Protokoll der Sitzung vom 30.09.2016

Was Ihren ursprünglichen Antrag, den wir jetzt gemeinsam mit unserem Alternativantrag auch im Ausschuss weiterberaten werden – davon gehe ich aus –, betrifft, meine Damen und Herren von der CDU, da war mir auch nicht ganz klar, in welche Richtung er denn nun eigentlich zielt. Ich muss sagen, dass Sie, Herr Bühl, das will ich Ihnen durchaus zugestehen, einiges zu meiner Erhellung beigetragen haben, aber meine grundsätzliche Nachfrage, worum es denn nun eigentlich wirklich im Kern geht, ist trotzdem nicht beantwortet. Das ist auch der Grund, warum wir Koalitionsfraktionen uns entschlossen haben, einen Alternativantrag vorzulegen.

Ich möchte dennoch auf ein paar Dinge, die Sie ausgeführt haben, eingehen, bevor ich dann auch noch ein Stück weit die ganze Situation etwas mehr in gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge stellen möchte, weil das notwendig ist. Ich weiß nicht, wo Sie jetzt bei unserem Wirtschafts- und Wissenschaftsminister, Herr Bühl, Pessimismus wahrgenommen haben bei der Einschätzung der Situation im Bereich des Gastgewerbes und der entsprechenden Hoteldienstleistungen usw. Ich habe das anders aufgefasst. Minister Tiefensee gilt auf alle Fälle als jemand, der zunächst eine ehrliche Bestandsaufnahme zur Grundlage seiner Überlegungen und Entscheidungen macht und dann Lösungswege vorschlägt, die er bekanntermaßen auch gemeinsam mit den Betroffenen und Akteuren diskutiert. Insofern sage ich: Nur, wenn wir so realistisch an die Situation herangehen, wie das der Herr Staatssekretär heute hier deutlich gemacht hat, werden wir gemeinsam zu Lösungen kommen können, die auch längerfristig – und darum geht es letzten Endes – tragfähig sein werden, meine Damen und Herren. Insofern ist das Thema bei der Landesregierung und dem zuständigen Ministerium aus meiner Sicht in guter und auch in optimistischer Hand, weil Handlungsbereitschaft signalisiert wird.

(Beifall Abg. Müller, DIE LINKE)

Die Unklarheit – da haben Sie mich jetzt ein bisschen erhellt, Herr Bühl –, die ich auch hatte, ist, was die verschiedenen Prüfungen usw. betrifft. Worauf heben Sie da ab? Sie haben hier 27 Technikprüfungen genannt, Sie haben diese Dokumentationspflichten im Zusammenhang mit dem Mindestlohn genannt. Das sind keine neuen Dinge, aber das sind alles Dinge – das muss man deutlich sagen –, die nicht in der Hoheit des Landes Thüringen liegen. Natürlich kann man darauf im Zusammenhang mit Bundespolitik Einfluss nehmen, aber wir haben jedenfalls den Standpunkt – und darüber können wir gern weiter diskutieren –, wenn landespolitische Regelungen zu Doppelprüfungen führen, sind wir gern bereit, darüber zu reden, wie wir das

abstellen können. Ich muss Ihnen sagen, bisher – das haben Sie heute auch vermissen lassen – haben Sie gerade diesen Zusammenhang nicht hergestellt, meine Damen und Herren. Der Handlungsbedarf liegt also, was das betrifft, eher auf anderer Ebene, aber nicht auf Ebene des Landes Thüringen.

(Beifall Abg. Berninger, DIE LINKE)

Ich will des Weiteren zu Ihren Bemerkungen im Zusammenhang mit Haushaltsmitteln anfügen: Ja, wir alle wissen, dass es im Zusammenhang mit Förderung auch notwendig ist, finanzielle Mittel in die Hand zu nehmen. Ich glaube, wir werden bei gemeinsamer Debatte – und da muss ich noch mal wiederholen, weil ich Ihnen das einfach nicht ersparen kann –, wenn sich dann bei der nächsten Haushaltsdiskussion vielleicht auch die CDU-Fraktion mit Vorschlägen, Ideen und Änderungsanträgen in dieser Debatte zu Wort meldet, vielleicht ein Stück weit mehr Spielraum kriegen, da gebe ich Ihnen recht, den wir an diesen Stellen schon brauchen. Ich muss Ihnen aber andererseits auch sagen: Wer insbesondere durch die Bundespolitik – und alles, was wir hier im Land verhandeln, hat natürlich Relevanz zur Bundespolitik –, die Gesamtpolitik der schwarzen Null von früh bis abends vor sich herträgt und sie immer wieder einfordert, da verstehe ich manchmal nicht so ganz – vor allen Dingen in diesen aktuellen Zeiten –, wie man dann der Landesregierung vorhalten kann, woher sie denn das Geld nehmen will oder ob das nicht bloß irgendeine Floskel ist usw. Das ist einfach ein unredliches Vorgehen. Darauf müssen wir uns schon einigen: Wie wollen wir konkret diese Fragen gemeinsam lösen? Da muss man sich auch im Klaren sein, dass nicht alles nur alleine mit Umverteilungsfragen innerhalb des Landeshaushalts zu lösen ist, sondern dass da sicherlich manchmal auch andere Ideen gefragt sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben auch, Herr Bühl, abgehoben auf die Betriebsgrößen. Das ist richtig. Wir wissen, viele sind Familienbetriebe. Wir wissen, vieles, wie Sie das ganz richtig gesagt haben, erfolgt sogar in diesem Bereich in der Nebenerwerbswirtschaft. Das stimmt. Hier überlegen wir auch, wie zielgerichtete Förderung greifen kann. Auch da bin ich ein Stück weit der Auffassung, dass wir uns sehr realistisch sagen müssen: Wir werden auch in diesem Bereich Mechanismen entwickeln können, damit wir die Betriebsgrößen erweitern können, denn ich glaube, es ist auch in der demografischen Entwicklung ein Irrglaube, dass wir die kleinsten Betriebe bei noch so guter Förderung auf Dauer alle in diesem Bestand halten können. Kooperationen sind auch immer wieder Impulse, die von der Landesregierung ausgehen. Sie sind für meine Begriffe in diesem Bereich außerordentlich wichtig.

Ich will – das werden Sie vielleicht, Herr Maier, auch bei Ihrer Wanderung festgestellt haben – rein praktisch auf so ein Beispiel abzielen. Wir haben glücklicherweise viele Wanderer auf unseren guten Wanderwegen am Rennsteig und überall sonst im Land. Wir haben Beherbergungsmöglichkeiten, aber es stellt sich zum Beispiel auch die Frage: Wenn ich solche Tagestouren mache, wie kommt dann mein Gepäck von A nach B, sodass ich das am Abend in meiner neuen Unterkunft einfach wiederhabe? Das wird bei unserer Situation der einzelne Kleinbetrieb wahrscheinlich nicht lösen können. Dazu brauchen wir intelligente und vom Land geförderte – das ist unsere Entwicklungsrichtung – Lösungen, die hier ganz konkret ein Problem aufgreifen, das das Gastronomiegewerbe und Beherbergungsgewerbe nennen. Aber ich muss auch an anderer Stelle sagen, manchmal müssen wir aus dem gesellschaftlichen Raum und der Politik den entsprechenden Unternehmen deutlich machen, dass wir zu solchen Schritten gern auch mit unserer Unterstützung kommen wollen, wenn wir eine Perspektive haben wollen an solchen Stellen. Ich glaube, auf so konkrete Fragen sind die Aktivitäten der Landesregierung ausgerichtet.

Was ich Ihnen natürlich aufgrund von Erfahrungen, meine Damen und Herren von der CDU, ein Stück weit unterstellt habe, aber das haben Sie jetzt, Herr Bühl, mit Ihren kurzen Reflektionen über Mindestlohn und Arbeitszeiten letzten Endes auch wieder deutlich gemacht, dass es für Sie ein Thema ist, wie wir meinen, aber in die falsche Richtung. Also ich sage noch mal ganz deutlich bei aller Kritik: Wir hatten bei dem DEHOGA nach dessen eigener Pressemitteilung für das Jahr 2015 – der Staatssekretär hat natürlich auf die Relativitäten hingewiesen, das soll dadurch nicht ausgehebelt werden – ein Umsatzplus preisbereinigt von 2,8 Prozent und damit doch den höchsten Zuwachs seit über zehn Jahren, meine Damen und Herren. Dass das so ist, hat auch mit den Regelungen zum Mindestlohn zu tun, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil der meiner Meinung nach in mehrerer Hinsicht ein Plus gebracht hat.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Insgesamt 190.000 Thüringerinnen und Thüringer konnten bekanntermaßen davon profitieren. Wir haben dazu auch im Bereich des Gastgewerbes – das betrifft natürlich die Beschäftigten dort – eine positive Entwicklung zu verzeichnen. Wir gehen davon aus, dass der eine oder die andere sich mittlerweile auch durch einen Mindestlohn und der damit einhergehenden Einkommenssteigerung zunächst erst mal wieder einen Besuch in einer Gaststätte oder eine Übernachtung in einem der Hotels leisten kann, meine Damen und Herren. Deshalb haben wir hier ein gemeinsames Interesse. Wie auch die Landesregierung das immer betont hat, will ich das

als Fraktion Die Linke – ich denke, das ist auch in unserer Koalition gemeinsame Auffassung – noch einmal deutlich sagen: Der Mindestlohn hat nicht nur soziale Aspekte, er hat auch ein zentrales wirtschaftliches Gewicht in Bezug auf die positive Entwicklung, und das auch im Bereich des Gaststättengewerbes.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen muss ich auch ganz deutlich sagen, bei dieser Position werden wir bleiben, weil wir sagen, wir müssen, so vorhanden, weitere prekäre Beschäftigungssituationen insgesamt überwinden. Wir werden ein Plus für sowohl die Geschäftsinhaber als auch die Beschäftigten, auch hinsichtlich Qualifizierung, nur dann erreichen können, wenn wir auch eine gute Entlohnung und eine gute Ausbildung sichern können, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Das muss nach unserer Auffassung zusammen gehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht aber im Zusammenhang mit diesen Fragen um eine gesellschaftliche Debatte, um Initiativen. Ich glaube, auch der Staatssekretär hatte das schon erwähnt. Die Gewerkschaft NGG und der DEHOGA Thüringen haben sich im letzten Jahr zu dem bisher in Deutschland einmaligen Schritt entschlossen, einen Tarifvertrag über Weiterbildung und Qualifizierung abzuschließen und damit gemeinsam ein klares Bekenntnis zur Fachkräftesicherung abgegeben. Das halte ich für einen ausgesprochen wichtigen Schritt. Jetzt aber – das müssen wir auch wissen – muss natürlich nachfolgen, dass auch die Löhne in der Branche letztendlich nicht beim Mindestlohn verharren dürfen, sondern sich darüber hinaus steigern müssen. Nur so können wir eine wirksame sowohl wirtschaftliche als auch beschäftigungsseitige Stabilisierung erreichen, auch was den Fachkräftebedarf betrifft. Diese leidige Debatte – ich muss das so sagen, das wird zum Teil allerdings auch vom DEHOGA-Verband immer wieder aufgebracht – über die Arbeitszeiten halten wir für in die falsche Richtung geführt. Natürlich wollen wir auch sichern, dass die 12- oder 13-stündige Hochzeitsfeier stattfinden kann oder andere Feierlichkeiten, die sich länger ausdehnen. Wer aber denkt, meine Damen und Herren – das will ich hier mit aller Deutlichkeit sagen –, dass wir das auf Kosten der Beschäftigten durch die tägliche Ausweitung ihrer Arbeitszeit auf möglichst 12 Stunden erreichen können, der ist entschieden auf dem Holzweg. Das wird kein Ansporn für qualitativ gute Arbeit der Beschäftigten sein. Wir brauchen insgesamt eine Lösung, die es zum Beispiel auch über Mehrbeschäftigung am Ende ermöglicht, dass diese Feierzeiten mit unterschiedlichem Personal abgesichert werden können. In die Richtung müssen wir debattieren,

denn sonst werden wir insbesondere auch gut ausgebildete, neue Fachkräfte in diesem Bereich nicht halten können. Wer dort gut ausgebildet ist – das ist eine Binsenweisheit –, dem steht die ganze Welt für seine Tätigkeit offen. Da wird er sich gut überlegen, ob er an Ort und Stelle unter solchen Bedingungen bleibt, wenn er signalisiert bekommt, wir wollen deine Arbeitszeit zusätzlich ausweiten. Das trifft ganz besonders bei jungen Menschen zu, die noch andere Zielvorstellungen als den reinen Arbeitstag haben und die eine Familie gründen wollen. Damit sind auch wiederum Einkommensfragen verbunden usw. Wir müssen uns dem auf andere Weise nähern, als das immer unter dem Gesichtspunkt „Flexibilisierung“ aufgerufen wird, was dann am Ende aber eigentlich eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen darstellt.

Sie haben die Landesregierung auch hier noch mal aufgefordert, dass die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen besser beachtet werden sollen. Das hat bei mir ein gewisses Déjà-vu ausgelöst. Wir haben vor Kurzem hier im Plenum völlig berechtigt mehrfach im Wirtschaftsausschuss auf Ihren Antrag hin zum Beispiel ausführlich über die KMU diskutiert. Bei der vergangenen Ausschusssitzung wurde von der Landesregierung eindeutig mitgeteilt, dass der KMU-Test in Thüringen zeitnah und spätestens bis Ende 2016 volle Umsetzung in Thüringen finden wird. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, auf das Wort – das ist jedenfalls meine Erfahrung und Erkenntnis – der rot-rot-grünen Regierung ist in diesem Fall selbstverständlich Verlass. Ich weiß nicht,

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Das hoffe ich doch!)

warum Sie diese Frage immer wieder hier bei jedem gelegenen Thema zur Debatte bringen, wo Sie meinen, man sollte das tun. Diesen Diskussionsprozess haben wir miteinander geführt und wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir uns auch verständigt haben. Deshalb müssen wir das eigentlich nicht immer als den soundsovielten Aufguss neu beraten.

Eines will ich in dem Zusammenhang – auch das klang beim Staatssekretär schon an – noch einmal ausführen, was diese ganzen Prüffragen betrifft. Ja, ich habe meine Position gesagt: Was wirklich auf den Prüfstand kann und in Landesverantwortung liegt, dazu werden wir uns keiner Debatte verschließen. Aber ich muss mich schon wundern. Wenn ich zum Beispiel Bundes-DEHOGA-Papiere lese, dann wird da unter bürokratischen Belastungen unter anderem aufgeführt: Hygienevorschriften, Unterweisung zum Arbeitsschutz, selbst die Benennung von Beschäftigten, die im Betrieb Aufgaben der Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evaluierung übernehmen. Diese Themen werden als bürokratischer Aufwand stilisiert. Nun will ich mir kein Urteil anmaßen, wie das im Einzelnen vielleicht gehandhabt wird

und dass man darüber auch nachdenken kann, aber diese Fragen sind doch nun explizit aus Gesichtspunkten des Unternehmens, aus Gesichtspunkten der öffentlichen Aufsicht, aus Gesichtspunkten der Beschäftigten und nicht zuletzt aus Sicht der Gäste, die sich in diesen Gaststätten und Hotels aufhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir die Debatte führen wollen, stehe ich dafür allerdings so nicht zur Verfügung.

Ich möchte mir zum Schluss noch einige Bemerkungen zu unserem Alternativantrag erlauben. Kollegin Mühlbauer hat das von den wichtigsten Akzenten her schon eingeführt. Es hat hier schon eine Rolle gespielt. Minister Tiefensee hat erst vor Kurzem beim Tourismustag einen Maßnahmenkatalog „Gastgewerbe“ vorgestellt. Flankierende Projekte finden Sie auch in dem derzeitig sich in der Entwicklung befindlichen Landestourismuskonzept zum Projekt „Zukunft Thüringer Wald“. Darüber ist schon verschiedentlich gesprochen worden. Ich sage mal, dort ist unter anderem auch der Ministerpräsident Schirmherr. Insofern will ich noch mal ganz deutlich sagen, ist schon klar, wo in diesen Fragen die Thüringer Landesregierung Prämissen setzt, dass das auch letzten Endes für diese Regierung Chefsache ist, meine Damen und Herren. Dafür kann ich an der Stelle nur danken. Wenn Sie dann einen Blick in unseren Alternativantrag werfen, sehen Sie auch ganz deutlich, dass dieser konkretisiert auf die vorhandenen Probleme abstellt: Förderketten zur Unterstützung der Fachkräftesicherung und Unternehmensnachfolge – Letzteres ist auch ein entscheidendes Problem –, Attraktivitätssteigerung, Sprachförderung für potenzielle Azubis, die der deutschen Sprache noch nicht vollumfassend mächtig sind, nachhaltige barrierefreie und qualitativ hochwertige Investitionen und Ansiedlungen – zu den finanziellen Problemen haben wir gesprochen –, Beratungsangebote zur Verbesserung von Qualität und Service, verbesserte regionale Kooperation. Das möchte ich hervorheben. Das ist ein spezieller Punkt, den die Linke seit vielen Jahren verfolgt, nicht erst, seitdem wir gemeinsam in der Regierungskoalition mit Grünen und SPD tätig sind. Aber auch diese beiden Fraktionen haben das meines Wissens hier immer im Haus getan. Die Frage, dass wir Tourismus und unter diesem Gesichtspunkt auch die Fragen des Gastgewerbes mehr von der absoluten territorialen Kleinteiligkeit zu einer ganzheitlichen Sicht und Betrachtung bringen müssen, ist eine der zentralen Herausforderungen, der sich diese Landesregierung stellt. Wenn wir dabei nicht vorankommen, dann werden wir entscheidende Ziele auf diesem Gebiet nicht in die Reihe bringen können. Auch die Initiativen der Landesregierung in Richtung Kommunen, Städte und Gemeinden und Haushaltsfinanzierung

sind letzten Endes darauf gerichtet, dass wir auch dort wieder eine bessere Entwicklung gestalten können, sodass die Zusammenarbeit mit den Kommunen eine andere Qualität annehmen kann, als sie sie gegenwärtig hat. Auch das gehört in den Punkt „verbesserte regionale Kooperation“. Bürokratische Belastungen, sofern sie in Landeshoheit liegen, möchten wir gern abbauen, wo wir sie finden können, meine Damen und Herren.

Insofern, denke ich, gibt es eine breit gefächerte Debatte. Wir werden im Ausschuss dazu sicherlich noch ganz individuell zu den beiden Anträgen die Diskussion mit Substanz weiterführen können. In diesem Sinne wünsche ich uns eine interessante und gute Debatte, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordneter Rudy das Wort.

Sehr geehrte Frau Parlamentspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Zuschauer! Die CDU fordert mit ihrem Antrag, das Thüringer Gaststättengewerbe zukunftsfähig zu gestalten und Bürokratie abzubauen. Kürzlich erreichten uns neue Zahlen aus dem Bereich des Gastgewerbes, die wenig Grund zur Freude lieferten. So bleibt das Thüringer Gastgewerbe hinter der bundesweiten Entwicklung zurück. Die Unternehmen des Thüringer Gastgewerbes setzten nach vorläufigen Erkenntnissen des Thüringer Landesamts für Statistik im ersten Halbjahr 2016 real preisbedingt 0,2 Prozent weniger um als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Im Gegensatz zu dem Beherbergungsgewerbe, das eine positive Entwicklung nahm, fiel die Gastronomie in Thüringen hinter die Ergebnisse des Vorjahreszeitraums zurück. Auch die Anzahl der Beschäftigten war im ersten Halbjahr 2016 geringer als im Vorjahreszeitraum. Besonders hart traf es die getränkegeprägte Gastronomie, wie Bars und Schankwirtschaften, die mit realen Umsatzeinbußen von 6,7 Prozent leben müssen.

Wie wir alle sehen, erlebt der Gastronomiebereich schwierige Zeiten. Das Gaststättengewerbe nimmt seit Jahren seinen Lauf. Zwischen 2008 und 2014 wurden 27,7 Prozent der Gaststätten in Thüringen geschlossen. Gab es im Jahr 2008 noch 6.819 Betriebe im Thüringer Gastgewerbe, so waren es 2014 nur noch 5.147. Das heißt, fast ein Viertel der Betriebe des Gastgewerbes ist geschlossen worden. 1.525 gastronomische Betriebe mussten in diesen fünf Jahren ihre Türen für immer schließen.

Wir können diese Entwicklung in vielen kleinen Orten in Thüringen beobachten. Die Gastronomen finden häufig kein Personal und auch keinen Nachfolger mehr und müssen schlicht und einfach aufgeben. Für viele Dörfer war eine solche klassische Dorfgaststätte nicht nur für die Versorgung mit Speisen gut, sondern auch als Dorftreffpunkt und kulturelles Zentrum des Dorfs.

(Beifall AfD)

Die Ursachen für das Kneipensterben sind vielfältig. Dazu gehört zum einen ein eklatanter Mangel an Nachwuchskräften, die einen Lehrberuf in der Gastronomie aufnehmen wollen, und an bereits ausgebildeten Fachkräften, die bereit sind, in der Gastronomiebranche zu arbeiten. Die ganze Branche ist geplagt von Personalnot, nicht nur saisonal bedingt, sondern das ganze Jahr über. Laut der Bundesagentur für Arbeit sind in Mitteldeutschland 3.600 Stellen in der Gastronomie nicht besetzt. Der DEHOGA geht sogar noch von weitaus höheren Zahlen aus. Dienst am Wochenende, an Weihnachten oder Silvester, eine Bezahlung am unteren Limit und auch die körperlich schwere Arbeit sind für viele, gerade junge Menschen heute nicht mehr attraktiv.

Andere negative Faktoren für die Misere der Gastronomie sind zum Beispiel auch Bierlieferverträge. Fassbier ist oft im Einkauf mehr als doppelt so teuer als Flaschenbier. Fassbier der großen Biermarken kostet den Gastwirt zwischen 1,60 bis 2 Euro pro Liter. In den wöchentlich verteilten Werbeblättern der Supermärkte und Discounter wird dagegen ein Kasten Markenbier mit 20 Flaschen je 0,5 Liter für teilweise unter 10 Euro angeboten. Zieht man die Mehrwertsteuer von 19 Prozent ab, dann ergibt sich ein Literpreis von 84 Cent. Dadurch haben natürlich viele Vereine einen Wettbewerbsvorteil, die Veranstaltungen ihrer Vereinsmitglieder viel kostengünstiger ausrichten können – auch von der Personalseite her, weil da Vereinsmitglieder mithelfen.

Ein weiteres Problem ist die Bürokratie. Gerade die kleinen Gasthäuser, die typischen Dorfkneipen, können die Dokumentationspflichten und andere bürokratische Hürden oft nicht überspringen. Zu denken ist dabei an den Mindestlohn und die damit verbundenen Dokumentationsverpflichtungen und auch die Kennzeichnung von Allergenen. Auch die Vorgaben des Brandschutzes sind für viele Traditionsgasthäuser nicht finanzierbar. Am Ende steht nur die Möglichkeit, das Geschäft aufzugeben.

Dass es gerade die CDU ist, die nun zum zweiten Mal fordert, dass bürokratische Standards für kleine und mittlere Unternehmen abzubauen sind, wundert uns umso mehr. So ist es doch gerade die CDU, die für die meisten Regelungen, die man als schädlich für das Gastgewerbe bezeichnen kann, selbst verantwortlich ist,

(Abg. Hausold)

(Beifall AfD)

und zwar auf Bundesebene. Wir haben das erst bei unserem letzten Antrag zum Thema „Kleine und mittlere Unternehmen“ verdeutlicht. Wenn Sie tatsächlich etwas für diese Zielgruppe tun wollen, dann rufen Sie Ihre Bundestagsfraktion an und fordern Sie dort die Rücknahme der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge, die seit Jahren von Vertretern der Wirtschaft gefordert wird. Sagen Sie Ihrer Fraktion, dass sie den Höchstbetrag für geringwertige Wirtschaftsgüter anpassen soll, und vor allem arbeiten Sie daran, dass das Mindestlohngesetz dahin gehend geändert wird, dass unnötige Dokumentationspflichten abgeschafft werden.

(Beifall AfD)

Ein weiteres Problem der Gastronomie ist der überhöhte Strompreis. Wir zahlen fast doppelt so hohe Strompreise wie zum Beispiel die französischen Verbraucher und Gastronomen. Man muss da unbedingt etwas machen. Man sollte das EEG wieder abschaffen, damit die Gastronomen ihre Stromrechnungen auch wieder bezahlen können. Das ist ein großes Problem für die Gastronomie.

(Beifall AfD)

Wenn Sie weiterhin etwas für die Gastronomie tun wollen, dann setzen Sie sich für einen flächendeckenden reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent im Gaststättengewerbe ein. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie ist ein Normalfall in Europa.

(Beifall AfD)

Herr Bühl hat es auch schon gesagt mit den viel geringeren Sätzen zum Beispiel in Frankreich oder in der Schweiz. Gleichzeitig ist dort der Strom auch wesentlich billiger als bei uns. Die Gastronomen in Deutschland werden also überproportional benachteiligt und belastet. Die europarechtlichen Voraussetzungen sind vorhanden, einzig der politische Wille fehlt. Deutschland hinkt mit seinen Mehrbelastungen für Gastronomen hinter einigen europäischen Nachbarländern hinterher. Die im Jahr 2010 eingeführte reduzierte Mehrwertsteuer für die Hotellerie hat vieles bewirken können. So konnten Hotelbesitzer Investitionen tätigen und ein verbessertes Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten und auch mehr Personal einstellen, was wiederum den Sozialkassen zugute kam.

Das Urlaubsland Deutschland boomt, allerdings eben nur das Beherbergungsgewerbe. Wenn Sie wirklich etwas tun wollen, dann gehen Sie diese Ungleichbehandlung von Hotellerie und Gastgewerbe an. Auf Bundesebene haben Sie die Kompetenzen dazu.

(Beifall AfD)

Aber auch in Thüringen haben wir einige Baustellen. Wir müssen ernsthaft an Konzepten arbeiten, die dafür sorgen, dass die Ausbildung im Gastgewerbe wieder attraktiver wird. Wir müssen uns fragen, wie wir vor allem für junge Leute den ländlichen Raum wieder attraktiver machen, um sicherzustellen, dass auch kleine Dorfgaststätten wieder einen Nachfolger finden. Im Endeffekt gibt es natürlich noch weitere Probleme, auf die ich jetzt nicht eingehen möchte. Zum Beispiel muss man, wenn man mehr Investitionen fordert, auch sicherstellen, dass die Gastronomen bei Banken überhaupt Kredite kriegen. Wie man von Herrn Bühl auch gehört hat: Bei 174.000 Euro durchschnittlichem Umsatz und 13.000 bis 15.000 Euro Verdienst sind keine Investitionen möglich. Das muss man sich genau überlegen.