Linksextremisten setzen mit Outing-Aktionen darauf, mutmaßliche oder tatsächliche politische Gegner als Rechtsextremisten öffentlich zu machen und so über deren politische Aktionen – wie sie es nennen – „aufzuklären“ sowie diese nach Möglichkeit in ihrem privaten Umfeld und sozial zu isolieren. Outing-Aktionen können mitunter auch zu weiteren Straftaten führen. Insoweit sind verbale Attacken, Sachbeschädigungen, aber auch körperliche Übergriffe nicht auszuschließen. Ziel ist es, ein Bedrohungsszenario gegenüber der geouteten Person aufzubauen. Diese Vorgehensweise stellt vor dem Hintergrund möglicher Folgen und Gefahren für die Geouteten keine legitime Protestform gegen die rechtsextremistische Szene dar.
Die Parlamentarische Kontrollkommission hält es aufgrund der angeführten Beispiele weiterhin für mehr als geboten, die Aktivitäten linksextremistischer Organisationen und Strukturen zu beobachten, da von diesen Gefahren für das Gemeinwesen ausgehen können. Soweit zum Thema „Linksextremismus“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Gesamtzusammenhang des Berichts muss ich leider auch auf einen weiteren Punkt hinweisen, nämlich dass in der Vergangenheit auch Büros von Abgeordneten des Thüringer Landtags Ziele von Anschlägen waren. Nach Angaben des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales vom März dieses Jahres hat es allein 2015 45 Anschläge auf Wahlkreisbüros von Politikern und Parteieinrichtungen gegeben. Die Anzahl dieser Straftaten hat sich gegenüber 24 derartigen Fällen im Vorjahr fast verdoppelt. Betroffen waren vor allem Einrichtungen der Parteien Die Linke und AfD, aber auch Büros von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Am häufigsten war die Partei Die Linke mit 20 Delikten von den Angriffen betroffen; die AfD war in zwölf Fällen betroffen. Von den 45 Straftaten waren zwölf dem Phänomenbereich Rechtsextremismus, acht dem des Linksextremismus zuzuordnen; vier der Allgemeinkriminalität.
Im letzten März kam es darüber hinaus zu Sachbeschädigungen in Rohr im Landkreis SchmalkaldenMeiningen an dem Anwesen und an zwei Kraftfahrzeugen eines Kollegen der CDU. Es wurden sowohl beleidigende und politische Schriftzüge als auch
Graffiti von Hammer und Sichel aufgebracht. Zudem wurde der Kollege in einschlägigen Texten der linksextremistischen Szene thematisiert.
Und erst kürzlich im Februar wurden das Haus der Demokratie und ein benachbartes Bürgerbüro der SPD in Kahla durch einen Brandanschlag in Mitleidenschaft gezogen.
Ich denke, diese bedrückenden Fakten sprechen für sich selbst. Und auch hier sei mir gestattet – ich denke, meine Kommissionsmitglieder werden das tolerieren –, ganz deutlich zu sagen: Wir, die demokratischen Parteien, Fraktionen in diesem Haus, werden uns durch solche Aktionen nicht in unserem entsprechenden Engagement gegen solche politischen Gruppierungen einschüchtern lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, einen weiteren Schwerpunkt der Unterrichtung bildeten in den vergangenen Monaten der Ausländerextremismus, und hier insbesondere der Islamismus, der Salafismus sowie der islamistische Terrorismus. Sowohl im Rahmen der allgemeinen Berichterstattung als auch bei der Unterrichtung über besondere Vorgänge spielte dieser Phänomenbereich eine herausragende Rolle, welche, so sind wir überzeugt, zukünftig leider noch weiter an Bedeutung gewinnen wird.
Meine verehrten Damen und Herren, die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika haben auch unmittelbare Auswirkungen auf Thüringen. Neben den vielen Hunderttausend Flüchtlingen, die nach einer oft lebensgefährlichen Odyssee bei uns Aufnahme gefunden haben, gehen von den beschriebenen Ereignissen auch Gefahren für unsere Sicherheit aus.
Der sogenannte Islamische Staat hat auch bei uns in Deutschland und konkret in Thüringen eine nicht nachvollziehbare Anziehungskraft, die sogar so weit geht, dass sich vorwiegend junge Menschen durch das Internet radikalisieren, berufen fühlen, aufseiten dieser Terrororganisation – und so müssen wir sie bezeichnen – zu kämpfen, zu töten und auch getötet zu werden, um bei der Errichtung eines weltumspannenden Kalifats, wie es heißt, mitzutun.
Neben desillusionierten Rückkehrern gibt es leider eine nicht geringe Anzahl von Rückkehrern, die für Europa und für Deutschland eine Gefahr darstellen, da sie in ihrer ideologischen Verblendung und Radikalisierung glauben, durch terroristische Anschläge in den Metropolen unseres Kontinents sowie auf unsere westliche Lebensweise der Ausweitung des Islamischen Staats Vorschub leisten zu müssen. Und leider finden diese Menschen auch unter den
Fest gefügte islamistische Organisationsstrukturen sind in Thüringen nicht bekannt, wenngleich Einzelpersonen durchaus Bezüge zu islamistischen Gruppierungen aufweisen. Das Potenzial dieser eher losen Anhängerschaft beläuft sich insgesamt auf circa 150 Personen. Hiervon sind lediglich Einzelpersonen salafistisch geprägten Personenzusammenschlüssen oder Gruppierungen wie der Muslimbruderschaft, der Tablighi Jamaat – zu Deutsch in etwa Gemeinschaft der Verkündigung – oder der Nordkaukasischen Separatistenbewegung zuzuordnen.
Dschihadistisch geprägte Personenzusammenschlüsse traten in Thüringen bislang nicht in Erscheinung. Das Wirken global ausgerichteter islamistischer und terroristischer Organisationen beeinflusst aber durchaus auch die hiesigen Islamisten, wodurch in Thüringen die Auswirkung des global ausgerichteten bewaffneten Kampfes von Dschihadisten spürbar ist. Die Entwicklungen in Syrien und im Irak haben seit Beginn der Unruhen 2011 stetig an Bedeutung für die Beobachtung islamistisch-terroristischer Bestrebungen in Deutschland und auch in Thüringen gewonnen. Dabei ist festzustellen, dass die radikalisierende Wirkung, insbesondere die Internetpropaganda des Islamischen Staats, vor allem Einzelpersonen oder unorganisierte Personenverbände anspricht. Dies forderte eine Beobachtung, die weniger auf lokale Organisationsstrukturen als vielmehr auf einzelne Akteure, die einem überregionalen Netzwerk zuzuordnen sind, ausgerichtet ist. Dieser Trend zeichnet sich in der Beobachtung des Islamismus bereits seit mehreren Jahren ab und hat sich durch die Lageentwicklung in Syrien und im Irak weiter verstärkt.
Hinweise zu vorübergehenden Aufenthalten von Islamisten aus Thüringen in der Krisenregion Syrien und Irak bewegen sich im einstelligen Bereich. Auch sind Sympathiebekundungen in sozialen Netzwerken feststellbar. Zur Beteiligung an Kampfhandlungen des Islamischen Staats liegen allerdings bisher keine belastbaren Informationen vor.
Was den politischen Salafismus betrifft, so werden diesem in Thüringen circa 60 Personen zugeordnet.
Die maßgeblichen Aktivitäten gehen vor allem von dem Internationalen Islamischen Kulturzentrum – Erfurter Moschee e. V. – kurz IIKz Erfurt – aus. Anders als in den vergangenen Jahren veranstaltete das IIKz Erfurt seit 2014 jedoch weder sogenannte Islamische Informationsstände noch überregionale Islamseminare. Das IIKz Erfurt bot ab 2005 in sogenannten Islamseminaren bundesweit ein Forum für Prediger und andere einschlägig bekannte Personen aus der salafistischen Szene. Islamseminaren
kommt bei der Vermittlung der salafistischen Ideologie eine besondere Rolle zu, und sie dienen zugleich als Kontaktbörse. Auch hat die Auswertung von Radikalisierungsverläufen ergeben, dass mehrere Personen, die später im islamistisch-terroristischen Spektrum auffielen, zuvor solche Seminare besuchten oder zumindest mit einschlägigen Predigern Kontakt hatten. Die Entwicklungen in Syrien waren in der salafistischen Szene in Thüringen ein viel diskutiertes Thema, dabei wurde insbesondere auf die humanitäre Situation in den betroffenen Regionen eingegangen. Salafisten gehören im Hinblick auf die Sammlung von Spenden und Hilfsgütern in Deutschland zu den aktivsten Unterstützern des Kampfs gegen das Assad-Regime in Syrien. Bei Benefizveranstaltungen treten bundesweit agierende salafistische Prediger auf. Die Benefizveranstaltungen stellen die soziale Komponente in den Vordergrund, sind aber ähnlich den Islamseminaren von einer ideologischen Zielsetzung geprägt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zwei Beispiele herausgreifen, die Verbindungen Thüringens zu den Kriegsgebieten – so denke ich – sehr plastisch darstellen.
Im Frühjahr 2015 reiste ein 15-jähriges Mädchen gemeinsam mit einer jungen Heranwachsenden mit dem Flugzeug von Frankfurt am Main in die Türkei und von dort nach Syrien. Kennengelernt hatten sich die beiden offensichtlich im Internet. Das Internet dient, wie bereits beschrieben, als Informationsquelle, mit der eine schleichende, von außen – auch im engsten persönlichen Umfeld – selten wahrnehmbare Radikalisierung erfolgt. Zudem dienen die sozialen Netzwerke auch zur Kontaktaufnahme. Offenbar wird über das Internet gezielt um Ehefrauen für die Kämpfer des Islamischen Staats geworben. Was eine Reise in die Türkei ebenfalls erleichtert, ist, dass die Einreise mit dem Personalausweis möglich ist. Zwischenzeitlich ist die junge Frau verheiratet, wahrscheinlich mit einem ISKämpfer. Die Ehe wurde in Syrien geschlossen und die Frau hält sich dort weiterhin auf. Ob die Frau auch für den Islamischen Staat kämpft und welche Rolle sie innerhalb der Organisation spielt, ist bislang nicht bekannt.
In einem weiteren Fall aus dem September des vorletzten Jahres waren zwei Männer aus dem sächsischen Dippoldiswalde, von denen einer an der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Sportstudent eingeschrieben war, nach Syrien gereist, um sich dort mutmaßlich den IS-Kämpfern anzuschließen. Vor ihrer Abreise hatten beide auf Facebook angekündigt, in den Heiligen Krieg ziehen zu wollen. Der damals 21-jährige Jenaer Student kehrte nach drei Monaten in Nordsyrien nach Deutschland zurück, während der andere sich offenbar weiter im Kriegsgebiet aufhält. Bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in München wurde der junge Konvertit von Polizisten festgenommen und in Untersuchungshaft ge
nommen. Einige Wochen später kam er gegen Auflagen auf freien Fuß. Er soll in Syrien in einem Ausbildungslager des Islamischen Staats geschult worden sein und sich später in die Türkei abgesetzt haben, wo er sich beim Auswärtigen Amt meldete. Zwischenzeitlich wird die Sache vor dem Amtsgericht in Pirna verhandelt. Auffällig war in diesem Zusammenhang auch, dass anhand des Internetverhaltens des Jenaer Studenten in engem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Rückkehr der Eindruck entstehen konnte, dass er mögliche Anschlagsziele in Deutschland ausgeforscht hat.
Die an den zwei Beispielen verdeutlichte leichte Ausreise in die Türkei und die Weiterreise von dort in die Bürgerkriegsgebiete wurden von der Kontrollkommission zum Anlass genommen, zu erörtern, inwieweit es beispielsweise durch den Entzug des Reisepasses oder des Personalausweises möglich ist, eine Ausreise solcher Personen zu verhindern. Wie bereits gesagt, benötigen deutsche Staatsangehörige für die Einreise in die Türkei lediglich einen Personalausweis. Von der Türkei aus ist dann die Weiterreise über die sogenannte Grüne Grenze relativ unschwer möglich, um in die Kriegsund Krisengebiete in Syrien und im Irak zu gelangen. Da der Personalausweis in Deutschland als wichtigster Identitätsnachweis dient, ist eine Sicherstellung anders als beim Reisepass nicht möglich. In der Vergangenheit war es zwar bereits möglich, anzuordnen, dass der Personalausweis nicht zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Diese Anordnung wurde dann nicht nur im Personalausweisregister, sondern auch in der für die Grenzfahndung national geführten Datei durch die Bundespolizei auf Mitteilung einer Personalausweisbehörde gespeichert. Vor dem Hintergrund der offenen Grenzen im sogenannten Schengen-Raum – wobei dies vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen sicher nicht mehr in der Absolutheit stehen kann – war dies jedoch allein nicht ausreichend, um die Ausreise wirksam zu verhindern, zumal die Beschränkung nicht auf dem Personalausweis vermerkt werden konnte.
Mit der Neuregelung im Personalausweisgesetz besteht nunmehr die Möglichkeit, den Personalausweis einzuziehen und einen sogenannten ErsatzPersonalausweis auszustellen auf dem vermerkt ist: „Berechtigt nicht zum Verlassen Deutschlands“. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich potenzielle Ausreisen in die Kriegs- und Krisengebiete des Mittleren Ostens mit dieser zusätzlichen Möglichkeit wirksam verhindern lassen. Als problematisch sieht die Parlamentarische Kontrollkommission auch an, dass es durch die Ausstellung eines solchen Ersatzdokuments zu einer Stigmatisierung und Vorverurteilung der Inhaber als mutmaßliche Dschihadisten kommen kann.
Anschläge in Paris und das damit im Zusammenhang stehende abgesagte Fußballländerspiel in Hannover auf und ließ sich durch die Landesregierung umfassend zu den vorliegenden Erkenntnissen und Hintergründen und möglichen Bezügen zu Thüringen unterrichten. Für Deutschland bestand nach der damaligen Feststellung des Bundesinnenministers de Maizière eine hohe abstrakte Gefahr mit einer hohen Gefährdung, wenn es auch keine konkreten Bedrohungsszenarien gegeben habe.
Das Amt für Verfassungsschutz informierte über die nach den Anschlägen eingeleiteten Maßnahmen. So wurde unmittelbar nach den Anschlägen damit begonnen, die laufenden G10-Maßnahmen live abzuhören und aus dem Arabischen übersetzen zu lassen, um zu erfahren, ob und wie sich die von den Maßnahmen Betroffenen zu den Taten äußern würden, ob sie möglicherweise Täterwissen offenbaren würden. Soweit sie das Internet nutzten, wurde geprüft, welche Seiten aufgerufen wurden und ab wann diese aufgerufen wurden. Zudem wurde versucht, die Personen, die man für Gefährder hielt, aufzufinden und zunächst eine bloße Verbleibskontrolle durch Observationen durchzuführen. Im Weiteren wurde geprüft, ob Personen, die im Rahmen der Ermittlungen in Frankreich sukzessive bekannt wurden, in Deutschland gewesen waren. Diese Schritte wurden von allen Landesbehörden für Verfassungsschutz und dem Bundesamt für Verfassungsschutz durchgeführt.
Seit den Anschlägen stieg zudem das eigene Informationsaufkommen aus den Flüchtlingseinrichtungen. Die in den Einrichtungen verteilten Papiere des Amts für Verfassungsschutz haben eine hohe Resonanz erfahren. Gleichwohl besitzen die Hinweise unterschiedliche Qualität, sie reichen bis hin zu Sympathiebekundungen zum Islamischen Staat und der Rechtfertigung der Pariser Anschläge.
Problematisiert wurden vor diesem Hintergrund die knappen Personalressourcen im Amt für Verfassungsschutz, die die Bewältigung des Informationsaufkommens beeinträchtigen, und die fehlenden eigenen Übersetzungskapazitäten. So ist es häufig sehr zeitaufwendig, den einzelnen Hinweisen nachzugehen. Ziel der Maßnahmen ist es, nicht aktionistisch vorzugehen, sondern die Beschäftigung mit den Hinweisen erfolgt vielmehr in strategischer Hinsicht. Diese Herangehensweise wird von der Parlamentarischen Kontrollkommission begrüßt.
Es ergeht jedoch der eindringliche Appell, das Amt für Verfassungsschutz mit der notwendigen Sachund – und dies möchte ich besonderes betonen – Personalausstattung zu versehen. Nur so kann unser Amt für Verfassungsschutz im Verbund mit den anderen Verfassungsschutzbehörden der Länder und des Bundes den notwendigen Beitrag zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit und des subjekti
Die Parlamentarische Kontrollkommission fordert das Amt für Verfassungsschutz in diesem Zusammenhang auf, die vorhandenen Möglichkeiten der Kontaktaufnahme für Hinweise aus dem Bereich des Islamismus und islamistischen Terrorismus auszubauen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf einen Sachverhalt hinweisen, der Bezüge zu Thüringen aufweist. Vier aus Tschetschenien stammende Männer reisten im Dezember des letzten Jahres bei Aachen aus Belgien nach Deutschland ein, um von dort weiter nach Erfurt zu reisen. Zwei von ihnen waren europaweit zur Überwachung ausgeschrieben, da sie in Frankreich als Mitglieder einer radikal-islamistischen Terrorvereinigung geführt werden. Sie fielen der Polizei auf einem Autobahnparkplatz an der A 44 nahe Aachen auf. Bei der anschließenden Kontrolle stellte die Polizei fest, dass sie im Besitz von russischen Pässen, polnischen Führerscheinen und Aufenthaltspapieren für Frankreich waren. Bei der Durchsuchung des Wagens wurden zudem 6.000 Euro Bargeld gefunden. Bei ihrer Befragung gaben sie an, auf dem Weg nach Erfurt zu sein, um dort die Schwiegermutter von einem Mitfahrer zu besuchen. Da gegen sie keine Haftbefehle oder Ähnliches vorlagen, ließ die Polizei sie nach der Kontrolle weiterfahren. Erwiesen ist, dass sie sich tatsächlich hier in Erfurt aufgehalten haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ende des zweiten Berichtsteils der Vollständigkeit halber darauf hinweisen, dass die Landesregierung von sich aus in mehreren Fällen mit besonderen Schwerpunktberichterstattungen nach § 27 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz Thüringer Verfassungsschutzgesetz an die Parlamentarische Kontrollkommission herantrat, so beispielsweise im Zusammenhang mit der Ausreise eines 18-jährigen Mädchens aus Erfurt in den Nahen Osten bzw. der Ausreise eines Jenaer Studenten über die Türkei nach Syrien. In einem größeren Teil berichtete die Landesregierung auf besonderes Verlangen der Parlamentarischen Kontrollkommission nach § 27 Abs. 1 Satz 4 Thüringer Verfassungsschutzgesetz, also zu nach Bewertung der Landesregierung Vorgängen von besonderer Bedeutung, so beispielsweise zum Komplex „RAF 4.0“ oder auch zu möglichen Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit der Anreise von Terroristen über Aachen.
Im dritten Berichtsteil möchte ich nun einige weitere Berichtsschwerpunkte herausgreifen. Der Einsatz von V-Leuten als nachrichtendienstliches Mittel durch den Verfassungsschutz steht nicht erst seit
dem Entdecken des Nationalsozialistischen Untergrunds im November 2011, dessen ausgeübten Verbrechen und den darauf folgenden vielfältigen Versuchen der Aufarbeitung der Verbrechen durch Kommissionen, Untersuchungsausschüsse und Arbeitsgruppen sowie nicht zuletzt durch das Verfahren vor dem Oberlandesgericht München in der Kritik. Wie Sie sich erinnern können, wurde das erste NPD-Verbotsverfahren im Jahr 2003 vom Bundesverfassungsgericht vor dem Hintergrund, dass VLeute staatlicher Behörden als Mitglieder des Bundesvorstands oder eines Landesvorstands unmittelbar vor bzw. während der Durchführung des Parteiverbotsverfahrens fungierten, eingestellt. Das Bundesverfassungsgericht sah dies seinerzeit in seiner Einstellungsentscheidung als unvereinbar mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren und dem Gebot strikter Staatsfreiheit der NPD an.
In der Koalitionsvereinbarung der Parteien Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen von November 2014 heißt es zur V-Mann-Problematik – und ich zitiere –: „Die Koalition ist sich einig, vor dem Hintergrund der spezifischen Erkenntnisse über die hoch problematischen Vorfälle in der Tätigkeit des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz, das bisherige System der V-Leute in Thüringen nicht fortzuführen, also zu beenden. Über Ausnahmen von dieser Regelung kann im begründeten Einzelfall zum Zweck der Terrorismusbekämpfung nur durch Zustimmung des für Inneres zuständigen Kabinettsmitgliedes und des Ministerpräsidenten abgewichen werden. In diesem Falle ist die Parlamentarische Kontrollkommission gemäß des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes zu unterrichten. Im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Evaluation des reformierten Verfassungsschutzgesetzes wird auch dieses Verfahren überprüft.“
Über die Abschaltung der V-Leute des Verfassungsschutzes zum 31. März 2015 wurde die Parlamentarische Kontrollkommission im Vorfeld unterrichtet. Der Einsatz von V-Leuten ist jedoch auch zukünftig – darauf möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich hinweisen – nicht grundsätzlich ausgeschlossen, beschränkt sich jedoch auf die Bereiche der Terrorismusabwehr bzw. -bekämpfung, so zum Beispiel auf die Beobachtung von Salafisten oder der türkischen Arbeiterpartei PKK, die in der Bundesrepublik verboten ist.
Regelmäßig führte jedoch der Einsatz bzw. Nichteinsatz von V-Leuten zu teils kontroversen Debatten innerhalb der Parlamentarischen Kontrollkommission.
Während die einen den Einsatz menschlicher Quellen sowohl in allen beobachteten Phänomenbereichen als auch in den Bereichen Rechtsextremis
mus, Linksextremismus und Ausländerextremismus, als notwendiges, weil effektives Mittel zur Informationsgewinnung ansehen
und ihren Einsatz bejahen, lehnten die anderen ihren Einsatz – von Ausnahmen abgesehen – vor dem Hintergrund der genannten und bereits beschriebenen Erfahrungen als ungeeignetes, weil nur bedingt steuerbares und führbares Mittel der Informationsgewinnung ab.