Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

(Beifall CDU)

BEST FRIEND – klar, das passt. Ich habe an den Rechnungshof, Ihnen, lieber Dr. Dette, diese Wo

che einen Brief geschrieben, dass Sie sich das mal anschauen, das Vergabesystem, was da passiert ist, wer eigentlich gefragt worden ist. Ist das wieder unter der Hand, wie so oft bei rot-rot-grünen Projekten, entschieden worden oder gab es da eine offizielle Ausschreibung? Das wollen wir uns gern alles angucken. Da werden Hunderttausende Euro Steuermittel in die Hand genommen und am Ende wird den Bürgern ein kariertes leeres Blatt vorgelegt. Das ist Ihre Vorstellung von Thüringen. Aber Thüringen ist eben kein unbeschriebenes Blatt. Sie machen Politik am Reißbrett und wir machen Politik verantwortlich, weil wir auf dieses Land schauen und weil wir die Bürger mitnehmen. Das unterscheidet uns von Ihrer Regierungsarbeit.

(Beifall CDU)

Sehen Sie, Sie haben sich ja mit dieser Motivwahl wieder in die Nesseln gesetzt, nicht nur wegen dem leeren Blatt Papier, sondern auch, weil Sie die Polizei ungefragt in Ihre politische Kampagne eingespannt haben. Zu Recht sagen die Gewerkschaften der Polizei, die DPolG und die GdP: So nicht mit uns, ihr könnt uns nicht für eure einseitige politische Kampagne benutzen. Dann tun Sie das auch noch als Innenminister, der Sie ja auch sind, nicht nur Kommunalminister, in einer Zeit, wo ich nur noch lese, dass Sie im Clinch mit Ihrer eigenen Polizei sind, wo Sie den Laden nicht im Griff haben, wo es die Kommunikationsdefizite, von denen wir dachten, dass es sie nur bei den Bürgern und bei der kommunalen Ebene gibt, auch noch offensichtlich bei den Gewerkschaften von der Polizei gibt. Sie sollten sich echt mehr Mühe geben, mit den Leuten zu reden. Das ist anstrengend, aber deswegen sitzen Sie da und nicht dort. Das ist der Job.

(Beifall CDU)

Aber ich sage Ihnen auch ganz klar, ich habe das angesprochen, das, was Sie beim Bürger vermissen lassen, die Kommunikation, das, was Sie bei der kommunalen Ebene vermissen lassen, die Kommunikation, das ist eben das, was wir auch im Haus vermissen, die Kommunikation auch mit der größten Oppositionsfraktion. Ich sage Ihnen das auch noch einmal laut von hier vorn, damit es in den Protokollen festgehalten ist: Wir sind bereit, mit Ihnen über diese Fragen in der richtigen Reihenfolge zu reden, über Funktionalreform, über Aufgabenkritik, über Verwaltungsreform, möglicherweise auch über das, was man danach, wenn das feststeht, auch machen muss, um Gebietsstrukturen ordentlich zu machen – aber mit den Leuten und nicht gegen die Leute. Wir strecken Ihnen noch einmal die Hand aus, diese Gespräche zu suchen. Wenn Sie aber die Gespräche verweigern, müssen Sie auch allein verantworten, was Sie machen. Offensichtlich einer – da wiederhole ich mich – merkt, dass das nicht gut ausläuft. Deswegen stehen Sie dauernd bei Gebietsreformdebatten allein hier vorn,

ohne Unterstützung des Regierungschefs, ich wiederhole mich. Aber an Ihrer Stelle würde ich mir von Mal zu Mal mehr Sorgen machen, wer am Ende dieser Reform noch übrig bleibt.

(Beifall CDU)

Aber ich sage Ihnen, weil Sie unsere Rechte mit Füßen treten, der Bürger kann das vielleicht nicht machen, deswegen gehen wir vor das Verfassungsgericht, weil wir unsere Rechte, die wir in dem Verfahren missachtet sehen, auch vor dem Hof noch einmal geltend machen wollen. Ich sage Ihnen das: Das gab es in 26 Jahren noch nie in diesem Haus, dass wir ein Gesetz verabschieden, was so tiefgreifend eingreift. Der Abgeordnete Geibert hat es bei seiner eigenen, persönlichen Protokollerklärung festgehalten, dass der Landtag über das Vorschaltgesetz abgestimmt hat, obwohl dem Landtag weder die Unterlagen aus der Anhörung der kommunalen Spitzenverbände im Innenausschuss vorgelegen haben,

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das ist eine Lüge!)

geschweige denn die Anhörungen oder die Auswertungen der Anhörungen aus dem Innenausschuss vorgelegen haben. Ohne diese notwendigen Erkenntnisse mussten wir im Haus dieses Gesetz durch die Mehrheit von Rot-Rot-Grün verabschieden. Sie haben die Rechte aller Abgeordneten in diesem Haus getreten, die diesen Wissensstand nicht haben konnten, weil ihnen die Unterlagen gefehlt haben. Damit haben Sie die Rechte eines Organs, des Landtags in seiner Organvertretung, nämlich einer Fraktion verletzt. Das gab es noch nie in diesem Haus. Wir erwarten solide und saubere Arbeit von Ihnen und nicht das Rechtetreten der Opposition mit Füßen, nur weil Sie meinen, Sie regieren gerade und deswegen können Sie sich alles erlauben. Nein, auch Sie haben sich an die Verfassung in diesem Land zu halten.

(Beifall CDU; Abg. Gentele, fraktionslos)

Sie haben sich auch an die Verfassung zu halten, wenn Sie Gesetze machen. Dazu gehört, sowohl die Maßstäbe und Leitsätze des Verfassungsgerichtshofs zur Gebietsreform zu beachten. Dazu gehört aber auch, Abwägungen durchzuführen, ob es Alternativen gibt, ob es bessere Varianten gibt, ob wirklich das, was Sie behaupten – zukunftssicherer zu machen –, durch das eintritt, was Sie veranstalten, indem Sie die Kreisfreiheit von vier Städten wegnehmen und indem Sie die Mehrheit der Landkreise einfach abschaffen, 600 Kommunen auflösen und den Verwaltungsgemeinschaften außer der Auflösung keine Alternative gegenüberstellen. Diese Abwägung vorzunehmen, ist der Job des Innenministers. Das haben Sie alles missen lassen. Deswegen klagen wir auch im Rahmen der Normenkontrolle gegen Ihr Vorschaltgesetz, weil Sie an

dieser Stelle auch da offensichtlich stark gegen die Verfassung verstoßen haben.

(Beifall CDU)

Ich sehe mit freudigem Auge, wir als CDU-Fraktion sehen mit freudigem Auge, dass sich auch eine Menge kommunale Vertretungen aufmachen,

(Beifall Abg. Henke, AfD)

egal, ob sie nun von einem parteilosen Freien regiert sind, ob sie von einem SPD-Vertreter regiert sind oder von einem CDU-Vertreter regiert sind, dass sich Städte und Landkreise aufmachen, auch im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde, das aus ihrer Sicht zu überprüfen, was da an Fehlern gelaufen ist. Auch das ermöglicht uns, ein Kompendium beim Verfassungsgerichtshof vorzulegen und prüfen zu lassen, was Sie da gemacht haben. Stark! Danke an die kommunale Familie, die sich aufmacht, auch diese Fragen vor dem Hof klären zu lassen.

(Beifall CDU)

Ich sage Ihnen, um wieder auf Ihre Regierungserklärung zurückzukommen: Ich bin verwundert. Da sagen Sie heute, Sie sind offen für Vorschläge und Debatten. Wenn Sie ein offenes Auge hätten, müssten Sie einmal auf Ihre neu freigeschaltete eigene Webseite zur Kreisgebietsreform gucken. Dort sagen Sie nämlich Folgendes – ich zitiere nur so aus dem Kopf heraus, aber Sie können das gut nachlesen –, dort sagen Sie auch: Ich bin für Vorschläge gern offen, aber genau genommen kann ich nichts mehr ändern. Deswegen wollen auch die Leute nichts mehr ändern, weil Sie sagen, sie können zwar Vorschläge einbringen, aber eigentlich ist alles so austariert, dass Änderungen nicht mehr möglich sind. Diese Einladung zur Schranke, diese Einladung, gegen die Wand zu laufen, ist kein offener Beteiligungsprozess, sondern ist ein geschlossener Beteiligungsprozess, wie wir ihn seit Monaten von Ihnen bei der Kreisgebiets- und Gemeindegebietsreform erleben. Sie simulieren Beteiligung. Sie laden die Leute ein, aber wenn es darauf ankommt, sind Sie nicht bereit zur Veränderung. Das ist die Wahrheit und das ist Ihr Regierungsstil.

(Beifall CDU; Abg. Henke, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos)

Weil die Leute das spüren, haben sich 44.000 Menschen in diesem Land aufgemacht und haben Unterschriften gesammelt und gesagt: Wir wollen im Rahmen eines Volksbegehrens auch noch einmal als Bürger neben der Kommunalverfassungsbeschwerde, neben der Normenkontrolle, neben Organstreit, wir als Bürger selbst wollen darüber abstimmen und entscheiden, ob das Vorschaltgesetz gilt oder nicht gelten soll und ob es so in Kraft tritt, wie es vorgeschlagen ist, oder ob es bessere Alternativen gibt. Aber das Einzige, was Sie in Ihrer Re

gierung prüfen, ist nicht die Frage, ob wir vielleicht unser Wort halten zu dem, was wir Jahrzehnte in diesem Land gesagt haben als Rote, Dunkelrote und Grüne, nämlich mehr Basisdemokratie, mehr direkte Beteiligung, mehr Demokratie von unten. Kaum sind Sie in der Regierung, prüfen Sie nicht, wie Sie die Leute beteiligen können, sondern Sie prüfen, wie Sie die Leute verklagen können. Das ist Ihre Prüfung bei Volksbegehren, Engagement und bei 44.000 Menschen, die sich ihrer Heimat verbunden fühlen. Sie wollen die Menschen verklagen und die Menschen nicht ernst nehmen. Sie laufen in die falsche Richtung. Sie nehmen das Vertrauen der Menschen weg, statt es zu stärken wie die Demokratie.

(Beifall CDU; Abg. Henke, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos)

Mit dieser Unglaubwürdigkeit müssen Sie selbst klarkommen. Das müssen Sie Ihren Wählern irgendwann, wenn Sie denen gegenübertreten, auch selbst sagen. Wir machen nur darauf aufmerksam, dass Ihr Handeln völlig unglaubwürdig, völlig unschlüssig, völlig rückwärtsgewandt ist. Sie beteiligen die Menschen nicht, Sie beteiligen die Kommunen nicht, Sie beteiligen die Opposition nicht, Sie beteiligen den Landtag nicht in Gänze. Sie ziehen da allein was durch, Sie haben Scheuklappen auf. Sie reden nicht mit den Menschen, sondern Sie legen einfach was vor – und alles auf der Grundlage von Gutachten von Leuten, die Sie dauernd bezahlen, und werden sich nicht daran halten. Ich meine, ich muss es noch mal zeigen, Sie haben es ja auf SPD-Veranstaltungen mitgekriegt, das ist ja nicht meine Erfindung, aber einer Ihrer SPD-Landräte hat mal das Bogumil-Gutachten durch so ein Scanprogramm gejagt, wo alles schon mal abgeschrieben ist, von einem selbst natürlich oder von anderen, er hat sogar von Kuschel abgeschrieben, habe ich auch nachgeguckt, 53 Wörter, nicht toll, aber immerhin.

(Heiterkeit CDU)

Aber wenn man mal durchguckt – müssen Sie einfach mal machen –, all das, was bunt ist, hat Bogumil von sich selbst oder von anderen abgeschrieben.

(Heiterkeit CDU)

Wenn das die Abwägung ist, wenn das die Abwägung ist für die Begründung einer Kreisgebietsreform in Thüringen, weil er alles abschreibt, was er in anderen Ländern schon als Abwägung gemacht hat,

(Beifall CDU)

dann kann ich nur sagen: Das ist das Papier nicht wert, das ist die Prüfung nicht wert, das ist das Gutachten nicht wert.

(Zwischenruf Prof. Dr. Hoff, Minister für Bun- des- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Weil Sie ja selbst was Besseres schriftlich erarbeitet haben!)

Was Sie uns hier mit Ihren Gutachtern abliefern, ist am Ende, dass die Gutachter uns all das vorlegen, was wir immer auch spüren. Die legen uns die Schablone, die legen uns das karierte weiße Blatt Papier vor und sagen: Es gibt Thüringen nicht, es gibt keine Tradition, es gibt keine Heimatverbundenheit, es gibt keine Struktur in diesem Land; wir kommen mal von außen, wir simulieren mal Beteiligung. Dann schreiben wir euch auf, was wir in den Siebzigern im Westen aufgeschrieben haben. – Nein! Thüringen hat eine eigene Identität.

(Zwischenruf Taubert, Finanzministerin: Herr Mohring, jetzt hören Sie doch endlich auf!)

Thüringen hat eine eigene Tradition und Thüringen hat eine eigene Zukunft. Und um die streiten wir in diesem Land mit Ihnen jeden Tag.

Wir lehnen Ihre Reformvorschläge ab, weil sie das Papier nicht wert sind. Und wenn Sie sagen, gegen diese Reform kann man nicht sein, dann sage ich: Ja, gegen diese Reform muss man sein in diesem Land. Vielen Dank.

(Beifall CDU; Abg. Henke, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordneter Kuschel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Mohring hat kein Wort verloren zu den tatsächlichen Problemen in diesem Land,

(Unruhe CDU)

geschweige denn, dass er auch nur ansatzweise eine Lösung präsentiert hat.

(Heiterkeit CDU)

(Zwischenruf Abg. Malsch, CDU: Sie müssen mal zuhören!)

Er ist immer noch verwirrt in seiner Rolle als Oppositionsvorsitzender, weil er Realität nicht zur Kenntnis nehmen will. Das hat er heute eindrucksvoll belegt. Allein der Bezug zu Aussagen, die ich getroffen haben soll, sind der Beweis dafür. So habe ich, als ich mich mit finanziellen Folgen und Auswirkungen der Reform beschäftigt habe, das Wort „Einsparung“ an keiner Stelle verwendet, sondern von Effizienzpotenzialen gesprochen.

(Heiterkeit CDU)

Wenn Sie den Unterschied trotz eines akademischen Abschlusses eben nicht erkennen, dann ist das nicht mein Problem, aber Sie täuschen die Öffentlichkeit, das ist das eigentliche Problem.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Du bist doch völlig im Zauberwald, Kuschel!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, richtiggestellt werden muss auch: Die Änderungsanträge der CDU, die Herr Mohring hier mit „18 Seiten“ beschrieben hat – es hätte auch ein Satz genügt: „Wir lassen alles so, wie es ist“ –, sind umgehend an die Spitzenverbände weitergeleitet worden. Es ist also eine Falschaussage, die Sie hier treffen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das stimmt überhaupt nicht!)