Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

Es wird nämlich überhaupt nicht mit ihnen geredet! Es wird nicht mit ihnen geredet, das kam unisono. Und egal, ob die Landräte und die Kreisräte, die dort waren, links verortet sind, ob die SPD-verortet sind oder schwarz verortet sind, die haben dort deutlich gemacht: Hier wird nicht mit uns geredet, hier wird über uns geredet. Es gab keine Freiwilligkeitsphase und, und, und. Dort ist mehr als deutlich gemacht worden, wie man hier mit den kommunalen Trägern umgeht, die teilweise vor Ort über 20, 25 Jahre Erfahrungen gesammelt haben, die für

uns die Flüchtlingskrise bewältigt haben und, und, und. Und jetzt rennen sie dem Geld hinterher.

(Beifall CDU)

Aber ich will noch mal deutlich machen, wie das eigentlich hier vonstattengeht, und deswegen, meine Damen und Herren, könnte ich es noch ausweiten. Es war verheerend, was da parteiübergreifend für ein Urteil abgegeben wurde. Das zieht sich durch das Ganze hier durch. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Ich glaube, am 11. oder 12. war das Gespräch in der Staatskanzlei, ob nun mit Essen oder ohne Essen mag mal dahingestellt sein, entscheidend ist, dass man nun endlich mal miteinander redet. Das muss dringend passieren, weil man die bisher außen vor gelassen hat.

Abschließend wird es Sie wenig überraschen, dass wir den Gesetzentwurf ablehnen. Zudem fordern wir Sie auf, das gesamte Vorhaben zum Wohle des Freistaats und der Bürger zu stoppen.

(Beifall CDU; Abg. Henke, AfD)

Denn wir wollen doch eines: Wir wollen, dass sich der Bürger in der Fläche weiterhin mit beteiligen kann, dass in der Fläche weiterhin das bürgerschaftliche Engagement genutzt wird, dass die Bürger mit einbezogen werden. Und dann zu sagen, wir haben hier ausgewählte 100 Bürger oder so etwas genommen, also wenn das ausreichend ist für unser Land mit über 2 Millionen – ich will nur einfach sagen: Es ist alles verkehrt angegangen worden. Erst hätte Funktional- und Verwaltungsreform hergehört, dann Aufgabenkritik und dann hätte man die weiteren Schritte machen können; nicht anfangen mit Gebietsreform, dann dazwischenschieben und dann sagen, dass wir doch alles machen, was wir eigentlich zugesagt haben. Es muss einfach sein, dass man hier auch genau weiß, wo es hingeht. Das war bis vor Kurzem überhaupt noch nicht klar, ob Zwei- oder Dreistufigkeit. Jetzt will man mit Brachialgewalt in die Richtung gehen. Ich kann nur sagen, meine Damen und Herren, wir sehen das im Interesse der Leute vor Ort als vollkommen verkehrten Weg an, was hier im Hauruckverfahren in der Operation am offenen Herzen gemacht werden soll. Deswegen werden wir das kategorisch ablehnen und dagegen zu Felde ziehen.

(Beifall CDU; Abg. Henke, AfD)

Danke schön, Herr Abgeordneter Fiedler. Als Nächster erhält Abgeordneter Adams für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste hier im Thüringer Landtag, liebe Kolleginnen und Kolle

(Abg. Fiedler)

gen in dieser Debatte, dieses Gesetz ist ein weiterer Baustein in der Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform.

(Beifall Abg. Kuschel, DIE LINKE)

Es ist ein Konzert vieler Bausteine, die wir zusammenfügen.

(Zwischenruf Abg. Malsch, CDU: Aber mit ganz schlechten Musikern!)

Der enorme Reformstau im Freistaat Thüringen hat uns über viele Jahre beschäftigt. Heute haben wir eine Landesregierung und eine Koalition, die diesen Reformstau auflöst.

(Beifall DIE LINKE)

Löst man einen solchen Reformstau auf, ist es …

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU)

Herr Kowalleck, ich habe Sie vernommen, aber es ist nun mal so, dass wenn man …

(Zwischenruf Abg. Kowalleck, CDU: Nehmen Sie es sich bitte an!)

Ich werde nicht alles, was Sie sagen, annehmen, weil es viel Unvernünftiges ist. Das ist das Problem, Herr Kowalleck.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Kowalleck, wer sich aber mal auf den Weg macht, einen solchen Reformstau zu lösen, weiß, dass man dabei erstens niemals Blumen bekommt und zweitens auch Fehler macht.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Welche denn?)

Es ist wichtig, dass man über solche Fehler auch reden kann, und zwar qualifiziert, Herr Brandner. Auf den Beitrag von Ihnen warte ich noch.

Und wenn wir uns das mal klarmachen, dass es hier darum geht, sich nicht parteipolitisch zu profilieren, Herr Kowalleck, sondern Thüringen ein gutes Stück weiterzubringen, dann wird die Debatte, glaube ich, viel sachlicher, und das ist eine wichtige Herausforderung für diese Debatte.

Ich will auf ein Argument aus der Opposition gleich am Anfang eingehen: Der Staat darf sich aus der Fläche nicht zurückziehen. Richtig! Aber wie mache ich das denn? Die Menschen fühlen heute schon, dass sich der Staat viel zu sehr aus der Fläche zurückgezogen hat. Jetzt könnten wir sagen: Na, okay, das waren jetzt andere, damit haben wir ja nichts zu tun. Aber was wir machen, ist doch, die Frage versuchen zu beantworten, wenigstens versuchen zu beantworten: Wenn wir weniger Menschen im ländlichen Raum werden, wenn wir weniger Menschen sind, wie organisieren wir unsere Verwaltung neu, um trotzdem den Staat vor Ort hal

ten zu können, um trotzdem Angebote in Bürgerservicebüros usw. ermöglichen zu können? Und das geht mit dem alten System eben nicht! Deshalb haben wir eine Reform, deshalb haben wir heute hier ein Grundsätzegesetz zur Funktionalreform, meine sehr verehrten Damen und Herren. Diese Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform ist der Grundstein dafür, den Staat in der Fläche zu halten. Das ist eines unserer wichtigsten Ziele, für das wir hier kämpfen und argumentieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir stellen uns damit auch sehr gern – Kollege Fiedler hat das eben par excellence auch noch mal vorgeführt – der Balance der Kritik. Die Kritik ist gut ausbalanciert, denn sie sagt zum einen: Ihr macht das alles viel zu schnell, ihr redet gar nicht mit den Leuten. Und im nächsten Satz sagen Sie: Dieses Grundsätzegesetz, mit dem sie sagen, wohin wir ungefähr wollen, und jetzt diskutieren wir mit euch und jetzt füllen wir das gemeinsam aus, das ist ja viel zu unkonkret, wann sagt der Innenminister endlich mal, wie es fertig aussehen wird.

Wir wollen immer den Grundschritt wahren. Es wird diskutiert, so wie wir das in Ausschüssen und in der ersten Lesung gemacht haben und wie das der Innenminister auch durch die Einbindung der Verbände tut, das wissen alle. Dann kommt ein Gesetz auf den Tisch, das wird hier verabschiedet. Dieses Gesetz ist nicht das letzte Wort, sondern dieses Gesetz ist immer der Startschuss für eine gute Debatte, die wir jetzt auch führen werden. Und danach kommt die Entscheidung. Es ist, glaube ich, mittlerweile überall in Thüringen angekommen, dass die sehr – man kann schon fast sagen – fadenscheinige und durchsichtige Kritik der CDU, die Funktionalreform hätte natürlich vor der Gebietsreform liegen, mindestens aber parallel durchgeführt werden müssen, sich entlarvt hat. Wir haben erklären können – und das ist gut, dass ich heute dazu noch mal die Gelegenheit habe –, dass wir, um die Freiwilligkeitsphase stark und lang genug machen zu können, damit sehr schnell an den Start gegangen sind. Den Kommunen alles in die Hand geben, um ihre Entscheidungen selbst treffen zu können. Die Funktionalreform ist ebenso schnell gestartet und läuft parallel. Wir werden am Ende gemeinsam die Gebietsreform und Funktionalreform abschließen, so wie Sie das immer gefordert haben.

(Beifall DIE LINKE)

Liebe Gäste hier im Thüringer Landtag und alle, die das wahrscheinlich dann noch hören werden: Lassen Sie sich nicht einreden, dass erst eine Gebietsreform durchgeführt und dann die Funktionalreform hinterhergeschoben würde. Das ist falsch. Wir führen diese Reformen parallel durch.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist ja wohl eine Verdrehung der Tatsachen!)

Herr Fiedler, wann wird die Funktionalreform abgeschlossen sein nach diesem Gesetz und allem, was Sie wissen? Wann wird die Gebietsreform abgeschlossen sein? Wann? Ja, sagen Sie das den Leuten doch ehrlich. Es wird auf den Punkt zusammenkommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wichtig, dass man da den Menschen in Thüringen auch nichts anderes erzählt, weil man sonst möglicherweise an den Tatsachen vorbei spricht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ziel dieser Reform ist es, Thüringen fit zu machen. Es wird immer wieder bestritten und ich werde nicht müde, das deutlich zu sagen: Wir brauchen diese Reform, weil die Thüringerinnen und Thüringer weniger werden, in manchen Regionen bis zu einem Viertel. Die CDU bzw. die Opposition und der Landkreistag bestreiten das. Sie sagen, das sind ja nur Prognosen, das ist doch alles Quatsch. Wer sich aber der Tatsache stellt, dass noch in den letzten zehn Jahren der DDR in den drei Bezirken Suhl, Gera, Erfurt circa 13,5 Kinder je tausend Einwohnerinnen und Einwohner geboren wurden und wir seit 1990 einen Bruch haben, dass in dem ersten Jahrzehnt nur circa 6,5 Kinder je tausend geboren wurden, manchmal sogar in Tiefstjahren nur 5 Kinder je tausend Einwohnerinnen und Einwohner, dann stellt man fest, dass dies ein Fakt ist. Und selbst wenn wir uns heute über erfreulichen Zuwachs freuen, erfreulichen Zuwachs haben, müssen wir feststellen, dass das über 8,3 – ich hoffe, dass die Zahl richtig ist, 8 stimmt auf jeden Fall, 8,3 oder 8,2 – nicht hinausgeht. Das heißt, wir hinken der gesamten Entwicklung hinterher. Hatten wir früher eine Pyramide für unseren demografischen Aufbau, haben wir heute – lassen Sie es mich so sagen – eher einen Döner. Und damit funktioniert das nicht mehr, weil wir im Jahr 2035 eine enorme Konkurrenz zwischen Industrie, Handel und Pflege und der allgemeinen Verwaltung wie aber auch Polizei und Lehrerinnen und Lehrern haben werden, und deshalb müssen wir unsere Verwaltung umstellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das muss auch der Landkreistag begreifen. Ich verstehe gut, dass man sich dort gegen diese Einsicht wehrt, aber das, was ich gestern dort erlebt habe, ist genauso, wie es Herr Fiedler gesagt hat: ein Beharren auf dem Punkt, diese Gebietsreform bringt gar nichts und kostet viel Geld.

(Zwischenruf Abg. Malsch, CDU: Das ist auch so!)

Sie sagen es auch noch mal, vielen Dank für das Stichwort!

Ich habe mir die Frage gestellt: Was meinen Sie denn mit Kosten? Meinen Sie, 155 Millionen Euro für Kommunen sind Kosten oder ist es nicht eine fantastische Investition in unsere Fläche?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ist ein finanzieller Ausgleich für eine Kreisstadt, die nicht mehr Kreisstadt sein wird, eine Strukturförderung oder sind das für Sie lästige Kosten? Für uns sind das keine lästigen Kosten.

(Zwischenruf Abg. Holzapfel, CDU: Was sind denn das für Buchhalter?)

Ist für Sie die Beteiligung, das, was der Minister mit Gutachten, mit dem Bürgergutachten und der Information macht, sind das für Sie Kosten? Ich glaube nicht. Ich glaube, dass es wichtig ist, auch hier differenzierter draufzuschauen.

Erlauben Sie mir eine Bemerkung, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur gestrigen Situation im Landkreistag. Die Präsidentin zitierte eine Studie von Bündnis 90/Die Grünen. Es freut mich erst mal, dass es dort Beachtung gefunden hat, diese Studie ist ja von vielen viel diskutiert worden. Aber noch nie ist diese Studie so falsch interpretiert worden.

Eine Studie, auf deren Titelblatt steht „für eine Funktional- und Gebietsreform“, dahin zu wenden, dass es der Widerspruch wäre, Gebietsreformen würden gar nichts bringen, das ist ein starkes Stück!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Den Verfassern das zu unterstellen, die einen Zusammenhang aufbereitet haben. Die Verfasser haben dargestellt, dass es unbestritten Skalierungseffekte gibt, die sind auch wissenschaftlich unumstritten. Wenn ich für fünf Mann grille oder für 50 Leute grille, dann habe ich Pro-Kopf-Kosten, die bei den 50 Leuten geringer sind. Das ist unbestritten, jeder weiß das. Diese Effekte können aber verloren gehen, wenn man – sage ich mal – unter Gebietskörperschaften, die zusammenkommen, zu einem Kuhhandel kommt und sagt, passt mal auf, das ist zwar nicht wirtschaftlich, aber ihr behaltet euer Schwimmbad und dafür bauen wir uns ein neues Dorfgemeinschaftshaus. Wenn man zu so etwas kommt, werden alle diese Effekte aufgefressen. Das sagt diese Studie im Wesentlichen stark verkürzt. Deshalb haben wir gesagt, wir müssen von den Zahlenspielen wegkommen, zu sagen, Renditen von 30, 40 oder nur 3 Prozent, sondern wir müssen uns zu einer Zukunftsfähigkeitsdebatte Thüringens hinwenden. Das war der Startschuss im Jahr 2012, den Bündnis 90/Die Grünen hier in diesen Landtag getragen haben. Wir diskutieren nicht mehr darum, wer prognostiziert mit welchen Gutachten die tollsten, negativsten oder positivsten Ef