Dann muss man einfach mal – Sie können das ja im Parteivorstand besprechen – die Situation der Stadt Weimar mit der der Stadt Erfurt vergleichen. Wir schreiben heute den 10. November 2016. Soweit wie ich das sehe, hat zwar Weimar für nächstes Jahr einen Haushalt, der ausgeglichen ist, vorgelegt. Aber diese große Stadt, die kreisfrei bleiben soll – weil Größe ja Stärke und Effizienz ist und was Sie immer alles erzählen –, dann müssen Sie mal begründen, warum die größte Stadt in diesem Land, nämlich Erfurt, eben keinen Haushalt vorgelegt hat – nicht für 2017, sondern für 2016.
Dieses Argument schulden Sie nämlich der Öffentlichkeit. Wo ist da Ihre Abwägung, die dabei stattgefunden hat? Ich frage mich dabei echt, was Sie eigentlich den ganzen Tag in Ihrem Haus machen.
Dann finde ich es ganz schön mutig – das haben Sie sich ja neu ausgedacht, wahrscheinlich beim Linken-Parteitag abgeschrieben –, dass Sie jetzt mit dieser Gegennummer kommen. Das muss ich hier wirklich mal sagen, weil sich das Verhalten von Rot-Rot-Grün in dieser Regierungszeit ziemlich brutal durchzieht und völlig das Gegenteil von dem ist, was Sie vorher immer versprochen haben. Sie beteiligen die Bürger eben nicht ernsthaft an den Prozessen,
Sie lassen keine Veränderungen zu, Sie ignorieren die Fragen im parlamentarischen Verfahren, Sie stimmen konsequent 18-seitige Änderungsanträge von uns zum Vorschaltgesetz weg und sagen hinterher: Wo ist Ihre Alternative? Sie haben unsere Anträge nicht mal angeschaut, geschweige denn den Spitzenverbänden zur Annäherung gegeben – ein Grund, warum wir Organstreitklage machen.
Und dann stellen Sie sich hierhin und sagen uns, wir würden nur dagegen sein und hätten keine Vorschläge. Sie nehmen die Vorschläge der Opposition nicht mal ernsthaft zur Kenntnis und reden nicht darüber.
Über die Bürgermeister in diesem Land reden Sie gar nicht. Und dann stellen Sie sich hierhin und sagen: Wir sind offen für Argumente. Nein, Sie sind verschlossen und stur, das ist Ihre Regierungspolitik bei der Kreisgebietsreform.
Das sehen Sie vielleicht anders, aber wir haben einen guten Blick auf dieses Land. Und wenn wir auf Podien sitzen – ich war diese Woche mit Staatssekretär Maier zusammen –, wenn Sie dann ehrlich sind, loben Sie auch immer alles, was gewesen ist, auf welcher Grundlage Sie jetzt gerade arbeiten. Wir haben 24 Jahre erfolgreich regiert, wir haben 1994 eine Gebietsreform gemacht und wir haben über mehrere Wahlperioden – vor allen Dingen in der letzten – gemeinsam mit der SPD unter Christine Lieberknecht erfolgreich – und ich sage das noch mal: erfolgreich – eine Neugliederungsgeschichte auf freiwilligem Weg hinbekommen. Das ist unser Gegenangebot, auf diesem Weg weiterzuarbeiten und nicht das Land von oben nach unten umzukrempeln.
Ich will das gern noch mal sagen: 298 Städte und Gemeinden waren beteiligt. 18 Verwaltungsgemeinschaften und 118 Gemeinden haben wir aufgelöst, weil wir die Bürger unten beteiligt haben, weil wir ihnen gesagt haben: Wir geben euch eine Leitidee mit, wir beschließen das gemeinsam, aber ihr entwickelt diese Idee von unten. Was Sie machen: Sie zwingen von oben die Entscheidung auf und lassen unten keinen Raum zur Freiwilligkeit.
Ja, Susanne Hennig, genau der richtige Zwischenruf zur richtigen Zeit. Zum Thema „Freiwilligkeitsphase“ will ich gern etwas sagen. Da will ich gern auf diesen Brief verweisen, den in dieser Woche viele Bürgermeister vom Innenminister bekommen haben.
Und dann sagt er: Ihr müsst mir helfen; Stärkung der zentralörtlichen Strukturen und macht doch mal Vorschläge und überhaupt, ich wende mich mit einer Bitte an euch. Und dann sagt er: Alle, die jetzt Vorschläge machen wollen, wer also irgendwelche Gebietsstrukturen sich einverleiben möchte, sollen bis zum 25. November diese Vorschläge beim Innenminister einreichen.
Soweit wie ich das sehe, steht in Ihrem Vorschaltgesetz – das ist ein Webfehler, darüber reden wir später mit Sicherheit noch mal –, dass bis zum 31. Oktober 2017 die Freiwilligkeitsphase läuft. Was passiert aber jetzt durch Beratung von Ihnen? Sie haben ja vorhin zur Beratung eingeladen. Wenn die Leute zu Ihnen kommen und haben Freiwilligkeitsideen, dann sagen Sie zwei Dinge, erstens, dass das zum Teil nicht geht, weil es mit dem Vorschaltgesetz nicht übereinstimmt. Und zum Zweiten sagen Sie: Ihr müsst eure Vorschläge bis Dezember 2016 einreichen, damit sie noch Wirklichkeit werden. Denn im Hinterkopf haben Sie nämlich genau erkannt, was Sie falsch gemacht haben. Es geht nämlich nicht auf, bis zum 31. Oktober 2017 Freiwilligkeit zuzulassen, aber vielleicht schon – Sie wissen es ja selber nicht – am 01.01.2018 die zwangsweise Fusion auf den Weg gebracht zu haben. Denn die Eingriffsgesetze liegen dann auf jeden Fall vor dem 31. Oktober und dann verkürzen Sie die Freiwilligkeitsphase so dramatisch und schränken sie so dramatisch ein, entgegen eigentlich der Leitsätze des Verfassungsgerichtshofs, in Freiwilligkeit den ersten Weg zu gehen, sodass Sie die kommunale Selbstverwaltung gegen null reduzieren. Das ist der Schritt, den Sie gehen, und er ist falsch und er verstößt gegen die Verfassung!
Sehen Sie, wir haben mit unseren Änderungsanträgen im Juni auf 18 Seiten vorgeschlagen, man soll sich an den Kreisgrößen, die man schon in einem Richtwert in der 94er-Gebietsreform auf den Weg gebracht hat, orientieren. Wir haben uns daran orientiert, wo dauerhaft die Leistungsfähigkeit für die Zukunft organisiert werden kann, weil sie möglicherweise durch Ihren Entzug von kommunalem Geld nicht mehr garantiert werden kann. Und wir haben gesagt, kreisfreie Städte muss es auch unter 100.000 Einwohnern geben, wenn die kulturelle, geschichtliche oder touristische Bedeutung dies nahelegt oder auch die Einwohner- und Bürgerbefragung sich für die Kreisfreiheit ausspricht. Und wir haben über andere Gemeindegrößen gesprochen, 5.000 statt 6.000, und wir haben gesagt, man kann VGs mit 5.000 Einwohnern erhalten, wenn sie leistungsfähig sind. Wir wären sogar bereit, mit Ihnen auch offen über Alternativen zur brutalen und ohne Begründung stattfindenden Auflösung von Verwaltungsgemeinschaften zu reden. Sie wollen das nicht, Sie haben die Abwägung sein gelassen. All das ist fehlerhaft und all das werden wir an anderer Stelle noch mal besprechen müssen.
Ich sage Ihnen auch ganz klar, Sie versuchen ja auch irgendwie vage was zur Funktionalreform zu formulieren. Sie haben es in der falschen Reihenfolge vorgelegt. Sie legen das Vorschaltgesetz zur
Funktionalreform nach dem Vorschaltgesetz zur Gebietsreform vor. Ich habe das begründet, dass es selbst Ihre Professoren anders sehen und auch der Ministerpräsident, bevor er das war, es anders gesehen hat. Aber eines will ich Ihnen für unsere Position gern mit auf den Weg geben. Wir sagen ganz klar: Wir wollen das Landesverwaltungsamt erhalten, wir wollen es nicht zerschreddern, wir wollen es als Bündelungsbehörde stark machen. Es gibt in Ihrer Koalition genau die gegenteiligen Ansprüche. Also beides können Sie nicht begründen: Weimar die Kreisfreiheit nehmen und dann noch den Behördenstandort entziehen. Ihre Funktionalund Ihre Gebietsreformerklärungen sind beide nicht schlüssig, sie laufen gegeneinander. Wir sind für eine starke Mittelbehörde, wir sind für das Landesverwaltungsamt in Weimar, so wie es jetzt verankert ist.
Nein! Das sagt ja genau der Richtige! Wenn Anja da wäre, könntet ihr ja dann draußen einen Kaffee trinken gehen. Wir sagen ja genau das andere: Starker dreistufiger Aufbau, auch Aufgaben aus der kommunalen Ebene wieder zentral anziehen. Auch wir haben nicht alles richtig gemacht, ich nenne mal das Beispiel Umweltbehörden, wenn es um die Fachleute geht. Das kann man besser machen. Man kann das Landesverwaltungsamt zentral organisieren, man kann bei hoch spezialisierten Aufgaben die Kommunen entlasten und das beim Landesverwaltungsamt bündeln. Man kann die Ministerien auf Zentralaufgaben beschränken und Vollzugsaufgaben entlasten; das würde Ministerien schlanker machen und gibt ihnen die Chance, die Personalkostenquote in diesem Land schlank zu halten.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum haben Sie es nicht ge- macht? Weil Sie gescheitert sind!)
Aber was wir nicht wollen, das sind Ihre Vorschläge im Wettbewerb von Rot-Rot-Grün: Neue Landesbehörden aufbauen, nur damit die Miniministerin von den Grünen auch noch ein paar Behörden hat. Deswegen schlägt sie vor, alles aufzublähen. Wir wollen es schlank machen – das ist Zukunft – und nicht aufblähen, das, was Ihre Ministerin vorschlägt. Lieber Herr Adams, Sie sollten öfter mal gucken, was in der Regierung passiert, und nicht nur mit Zwischenrufen auffallen.
Wissen Sie, wenn ich Sie an Ihren eigenen Worten messen würde, dann würde ich mal an den Dezember 2015 erinnern. Dort haben Sie im Landtag gesagt – es passt irgendwie gut, Sie rufen immer dann dazwischen, wenn ich genau an der Stelle in der Rede angekommen bin –, Sie haben beim Bürgergutachten gesagt, es soll eine Diskussion zur Gebietsreform ermöglichen. Jetzt gibt es das Bürgergutachten. 100 Leute sind noch übrig, die Gewinnchance liegt wie beim Lotto bei 1 zu 23.000. Die 100 dürfen jetzt mitreden, alle anderen sind ausgeschlossen. Jetzt sagt der Innenminister, über Gebietsreform reden wir im Bürgergutachten nicht mehr.
Jetzt reden wir bei den Bürgern noch ein bisschen über Verwaltungsstrukturen. Wenn Adams sich in seiner Koalition durchsetzen würde, würden die Bürger über Gebietsreform reden, aber Adams hat in der Koalition nichts zu melden, deswegen reden Sie nur noch über Verwaltungsstrukturen. Das ist die Wahrheit!
Ich kann doch nichts für euren Zustand, wie ihr euch aufgestellt habt, aber es muss schon länger halten als elf Monate. Wenn der Fraktionschef der Grünen sich im Landtag hinstellt und den Bürgern Beteiligung bei der Gebietsreform durch Bürgergutachten verspricht, dann muss das auch nach elf Monaten noch halten und nicht schon wieder von Rot-Rot-Grün eingesammelt sein. Ich würde echt nachdenken, welche Rolle ihr eigentlich in dieser Koalition noch zu spielen habt.
Fakt ist doch Folgendes: Die Pläne zur Gebietsreform stehen doch längst fest und nicht ein Bürger ist gefragt worden.
Jetzt wird Beteiligung hinterher simuliert mit 100 von über 2 Millionen Einwohnern. Jetzt kriegen die Bürger, wenn sie Zeitung lesen, eine Zeitungskampagne vorgesetzt. 500.000 Euro kostet das ganze Ding.