Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

Oder er will diese nicht sehen und glaubt, mit althergebrachtem Statusdenken ließen sich diese Herausforderungen bewältigen. Es reicht nämlich gerade nicht, Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare für die Ausbildung in ein befristetes Beamtenverhältnis zu übernehmen und zu glauben, damit alles Erforderliche getan zu haben. Eine moderne berufspraktische Ausbildung junger Akademikerinnen und Akademiker muss gesichert, ständig weiterentwickelt und an die Anforderungen der heutigen Berufsbilder angepasst werden. Zu einer modernen Juristenausbildung gehören zeitgemäße Lehr- und Lernmethoden, zum Beispiel durch den Zugang zum E-Learning. Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz stellt den Thüringer Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren seit Mai 2014 ein solch zeitgemäßes E-Learningsystem zur Verfügung. Dieses internetgestützte Programm wurde im Verbund mit Partnerländern aufgebaut und vermittelt juristische Lehrinhalte auf didaktisch anspruchsvollem Niveau. Thüringer Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare verfügen darüber hinaus über individuelle Zugänge zum juristischen Informationssystem „juris“. Das ist ein echter Standortvorteil.

Zukünftige Herausforderungen werden auch im Bereich der Prüfungsgestaltung liegen. In Zeiten der elektronischen Achse und des elektronischen Rechtsverkehrs erscheinen handschriftliche Klausurleistungen nicht unbedingt zukunftsweisend. Dieser Frage hat sich eine länderübergreifende Arbeitsgruppe angenommen, an der Thüringen beteiligt ist.

Hier, meine Damen und Herren Abgeordneten, liegen die wirklichen Herausforderungen, und nicht im Festhalten an Ausbildungstraditionen, auf die es so schon lange nicht mehr ankommt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit diesem Gesetz werden haushalterische Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen, die ohne Änderung wirkungslos verlorengingen. Ich will nicht verschweigen, dass ein Grund für die Einführung des öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses auch ein höheres Maß an Planungssicherheit in

(Staatssekretärin Dr. Albin)

haushalterischer Hinsicht ist und dass mit ihm eine – gemessen am bisherigen Grundgehalt – um rund 200 Euro niedrigere Unterhaltsbeihilfe verbunden ist, worauf heute schon mehrfach hingewiesen wurde. Die Verbeamtung von Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren hat regelmäßig in haushaltstechnischer Hinsicht deutliche Unwägbarkeiten mit sich gebracht, die nun entfallen. Mit der Einführung der Sozialversicherungspflicht für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare erreichen wir daher auch ein deutlich stärkeres Maß an Haushaltsstabilität. Ich nenne hierzu nur das Stichwort „Nachversicherungspflicht“. Beamte, die aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden, sind in den Sozialkassen nachzuversichern.

Frau Dr. Albin, Entschuldigung. Aber der Lärmpegel ist wirklich sehr groß, ich bitte einfach, der Rednerin etwas zuzuhören.

Der Freistaat Thüringen hat nach dem Ausscheiden aus dem juristischen Vorbereitungsdienst und aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf diejenigen Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare, die nicht im öffentlichen Dienst sind, nachzuversichern bei der Deutschen Rentenversicherung oder für diejenigen, die den Anwaltsberuf ergreifen, beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Hierbei wird der kalkulierte Regelansatz von 6.000 Euro pro Referendarin oder Referendar wegen der Unterschiedlichkeit der Ausbildungsbiografien oft übertroffen. Vor allem bilden diese Nachversicherungsbeträge Haushaltsmittel, die anderenorts in der Juristenausbildung und für junge Assessorinnen und Assessoren in der Justiz viel besser und effizienter eingesetzt werden können. So können Mittel frei gemacht werden, die eine moderne Juristenausbildung benötigt.

Wir schaffen Haushaltsstabilität, um auch mehr leistungsfähige junge Juristinnen und Juristen nach bestandener zweiter Staatsprüfung in das Richterverhältnis auf Probe zu übernehmen. Dabei darf ich daran erinnern, dass es diese Regierung ist, die erstmals dem drohenden demografischen Problem einer immer älter werdenden Richterschaft in Thüringen durch Neueinstellungen begegnet,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

auch deutlich über die Abgänge hinaus. Die von Ihnen genannten 17 Stellen, Frau Walsmann – darauf wurde von Frau Marx schon hingewiesen –, wurden alle besetzt mit Spitzenjuristen aus Thüringen. Die Chance, im Freistaat Thüringen als Richterin oder Richter bzw. als Staatsanwältin oder Staatsanwalt eingestellt zu werden, ist durch diesen Stellenauf

wuchs deutlich erhöht. Hier Richterin oder Richter, Staatsanwältin oder Staatsanwalt werden zu können, ist ein Standortvorteil, nicht die Verbeamtung auf Zeit. Wir stärken mit dem heute zu beschließenden Gesetz auch die soziale Sicherheit unserer Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare – darauf wurde heute auch mehrfach hingewiesen.

Referendare, die nach Abschluss des juristischen Vorbereitungsdienstes nicht sofort eine Anstellung finden, haben nun, unabhängig von ihrer finanziellen Situation, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Am Ende des Beamtenstatus steht dagegen die Hilfe zum Lebensunterhalt, die unterste Ebene im Netz der sozialen Sicherheit, bei der es insbesondere auch auf das Einkommen einer Partnerin oder eines Partners ankommt, oder darauf, ob Eltern für ihr Kind finanziell vorgesorgt haben. Genau das wollen wir mit diesem Gesetz vermeiden. Und wir haben dem Umstand Rechnung getragen, dass viele Thüringer Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare bereits im Lebensabschnitt ihrer berufspraktischen Ausbildung eine Familie gründen und Kinder haben. Deswegen haben die Regierungsfraktionen für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare mit Kindern einen Kinderzuschlag vorgesehen, und zwar unabhängig vom Familienstand.

Wie bunt die Welt im juristischen Vorbereitungsdienst Thüringens ist, mögen folgende Zahlen beleuchten. Anfang März befanden sich 197 Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare im Vorbereitungsdienst. Nach den Personalbestandslisten der Zentralen Gehaltsstelle sind 72 Kinder im Familienzuschlag zu berücksichtigen. Das, meine Damen und Herren Abgeordneten, ist die soziale Wirklichkeit im juristischen Vorbereitungsdienst. Dieser Wirklichkeit werden Sie mit einem pauschalen Beamtenstatus für alle kaum gerecht.

Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf die viel zitierten Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter eingehen, die in Thüringen noch verbeamtet sind. Die Situation der Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter ist mit derjenigen der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare eben nicht vergleichbar. Wie bereits dargelegt, werden die Rechtsreferendare vom Freistaat Thüringen nur in untergeordnetem Umfang für staatliche Berufe, zu einem weit höheren Prozentsatz aber für private Berufe, insbesondere für den Rechtsanwaltsberuf, ausgebildet. Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare können aus verfassungsrechtlichen und organisatorischen Gründen auch nur in beschränktem Umfang zur Entlastung der Ausbildungsstellen eingesetzt werden. Sie erbringen damit im wesentlich geringeren Umfang eine Gegenleistung für ihre Alimentation als Lehramtsreferendarinnen und Lehramtsreferendare. Man sollte hier nicht versuchen, wider besseres Wissen die eine Gruppe gegen die andere auszuspielen.

(Staatssekretärin Dr. Albin)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, im Interesse der großen Bedeutung einer modernen, qualitativ hochwertigen Juristenausbildung, zu der sich alle Thüringer Landesregierungen stets bekannt haben, darf ich Sie um Unterstützung des vorgelegten Gesetzentwurfs bitten. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucherschutz in Drucksache 6/1910. Wer der Beschlussempfehlung die Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Gegenstimmen? Bei den Gegenstimmen der Fraktionen der CDU und der AfD – Stimmenthaltungen kann ich nicht erkennen – und den Jastimmen der Regierungskoalition ist die Beschlussempfehlung angenommen.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Plus die der Fraktionslosen!)

(Zwischenruf Tiefensee, Minister für Wirt- schaft, Wissenschaft und Digitale Gesell- schaft: Plus die der Fraktionslosen!)

Plus die der fraktionslosen Abgeordneten.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Die gehö- ren dazu, das braucht man nicht mehr extra zu erwähnen!)

Wir stimmen nun über den Gesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 6/1216 in der Neufassung in zweiter Beratung unter Berücksichtigung der Annahme der Beschlussempfehlung in Drucksache 6/1910 ab. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und die fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt dagegen? Das sind die Fraktionen der CDU und der AfD. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer in der Schlussabstimmung mit Ja stimmt, den bitte ich darum, sich von seinem Platz zu erheben. Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und die fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt dagegen? Das sind die Stimmen der Fraktionen der CDU und der AfD. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nicht die Fraktionslosen, Teile der Fraktionslosen! Frau Vizepräsidentin, das ist wichtig!)

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und beende die heutige Plenarsitzung.

Ende: 18.14 Uhr