Auch wenn man Niqab und Burka als Symbole von religiöser und politscher Unterdrückung und als eine Form der Frauenverachtung zutiefst ablehnt, kann die Schlussfolgerung nicht in einem Verbot bestehen. Das ist für Sie vielleicht ein bisschen zu differenziert, aber wir sind da eben nicht so schwarz und weiß. Ich empfehle Ihnen übrigens, bei „ZEIT ONLINE“ einen Artikel unter der Überschrift „Die Arroganz der Beleidigten“ nachzulesen, das ist eine Kolumne von Mely Kiyak. Sie formuliert dies ganz schön mit ihren einleitenden Worten, ich zitiere: „Wer Kopftuch und Burka verbieten will, tut so, als befreie er damit die muslimische Frau. Vielleicht könnte man die muslimische Frau auch einfach mal fragen, was sie will?“, meine Damen und Herren.
Ein Burkaverbot, wie Sie es wollen, ist reine Symbolpolitik, weil es zurzeit weder rechtlich möglich ist und bei einer praktischen Umsetzung zudem kontraproduktiv wirken könnte. Ich will aber auch noch im Einzelnen auf Ablehnungsgründe zu Ihrem Gesetzentwurf eingehen. Ein generelles Burkaverbot, das wissen Sie selbst, wäre verfassungswidrig. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags hatten 2010 anlässlich der Burkaverbotsdebatte in Frankreich eine verfassungsrechtliche Einschätzung für ein mögliches Verbot in Deutschland ausgearbeitet. Demnach entfaltet das Grundgesetz durch Artikel 4 einen Schutzbereich der Religionsfreiheit, der auch das Tragen der Burka aus religiösen Gründen mit umfasst.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Der Wissen- schaftliche Dienst des Bundestags ist nicht das Grundgesetz!)
Da heißt es: „Das Tragen einer Burka fällt damit in den Schutzbereich des Artikels 4 GG,“ – was Sie von der AfD vom Grundgesetz halten, wissen wir ja – „soweit die Trägerin dies als verbindlich von den Regeln ihrer Religion vorgeschrieben empfindet. Soweit die Burka aus anderen Motiven – etwa aufgrund äußeren Zwangs – getragen wird, unterfällt dies nicht dem Schutzbereich…“ – Wissenschaftlicher Dienst, Gutachten Seite 8. Somit steht zwar nur das freiwillige Tragen unter Schutz, allerdings wäre es schwer festzustellen, ab wann dies zwangsweise geschieht.
Das Bundesverfassungsgericht hat hier 2015 im Übrigen auch gewisse Einschränkungen gemacht. So heißt es da: „Dem Staat ist […] verwehrt, derartige Glaubensüberzeugungen seiner Bürger zu bewerten oder gar als ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ zu bezeichnen; …“ – Bundesverfassungsgericht im Kopftuchbeschluss von 2015. Eingriffe in den Schutzbereich
wären nur dann möglich, wenn andere, in der Verfassung verankerte Rechtsgüter mit der Religionsfreiheit kollidieren würden. Als Rechtfertigungsgründe kämen dafür die Gewährleistung der negativen Religionsfreiheit aus Artikel 4 Grundgesetz und der Schutz der Frauen aus Artikel 3 Grundgesetz infrage. „Es existiert kein Anspruch“, so heißt es weiter beim Wissenschaftlichen Dienst auf Seite 9, „im öffentlichen Raum vor den religiösen Einflüssen der Umwelt abgeschirmt zu werden. Somit kommt die negative Religionsfreiheit als Rechtfertigung für das Verbot des Tragens der Burka in der Öffentlichkeit nicht in Betracht“, so der Wissenschaftliche Dienst. Weiter: „Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 GG normiert ein Staatsziel, durch das Maßnahmen zur Angleichung der Lebensverhältnisse von Männern und Frauen ergriffen werden sollen. Die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung soll gefördert werden und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hingewirkt werden. Damit wird der Gleichberechtigungssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG ergänzt. Beide Regelungen zielen aber auf die Rechtsgleichheit zwischen den Geschlechtern. Der Staat erhält dadurch keinen Erziehungsauftrag“ – hören Sie gut zu – „für seine Bürger, der ihn legitimiert ein Verbot der Vollverschleierung auch gegen den Willen der betroffenen Frau durchzusetzen.“ – Wissenschaftlicher Dienst, Seite 10. Ein generelles Burkaverbot ist also verfassungswidrig. Um nicht verfassungswidrig zu sein, müsste ein gesetzliches Burkaverbot durch eine Grundgesetzänderung Bestandteil des Verfassungsrechts werden. Würde die AfD ein solches Gesetz wollen, müsste sie den Weg einer Grundgesetzänderung über die Bundesebene gehen.
Zweiter wichtiger Punkt ist, dass ein Burkaverbot auch in die persönliche Freiheit eingreift. Da die Wahl der Kleidung ein Teil des Rechts auf persönliche Entfaltung ist, widersprechen Vorschriften zur Kleiderwahl dem Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 GG. Das halten wir Grüne jedenfalls auch für sehr entscheidend, denn Freiheitsrechte dürfen nur begrenzt werden, wenn Freiheiten und Menschenrechte anderer entgegenstehen, selbst dann, wenn man Schwierigkeiten hat, im Vollschleier ein religiöses Symbol zu sehen.
Zum Dritten: Für ein Burkaverbot gibt es auch keinen Regelungsbedarf. Es wäre völlig unverhältnismäßig, die Verhaltensweise einer sehr kleinen Gruppe per Gesetz zu regeln. Wie gesagt, wir haben es schon ausgeführt, es gibt so gut wie keine Frau in Deutschland, die Burka trägt, meine sehr geehrten Damen und Herren. So hieß es von Staatssekretär Dr. Günter Krings im Bundestag am 17. Dezember 2015, Zitat: „Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Anzahl der Burkaträgerinnen in Deutschland vor. Im Rahmen der von der Deutschen Islamkonferenz in Auftrag gegebenen Studie ‚Muslimisches Leben in Deutschland‘
Es wurde auch darauf hingewiesen, dass zu den Frauen in Deutschland, die eine Burka tragen, auch ausländische, hauptsächlich arabische Touristinnen gehören. Hinsichtlich einer erhöhten Gefährlichkeit von Burkaträgerinnen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.
Zum Vierten: Das Burkaverbot ist ein völlig ungeeignetes Mittel – da sind wir uns hoffentlich einig – zur Gefahrenabwehr, weil per Generalverdacht unterstellt wird, dass alle Trägerinnen islamistische – so hat es auch Frau Muhsal hier ausgeführt – Fundamentalistinnen seien, von denen eine erhöhte Gefahr für die innere Sicherheit ausginge. Bisher hat es in Europa keinen Anschlag oder Ähnliches gegeben, der von einer Burkaträgerin ausgeführt wurde. Da darf ich auch Jörg Radek, den stellvertretenden GdP-Vorsitzenden, zitieren: „Die Burka interessiert uns als Polizei nur, wenn sie bei einer Identitätsfeststellung hinderlich sein sollte. Die Forderung nach einem Burkaverbot ist lediglich ein Ausdruck von Symbolpolitik.“ Das können Sie nachlesen in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vom 26. August 2016.
Ein Nebenaspekt betrifft im Übrigen auch vollverschleierte Touristinnen aus dem Nahen Osten. Wie soll ich mir das vorstellen? Werden diese dann ständig polizeilich überprüft und sollen sie auch nicht mehr den öffentlichen Raum betreten dürfen? Das Tourismusgewerbe in einigen Orten dürfte davon jedenfalls nicht sonderlich begeistert sein.
Zum Fünften: Ein Burka-Verbot könnte die gesellschaftlichen Konflikte verschärfen. Auch wenn sich der weit überwiegende Teil aller Muslime gegen die Vollverschleierung ausspricht, steht zu befürchten, dass ein Verbot zur Stigmatisierung aller Muslime führt. Am Ende könnte es sogar zu mehr als zu weniger Burka-Trägerinnen kommen.
Zum Sechsten – das ist Ihnen von der AfD ja angeblich so wichtig; lassen Sie sich gesagt sein –: Ein Burka-Verbot hilft den betroffenen Frauen ganz bestimmt nicht. Es ist bezeichnend, dass ein Verbot ausschließlich Frauen beträfe. Schon das finde ich wichtig zu benennen. Ausgerechnet Frauen, die den Vollschleier zwangsweise tragen müssen, würde durch ein Verbot die letzte Möglichkeit genommen, sich in der offenen Gesellschaft frei zu bewegen und gegebenenfalls tolerantere Lebensformen kennenzulernen. Es wäre zu befürchten, dass sie im eigenen Zuhause praktisch eingesperrt blieben. Viel sinnvoller sind stattdessen Investitionen im Bildungsangebot und in Projekte der Sozialarbeit, um
Ja, da müssen Sie einmal zuhören! Schwierig, Herr Möller! Kann ich mir vorstellen, dass Ihnen das schwerfällt!
Ihr Gesetzentwurf wird von uns abgelehnt. Er ist nicht verfassungsgemäß, er verschärft gesellschaftliche Konflikte, er hilft den betroffenen Frauen nicht. Wir wissen ja, wozu Sie ihn nutzen, einzig zu populistischen Zwecken, und das machen wir nicht mit! Vielen herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt wollen wir die Diskussion mal wieder in ein sachliches Fahrwasser bringen. Das Verbot des Tragens einer Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum ist natürlich derzeit ein Thema, das die Bürger bewegt, das in den Medien gespielt wird und das auch die Innenministerkonferenz der CDU-regierten Bundesländer bewegt hat, in der sogenannten Berliner Erklärung dazu Stellung zu nehmen. Wobei ich sagen will: Dass dieses Thema gerade im Thüringer Landtag diskutiert wird, ist mal wieder – ob von rechts oder links außen – eine maßlose Überschätzung Thüringer Wichtigkeit. Ich habe in Thüringen noch keine vollverschleierte Frau gesehen,
noch nicht einmal in der Nähe einer Moschee, wie zum Beispiel in Erfurt in der Leipziger Straße, die ich öfters entlangfahre;
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Bloß weil Sie es noch nicht gesehen haben, heißt das nicht, dass es so etwas nicht gibt!)
noch nicht einmal in der Nähe der Moschee in der Leipziger Straße. Es ist mal wieder ein Thema, das von der AfD vom Zaun gebrochen wird, obwohl es für Thüringen nicht der Rede wert ist.
So, wie ich das gesagt habe, sehe ich das auch. Deshalb werde ich meinen Redebeitrag auch entsprechend knapp halten. Ich kann die Intention des AfD-Antrags nicht teilen, dass es einer Untersagung der Gesichtsverschleierung zum Schutz des Grundrechts betroffener Mädchen und Frauen auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit oder der Gleichberechtigung bedarf. Aus meiner Sicht kann in den Schranken des Grundgesetzes jeder herumlaufen, wie er will, ob in Hotpants oder vollverschleiert. Zunächst einmal ist es nicht Sache des Staates, hier einzugreifen; ob ein Minirock nur eine Gürtelbreite hat oder jemand meint, sein Gesicht nicht zeigen zu wollen, hat dem Staat jedenfalls grundsätzlich egal zu sein.
Es ist Sache jedes einzelnen, auch jeder Frau, zu entscheiden, wie er/sie sich in der Öffentlichkeit bewegen will. Genauso, wie es den Staat letztlich nichts angeht, ob eine Frau sich auch gegenüber ihrem Ehemann durchsetzt oder auch nicht durchsetzt, im extremen Minirock herumzulaufen, geht es den Staat auch nichts an, ob und weshalb eine Frau mit einem Gesichtsschleier herumläuft.
So viel zum Grundsatz. Allerdings gibt es gegenüber diesem allgemeinen liberalen Grundsatz wie auch sonst Einschränkungen. Es kann ein Individuum eben nicht unbegrenzt machen, was es will, und es gibt in unserer Gesellschaft allgemeine Regeln, zum Beispiel zu Sitte und Anstand, und auch eine gewisse Grundkultur. Was wir gestern beim § 175 StGB schon hatten: Solche Regeln unterliegen natürlich dem Zeitgeist und verändern sich auch ständig. Was vor 50 Jahren unter Sitte und Anstand als gesellschaftlicher Konsens verstanden wurde, ist etwas anderes als heute. Das zeigt das Beispiel, dass Frauen vor 100 Jahren voll bekleidet baden gingen und mittlerweile seit vielen Jahren in der westlichen Welt selbst das Baden völlig ohne Bekleidung keinen Anstoß erweckt, während Badende im Burkini jetzt Anstoß erregen. Ich will damit sagen, die Kleiderordnung verändert sich ständig und Regulierungen durch den Staat aus Gründen von Sitte und Anstand oder auch aus Gründen der Entfaltung der Persönlichkeit sind aus meiner Sicht sehr fraglich. Aber – jetzt muss natürlich auch noch ein Aber kommen – es gibt schon Gründe, bestimmte Verhaltensweisen staatlicherseits zu verbieten, nämlich dann, wenn dadurch höherwertige Rechtsgüter beeinträchtigt werden oder die Gefahr der Beeinträchtigung besteht. Und solche Beeinträchtigungen höherwertiger Rechtsgüter bestehen nun mal – bei aller Liberalität – bei einer Gesichtsverschleierung in vielen Zusammenhängen. Wir sind in Deutschland ein Staat, der sehr liberal und pluralistisch eingestellt ist. Auch wenn dies der Grundsatz ist, darf sich unsere Demokratie nicht
Unsere Demokratie wird nur Bestand haben, wenn sie gegenüber nicht liberalen Einstellungen wehrhaft ist, und dazu gehört, keine falsche Einstellung zu Liberalismus im Sinne von tollem Multikulti zu haben. Jeder, der einen allein seligmachenden Anspruch vertritt und diesen mit allen Mitteln in unserem Staat durchsetzen will, ist ein Feind unserer Demokratie.
Das sind Ideologen von links und Ideologen von rechts ebenso wie Religionsfanatiker, die Religion völlig falsch verstehen. Und es gehört zu einer wehrhaften Demokratie, solchen Kräften entgegenzutreten.
Dazu gehört eben auch, dass an Flüchtlinge, die wir hier aufnehmen, der Anspruch gestellt wird, sich in unsere Ordnung einzufügen. Wer vor Verfolgung, Krieg und Tod flüchtet, dem gewähren wir durchaus Schutz. Wir erwarten aber im Gegenzug von den Flüchtlingen, dass sie Recht und Gesetz einhalten, die deutsche Sprache erlernen sowie den Willen zur Integration auch unter Beweis stellen. Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau sind uneingeschränkt zu akzeptieren. Integrationsverweigerung muss aber sanktioniert werden und Straftäter müssen unser Land unverzüglich wieder verlassen.
Nicht schutzbedürftige Personen verlassen Deutschland nach Abschluss des Asylverfahrens, und wer nicht freiwillig geht, der muss konsequent abgeschoben werden.
Ich komme gleich noch dazu, warten Sie doch mal ab; Sie haben auch vieles erzählt, was nicht direkt was mit Burka zu tun hat.
Das sind Aussagen der Berliner Erklärung der CDU/CSU-Innenminister der deutschen Länder vom 19.08. dieses Jahres. In diesem Zusammenhang ergeben sich eben auch Grenzen, was die Verschleierung betrifft, Grenzen durch höherwertige Rechtsgüter. Zumindest in bestimmten Bereichen ist es für das Funktionieren unserer Rechtsordnung unverzichtbar, dieses auch rechtlich einzufordern. Staatliche Institutionen repräsentieren unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft und Vollver
schleierung im öffentlichen Dienst ist inakzeptabel. Dies gilt gerade auch für den Bildungsbereich; in Kitas, Schulen und Hochschulen ist kein Platz für Vollverschleierung. Im Gericht muss das Gesicht der Verfahrensbeteiligten vollständig sichtbar und erkennbar sein. Dort, wo eine Identifizierung notwendig und geboten ist – Passkontrollen, Verkehrskontrollen, Meldeamt, Standesamt auch –, muss das Zeigen des Gesichts auch durchgesetzt werden können. Jeder muss bei Demonstrationen sein Gesicht zeigen. Unser Rechtsstaat kann Vollverschleierung hier nicht akzeptieren. Vollverschleierung ist überdies in solchen Situationen zu verbieten, in denen sie eine Gefahr für andere wird, und dies gilt insbesondere im Straßenverkehr. Das sind nur Beispiele dafür, dass in unserer Gesellschaft in bestimmten Bereichen Verschleierung inakzeptabel und mit unserer Rechtsordnung nicht vereinbar ist. Die CDU-Fraktion steht voll hinter diesen Aussagen der CDU/CSU-Innenminister von diesem August.