Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Für unsere Bürgerinnen und Bürger sollen nachvollziehbare Aussagen zu den Reformzielen erfolgen und somit die auf der Internetseite eingestellten fachlichen Hinweise ergänzt werden. Für die Umsetzung des Konzepts wurde eine Firma beauftragt, welche die Kampagne begleitet und die für die Kampagne erforderlichen Arbeiten wie unter anderem das Kampagnenvisual, die Anzeigenentwicklung, die Kampagne, die Konzeption der Website und der kommenden Flyer durchführt. Die Kampagne hat zugegebenermaßen einen offensiven Slogan. Er lautet: Gegen diese Reform kann man nicht sein! Genau das bringt die Haltung der Landesregierung auf den Punkt. Wir investieren in die Öffentlichkeitsarbeit,

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Sie machen die Menschen dumm, Herr Poppenhäger!)

um die Menschen in Thüringen zu erreichen. Es geht um eine Informationsinitiative, die medial nicht versandet, sondern die wahrgenommen wird. Mit dieser Kampagne wollen wir deutlich machen, dass die Gebietsreform Teil einer ganzheitlichen Politik für alle Menschen in Thüringen ist, eine Politik, um das Land zukunftsfähig zu machen.

Als Landesregierung müssen wir immer das Ganze im Blick behalten, wir müssen dafür sorgen, dass sich Thüringen Dinge wie Sicherheit, Kinderbetreuung und Kultur auch in Zukunft leisten kann, und hier gibt es einen Zusammenhang mit den anstehenden Reformen, mit der Gebietsreform, die in der bisherigen Diskussion viel zu kurz kommt. Deshalb erlaube ich mir, angesichts der aktuellen Medienberichte zum Inhalt der Großflächenwerbung Sicherheit – also das Plakat mit den vier Polizistinnen und Polizisten – noch einige Worte zu sagen. Die Sicherheit der Thüringer Bürgerinnen und Bürger ist Kernaufgabe der Landesregierung. Damit diese auch in den kommenden Jahren gewährleistet wer

den kann, müssen heute bereits Vorkehrungen getroffen werden. Das ist die Botschaft, die dahinter steht. Hiermit erfolgt keine Vorwegnahme polizeistruktureller Aussagen oder Entscheidungen.

Es ist richtig, dass auf dem Plakat zum Thema „Sicherheit“ Statisten abgebildet sind. Ich denke, da sind wir auch mit den Gewerkschaften einer Meinung, denn wir können nicht Polizisten abbilden, deren beruflicher Werdegang im Einzelnen noch nicht feststeht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir noch folgenden Hinweis: Auch in den vergangenen Legislaturperioden hat die Landesregierung mit Informationskampagnen bis hin zu Imagekampagnen für ihre Ziele geworben. Ich möchte hier an das Standortmarketing 2011 und 2013, die Kampagnen „Thüringen braucht Dich“ und „Das ist Thüringen“ oder „Willkommen in der Denkfabrik“ erinnern. Gerade jetzt, da es in der Freiwilligkeitsphase der Gemeindeneugliederungen besonders viele Gespräche und Presseveröffentlichungen gibt und die Vorschläge für die Kreisgebietsneugliederungen ebenfalls umfassend in der Öffentlichkeit diskutiert werden, ist es wichtig, mit einer hohen Breitenwirkung nochmals für die Reform, die maßgeblichen Wünsche und Ziele, die mit der Reform verbunden sind, zu werben und diese zu verdeutlichen. Auch auf der Grundlage des Landtagsbeschlusses vom 23. Juni 2016 kommt die Landesregierung ihrem Auftrag nach, die Öffentlichkeit im Rahmen einer Informationskampagne entsprechend zu informieren. Das Reformpaket ist durch die Informationskampagne im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung und damit ist das Ziel der Landesregierung auch erreicht, mit Aufmerksamkeit den emotionalen Diskussionsprozess zu versachlichen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat sich Abgeordneter Höcke noch mal zu Wort gemeldet. Sie haben 1 Minute.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Kollegen Abgeordnete! Werte Kollegin Marx und werter Kollege Möller, ich muss es noch mal deutlich machen, weil das – denke ich – ganz wichtig ist. Eine Partei und eine Fraktion haben einen gesetzlichen Auftrag.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Die Landesregierung auch!)

Der gesetzliche Auftrag lautet unter anderem, politische Willensbildung zu betreiben.

(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Exekutive, Le- gislative, Judikative!)

(Minister Dr. Poppenhäger)

Eine Landesregierung oder eine Regierung im Allgemeinen hat den Auftrag zu informieren. Das ist richtig, Herr Minister Poppenhäger. Aber ich finde es problematisch, wenn Sie eine Kampagne starten, in der folgender Slogan verwendet wird: „Gegen die Gebietsreform kann man nicht sein.“ Damit machen Sie die Menschen dumm. Damit sprechen Sie den Menschen, die mit guten Argumenten dagegen sind, den menschlichen Verstand ab. Das ist unredlich. Oder wenn Sie einen Slogan verwenden: „Wenn Sie weiterhin eine gute Betreuung haben wollen, dann können Sie gegen diese Gebietsreform nicht sein.“ Damit machen Sie den Menschen Angst.

(Unruhe DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, selbstverständlich, das geht weit über Ihre Informationspflicht hinaus. Abschließend: Wenn Sie eine Kampagne gemacht hätten mit der Ansage „Wir stehen zur Gebietsreform. Bitte informieren Sie sich unter www. …“, dann wäre das in Ordnung gewesen.

Herr Abgeordneter Höcke, …

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Zeit ist vorbei!)

Aber das geht in unseren Augen nicht. Danke schön.

(Beifall AfD)

Damit schließe ich den vierten Teil der Aktuellen Stunde und rufe den fünften Teil der Aktuellen Stunde auf

e) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Ermittlungen zum organisierten Verbrechen in Thüringen: Ist Thüringen ein Zentrum mafiöser Strukturen?“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/2977

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Abgeordneten Fiedler, Fraktion der CDU, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! – Du wird schon noch in die Kirche kommen. – „Ermittlungen zum organisierten Verbrechen

in Thüringen: Ist Thüringen ein Zentrum mafiöser Strukturen?“ Bevor ich in die Dinge einsteige, Herr Kuschel, weil Sie vorhin zur Verfassung und ähnlichen Dingen gesprochen haben, will ich Sie daran erinnern, dass die Linke – oder damals hieß sie noch PDS – der Verfassung in Thüringen auch nicht zugestimmt hat. Das nur mal nebenbei.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, für mich und meine Fraktion erhärtet sich immer mehr der Verdacht, dass die Landesregierung die organisierte Kriminalität in Thüringen ganz gewaltig unterschätzt und deren Bekämpfung bei Weitem nicht die Aufmerksamkeit schenkt, die aus innen- und sicherheitspolitischer Sicht angebracht wäre.

(Unruhe DIE LINKE)

Bereits im November 2015 hatte meine Fraktion das Thema „Mafia und OK“ im Innenausschuss aufgerufen. Die Stellungnahme der Landesregierung seinerzeit war sinngemäß – damals hat der MDR berichtet, Herr Hemmerling und Herr Kendzia –: Der MDR habe in seiner Berichterstattung damals ein Szenario beschrieben, welches nicht der Realität in Thüringen entsprechen würde. Das waren die Aussagen. Genau genommen konnte man den Angaben des Innenministers damals entnehmen, es gäbe in Thüringen gar keine Probleme mit der Mafia bzw. mit derartigen Strukturen. Ich wollte es gar nicht glauben, dass man so etwas überhaupt sagen und denken kann. Unter Berücksichtigung der jüngsten Erkenntnisse des MDR ist allerdings mehr als fraglich, warum das BKA schon 2009 und dann über mehrere Jahre (sechs Jahre) in Thüringen in diesem Bereich ermittelte. Sechs Jahre! Aus dem jüngsten MDR-Bericht wird zudem deutlich, dass der Freistaat ganz offenbar ein Zentrum oder – und das wäre genauso schlimm – ein Rückzugsort für ganze Mafia-Clans ist. Genauso belangvoll ist es aber auch, dass man der Presse zu dem Thema inzwischen weit mehr Informationen entnehmen kann als dem Ministerium im Innenausschuss, der zu diesem Thema inzwischen immer öfter vertraulich tagt, obwohl bislang zumindest für meine Fraktion nicht erkennbar war, welche Fakten hier eigentlich streng vertraulich sein sollten. Man hätte zumindest in vertraulicher Sitzung informieren können, dass das BKA hier sechs Jahre ermittelt hat. Das ist einfach mal nicht in die Betrachtung geraten. Überdies frage ich mich, warum die Linkskoalition diese Gefahr so herunterspielt und kleinredet. Ich sehe daran einen weiteren Beleg dafür, dass die innere Sicherheit ein ungeliebtes Stiefkind von Rot-Rot-Grün ist. Zudem wird ja insbesondere die Linke nicht müde, die Abschaffung des Thüringer Verfassungsschutzes zu fordern, und dies selbst angesichts massiver terroristischer Bedrohungen. Aber auf dieses Thema werde ich morgen noch ausgiebig beim Sicherheitsantrag eingehen.

(Abg. Höcke)

Meine Damen und Herren, spätestens nach dem MDR-Bericht sollte hier allen im Hause klar sein: Thüringen hat ein massives Problem mit der organisierten Kriminalität. Dies stellt eine ernst zu nehmende Bedrohung der inneren Sicherheit in unserem Freistaat dar.

(Beifall AfD)

Zudem wird das Vertrauen der Menschen in staatliche Institutionen schwer erschüttert. Meine Fraktion wird auch weiter vehement fordern, die organisierte Kriminalität endlich auch in Thüringen ernst zu nehmen und diese als reales und bedrohliches Problem zu erkennen.

(Beifall CDU)

Mit Wegschauen und Leugnen von Mafiastrukturen wird die Landesregierung bei dem Problem scheitern. Die Menschen erwarten zu Recht, dass der Staat sie vor den Auswüchsen dieser Strukturen schützt und Maßnahmen zur Eindämmung schafft. Das ist eine elementare Kernaufgabe eines jeden Staates.

Herr Minister, ich fordere Sie heute noch mal auf: Handeln Sie endlich, damit auch diese gefährlichen Strukturen in Thüringen mit allen Möglichkeiten des Rechtsstaats bekämpft werden und sich hier nicht festsetzen und von hier aus agieren, was wir alle nicht wollen.

(Beifall CDU, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordneter Dittes das Wort.

Meine Damen und Herren, ich will vielleicht damit beginnen festzustellen, dass es durchaus auch einem Land wie Thüringen gut steht, zwei so engagierte Journalisten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu haben, die mit ihrer Recherchearbeit auch über innenpolitisch brisante Themen berichten, auch wenn die Veröffentlichungsinteressen der Medien nicht immer gleichzusetzen sind mit dem Geheimhaltungsinteresse der Sicherheitsbehörden. Aber trotzdem liefern sie wertvolle Anregungen natürlich auch für politische Debatten, was verändert werden muss. Und ich finde den Hinweis richtig: Dort, wo keine Kenntnis ist, kann auch keine Auseinandersetzung erfolgen. Deswegen ist es immer ein Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen. Aber ich glaube, es steht auch gut zu Gesicht, wenn man diese Recherchearbeit einmal als Parlamentarier honoriert, eben auch mit Hinweis auf die Interessenkonflikte.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Fiedler, ich will vielleicht in nur drei Punkten auf Ihren Redebeitrag oder auf Ihre Aktuelle Stunde antworten. Erstens: Wenn Sie sich hier vorn hinstellen und sagen: „Warum hat uns Innenminister Poppenhäger nicht über die BKA-Ermittlungen informiert?“, dann frage ich Sie eigentlich: Wann hat denn Ihre CDU-Landesregierung seit 2009, mit dem Innenminister Geibert unter anderem, den Innenausschuss informiert über die seit 2009 laufenden Ermittlungen des BKA?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich hierhinstellen und sagen: „Es gab da ein Informationsdefizit“, dann muss man doch im Umkehrschluss mal fragen: Warum gab es dieses Informationsdefizit und gibt es jetzt vielleicht auch eine Auflösung des Informationsdefizits? Da will ich Sie daran erinnern: Es war nicht nur eine Sitzung des Innenausschusses, sondern, meine Damen und Herren, in den letzten zwölf Monaten hat sich der Innenausschuss sechsmal mit dem Thema „Organisierte Kriminalität und Mafiastrukturen“ in Thüringen beschäftigt. Da ist es doch selbstverständlich, dass nicht in jeder Sitzung neue Informationen hinzukommen, sondern dass das eben auch in der Gesamtheit zu werten ist.

Ich will aber auch eines deutlich machen in dieser Beratung: Ihr Antrag zielt ja wieder darauf hin, zwei Sachen zu skandalisieren, zum Ersten, es gäbe ein Zentrum, eine Hochburg mafiöser Strukturen. Da merkt man allein schon bei der Wortwahl, dass es Ihnen gar nicht um eine sachliche Auseinandersetzung zu dem Kriminalitätsbereich der organisierten Kriminalität geht. Es geht Ihnen einfach darum, zu skandalisieren: Hochburg mafiöser Strukturen. Da will ich auch mal deutlich sagen: Wo befinden wir uns denn wirklich in Thüringen? Und das gehört auch zur sachgerechten Information. Das Innenministerium hat gestützt auf das BKA-Lagebild den Innenausschuss darüber informiert, dass in dem Zeitraum der vergangenen Monate und Jahre sieben Ermittlungskomplexe, die zum Themenbereich der organisierten Kriminalität zu zählen sind, durch die entsprechenden Behörden und Staatsanwaltschaften abgearbeitet worden sind mit einer Zahl von über hundert Tatverdächtigen. Wenn Sie das aber mal ins Verhältnis setzen zu dem, was wir bundesweit zu verzeichnen haben, dann werden Sie feststellen, dass von OK-Ermittlungsverfahren etwas mehr als 1 Prozent auf Thüringen entfallen. Und sich in Kenntnis dieser Zahlen hierhinzustellen, von „Zentrum“ und von „Hochburg“ zu sprechen, ist schon etwas unverfroren. Das soll aber nicht heißen, dass wir das Phänomen, das sich hier entwickelt – auch in Thüringen – nicht kritisch in den Blick nehmen. Aber dann sollte man zumindest anerkennen, dass möglicherweise dort, wo Sicherheitsbehörden, Polizei, Staatsanwaltschaft Erfurt, das Bundeskriminalamt über Jahre intensiv ermittelt

(Abg. Fiedler)

haben, eben nicht die rechtsstaatlichen Voraussetzungen ermittelt werden konnten, um hier wirksam auch in einzelnen Bereichen tatsächlich zu Ermittlungs- und Strafverfahren zu kommen. In vielen anderen Bereichen der organisierten Kriminalität ist das aber gelungen, wenn ich beispielsweise an die Rockerkriminalität denke oder an die der Rockerkriminalität angelehnte Struktur beispielsweise der „Saat des Bösen“. Dort gab es ja erfolgreiche Ermittlungsansätze. Wie gesagt, ich will das nicht beschönigen und kleinreden.

Aber Sie bezwecken ja noch etwas mit Ihren Aktuellen Stunden und da will ich doch die letzte Minute dazu nutzen, auch dazu etwas zu sagen. Sie stellen sich permanent hier vorne hin und sagen: Die Thüringer Polizei leistet nicht ihre wichtige Aufgabe; Thüringen ist nicht darauf vorbereitet. Ich finde, das ist auch eine Diskreditierung der Arbeit, die in den Polizeidienststellen in Thüringen begangen wird.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, das ist eine Diskreditierung der Arbeit auch der Beamten, die im Landeskriminalamt tätig sind. Ich will Ihnen auch mal eines sagen mit Blick auf Ihre heutige Aussage im MDR, dort werden Sie zitiert – ich denke, das ist richtig –: „Es ist eine Sauerei, dass hier in Thüringen die innere Sicherheit so weit unten gehalten wird.“ Herr Fiedler, ich glaube, es ist eine Sauerei, dass Sie sich wagen, so etwas zu sagen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)