Protokoll der Sitzung vom 18.05.2016

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Weitere Redemeldungen liegen mir momentan nicht vor, sodass ich diesen Tagesordnungspunkt im ersten Teil schließe.

Ich rufe auf den zweiten Teil der Aktuellen Stunde

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD zum Thema: „Moscheebauten in Thüringen – Nicht gegen den Bürgerwillen!“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/2157

Das Wort hat Abgeordneter Höcke für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne, sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete, Umgehungsstraßen, Windkraftanlagen oder Moscheen – egal. Mündige Menschen wollen selbst entscheiden, wenn sich in ihrer Nachbarschaft grundsätzlich etwas verändern soll. Aber leider ist das Gegenteil der Fall. Der Bürger wird in Pseudo-Dialogveranstaltungen pseudobeteiligt, um am Ende in Gutsherrenart bevormundet zu

(Minister Prof. Dr. Hoff)

werden. Das ist keine Art und Weise in einer Demokratie.

(Beifall AfD)

Letzte Woche wurde bekannt, dass die AhmadiyyaGemeinde einen Bauvorantrag zur Errichtung einer Moschee gestellt habe. Dabei sieht die Gemeinde, so wörtlich, „einen gesellschaftlichen Bedarf“ für eine Moschee. Bei gerade 80 Mitgliedern dieser Gemeinde in Thüringen sehen wir als AfD-Fraktion im Thüringer Landtag diesen gesellschaftlichen Bedarf nicht.

(Beifall AfD)

Offensichtlich geht es der Gemeinde auch nicht darum, Räumlichkeiten für Gebete und Spiritualität zu schaffen, dagegen hätte keiner etwas einzuwenden, sondern sie will nach außen wirken. Sie will, so wörtlich, „Gesicht zeigen“. Wir meinen, für 80 Leute, die noch nicht lange hier sind, ist das ganz schön selbstbewusst-anspruchsvoll gegenüber den Erfurtern und Marbachern. Die Moschee soll eine Außenwirkung entfalten, denn Ahmadiyya hat schon immer missioniert. Da gibt es das Moscheebauprogramm, das im Jahre 2023 abgeschlossen sein und dann 100 Moscheen in Deutschland umfassen soll. In Plauen, in Zwickau, in Dresden werden bereits Grundstücke gesucht, in Chemnitz liegt eine Bauvoranfrage vor und in Leipzig soll gegen starken Widerstand der Bevölkerung im Herbst mit dem Bau einer Moschee begonnen werden. Wer religiöse Botschaften mit demonstrativen Bauvorhaben in die Gesellschaft tragen will, der muss das Einvernehmen mit dieser Gesellschaft herstellen.

(Beifall AfD)

Wir sind überzeugt, das kann nur im Einklang mit den Wertvorstellungen der Menschen vor Ort gelingen. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass die Bürger gefragt werden, ob sie diese fremde und extrovertierte Symbolik in ihrer Nachbarschaft wünschen.

(Beifall AfD)

Das sehen andere zu unserem Bedauern leider anders. Laut Islambeauftragtem des Bistums Erfurt hätten die Bürger kein Mitspracherecht bei Moscheebauten, denn Religionsfreiheit gelte ohne Einschränkung.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, so ist das bei uns!)

Sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, ich betone: Es geht in Marbach aber nicht um die individuelle Religionsausübung,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie müssen es ja wissen, Herr Höcke!)

es geht nicht um das individuelle Grundrecht der Religionsausübung. Dessen Ausübung ist selbstverständlich zu gewährleisten.

(Beifall AfD)

Nein, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, es geht darum, ob und wie eine Moschee mit Kuppel und Minarett errichtet werden darf.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja! Und?)

Der Präsident der Türkei, der Vorsitzende der AKP – damals, als er diese Worte in den öffentlichen Raum abgab, Oberbürgermeister von Istanbul –, erklärte am 6. Dezember 1997 – ich zitiere Recep Erdo#an –: „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette […] und die Gläubigen unsere Soldaten.“ Dieses Zitat belegt, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, der Islam ist nicht in der Lage, Religion und Politik zu trennen.

(Beifall AfD)

Wer sich dieser Debatte allein unter Verweis auf die Religionsfreiheit entziehen will, handelt unsozial, undemokratisch und darf zu Recht als „Einfaltspinsel“ bezeichnet werden.

(Beifall AfD)

Die Bürger Marbachs sollen selbst die Entscheidung treffen, in welcher Form die Ahmadiyya-Gemeinde ihr Vorhaben umsetzen darf. Die Behörden müssen die öffentliche Meinung zwingend bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Auch um diesen Prozess basisdemokratisch anzulegen, haben wir in dieses Plenum einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes eingebracht. Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir sensibilisieren. Wir wollen, dass eine verpflichtende – und das betone ich, eine verpflichtende –, frühe Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wird, und zwar vor Antragstellung zu solchen Bauvorhaben.

(Beifall AfD)

Sollte im Rahmen dieser Öffentlichkeitsbeteiligung die Kritik überwiegen, muss eine andere Lösung gefunden werden. Es gibt in dieser und in anderen Fragen keine Alternativlosigkeit in einer Demokratie. Dafür, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, dass es diese Alternativlosigkeit nicht mehr gibt, werden wir als AfD-Fraktion im Thüringer Landtag auch in Zukunft Sorge tragen. Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank, Herr Höcke. Als Nächste hat Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich zitiere den Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion auf Facebook am 12. Mai 2016 um 7.10 Uhr: „Schwupps – pünktlich zum kürzlich beschlossenen Parteiprogramm gibt es nun auch für uns AfDler in Erfurt die passende politische Arbeit für die nächsten Wochen und Monate. Die nach eigenen Angaben ca. 70-köpfige Ahmadiyya-Gemeinde will eine Moschee in Marbach bauen – mit Kuppel und Minarett.“ Ich glaube, spätestens jetzt hat jeder begriffen, was Sie von der AfD heute hier einmal mehr gemacht haben. Sie nutzen das Parlament als Bühne,

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Was machen Sie denn?)

Sie benutzen den Bau einer Moschee für Ihre menschenverachtende Ideologie und für Ihre antimuslimischen Ressentiments, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordern jedenfalls die AfD-Fraktion auf, sich zu den Werten des Grundgesetzes zu bekennen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ heißt es in Artikel 4 des Grundgesetzes. „Das schließt das Recht ein, dass Menschen ihrem Glauben entsprechend öffentliche Gottesdienste feiern und gottesdienstliche Stätten errichten können.“ – so nachzulesen schon 2007 bei der EKD. „Darin stimmt das Grundgesetz [übrigens] mit zahlreichen internationalen Dokumenten zum Schutz der Menschenrechte überein, allen voran der ‚Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte‘ der Vereinten Nationen von 1948 und der ‚Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte‘ von 1950. Die Religionsfreiheit,“ meine sehr geehrten Damen und Herren, „gilt für alle Religionsgemeinschaften. Wie ernst wir es mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit nehmen, zeigt sich nicht in erster Linie darin, dass wir es selbst in Anspruch nehmen, sondern dass wir seine Geltung für alle achten und verteidigen.“ Denn auch hier gilt:

„Religionsfreiheit ist immer die Freiheit des Andersgläubigen.“, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Höcke hat für heute 19.00 Uhr eine Grundsatzrede angekündigt nach dem rechtspopulistischen Rapper Chris Ares und dem Redner von Pegida auf dem Erfurter Domplatz. Da werden wir einmal mehr die Ressentiments zu hören bekommen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Aber worum geht es eigentlich? Wir haben in Thüringen inzwischen zwölf muslimische Gemeinden und selbstverständlich ist es höchste Zeit und Anerkennung der Lebensrealität, dass auch Moscheen in Thüringen gebaut werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn, wie gesagt, Menschenrechte und auch die Religionsfreiheit gelten für alle Menschen, und zwar aller Glaubensrichtungen. Deutschland ist übrigens zum Glück schon lange nicht mehr so einheitlich religiös oder weiß oder sonst wie bestimmt, wie sich das viele Rechtspopulisten wünschen. Wir sind schon lange eine pluralistische Gesellschaft. Das ist eine unserer größten Stärken, auch wenn es Ihnen schwerfällt, das zu hören. Die Welt von AfD und Pegida ist ein völkisches Wolkenkuckucksheim, könnte man freundlich sagen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Mehrheit der Muslime in Deutschland, es sind etwa 5 Millionen, steht für einen aufgeklärten, toleranten Islam in der Mitte unserer Gesellschaft. Grundgesetz, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung, Recht und Gesetze unseres Landes – all das gilt übrigens für alle, einheimisch oder eingewandert, und daran ändert sich auch überhaupt nichts, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Im Übrigen, weil das auch gern diskutiert wird: Mit islamistischen Strömungen müssen sich Muslime ganz genauso wie Nichtmuslime offensiv auseinandersetzen, und zwar auf Grundlage unseres Grundgesetzes. Wir müssen den Islam beispielsweise durch islamischen Religionsunterricht und in Deutschland ausgebildete Imame einbürgern. Das NRW-Schulgesetz hat uns vorgemacht, wie man das vernünftig gestalten kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es beschämt mich wirklich, wie die AfD dieses Parlament als Bühne missbraucht, als Bühne für Populismus, als Bühne für Religionsfeindlichkeit, als Bühne für Menschenverachtung. Das tragen wir so definitiv nicht mit, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Dann gen- dern sie mal den Koran, Frau Rothe-Bein- lich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Moscheebau in Erfurt-Marbach, wo ich übrigens wohne, ist ebenfalls überfällig, genauso wie wir ihn in Erfurt insgesamt sicherlich brauchen. Viele von uns wissen, dass beispielsweise jeden Freitag in der Leipziger Straße zwischen 800 und 1.200 Muslime ihr Freitagsgebet verrichten, mehr oder weniger in Hinterhofmoscheen. Wollten wir nicht eigentlich, dass selbstverständlich auch das muslimische, das christliche, das jüdische Leben überall auch sichtbar auf unseren Straßen und Plätzen stattfindet? Sich dann an „fremdländischer Architektur“ hochzuziehen, ist einmal mehr an den Haaren herbeigezogen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich jedenfalls bin froh, dass endlich die Lebensrealität auch bei uns Einzug hält, und kann den Bau einer Moschee oder auch mehrerer Moscheen in Thüringen nur begrüßen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)