergreift, dass dabei auch bestehende personal- und dienstrechtliche Möglichkeiten ausgeschöpft werden, dass Gesundheitsfragen und der richtige Umgang mit Erkrankungen einen breiteren Raum in allen Phasen der Lehrerbildung einnehmen und dass das Ministerium dem Bildungsausschuss unseres Hauses regelmäßig über seine Bemühungen berichtet.

Zielsetzung des Ganzen sollte aus Sicht der SPD sein, schrittweise zu einem breit angelegten Thüringer Konzept zur Lehrergesundheit zu kommen, wie es der Thüringer Lehrerverband bereits vor zehn Jahren gefordert hat. Mögliche Schwerpunkte eines solchen Gesamtkonzepts hat der damalige Bil

dungsminister Christoph Matschie schon 2013 zusammen mit den Lehrerverbänden skizziert. Da wären zum Beispiel die Ergänzung des Aufgabenspektrums der Schulämter und der Schulleitungen um den „Punkt Gesundheitsmanagement der Beschäftigten“ zu nennen, der Ausbau der allgemeinen Gesundheitsvorsorge und des Betriebsschutzes in den Einrichtungen, die Stärkung der Suchtprävention, eine bessere Entlastung der Pädagogen durch individuelle Arbeitszeitmodelle – genau diesen Punkt halte ich für sehr wichtig, denn es ist viel leichter, wenn man merkt, dass man der Belastung nicht mehr standhält, mit einem flexibleren Beschäftigungsumfang auf diese Sachen zu reagieren, als dann am Ende mit hohen Krankenständen rechnen zu müssen. Diese individuellen Arbeitszeitmodelle müssen angepackt werden und es muss ein flexiblerer Personaleinsatz geleistet werden und natürlich muss auch die Vertretungsreserve weiter aufgebaut werden, damit die erkrankten Kollegen, wenn sie zu Hause sind, nicht das Gefühl haben, noch zusätzlich für eine Belastung zu sorgen, wenn ihr Unterricht wegen ihnen ausfällt.

Hier existieren also schon wichtige Vorhaben im Bildungsministerium und ich gehe davon aus, dass die jetzige Hausleitung diese im Sinne des Koalitionsvertrags zusammenfassen, systematisieren und schnellstmöglich umsetzen wird. Damit stellt sich die Regierungskoalition dem bedeutsamen Anliegen des besseren Schutzes und der Wahrung der Gesundheit der Pädagogen. Die CDU dagegen hat es in all den Jahren, in denen sie das Bildungsministerium verantwortet hat, lediglich bei schönen Worten und Lippenbekenntnissen belassen. Ich erwarte jetzt natürlich, dass wir diese Dinge umsetzen werden, und bin mir sicher, dass die Regierungskoalition dies in dieser Legislatur auf den Weg bringen wird. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Rosin. Das Wort hat nun der Abgeordnete Bühl für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer am Livestream, die vielleicht noch dabei sind, es ist ja schon viel gesagt worden zu dem Thema, deswegen will ich es kurz machen.

Vielleicht eingangs, Frau Rosin: Bisher haben wir vom Bildungsministerium auch nicht viel mehr als warme Worte zu hören bekommen; Ergebnisse stehen da aus. Ich hoffe, dass sich das ändern wird, gerade bei diesem wichtigen Punkt.

Zahlreiche Bildungsstudien in den letzten Jahren haben – das haben wir heute schon häufiger gehört – die zentrale Bedeutung der Leistungsfähigkeit der Lehrer für die Unterrichtsqualität belegt. Die Lehrer haben einen äußerst anstrengenden und psychisch belastenden Beruf auszuüben, einen Beruf, der sich oft auch auf die Gesundheit legt, wie die Krankenstände den Studien zufolge auch zeigen. Viele Lehrerinnen und Lehrer verlassen aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig den Schuldienst; aber nur gesunde Lehrkräfte, mit der Fähigkeit guter Belastungsverarbeitung, können auf Dauer auch gute Schule entwickeln.

In der Aktuellen Stunde am Mittwoch haben wir bereits über die zahlreichen Belastungen der Thüringer Lehrer gesprochen. Durch Lehrermangel und immer neue Aufgaben arbeiten viele seit Jahren am Limit. Hinzu kommt, dass auch durch das Urteil zur Teilzeitverbeamtung und den daraus folgenden geringen Einstellungszahlen in den Jahren 2008 und 2009 der Altersdurchschnitt der Lehrerschaft recht hoch ist. Deshalb setzen wir uns für ein modernes Personalentwicklungssystem im Lehrerbereich ein, dass die besonderen Belastungssituationen sowie Wechselmöglichkeiten berücksichtigt und moderne flexible Arbeitszeitmodelle realisiert. Kurz gesagt: Es braucht ein Gesundheitsmanagement, das sowohl die psychische wie auch die physische Lehrergesundheit im Blick hat. Die Landesregierung muss sich um die erkrankten Lehrer kümmern und sie durch eine intensive Begleitung der Krankheitsphase möglichst schnell wieder in den Schuldienst integrieren. Mindestens genauso wichtig ist es aber auch, die Belastungen der Lehrer zu reduzieren. Häufige Vertretungssituationen, eine Zunahme von Schülern, die den Lehrern immer mehr abverlangen, und vor allen Dingen immer mehr Bürokratie und die Herausforderung durch die Beschulung von Flüchtlingskindern sind nur einige Faktoren, die zu einer Beeinträchtigung der Lehrergesundheit durch höhere Anforderungen führen können.

Die GEW, damals noch unter der Führung unseres bildungspolitischen Kollegen, Herrn Wolf, stellte fest, dass besonders Lärm und Stress sowie fehlende Rückzugsmöglichkeiten für ältere Lehrer zum Belastungsfaktor, ja zur Gesundheitsgefahr werden können. Demgegenüber steht, dass Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeiten der betrieblichen Gesundheitsförderung weitgehend unbekannt sind. Psychische Erkrankungen wie Burn-out werden bei Lehrern doppelt so häufig konstatiert wie im Landesschnitt. Ein ganz besonderer Stein des Anstoßes in der Umfrage unter damals 1.618 Lehrern war dabei aber die Herausforderung, die der gemeinsame Unterricht von Kindern ohne und mit Förderbedarf an Lehrer stellt. 70 Prozent der Befragten sagten, dass die Umsetzung auf ihre Kosten vollzogen wurde. Es fehlen sowohl die räumlichen wie auch die sachlichen Voraussetzungen für

(Abg. Rosin)

den gemeinsamen Unterricht. Weitere Feststellungen der GEW: Die Krankheitsfälle unter den Thüringer Lehrern wachsen eklatant an. So gaben 37 Prozent an, in den letzten Jahren häufiger mehr als zwei Mal im Jahr krank gewesen zu sein und 30 Prozent waren bereits langzeiterkrankt, fielen also mehr als sechs Wochen für den Unterricht aus. Die GEW geht nach dieser Befragung von einer Quote von 2 bis 4 Prozent Langzeiterkrankten unter den Thüringer Lehrern aus. Es muss also unser aller Ziel sein, Lehrer von Bürokratie und immer neuen Aufgaben zu entlasten und mehr Zeit für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sowie die individuelle Förderung zu ermöglichen.

(Beifall CDU)

Neben Präventivstrategien für Lehrkräfte im Schuldienst und einer möglichen Reduzierung von Belastungen, muss das Land auch stärker auf den Lehrernachwuchs achten. Nicht jeder Lehramtsstudent ist für den Beruf des Lehrers geeignet. Deshalb ist es richtig, die Eignung für den Beruf des Lehrers möglichst früh durch dementsprechende Praxiserfahrung zu erproben, denn die Zufriedenheit mit dem Schuldienst kann viel zur Verbesserung der Lehrergesundheit im Verlauf des Berufslebens führen. Die Vorbereitung auf die Bewältigung von Stresssituationen muss aber auch in der Aus- und Fortbildung stärker in den Fokus gerückt werden.

In einem Punkt sind wir aber deutlich anderer Meinung als Sie, liebe rot-rot-grüne Koalitionäre. Wenn Sie fordern, unter Einsatz von personellen und dienstrechtlichen Möglichkeiten die Zahl der langzeiterkrankten Lehrer nachhaltig zu senken, muss jeder Pädagoge aufschrecken, wenn er Ihren Antrag liest. Soll das auf gut Deutsch heißen, wer zu lange krank ist, der fliegt?

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, Bündnis 90/DIE GRÜNEN: Was soll das denn? Das geht doch auch gar nicht! Das ist purer Popu- lismus!)

Das kann nicht die Lösung sein. Damit bringen Sie nur Angst und Schrecken in die Lehrerzimmer und das lehnen wir in dieser Formulierung klar ab.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Lehrer sind diejenigen, die täglich für die gute Bildungsqualität an unseren Schulen Sorge tragen. Dies müssen sie motiviert und fit tun, denn das Ergebnis kommt der zukünftigen Generation von Thüringern zugute. Insofern hoffe ich, dass wir dieses wichtige Thema der Lehrergesundheit im Bildungsausschuss weiter diskutieren, und beantrage die Überweisung an den Bildungsausschuss.

Zum Abschluss wünsche ich natürlich auch allen Lehrern und allen Schülern – die hoffentlich heute mit ihren Noten zufrieden waren, und wenn sie es

nicht waren, daran arbeiten, zufrieden zu werden – schöne Winterferien und eine gute Zeit. Danke sehr.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Ich habe jetzt keine weiteren Wortmeldungen, sodass ich die Aussprache schließe. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen zu Nummer I.2 des Antrags erfüllt wurde? Das ist so, es erhebt sich kein Widerspruch, sodass wir zur Frage der Ausschussüberweisung kommen. Kollege Bühl hat gerade die Überweisung beantragt. Des Berichts oder auch des Antrags?

(Zuruf Abg. Emde, CDU: Beides!)

Beides. Dann stimmen wir darüber ab. Wer für die Überweisung des Berichts und des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen der CDU-Fraktion. Danke schön. Gegenstimmen? Aus den Koalitionsfraktionen, der AfDFraktion und vom Abgeordneten Helmerich. Damit mit Mehrheit abgelehnt.

Somit stimmen wir über den Antrag direkt ab, über die Nummern I.1 und II des Antrags der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 6/1637. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Koalitionsfraktionen und vom Abgeordneten Helmerich. Gegenstimmen? Aus der AfD-Fraktion. Enthaltungen? Aus der CDU-Fraktion. Damit mit Mehrheit angenommen.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 16

Elektromobilität in Thüringen Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/1638

Herr Harzer wünscht das Wort zur Begründung für die Fraktion der Linken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Präsident, 2007 begann die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesregierung, am nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität in Deutschland zu arbeiten. Der Grundstein wurde mit dem integrierten Energie- und Klimaprogramm im Jahr 2007 gelegt. Es ist festzustellen, dass wir im Thüringer Landtag in den ganzen Jahren, seitdem es besteht, das erste Mal in einer Plenarsitzung zur Elektromobilität debattieren, obwohl wir seit 2007 über Elektromobilität in Deutschland reden. Auch die Zahlen

(Abg. Bühl)

in Deutschland und in Thüringen machen deutlich, dass wir hier Nachholbedarf haben. Im Februar 2010 beantwortete der damalige Wirtschaftsminister eine Anfrage des Abgeordneten Adams von Dezember 2009 zur Elektromobilität in Deutschland, dass der Plan vorsieht, 2,5 Prozent der zugelassenen Fahrzeuge in Deutschland bis 2020, nämlich 1 Million von fast 40 Millionen, als Elektrofahrzeuge zu haben. 2010, das ist sechs Jahre her, das war damals im Februar, jetzt haben wir Januar, also vor sechs Jahren. Heute haben wir zu verzeichnen, dass wir in Thüringen bei circa 0,02 Prozent der zugelassenen Fahrzeuge in der Elektromobilität stehen. Von der Warte aus halten wir es für dringend erforderlich, dass wir uns in Thüringen zur Elektromobilität verständigen, dass wir auch in Thüringen zur Elektromobilität diskutieren und dass wir auch in Thüringen etwas dazu tun, Elektromobilität zu fördern und Elektromobilität auch zu fordern – von der Warte aus heute der Antrag der Koalitionsfraktionen für den Thüringer Landtag.

Damit, denke ich, habe ich ausreichend begründet, warum es notwendig ist, auch über Elektromobilität zu reden, auch wenn es das erste Mal im Landtag ist. Über viele andere Themen wurde viel öfter gesprochen, aber das Thema hat mit dem Klimaschutz, mit Naturschutz zu tun und das sollte es uns auch im Hohen Hause wert sein, darüber zu debattieren. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Harzer. Die Landesregierung erstattet Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Siegesmund das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst herzlichen Dank an die Fraktionen von SPD, Linken und Grünen für den Antrag! Sehr gern erstatte ich Sofortbericht.

Die Bundesregierung hat vor sechs Jahren das verkehrspolitische Ziel gesetzt, dass bis 2020 1 Million Elektrofahrzeuge auf bundesdeutschen Straßen unterwegs sein sollen. Mittelfristig soll damit die Erzeugung von C02 im Verkehrs- und Mobilitätssektor signifikant sinken. Verkehr trägt zu 20 Prozent zu den Treibhausgasemissionen in Deutschland bei. Daran wiederum haben Pkw einen Anteil von 60 Prozent, das heißt also: Individueller Personenverkehr ist überproportional stark vertreten. Der Einstieg in die Elektromobilität ist also ein durchaus sinnvoller Ansatz zum Erreichen der Klimaziele.

Der Abgeordnete Harzer hat gerade zu Recht darauf hingewiesen: 2007 hat der Bund die Vision für 2020 aufgemacht. Jetzt muss man sich anschauen: Was ist denn seitdem passiert?

Der Bund hat erste Maßnahmen ergriffen. Es gibt ein Beratungs- und Kompetenzgremium der Wirtschaft und der Wissenschaft, benannt als Nationale Plattform Elektromobilität. Es gibt eine ganze Reihe verschiedener Förderprogramme. Im vergangenen Jahr wurde zudem das Elektromobilitätsgesetz in Kraft gesetzt. Danach wurden die neuen Kfz-Kennzeichen mit dem Zusatz E und einigen Privilegierungen für E-Fahrzeuge festgelegt. Dazu gehört übrigens auch die Befreiung neu zugelassener Elektrofahrzeuge von der Kfz-Steuer für fünf Jahre.

Nichtsdestotrotz ist die Bilanz, wenn Sie sich das Ziel 2020 vor Augen führen und schauen, wo wir heute stehen, ernüchternd. Was hat man denn erreicht? Gemessen an allen im letzten Jahr in Deutschland neu zugelassenen Fahrzeugen lag der Anteil der Elektroautos bei schlappen 0,2 Prozent. Die Bundesrepublik ist damit meilenweit davon entfernt, Leitmarkt für Elektromobilität zu werden. Man kann sogar sagen, Deutschland hinkt bei der Nachfrage nach Elektroautos schlichtweg hinterher. In der „Süddeutschen Zeitung“ gab es dazu gestern auch einen ganz spannenden Kommentar. Wie soll man das Ziel noch erreichen, wenn man sich gerade im Elektromobilitätsbereich – übrigens auch die Wirtschaft – eher im Rennschneckentempo bewegt, als ernsthaft Power reinzugeben?

Der Bestand in Thüringen zum 31.12.2015 betrug exakt 307 Elektrofahrzeuge; Stichwort Rennschnecke. Allein diese Zahl lässt unschwer erkennen, dass die eingeleiteten Maßnahmen nicht ausreichen. Tatsächlich hat die Bundesregierung bei der E-Mobilität bisher viel versprochen, aber wenig gehalten. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Elektromobilitätsgesetzes 2015 zutreffend festgestellt, dass das Ziel in den nächsten vier Jahren, 1 Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu bringen, mit den bislang vorgelegten Programmen und Gesetzen deutlich verfehlt wird, wenn nicht zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. Diese zusätzlichen Maßnahmen könnten sein: Zum Ersten die deutlichen steuerlichen Vorteile für Unternehmen, die Elektrofahrzeuge und Ladeinfrastruktur anschaffen – Stichwort Dienstwagenprivileg, Stichwort steuerliche Absetzbarkeit –, zum Zweiten die steuerliche Freistellung von Ladestrom, der durch den Arbeitgeber für Berufspendler mit E-Autos „getankt“ wird, zum Dritten die Förderung eines funktionsfähigen Netzes von Ladestationen und zum Vierten die Anschaffung von E-Fahrzeugen durch die öffentliche Hand.

Inwieweit eine vom Bundeswirtschaftsminister Gabriel derzeit ins Gespräch gebrachte Kaufprämie politisch durchsetzbar ist, wird sich noch heraus

(Abg. Harzer)

stellen. Es ist auch zu vernehmen, dass es hier Diskussionsbedarf in Berlin mindestens mit dem Bundesfinanzminister gibt. In diesem Zusammenhang ist auch die Ladesäulenverordnung zu nennen, die auf der Grundlage der EU-Richtlinie 2014/94/EU den einheitlichen Mindeststandard von Ladesäulen regelt und derzeit auch im Bundesrat beraten wird. Wenn diese Maßnahmen zusätzlich durch Förderprogramme der Länder und Kommunen flankiert werden, dann können die Stückzahlen am Ende auch steigen.