Protokoll der Sitzung vom 24.08.2016

Meine Damen und Herren, wenn man schaut, was ist da gestern Nachmittag und am späten Abend passiert, dann liest sich die Geschichte der Landes

regierung wie folgt: Schuld ist die Schule; schuld ist das Schulamt; und ja, der Privatmann Lauinger hat sich täppisch verhalten – aber sonst ist alles in Ordnung. Die wahre Geschichte ist aber eine andere, nämlich die, dass man fragen muss: Ist das Vertrauensschutzargument wirklich stichhaltig, trägt das wirklich beim Justizminister dieses Landes von Anfang an oder ist es nicht nur konstruiert? Und wie viel Druck hat der Minister Lauinger gegenüber seinen Kabinettsmitgliedern aufgebaut, um zu einer revidierten Entscheidung der Kultusministerin zu kommen, die ja schon schriftlich anders votiert hat? Und wie viel Druck hat der Justizminister Lauinger in der Koalition aufgebaut, dass nach der Entscheidung der Kultusministerin am 23. Juni am 24. Juni noch einmal in der Staatskanzlei eine Begutachtung beauftragt wurde, die am 27. Juni zu einer Entscheidung der Kultusministerin – und damit zu der abschließenden – geführt hat? Diese Fragen muss man stellen. Und man muss prüfen: Wie viel politischer Druck war beim Minister dahinter, um dem Privatmann einen Vorteil zu verschaffen. Diese Fragen sind nicht geklärt.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter Mohring, es gibt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dittes, die Sie nicht zulassen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Da will man Fragen stellen, aber selbst nicht disku- tieren!)

Wir sind noch am Anfang der Debatte, Kollege Dittes, Sie wissen das.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Dann erklären Sie mir doch mal Punkt 3 Ihres An- trags!)

Die Geschäftsordnung ist Vorlage. Ich habe keine Zwischenfrage zugelassen, dann lasse ich sie auch nicht zu. Sie haben genügend Möglichkeiten, heute an diesem Tag Ihre Fragen zu stellen und Antworten zu geben. Wenn nur einer von Ihnen Antworten gegeben hätte, rechtzeitig, würden wir hier nicht sitzen. Hätten Sie die Wahrheit gesagt als Minister und als Kabinett, dann würden wir hier kein Sonderplenum führen.

(Beifall CDU)

Jetzt wollen Sie Fragen stellen. Sagen Sie die Wahrheit in diesem Lande, dann sparen wir uns Sonderplenarsitzungen, mal ganz einfach.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Die Wahrheit ist nicht immer deine Wahrheit, Eu...!)

(Beifall CDU)

Und, meine Damen und Herren, natürlich muss man fragen: Was steht Privatmenschen in diesem Land zu? Dass der Smalltalk zwischen Ministern – ob bei Sommerfesten oder am Rande des Plenums – dazu führt, dass offensichtlich privilegiertere Entscheidungen getroffen werden als gleichlautend bei anderen Mitschülern in derselben Schule, die nicht zum selben Ergebnis führen. Die Frage von Gerechtigkeit und die Frage von Gleichbehandlung, die muss sich jede Regierung immer wieder aufs Neue stellen und jeder Einzelne auch. Aber dass Sie offensichtlich von Anfang an Gleichbehandlung für sich persönlich anders definieren als jeder in diesem Land, das muss auch politisch hier in diesem Landtag bewertet werden und ausgewertet werden, weil es wichtig ist, dass die Maßstäbe nicht verrückt werden, nur weil Sie für wenige Jahre Verantwortung in diesem Land tragen. Wir werden nicht zulassen, dass Sie diese Maßstäbe verschieben.

(Beifall CDU)

Und, meine Damen und Herren, gestern haben Sie durch die Landesregierung – und das war ja auffällig, dass bei den Fragen meiner Kolleginnen und Kollegen an die Fachminister im Wesentlichen der Staatskanzleiminister das Wort gegriffen hat, das steht ihm zu. Und ich sage: Aus seiner Sicht war es offensichtlich klug, dass er öfter geantwortet hat als seine Fachminister. Aber diese öffentliche Bloßstellung dieser zwei Fachminister, das offensichtlich fehlende Zutrauen durch die Staatskanzlei, dass die beiden Fachminister in der Lage sind, die Fragen der Abgeordneten qualifiziert und offensichtlich richtig zu beantworten: Das war gestern ein Eindruck, der bleibt für immer haften. Die Staatskanzlei antwortet, weil Bildungs- und Justizminister nicht mehr in der Lage sind, die Wahrheit richtig zu finden. Das ist bemerkenswert.

(Beifall CDU)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen, weil gestern nicht alle Fragen beantwortet worden sind und weil die Sachverhalte nicht abschließend aufgeklärt worden sind – das hat der Vortrag, der dreizehnseitige des Staatskanzleiministers auch ergeben –, fordern wir Sie auf – und ich tue das bewusst von diesem Pult als Vertreter der größten Oppositionsfraktion in diesem Landtag –, dass Sie diesem Landtag bis kommenden Montag vollständig alle Akten und Unterlagen und E-Mail-Verkehre vorlegen, die notwendig sind, um den Sachverhalt abschließend aufzuklären und bewerten zu können. Dazu fordern wir Sie auf, das Recht steht uns zu. Und ich bitte Sie, für Transparenz und Klarheit und Offenheit, dass Sie diesem Haus das zur Verfügung stellen, was zur Bewertung des Sachverhalts abschließend unbedingt notwendig ist. Und ich sage Ihnen auch: Für den Fall,

dass Sie die Unterlagen nicht vorlegen und dass Sie nicht zur vollständigen Aufklärung und Transparenz beitragen wollen, folgen zwingend aus dem Recht der Opposition in diesem Haus und aus der Geschäftsordnung weitere Untersuchungen in einem dafür extra einzurichtenden Ausschuss. Wir wollen Klarheit und wir wollen Aufklärung und wir wollen die Wahrheit zu diesem Sachverhalt wissen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unwürdig!)

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Sie wollen das Thema einfach kochen, nichts an- deres!)

Und für heute, meine sehr verehrten Damen und Herren, fordern wir den Ministerpräsidenten dieses Landes auf, wenn der Justizminister nicht freiwillig sein Amt räumt, ihn zu entlassen. Weil es nicht sein darf, dass ein Minister in mehreren Punkten die Öffentlichkeit belügt – zu keinem Zeitpunkt. Weil es nicht sein darf, dass ein Justizminister seine falsche Rechtsauffassung durch manipulierte Wiedergabe von Rechtsvorschriften untermauern will. Weil es nicht sein darf, dass ein Justizminister sich auf Vertrauensschutz beruft, auf einem rechtswidrigen Bescheid in einer privaten Angelegenheit besteht. Und weil es nicht sein darf, dass ein Justizminister eine Kultusministerin dahin bringt, diesen rechtswidrigen Bescheid in eine Urkunde, in ein Zeugnis für einen Schüler in diesem Land zu übertragen. Wir erwarten von dem, der das Recht hüten soll, dass er das Recht zu jedem Zeitpunkt verteidigt und nicht für sich die private Lücke und Auslegung sucht. Ein Justizminister vertritt das Recht und winkelt das Recht nicht so, dass er einen privaten Vorteil erlangt. Treten Sie zurück, Herr Justizminister!

(Beifall CDU)

Danke schön, Herr Mohring. Zunächst möchte ich Herrn Harzer für die Anschuldigung oder Bezeichnung des Kollegen Mohring als Eumel einen Ordnungsruf erteilen.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Nein, habe ich nicht gesagt!)

Das war aber hier im Protokoll so … Wir werden das noch mal kontrollieren. Für den Fall, dass das im Protokoll so aufgeführt wird, würde ich Ihnen einen Ordnungsruf erteilen, wenn es nicht der Fall ist, dann gibt es keinen Ordnungsruf. Dann verstehen wir uns so.

Herr Minister Hoff, wenn ich richtig verstanden habe – ich habe eine Reihe von Redemeldungen –, würden Sie erst nach Herrn Höcke reden wollen? Dann rufe ich bitte Herrn Höcke für die AfD-Fraktion auf.

(Abg. Mohring)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, sehr verehrte Besucher auf der Tribüne, ja, wir haben gestern in einer fünfstündigen gemeinsamen Sitzung von Bildungsausschuss und Justizausschuss diesen, ja immer komplexer werdenden Sachverhalt, denke ich, auch im Detail erörtert und erläutert. Ob es das denn gewesen ist, das wird sich erweisen. Ich glaube oder ich befürchte, dass auch in den nächsten Tagen und Wochen weitere unappetitliche Details in die Öffentlichkeit gelangen. Das steht zu vermuten. Wir werden als Oppositionsfraktion im Thüringer Landtag auf jeden Fall an diesem Thema dranbleiben und unsere parlamentarische Kontrollfunktion auch weiterhin vollumfänglich wahrnehmen.

(Beifall AfD)

Sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, ich möchte eingangs kurz bemerken, dass ich die Bezeichnung dieser Affäre – „Sohnemann-Affäre“ oder „Sohn-Affäre“ – unglücklich finde. Ich tue das als Vater. Denn mit dieser Bezeichnung rückt der Sohn des Ministers Lauinger in den Fokus. Das bedauere ich, denn der junge Mann oder der Jugendliche ist selbst kein Täter oder kein Verursacher dieser Affäre, sondern ist vollständig unschuldig und hat auch das Recht, Unbeteiligter zu bleiben.

(Beifall AfD)

Vielleicht ist es möglich, durch eine andere Begrifflichkeit, die wir in Zukunft gemeinsam verwenden, darauf hinzuweisen, dass wir erkennen, dass der Sohn des Ministers Lauinger in keiner Art und Weise für die etwaigen Verfehlungen des Vaters zur Rechenschaft gezogen werden sollte oder darf.

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, jeder von Ihnen weiß, dass die politischen Standpunkte des Herrn Ministers Lauinger und mein Standpunkt grundsätzlich unvereinbar sind. Herr Minister Lauinger ist Teil des großen Projekts „buntes Thüringen“, das eine möglichst schnelle Multikulturalisierung unseres Freistaats vorsieht. Das möchte ich nicht.

(Beifall AfD)

Trotz dieser weltanschaulichen, politischen Polarität habe ich versucht, den Sachverhalt möglichst neutral zu bewerten und mich diesem Sachverhalt neutral zu nähern. Und ich habe auch versucht, Herr Minister Lauinger, mich in Ihre Lage als Vater hineinzuversetzen, was mir nicht so schwerfällt, weil ich selbst Vater von vier Kindern bin.

Sehr verehrte Kollegen Abgeordnete, nicht alle von Ihnen sind Eltern, es ist tatsächlich so – und das ist meine feste Überzeugung –, wer selbst keine Kinder hat, egal ob Frau oder Mann, der hat nur die halbe Lebenserfahrung und der hat nur die halbe Leidenserfahrung.

(Beifall AfD)

Ich weiß auch, dass jeder fürsorgliche Vater alles tut, was er für sein Kind tun kann. Jeder Privatmensch hätte versucht, alles gegen die erste Entscheidung des Bildungsministeriums zu unternehmen, das die Versetzung verweigerte.

Sehr geehrter Herr Kollege Mohring, Sie sind sicherlich ein gewiefter Politiker, das weiß ich und das ist bekannt, aber ich glaube, hier haben Sie tatsächlich ein Defizit; ein Defizit, was die Bewertung des Vaters und des Handelns Herrn Lauingers als Vater angeht, ein Defizit, das Sie aber vielleicht im Laufe Ihres Lebens als Erfahrungsdefizit noch korrigieren können. Es würde mich freuen.

(Zwischenruf Tiefensee, Minister für Wirt- schaft, Wissenschaft und Digitale Gesell- schaft: Jeder Arzt muss die Krankheit haben, um sie zu heilen? Ja, oder wie? Was soll denn das? Unglaublich!)

Als Vater sage ich, das Verhalten des Herrn Lauinger, sich als Vater aufzuregen, wie er das gestern im Ausschuss sagte, und alles zu versuchen, gegen diese Entscheidung vorzugehen, ist bis zu einem gewissen Punkt verständlich und für jeden, der Kinder hat, nachvollziehbar.

Der Sachverhalt ist natürlich ganz anders zu bewerten, wenn wir den Minister Lauinger, nicht den Vater Lauinger in den Blick nehmen. Deswegen lassen wir die Vorgänge noch mal kurz Revue passieren. Da haben wir eine Klassenkonferenz, die am 11. November 2015 tagt und einstimmig die Zustimmung zur Versetzung von Lauinger junior nach Klasse 11 ohne die obligatorische BLF, ohne die obligatorische Besondere Leistungsfeststellung, trifft, obwohl das Schulgesetz das so nicht vorsieht. Ein Protokoll der Klassenkonferenz liegt bis dato nicht vor. Das ist auch ein Material, das mich persönlich sehr interessieren würde.

(Beifall AfD)

Dann erhält Familie Lauinger am 10. Dezember 2015 ein Schreiben der Edith-Stein-Schule, worin die Schulleitung ausführt, dass die Klassenkonferenz einem Vorrücken – nicht einer Versetzung, sondern einem Vorrücken – in die Klassenstufe 11 ohne Absolvierung der BLF einstimmig zugestimmt habe. Ich frage mich natürlich jetzt als Lehrer oder als ehemaliger Lehrer oder als zurzeit beurlaubter Lehrer: Was soll der Sohn des Ministers denn jetzt werden? Soll er versetzt werden, so das Votum der Klassenkonferenz, oder soll er vorrücken dürfen, so die Auskunft der Schulleitung? Das sind nämlich ganz unterschiedliche Dinge. Die Versetzung bedeutet nach schulrechtlichem Terminus, dass der Sohn nach dem Auslandsaufenthalt in die Klasse 11 versetzt wird, ohne dass noch mal eine externe Prüfung erfolgen muss, mit der er dann den Realschulabschluss erwerben kann, um sich bei ei

nem Scheitern im Abitur dagegen zu versichern, dass er dann nur mit dem Hauptschulabschluss dasteht. Oder soll er vorrücken dürfen? Das bedeutet, dass er regulär Teilnehmer der Klasse 11 ist und dann eine externe Prüfung im Jahrgang 11 absolvieren kann, um zu verhindern, dass er nach einer etwaigen nicht bestandenen Abiturprüfung nicht nur mit dem Hauptschulabschluss dasteht. Das ist bis dato ungeklärt.

Die Schule entscheidet nun nach Rücksprache mit dem Schulamt und einer – das muss man deutlich sagen und das ist gestern in der Ausschusssitzung auch deutlich herausgearbeitet worden – qualitativ unterirdischen, nicht rechtsverbindlichen Auskunft des Schulamts für eine falsche Auslegung des einschlägigen Rechtstextes. Denn § 13 der Durchführungsbestimmungen zur Thüringer Oberstufe am Gymnasium, an der Gemeinschaftsschule, Gesamtschule, am beruflichen Gymnasium und Kolleg regelt nur das Prozedere – das ist im Hohen Haus auch schon einige Male angedeutet und angesprochen worden –, das gilt, wenn ein Schüler nach einem einjährigen Auslandsaufenthalt in die Heimatschule zurückkehrt. Der Sohn des Ministers Lauinger war aber nur vier Monate im Ausland und deswegen ist es ganz eindeutig, dass diese Rechtsregelung hier nicht einschlägig angewandt werden kann.

(Beifall AfD)

Hier steht natürlich der Verdacht im Raum, dass sich die Schulleitung der Edith-Stein-Schule bei dem grünen Minister erkenntlich zeigen wollte. Denn was macht man als Schulleiter einer Schule in freier Trägerschaft, wenn der grüne Minister, dem man ein so schönes kürzlich verabschiedetes Gesetz verdankt, so einen Wunsch äußert?

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh, jetzt wird es eklig!)

Möglicherweise sieht man jetzt die Gelegenheit zu einer Gefälligkeit, aber vielleicht verspürt man als Schulleiter, und das kann ich auch nachvollziehen, ein Dilemma. Vielleicht glaubt man zumindest, dass man dem grünen Minister in dieser Situation einen persönlichen Wunsch nicht abschlagen darf.