Sie sollten öfter mit Ihren Kollegen aus anderen Ländern reden. Stattdessen machen Sie, Rot-RotGrün, einen Angriff auf den ländlichen Raum, es droht die öffentliche Infrastruktur in die städtischen Ballungszentren verlagert zu werden. Sie wollen den ländlichen Raum entkernen. Das machen Sie bei der Schulpolitik, Sie machen es bei der Windenergie, Sie machen es bei den Kommunalfinanzen und Sie hören bei der Struktur in diesem Land nicht auf. Sie verkennen die Traditionen, Sie verkennen die Historie, Sie nehmen darauf keinen Blick. Nackte Verwaltungszahlen sind Ihre Mantras. Sie laufen in die falsche Richtung und Sie werden daran irgendwann auch scheitern. Das sage ich Ihnen voraus.
Ich sage Ihnen ganz klar: Mit Blick auf den Angriff auf den ländlichen Raum, mit Blick auf das, was wir in Mecklenburg-Vorpommern sehen, mit Blick darauf, was wir darauf hören, was in Sachsen-Anhalt bei den Großkreisen passiert – ich sage Ihnen ganz klar: Wir als CDU, ob in der Fraktion, ob in der Partei, ob mit unseren Kommunalpolitikern, wir werden uns mit aller Kraft dagegen wehren, dass eins eintritt: dass am Ende die freiwillige Feuerwehr die einzige Institution im ländlichen Raum ist, die irgendwie noch an eine staatliche Einrichtung erinnert.
Das Land muss lebensfair, lebensnah und lebensbejahend bleiben, aber es sollte nicht eine Entkernung und ein Rückzug des Staats im ländlichen Raum erfolgen. Das wollen wir nicht. Das ist nicht Thüringen.
Seit Anbeginn dieser Debatte sagen wir, dass Kreisgebietsreform, dass Verantwortung in so einem Land immer auch strukturpolitische Weichenstellungen sind, die Sie beachten müssen. Denn es ist mehr als Einwohner- und Quadratmeterzahlen. Sie müssen auch schauen, was richten Sie in den Regionen an, wo in den Kreisstädten oft die Infrastruktur, logischerweise, an diese Planungsaufgabe, an diese Aufgabe per Gesetz gekoppelt ist. Wenn das Landratsamt mit seiner Kernverwaltung eben nicht mehr in der Stadt ist, dann führt das zum Rückzug aus der Fläche. Dann führt das auch zur Entkernung. Wenn wegen der Einräumigkeit der Verwaltung daran angeknüpft ist, dass dann über die Frage des Kreiskrankenhauses, der Regelversorgung, der PI oder eben auch des Amtsgerichts nachgedacht wird, dann ist das genau das, was wir dann sehen, was in Mecklenburg-Vorpommern passiert ist, dass die radikalen Ränder gestärkt werden, dass das Vertrauen in die Demokratie abnimmt, dass das Vertrauen in Institutionen abnimmt und dass der Abstand zwischen Bürger und Staat immer größer wird. Das sollten Sie in dieser politischen Zeit beachten und nicht einfach ausblenden und so tun: Ich ziehe das durch, was ich mir vor Jahren mal aufgeschrieben habe.
Wir sehen doch jetzt schon in der Debatte um die Kreiskrankenhäuser, die in diesen Tagen angezettelt wurde, dass wir doch richtig liegen mit unserer Analyse,
dass doch genau das passieren wird, dass am Ende des Tages genau diese Fragen im Raum stehen. Wenn in so einer Kreisstadt oft das Landratsamt der größte Arbeitgeber ist, wenn danach das Kreiskrankenhaus der zweitgrößte oder manchmal sogar der größere Arbeitgeber ist, dann muss man doch mal berücksichtigen: Was macht man dann mit so einer Region? Dieser Verlust bleibt auf Dauer. Dann kommen Sie um die Ecke und wollen auch noch im 500. Jahr der Reformation einen kleinen Ablasshandel anbieten. Daran sind schon andere gescheitert. Daran werden Sie auch scheitern – und eher als in 500 Jahren.
Wissen Sie, heute stellen Sie sich hierhin und sagen: Es soll ja kein Geld sparen. Das hätten Sie nie gesagt. Ich will mal daran erinnern: Als hier schon lange die Debatten im Landtag gelaufen sind, hat der – ich weiß gar nicht, wie der richtig heißt, IM
noch im Juli 2016 gesagt, er rechnet mit Spareffekten durch die Kommunalisierung von 500 Millionen Euro. Das hat er herbeifantasiert. Es gab auch noch große Schlagzeilen dazu. 500 Millionen Euro – Junge, du hast echt keine Ahnung!
Jetzt sagen der Innenminister und der MP: Es soll ja gar nichts sparen. Das hätten sie nie gesagt. Die alten Reden können wir alle mal raussuchen. Aber es ist ja müßig, darüber zu reden. Sie haben sich von den Argumenten verabschiedet. Früher ging es nicht dicke genug, ist eine Taube vom Dach gefallen, musste eine Kreisgebietsreform als Punkt herhalten. Als über die Fragen des Solidarpakts und des Länderfinanzausgleichs geredet wurde, musste die Kreisgebietsreform herhalten. Und heute haben Sie es mit Ihrem verräterischen Satz auch noch mal angedeutet. Jetzt wird ein Bogen geschlagen, jetzt sagen Sie noch vage, es könnte Effizienzgewinne geben. Wir haben das hier im Haus schon mal diskutiert, Sie haben eine interministerielle Arbeitsgruppe eingesetzt und 300 kommunale Aufgaben geprüft. 20.700 Bedienstete stehen dahinter. Da ist doch Ihre Arbeitsgruppe tatsächlich auf die Idee gekommen, von den 20.700 könnte man 45 kommunalisieren. Na, guten Morgen, wenn das alles ist! 45 Leute – deswegen eine Gebietsreform machen, Glückwunsch!
Das ist ja ein richtiger Brummer, den Sie da auf den Tisch gelegt haben, das lohnt sich wirklich. Wenn Sie mal die Studien lesen, auch mit Blick auf die Auswertung von Gebietsreformen zum Beispiel in Sachsen, und sich die Ifo-Studie aus Leipzig mal herannehmen würden,
dort haben die festgestellt und gesagt, ich zitiere noch mal: „In ihrer Mehrzahl konnten diese Studien keinen systematischen kausalen Zusammenhang von Einwohnerzahlen und kommunalen Ausgaben bzw. Effizienz nachweisen.“ Genauso ist es. Sie behaupten etwas, von dem Wissenschaftler Ihnen hinterher genau das Gegenteil schriftlich nachgewiesen haben. Ich weiß, warum Sie es nicht hören wollen: Weil Sie die Wahrheit nicht ertragen.
Wenn Sie auf den teuren Professor gehört hätten – Hesse, ich weiß gar nicht, was der andere gekostet hat, der eine war schon teuer –
und mal gelesen hätten, was der gesagt hat. Der hat Ihnen immer aufgeschrieben – das haben Sie ja am Anfang aufgenommen, aber Sie sind ja zeitgetrieben – und hat gesagt: Aufgabenkritik, Verwaltungsstruktur und Verwaltungsreform und dann erst Gebietsreform. Sie müssen die Leute, die Sie teuer bezahlen, auch hören und lesen, was sie Ihnen aufschreiben, und nicht nur das raussuchen, was Ihnen gefällt. Dann macht es auch Sinn, staatliches Geld und Steuergeld in die Hand zu nehmen. Aber nur das rausziehen, was einem selbst gefällt, und nicht hören, was der Wissenschaftler als Grundlage aufgeschrieben hat, das ist genau der Fehler in Ihrer Arbeit, die Sie da jeden Tag machen.
Ich weiß gar nicht, von wem Sie getrieben sind – von ihm, der nicht da ist, oder von der, die da hinten in der Ecke sitzt. Wenn Sie mal auf den, der nicht da ist, gehört hätten, der hat schon 2011 in der „Thüringischen Landeszeitung“ in einem Interview Folgendes gesagt: „Die Abfolge ist für Ramelow auch klar. Erster Schritt ist eine Funktionalreform, dann folgt die Verwaltungs- und am Schluss die Gebietsreform.“ Dann hat er noch einen entscheidenden Satz gesagt, den alle Leute in diesem Land auch wollen, nämlich den entscheidenden: „Letztere“ – nämlich die Gebietsreform – „soll durch einen Volksentscheid demokratisch legitimiert werden.“ Genauso ist es.
Haltet euch doch daran, was ihr in Oppositionszeiten den Leuten versprochen habt, mehr müsst ihr gar nicht machen! Wahrheit und Klarheit vorher und nachher liefern.
Genau das wollen die Leute, genau das wollen die Menschen. Sie wollen, wenn Sie schon diese Reform durchpeitschen, dass sie am Ende darüber selbst abstimmen können. Und dann hatte der eine 2011 eine dicke Hose, weil er nie gedacht hat, dass ihr ihn mal in die Regierung hebt, ihr Sozialdemokraten, dann hat er das versprochen. Und jetzt will sich keiner mehr daran erinnern. Wir fordern das ein. Ramelow hat gesagt, es gibt einen Volksentscheid zur Gebietsreform, und wir sagen, haltet euch an die Worte von Ramelow. Wir wollen diesen Volksentscheid zur Gebietsreform. Das Volk soll abstimmen, nicht ihr.
Dann reden Sie in Ihrer Kreisgebietsreformrede von den Kreisstädten und von den kreisfreien Städten und sagen, wie toll das alles wird. Und Sie sagen den einen richtigen Satz: Sie wollen Leistungsfähigkeit sichern. Dann sagen Sie, Sie wollen deswegen Weimar die Kreisfreiheit nehmen. Jetzt will ich gar nicht darüber reden. Aber ich finde es wichtig, dass man auch darüber nachdenken sollte, bei einer Stadt, die einer ganzen Republik ihren Namen gegeben hat und die sozusagen für die demokratische Gründung in diesem Land steht,
dass eine Stadt, die einer ganzen Republik ihren Namen gegeben hat, nur auf 60.000 Einwohner verkürzt wird und deshalb den Status verlieren soll – ich finde, da haben Sie den falschen Blick auf die Geschichte in diesem Land.
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Die verlieren doch nicht ihren Status, die verlie- ren ihre Zuständigkeit für...!)
Ich sage Ihnen auch, warum: Weil an die Kreisfreiheit auch bestimmte Vorteile geknüpft sind, die mehr sind als nur Einwohnerzahl oder Quadratmetergröße. Es ist die eigenverantwortliche Entscheidung im Rahmen der Selbstverwaltung, es ist die eigene Befugnis zur Durchführung staatlicher Aufgaben und es ist vor allen Dingen auch die Freiheit von Kreisumlage. Sie müssten eigentlich in Ihrer Regierungserklärung begründen, warum diese Merkmale, die für die Kreisfreiheit sprechen, bei Verlust der Kreisfreiheit besser für die Stadt wirken als die, die die Vorteile begründen. Sie bleiben genau diese Antwort schuldig, weil Sie diese Abwägung nicht vorgenommen haben. Das ist der Punkt.
Und deswegen klagt Weimar jetzt auch zu Recht. Ich bin dankbar, dass sich auch der Stadtrat in Weimar gestern Abend entschlossen hat, den Bürgermeister zu legitimieren, das auch verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen.
Aber ich sage Ihnen das auch noch aus einem anderen Grund – notfalls nehme ich für Sie an diesem einen Punkt mal die Abwägung vor, die Sie ausgelassen haben –: Weimar wird in diesem Monat einen Stadthaushalt vorlegen – oder hat ihn schon vorgelegt, wird ihn verabschieden –, der ausgeglichen ist, der die Zukunft der Stadt im nächsten Jahr beschreibt, ohne Defizite ausweisen zu müssen. Wenn Sie Leistungsfähigkeit steigern wollen, muss das ja mehr sein, als den ausgeglichenen Haushalt dieser Stadt vorzulegen. Aber das Mehr besteht ja nicht im Entzug von Geld, sondern maximal in mehr Geld. Wenn Sie aber mehr Geld in die Hand nehmen wollen, muss ich Sie fragen: Warum geben Sie
der kommunalen Ebene nicht jetzt schon mehr Geld? Da brauchen wir nämlich die Strukturreform nicht. Und wenn Sie hinterher mehr Geld versprechen – angeblich –, damit dann etwas besser wird, was jetzt schon ausgeglichen vorliegt, dann sind Sie in Ihren Argumentationslinien nicht schlüssig, das ist der Fakt.
Dann muss man einfach mal – Sie können das ja im Parteivorstand besprechen – die Situation der Stadt Weimar mit der der Stadt Erfurt vergleichen. Wir schreiben heute den 10. November 2016. Soweit wie ich das sehe, hat zwar Weimar für nächstes Jahr einen Haushalt, der ausgeglichen ist, vorgelegt. Aber diese große Stadt, die kreisfrei bleiben soll – weil Größe ja Stärke und Effizienz ist und was Sie immer alles erzählen –, dann müssen Sie mal begründen, warum die größte Stadt in diesem Land, nämlich Erfurt, eben keinen Haushalt vorgelegt hat – nicht für 2017, sondern für 2016.