Protokoll der Sitzung vom 30.09.2016

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und ich bin nicht nur den Rennsteig gelaufen, sondern ich bin fast jedes Wochenende mit Familie oder Freunden in Thüringen unterwegs

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Manche lau- fen auch Amok!)

und ich würde sagen: Machen Sie es mir nach!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So können wir hier, die wir heute hier versammelt sind, einen ganz konkreten Beitrag zur Verbesserung des Gastgewerbes in Thüringen leisten. Herzlichen Dank!

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für Ihren ganz persönlichen Beitrag. Ich frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht? Das ist die SPD-Fraktion, die CDU-Fraktion, AfD – aus allen Fraktionen. Auf Verlangen aller Fraktionen eröffne ich die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags der Fraktion der CDU, gleichzeitig die Aussprache zu Nummer II des Antrags der Fraktion der CDU und zum Alternativantrag. Als Erster erhält Abgeordneter Bühl für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Staatssekretär, vielen Dank für Ihren Bericht! Da bleibt mir am Anfang nur zu sagen: Sie haben da ein bisschen was aufzuholen. Ich wandere schon ein paar Jahre länger hier und

(Beifall CDU)

bin schon seit 29 Jahren in Thüringen. Deswegen habe ich mindestens genauso viele Erfahrungen hier gesammelt wie Sie. Natürlich ist es hoch anerkennenswert, wir waren ja auch gemeinsam wandern, dass Sie das so schön gemacht haben und dass Sie da auch überall aktiv waren – wirklich sehr gut!

(Beifall Abg. Becker, SPD)

Ich möchte trotzdem noch ein paar Punkte zu Ihren Ausführungen sagen, bevor ich zu meinem eigentlichen Redetext kommen möchte. Einmal habe ich den Eindruck, Sie spielen ein bisschen „good cop – bad cop“, denn beim Tourismustag war Ihr Minister da. Und Ihr Minister hat mal den Gaststättenbetreibern und Hoteliers ordentlich einen eingeschenkt. Danach waren Gaststättenbetreiber bei mir, Hotelbetreiber, der DEHOGA, und haben gefragt, ob sie jetzt überhaupt noch irgendwas machen sollen. Der hat sie ja gerade so abgewatscht, als ob sie alle überhaupt nichts könnten, als ob die Qualität überall komplett schlecht war. Da muss man bedenken, beim Tourismustag sind die Guten da. Ich finde es schön, dass Sie jetzt die gute Rolle übernehmen, der Minister die böse Rolle. Unterm Strich – muss ich sagen – würde ich mir eine konstruktivere Rolle wünschen.

(Beifall CDU)

Dann zu Ihren Ausführungen, wir hätten wenig Ahnung von der Materie. Da kann man auch nur sagen, Sie sind nicht der Einzige, der mit dem DEHOGA spricht, Sie sind nicht der Einzige, der mit IHKs spricht, vielleicht sprechen wir sogar häufiger mit denen als Sie, ich weiß es nicht. Sie nehmen auch dankenswerterweise in Ihrem Sofortprogramm Gaststättengewerbe unter Punkt 4 die Bürokratieabsenkung auf. So schlecht können wir also nicht gelegen haben mit dem, was wir bei uns auch ausgeführt haben.

Erst einmal möchte ich sagen, ich teile nicht den Pessimismus des Ministers auf dem Tourismustag, dass alles schlecht ist. Ich möchte noch einmal ganz eindeutig sagen: Denen, die gute Leistung bringen, die sich jeden Tag einsetzen, die sich einsetzen, wenn wir frei haben, gehört unser größter Dank für ihren Einsatz und

(Beifall CDU, AfD)

wir haben tolle Städte, wir haben eine gute Infrastruktur, aber natürlich plagen uns auch einige Sorgen. Das war auch der Punkt, weshalb wir im Juni diesen Antrag hier eingebracht haben, der leider erst heute behandelt wird. Ich bin sehr dankbar, dass Sie, ob auf unseren Antrag hin oder nicht, jetzt zum Tourismustag ein Maßnahmenpaket Gaststättengewerbe eingebracht haben. Vom zeitlichen

(Staatssekretär Maier)

Verlauf her könnte man davon ausgehen, dass es auch auf unsere Initiative hin mit geschehen ist.

(Zwischenruf aus dem Hause: Zufall!)

Zufall? Alles nur Zufall, ja, ja.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Zu viele!)

Wenn man sich die Zahlen anschaut – Herr Staatssekretär, Sie haben es schon ausgeführt, aber die IHK Südthüringen hat sich auch noch einmal ganz konkret an uns gewandt –, in den letzten fünf Jahren haben 1.174 Betriebe im Bereich des Rennsteigs zugemacht, haben ihre Tore geschlossen. In Ostthüringen sind es 240 Betriebe. Diese Schließungen müssen wir aufhalten, da müssen wir gegensteuern. Diese Schließungen haben Gründe. Ein wichtiger Grund ist mit Sicherheit der Umsatz, sie haben es beschrieben. Der durchschnittliche Umsatz beträgt 173.786 Euro im Jahr und für den Unternehmer bleiben nach Aussagen des DEHOGA 13.902,88 Euro. Wer soll von diesem Geld leben? Das muss man sich echt fragen. Wenn man jetzt auf der einen Seite natürlich sagt, Mindestlohn, das alles hat Folgen, sodass auch die Preise steigen, und auf der anderen Seite sagt, wir haben eine Billiggastronomie, sollen die doch einfach die Preise steigern, was passiert dann? Der Thüringer Gast ist aktuell augenscheinlich nicht gewillt, mehr Geld zu bezahlen. Es ist ein langer Schritt, dass wir dahin kommen, dass der Gast bereit ist, mehr Geld zu bezahlen. Wenn der Gast dann noch weniger in die Gaststätte geht, heißt es, weniger Kunden, weniger Umsatz, die Spirale dreht sich nach unten. Das kann also nicht die alleinige Lösung sein, auch wenn ich der Meinung bin, dass diese Umsatzzahlen natürlich unbefriedigend sind und man an diesem Umsatz schrauben muss, dass er nach oben geht.

Was erzählen uns die Unternehmer, was die Gründe dafür sind, dass viele einfach keine Lust mehr haben, ihre Gaststätte weiter offen zu halten? Ein wichtiger Punkt ist die erhebliche Kontrolldichte. Deswegen sind wir auch maßgeblich bei unseren Forderungen auf diesen Punkt eingegangen.

(Beifall CDU)

Das haben wir nicht gemacht, weil uns das einfach so eingefallen ist oder weil wir auch nicht mit den Leuten sprechen, sondern wir waren ganz konkret. Meine Kollegin Liebetrau und ich haben einen Tag lang beim Herrn Lesser, dem Vorsitzenden des Tourismusausschusses der IHK Südthüringen, in Brotterode hospitiert und uns konkret zeigen lassen, woran es vor Ort hängt, was ihn am meisten belastet. Da hat er uns das genau aufgelistet: Er hat 27 Prüfungen für Gerätetechnik. Viele davon sind ohne Frage wichtig. Ich will auch nicht sagen, dass man diese Prüfpflichten alle abschaffen soll, um Gottes Willen. Es geht uns darum, zu überprü

fen, was vielleicht doppelt ist. Bei den 27 Prüfungen für Gerätetechnik kommt es oft zu doppelten Prüfungen für die gleiche Sache.

Dokumentationspflichten Arbeitszeitgesetz – Sie haben es angeführt, ich bringe gleich noch ein anderes Praxisbeispiel von einem anderen Unternehmer, der sich an uns gewandt hat; Mindestlohn – 20 weitere Dokumentationen. Die IHK Südthüringen hat zusammengefasst, 900 Stunden im Jahr – 900 Stunden, das muss man sich überlegen – verbringen die Gastronomen nur mit der Aufwendung für Bürokratie. Das sind vier Stunden.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Alle Gastronomen zusammen?)

Nein, jeder einzelne. Vielleicht sollten Sie auch einmal hospitieren. Vier Stunden täglich sitzen Gastronomen, nur um irgendwelche bürokratischen Hürden zu leisten. Das kann sich vielleicht ein großer Unternehmer leisten, das kann sich jemand leisten, der ein Hotel hat, wo er vielleicht ein paar Mitarbeiter hat, aber stellen wir uns einfach mal vor, was mit dem kleinen passiert – wir haben es gehört, viele machen das im Nebenerwerb –, der das nebenher macht. Der hat einfach keine Lust mehr, die Arbeit dann noch zu machen.

(Beifall CDU)

Wie soll das ein kleiner Einzelunternehmer stemmen? Wie soll er Lust haben, dann noch Service am Kunden zu machen, was ja eigentlich seine Hauptaufgabe ist? Wie soll er vor allen Dingen Geld verdienen, damit er auch sich, seine Familie und seine Angestellten durchbringen kann? Deswegen fordern wir, dass das überprüft werden muss. Ich denke mal, das wird Ihnen auch bei Ihrer Wanderung über den Rennsteig gesagt worden sein. Da ist das sicherlich auch das eine oder andere Mal angesprochen worden.

Natürlich ist das aber nicht das Einzige, was man machen muss. Da muss ich sagen, da ist Ihr Maßnahmenpaket in manchen Punkten mit Sicherheit auch sinnvoll. Ich begrüße das auch. Gerade die Qualität ist natürlich ein Punkt, an dem wir arbeiten müssen, damit wir mehr Gäste zu uns locken, damit die Leute auch mehr Geld in den Gaststätten ausgeben.

Ich habe aber noch einen Praxisbericht, warum es oft auch an der Qualität hapert, von einem Unternehmer aus Schmalkalden, den ich, wenn ich darf, in Teilen zitieren möchte. Er hat einmal aufgeführt: Die Fülle von Vorschriften und kostenpflichtigen Prüfungen und Kontrollen erfordert nicht nur ein immenses Maß an Arbeitszeit, sondern auch Kosten. Die ungleiche Besteuerung von Leistungen im Bereich der Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer im Vergleich zu anderen Ländern in Europa verschärft den Konkurrenzkampf – zum Beispiel Schweiz 3,8 Prozent, Frankreich 5 Prozent usw. Jetzt zu den

Arbeitszeitgesetzen: Die Arbeitszeitgesetze machen es kaum noch möglich, eine Hochzeitsfeier mit einer Besetzung an Mitarbeitern durchzuführen, da diese nach spätestens 10 Stunden gehen muss. Hochzeiten gehen aber schnell mal 12 bis 14 Stunden und dann muss auch noch aufgeräumt werden. Eine zweite Besetzung hat aber kaum ein Hotel, da es aufgrund des Fachkräftemangels kaum Mitarbeiter gibt und schon gar keine guten. Dazu kommt, dass sich wegen vielleicht zwei bis drei Feiern im Monat niemand so viel Personal leisten kann. Auf die Gäste kann es nur selten umgelegt werden, weil dann zur Konkurrenz abgewandert wird.

(Beifall CDU)

Ich weiß, Ihr Minister, Herr Tiefensee, hat auch seinen Geburtstag gefeiert und da ist es ihm ähnlich gegangen. Von daher sollten Sie sich innerparteilich einmal entsprechend darüber unterhalten. –

(Beifall CDU)

Auf der anderen Seite wird der Branche gerade in Thüringen vorgeworfen, nicht innovativ zu sein. Es würde an hochwertigen Angeboten fehlen, die Qualität würde nicht stimmen. Viele Gastronomen hätten die falsche Einstellung. Natürlich ist das oft so. Aber wenn die Ertragssituation seit Jahren schlecht ist und wir mit Bürokratie und Kosten überhäuft werden, darf sich darüber niemand wundern. Es ist schier unmöglich, alles richtig zu machen, da die meisten gastronomischen Unternehmen in Thüringen zu klein sind, um sich neben dem Tagesgeschäft noch allen Auflagen zu widmen. Das war der Praxisbericht eines Gastronomen aus Schmalkalden, nicht einmal eines kleinen, der im Grunde vielleicht noch mehr Möglichkeiten als andere in diesem Bereich hat.

Der Berichtswunsch, den wir heute an das Ministerium herangetragen haben, war deswegen auch sehr ausführlich, wie ich fand, auch fundiert. Das hat Herr Staatssekretär nicht so gesehen – aber gut. Das Maßnahmenpaket, das Sie jetzt vorgelegt haben, besteht zu weiten Teilen aus bereits bestehenden Maßnahmen, Förderprogrammen, die sowieso schon da sind. Ich finde es sehr gut, was Sie im Bereich des Thüringer Walds mit dem Projekt „Zukunft Thüringer Wald“ machen, da werden auch gute Konzepte herauskommen, aber ich frage mich immer: Wenn man das alles nur mit dem bestehenden Geldtopf macht, den man hat, muss es ja irgendwo anders wegfallen? Wo soll das Geld herkommen, diese Maßnahmen dann auch umzusetzen? Ich würde es mir persönlich sehr wünschen, aber wenn man auf der einen Seite am „Thüringer Meer“ viele Maßnahmen verspricht, auf der anderen Seite am Rennsteig viele Maßnahmen verspricht, dann ist doch irgendwo die Frage: Wie will man diese Maßnahmen finanziell auch untersetzen? Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie da auch die Kraft haben, sich durchzusetzen, entspre

chend auch mehr Geld in den Haushalt hineinzubekommen. Aktuell bin ich da aber noch sehr skeptisch, wenn man immer noch auf Bestehendes setzt mit dem gleichen Geldpool, weil man irgendwo ja auch jemandem etwas wegnehmen muss.

Der KMU-Test: Wie schon gesagt, ich finde es gut, dass Sie das aufgegriffen haben, auch da entsprechend eine Überprüfung vorzunehmen. Ich habe, das kann ich Ihnen auch gern zur Verfügung stellen – vielleicht hält Sie das auch noch ein bisschen –, von der IHK Südthüringen eine Auflistung mit 87 Aufgaben, die doppelt mit Bürokratie belastet sind, die das sehr intensiv aufgelistet haben. Von daher haben wir uns da auch im Vorfeld sehr schlau gemacht, deswegen kann man das auch nicht so einfach abtun, dass das, was wir hineingeschrieben haben, nicht wesentlich ist. Diese bürokratischen Lasten belasten die Unternehmer. Ich würde Ihnen das einfach so übergeben.

(Beifall CDU)

Ich freue mich, dass wir dann diesen Punkt mit all diesen Fakten, die heute auch schon auf den Tisch gekommen sind, noch einmal intensiv diskutieren, denn es muss uns allen daran gelegen sein, dass die Gaststätte auch im Ort bleibt, dass die Bürger, die Anwohner auch in den kleinen Dörfern noch eine Möglichkeit haben, abends wegzugehen, ein Bier zu trinken, aber auch unsere Touristiker, unsere Gäste die Möglichkeit haben, qualitativ hochwertig auszugehen. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten. Es kann nicht in unserem Interesse sein, dass man einfach sagt, wie man es aufseiten des Wirtschaftsministeriums schon gehört hat: Na ja, wenn sich das Geschäftsmodell überlebt hat, dann bricht eben die Kneipe im Ort weg. Das will ich auch nicht. Ich möchte, dass die Kneipen im Ort bleiben und dass wir gemeinsam daran arbeiten. Deshalb freue ich mich, dass wir unseren Antrag und Ihren Antrag, der auch wichtige Punkte dazu enthält, wie wir das Ganze voranbringen können, gemeinsam im Wirtschaftsausschuss beraten. Deshalb beantrage ich die Überweisung beider Anträge und freue mich auf die Beratung. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordneter Hausold das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Gäste auf der Tribüne! Zunächst auch von mir einen herzlichen Dank, Herr Staatssekretär, für Ihren Bericht. Ich denke, da ist deutlich geworden, dass die Landesregierung sehr wohl weiß, wo die Druckpunkte und der Handlungsbe

(Abg. Bühl)

darf im Bereich von Hotel, Gastgewerbe, Gaststätten liegen.

Was Ihren ursprünglichen Antrag, den wir jetzt gemeinsam mit unserem Alternativantrag auch im Ausschuss weiterberaten werden – davon gehe ich aus –, betrifft, meine Damen und Herren von der CDU, da war mir auch nicht ganz klar, in welche Richtung er denn nun eigentlich zielt. Ich muss sagen, dass Sie, Herr Bühl, das will ich Ihnen durchaus zugestehen, einiges zu meiner Erhellung beigetragen haben, aber meine grundsätzliche Nachfrage, worum es denn nun eigentlich wirklich im Kern geht, ist trotzdem nicht beantwortet. Das ist auch der Grund, warum wir Koalitionsfraktionen uns entschlossen haben, einen Alternativantrag vorzulegen.