Protokoll der Sitzung vom 01.09.2016

zent-Hürde gewuppt. Wir sind die stärkste Fraktion in diesem Landtag.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das muss ich mir nicht sagen las- sen!)

Sich hier vorne hinzustellen und uns zu erzählen: „Ihr habt ja nicht mal eine Mehrheit, warum stellt ihr überhaupt Anträge für Gesetze, die Ihr eh nicht durchbringt?“ Dann haben Sie Demokratie nicht verstanden.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann brauchen Sie uns kein Ulti- matum setzen!)

(Beifall CDU)

Um Mehrheit werben, die steht nicht vorher fest. Erst Dialog, erst Debatte, dann Abstimmung im Landtag – so sieht Demokratie aus. Das gilt auch für die, die gerade regieren. Ich würde sehr darum werben. Wir nehmen das gerne auf, ich habe diesen Vorschlag gemacht, wir diskutieren gemeinsam. Sie haben auch gesagt, sie wollen einladen, wir diskutieren gemeinsam. Jetzt kann es ja nicht mehr so schwer sein, sich zu finden, aber ich will gerne auch noch einmal eines sagen, damit das von vornherein eingeordnet ist. Natürlich haben wir früher – und ich sage das noch einmal, ich habe das beim letzten Mal schon gesagt – auch unsere Bedenken geäußert, die Sie heute vortragen: Wie weit geht man bei der Hürdensenkung bei der Volksdemokratie, damit man die repräsentative Demokratie, die nach wie vor unser Herzstück ist, wie wir es betrachten, nicht aushöhlt, sondern die Verantwortung auch bei den Gewählten lässt, die für fünf Jahre die Verantwortung übernommen, aber auch übertragen bekommen haben und sich dann neuen Wahlen stellen müssen. Das ausgewogen zu machen und durch Elemente der direkten Demokratie zu ergänzen, stärkt unsere Demokratie und das macht unser Staatswesen aus. Der Unterschied ist aber, dass man dem Volk auch zutrauen muss, richtige Entscheidungen zu treffen und aber auch immer wieder nachzufragen und mit eigenen Vorschlägen das zu korrigieren, was die Gewählten auf den Weg bringen. Deshalb, liebe Kollegin Marx, wollen wir eben nicht, dass es mit dem fakultativen Referendum nur darauf hinausläuft, gesetzesaufhebende Initiativen zu machen. Genau das haben wir ja in unserem Vorschlag heute auch formuliert, nämlich dass in der Debatte und auf dem Weg zum Volksentscheid das Parlament die Anregungen aus dem Volk, wenn es denn zum ersten Wupp, nämlich der Sammlung von 50.000 Unterschriften und damit zum Antrag auf den Volksentscheid kommt, und die Ideen aufnimmt und einen Alternativgesetzentwurf zur Volksabstimmung stellt und mit der Mehrheit aus dem Haus heraus um Zustimmung wirbt. Das macht Demokratie aus, dass man für ei

ne Idee, die man hat, für eine Entscheidung, die man getroffen hat, wirbt und erklärt.

Ich glaube, wir haben jetzt in Deutschland in den letzten Wochen und Monaten gelernt, dass mehr Politikerklärung unbedingt notwendig ist und diesem Staatswesen guttut; mehr erklären und nicht nur behaupten, wir haben die Mehrheit, wir ziehen durch, sondern sich aufmachen und dem Volk die komplizierten Dinge dieses Lebens erklären. Dann kann man im Übrigen auch komplexe Sachverhalte, Kollege Krumpe, darstellen. Aber das Erklären ist die Voraussetzung und das Erklären ist unser Job und den sollten wir machen und nicht wegwischen und sagen: Wir wissen es besser, weil wir gerade mal regieren. Ich glaube, das wäre nicht der richtige Ansatz.

(Beifall CDU; Abg. Gentele, fraktionslos)

Deshalb nehmen wir das gern auf, wie wir auch, ich will das gern noch mal sagen, natürlich heftig diskutiert haben, aber alle Verfassungsänderungen in diesem Haus, die damit zustande gekommen sind und auch einfachgesetzliche Regelungen, beim Bürgerantrag, beim Bürgerentscheid in der Kommunalordnung, beim Volksbegehren und bei der Abstimmung beim Volksentscheid in der Verfassung, alle vier Quorensenkungen, die auch auf Volksinitiative angeregt und im Parlament beschlossen wurden, sind trotz heftiger Debatten in den letzten 25 Jahren immer mit Zustimmung der CDU passiert und nie gegen die CDU. Das geht gar nicht anders, weil es verfassungsändernde Mehrheiten waren. Aber sich hier hinzustellen und zu sagen, alles ist gegen die CDU entschieden worden, das ist einfach sachlich falsch und unlogisch, weil es mit der Verfassung gar nicht ginge. Alles, was wir an direktdemokratischen Elementen verbessert haben, ist in den letzten 25 Jahren mit der CDU in diesem Haus passiert und nicht gegen die CDU.

(Beifall CDU)

Ich bitte Sie, mit dieser Geschichtsverfälschung aufzuhören. Sie entspricht nicht der Wahrheit.

Was Sie aber hier vorschlagen – und ich will es noch mal sagen –, das ist ein dritter Weg. Es ist der Weg – neben der Gesetzgebung durch den Landtag und der Gesetzgebung durch das Volk – durch Volksentscheid von unten mit eigenem Gesetzesvorschlag. Es ist der Vorschlag, fakultative Referenden einzuführen, die darüber bewerten sollen, wenn das Volk es will, dass das, was hier im Haus beschlossen wurde, noch mal das Volk an sich zieht und sagt, wir entscheiden darüber. Gut, positiv oder negativ, es liegt daran, wie man es erklärt, welche Mehrheit am Ende im Volk zustande kommt.

Natürlich, lieber Abgeordneter Kuschel, ich sage Ihnen das mal ausdrücklich, weil ich es auch letzte Woche schon in der Ankündigung in Vorbereitung

zum Plenum gesagt habe: Wenn Sie die Debatte nicht überlagern und überladen mit Vorschlägen, die nichts, aber auch gar nichts mit diesem konkreten Verfassungsvorschlag zu tun haben, nur um es auf die lange Bank zu schieben, dann kann es vermutlich gar keine Einigung geben, die Sie nicht wollen, dann wird es wahlprogrammatisch von uns – und ich wiederhole das noch mal ausdrücklich – auch 2019 debattiert. Wenn wir uns aber zu diesem Vorschlag der Einführung fakultativer Referenden finden, dann kann ich mir vorstellen, dass wir auch in Debatten und in Symposien und mit fachlichen Bewertungen und auch verfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen für den Bereich von fakultativen Referenden – nicht für Volksabstimmungen von unten, die auch Volksgesetzgebung beinhalten –, wo das Volk die beschlossenen Gesetze des Landtags überprüft, auch über das Finanztabu reden können, weil man natürlich, wo das Parlament schon mal entschieden und sich eine Mehrheit gefunden hat, auch über die Frage nachdenken kann. Das unterscheidet natürlich alles, was die Frage der Etathoheit des Hauses betrifft. Das unterscheidet natürlich alles dort, wo alternative Volksgesetzgebung mit dem eigenen Entwurf die Haushaltssystematik durcheinanderbringen würde. Dafür gibt es ausgefeilte und auch abschließende Verfassungsrechtsprechungen. Aber für diesen neuen Weg, für die fakultativen Referenden, erkläre ich ausdrücklich – wenn Sie die Verfassungsfragen nicht überladen –, dass wir darüber reden können. Wenn Sie aber sagen, wir wollen über das Wahlalter mit 16 reden, Frau Marx will über die freie Liebe reden – ich weiß gar nicht, wie sie die in der Verfassung verankern will, aber von mir aus –, ich will nur sagen, wenn Sie alles überweitern wollen und überladen wollen, dann zeigt das nur eines, dass Sie nicht ernsthaft an einer Debatte interessiert sind und es eigentlich nur auf die lange Bank schieben, damit Sie eines verhindern können, damit wir gegebenenfalls bei sachlicher Auseinandersetzung und bei verfassungsrechtlich sauberer Debatte möglicherweise auch schon zur Änderung der Verfassung kommen könnten, bevor Gebietsreformgesetze auf den Weg gekommen sind.

Herr Abgeordneter Mohring.

Ja, danke. Sie haben recht.

Ich will gern sagen, wenn Sie es nicht überladen, dann finden wir einen Weg. Wenn Sie es aber überladen, dann kommen wir nicht zum Ende. Wir wollen eine gute Lösung für die Demokratie in diesem Land. Dafür steht unser Vorschlag. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Als Nächster hat sich Abgeordneter Adams zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Thüringer Landtag! Ich glaube, Herr Mohring, ein paar Dinge muss man noch mal klarstellen, weil Sie das in letzter Zeit zur Perfektion bringen wollen, Dinge hier am Pult zu behaupten, die mit der Wahrheit nichts zu tun haben. Niemand in diesem Rund von der Koalition hat Ihren Vorschlag auch im letzten Plenum in irgendeiner Form abgelehnt. Alle haben immer gesagt, darüber werden wir reden. Dass Sie jetzt versuchen, der Öffentlichkeit zu erzählen, dass gerade wir Grüne es gewesen seien und gerade ich in meiner Person es gewesen sei, der Ihre Vorschläge abgelehnt hätte, ist infam. Das muss ich mal ganz deutlich sagen.

Ich glaube, wir haben das alle mehrfach durchdiskutiert. Deshalb will ich noch mal auf den zweiten Punkt kommen. Ja, man kann auch mit 5,7 Prozent Mitglied in einer Koalition sein. Das ist ja das Wesen des Sich-Zusammenschließens, Herr Mohring. Was ich mit meiner Replik auf Ihre Opposition ausdrücken wollte, ist, dass wir das ablehnen, was Sie gemacht haben, als Sie im letzten Plenum die Verfassungsänderung eingebracht haben, nämlich gleich zu sagen, das hat überhaupt auf jeden Fall auf Befehl der CDU in einem halben Jahr über die Bühne zu sein. Wenn wir hier zusammenkommen wollen, werden wir miteinander reden müssen. Es ist eigentlich eine wunderbare Sache, dass Sie das in Ihrem letzten Beitrag eben auch so gesagt haben. Das ist der richtige Weg. Darüber muss ich mich überhaupt nicht erheben und sagen, dass das jetzt ein Zurückrudern der CDU ist. Das ist der richtige Weg, den wir gehen wollen – gute parlamentarische Debatte. Dann kommen wir zum Ziel. So ende ich mit dieser Rede wie auch mit allen anderen zuvor. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat sich Abgeordneter Brandner zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter Brandner, nach unserer Liste haben Sie 1 Minute.

Ja, aber jeder darf ein bisschen länger. Der Kollege Mohring hat es auch gerade wieder verpasst, zum richtigen Zeitpunkt aufzuhören zu reden. Herr Mohring, ich will natürlich jetzt nicht auf das Niveau

herabsteigen, das Sie von hier vorn verbreitet haben.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie wissen gar nicht, was Niveau ist, Herr Brandner!)

Ich möchte mich auch nicht zur CDU Gera äußern.

(Unruhe CDU)

Aber ich hatte vorhin die CDU als personell und programmatisch ausgelutscht und verbraucht bezeichnet. Ich muss sagen, diese Bezeichnung ist für die CDU Gera noch richtig übertrieben – im positiven Sinne. Gegen die CDU Gera wirkt sogar Ihre Fraktion wie ein Jungbrunnen, spritzig und dynamisch. Da müssen wir uns nichts geben.

Herr Mohring, Sie haben sehr oft das Wort im Munde geführt, Sie wollen erklären. Erklären Sie einfach nur einmal eine Sache, Herr Mohring.

(Unruhe CDU)

Kommen Sie noch einmal nach vorn, wenn Sie nachher noch Redezeit haben. Erklären Sie eine Sache: Warum ist für die CDU jahrzehntelang jede Volksbeteiligung – außer bei Wahlen – Teufelszeug? Dann gibt es ein AfD-Programm vom 01.05.2016, in dem das fakultative Referendum nach Schweizer Vorbild gefordert wird. Wenige Wochen später beantragen Sie genau das, was die CDU jahrzehntelang abgelehnt hat, was die AfD im Grundsatzprogramm stehen hat und woraus Sie jetzt versuchen, Honig zu saugen.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Haben Sie Wahrnehmungsverluste?)

Kommen Sie doch mal vor, Herr Mohring, Sie bekommen auch meine letzten Sekunden. Erklären Sie das mal den Leuten draußen. Das wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall AfD)

Sehr geehrter Herr Brandner, die Redezeiten legt das Präsidium fest und nicht die Abgeordneten. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Das Wort hat Minister Poppenhäger für die Landesregierung.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Herr Brandner, erklären Sie einmal den Menschen da draußen, warum Sie innerhalb von zwei Jahren Mitglied in drei Parteien waren!)

Herr Minister Poppenhäger, Sie haben das Wort. Herr Mohring und Herr Brandner, Sie können gern draußen weiter diskutieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Frau Präsidentin, ich verzichte jetzt darauf, aus Redebeiträgen aus früheren Zeiten vorzulesen, um die Debatte zu versachlichen. Aber eines will ich doch vorab sagen: Ich bin der Auffassung, dass wir angesichts eines neuen Populismus in der Tat auch über Volksabstimmungen neu nachdenken müssen. Das wird in der Debatte, die jetzt anfängt, auch an der einen oder anderen Stelle sehr deutlich werden.

Lassen Sie mich für die Landesregierung einige wenige Sätze zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion sagen: Die vorgelegten Gesetzentwürfe zur Änderung des Artikels 82 der Thüringer Verfassung und zur Änderung des Thüringer Gesetzes über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid erscheinen in ihren Konsequenzen nicht hinreichend durchdacht. Bei der Lektüre der Gesetzentwürfe fällt mir insbesondere Folgendes auf: Die Gesetzentwürfe erwecken den Eindruck, als sei es den Bürgern nach geltender Rechtslage nicht möglich, sich gegen vom Landtag beschlossene Gesetze zu wenden. Diese Prämisse, die den Gesetzentwürfen zugrunde gelegt wird, ist unzutreffend. Bereits mit dem in der Thüringer Verfassung vorgesehenen Instrumentarium können Bürger gegen Gesetze, die vom Landtag beschlossen worden sind, mit denen sie nicht einverstanden sind, vorgehen, und zwar durch Herbeiführung eines Volksentscheids im Rahmen eines Volksbegehrens. Nach Artikel 82 Abs. 1 der Thüringer Verfassung können wahl- und stimmberechtigte Bürger Gesetzentwürfe im Wege des Volksbegehrens in den Landtag einbringen und letztlich, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, durch einen Volksentscheid durchsetzen. Gegenstand eines Volksbegehrens und Volksentscheids kann auch ein Gesetzentwurf sein, mit dem ein vom Landtag beschlossenes Gesetz wieder aufgehoben werden soll. Dazu bedarf es nicht der Schaffung eines zusätzlichen Instrumentariums in der Thüringer Verfassung, wie es die vorliegenden Gesetzentwürfe vorsehen.

Wie die Gesetzentwürfe in ihren Begründungen selbst ausführen, sollte über die Durchführung und Ausgestaltung eines neu in die Verfassung aufzunehmenden Referendums intensiv diskutiert und debattiert werden. Herr Mohring hat zu Recht gesagt: Dieser Prozess sollte einer Verfassungsänderung sinnvollerweise vorausgehen und nicht nachgeschoben werden. Fragwürdig an den Gesetzentwürfen der CDU erscheint mir neben den grundsätzlichen Bedenken einer faktischen Abwertung des Landtags auch die vorgesehene Zahl der benötigten Unterstützungsunterschriften: Während für ein Volksbegehren mit einem möglichen Volksentscheid 8 bzw. 10 Prozent der Stimmberechtigten

erforderlich sind, das sind 145.000 bzw. 180.000 Unterschriften, sollen für das in dem vorgelegten Gesetzentwurf vorliegende Referendum bereits 50.000 Unterschriften ausreichend sein. Die Orientierung an der Stimmenzahl 50.000, die für einen Bürgerantrag nach Artikel 83 der Thüringer Verfassung maßgeblich ist, erscheint nicht sachgerecht, weil der Bürgerantrag lediglich auf eine Befassung im Landtag, nicht aber auf eine abschließende Entscheidung durch das Volk abzielt.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Sie reden etwas, was der Regierung gar nicht zusteht!)

Das Referendum in der von der CDU beabsichtigten Form würde letztlich zu einer Einschränkung der Handlungs- und Funktionsfähigkeit des Parlaments führen und auch das Grundprinzip der repräsentativen Demokratie in Frage stellen.

(Unruhe CDU)

Ob dies verfassungsrechtlich zulässig ist, bedarf einer tiefgreifenden und gründlichen Prüfung.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Schon mal etwas von Gewaltenteilung gehört?)

Ich will in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, dass es durchaus namhafte Stimmen gibt, die ein Mehr an direkter Demokratie durchaus kritisch betrachten. Ich will nur darauf hinweisen, dass kürzlich erst der Politiker, Theologe und ehemalige Verfassungsrechtler des Landes Brandenburg, Prof. Richard Schröder, im MDR-Fernsehen dazu Stellung genommen hat.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Der hat aber noch mehr gesagt, ich habe es gese- hen! Zur Gebietsreform hat er etwas gesagt!)

So ist es.