Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

Den Verfassern das zu unterstellen, die einen Zusammenhang aufbereitet haben. Die Verfasser haben dargestellt, dass es unbestritten Skalierungseffekte gibt, die sind auch wissenschaftlich unumstritten. Wenn ich für fünf Mann grille oder für 50 Leute grille, dann habe ich Pro-Kopf-Kosten, die bei den 50 Leuten geringer sind. Das ist unbestritten, jeder weiß das. Diese Effekte können aber verloren gehen, wenn man – sage ich mal – unter Gebietskörperschaften, die zusammenkommen, zu einem Kuhhandel kommt und sagt, passt mal auf, das ist zwar nicht wirtschaftlich, aber ihr behaltet euer Schwimmbad und dafür bauen wir uns ein neues Dorfgemeinschaftshaus. Wenn man zu so etwas kommt, werden alle diese Effekte aufgefressen. Das sagt diese Studie im Wesentlichen stark verkürzt. Deshalb haben wir gesagt, wir müssen von den Zahlenspielen wegkommen, zu sagen, Renditen von 30, 40 oder nur 3 Prozent, sondern wir müssen uns zu einer Zukunftsfähigkeitsdebatte Thüringens hinwenden. Das war der Startschuss im Jahr 2012, den Bündnis 90/Die Grünen hier in diesen Landtag getragen haben. Wir diskutieren nicht mehr darum, wer prognostiziert mit welchen Gutachten die tollsten, negativsten oder positivsten Ef

fektivitätsgewinne, die alle Prognosen sein müssen, sondern: Wer hat die bessere Idee, wie wir Thüringen zukunftsfähig machen können. Und jetzt dürfen Sie uns kritisieren – und da zitiere ich gern unseren Ministerpräsidenten: Sie dürfen uns kritisieren und sagen, Nein, so wir ihr es macht, ist es aber falsch. Darüber wollen wir diskutieren. Das ist der Aufruf und in jeder Debatte haben wir das genau so gesagt. Darüber wollen wir immer diskutieren. Bringen Sie einen besseren Vorschlag ein, zum Beispiel heute hier durch Änderung oder Ähnliches. Dann sind wir bereit, darüber zu debattieren. Das wollen wir gern machen. Nur eines dürfen wir nie wieder machen: Wir dürfen nie wieder 20 Jahre warten, bevor sich etwas ändern darf! Nie wieder 20 Jahre warten, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es richtig, dass diese Landesregierung mit diesem Gesetz einen Startschuss setzt, mit dem wir auch die Verwaltung einbinden. Wir rufen anhand dieses Gesetzes alle Frauen und Männer, die in der Thüringer Verwaltung tätig sind, auf, selbst kreativ zu werden und zu sagen, was kann ich als gute Idee mit beitragen, das über meinen Referatsleiter, Abteilungsleiter usw. nach oben zu geben, um das zu sammeln. Wir rufen aber auch Bürgerinnen und Bürger auf, die einschlägige Erfahrungen mit Verwaltung gemacht haben, uns zu sagen, Leute, ist das denn vernünftig, wie ihr das macht, Zweimal- oder Dreimalprüfungen, die wir alle kennen, hin und her, von Pontius zu Pilatus geschickt werden? Wäre es nicht vernünftig, die Erlaubnis für dieses oder jenes auch nach einer einfachen E-Mail erlangen zu können? Könnten wir nicht auch

Herr Adams, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

ja, vielen Dank, Herr Präsident – im ländlichen Bereich die Bürgerservicebüros ausbauen, was wir ausdrücklich mit dem Gesetz machen wollen.

Meine sehr verehrte Damen und Herren, dieses Gesetz eröffnet die Diskussion.

(Unruhe CDU)

Frau Holzapfel, ich freue mich auf Ihre Beiträge. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Herr Adams. Als Nächster erhält Abgeordneter Henke für die Fraktion der AfD das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Werte Abgeordnete, werte Gäste! Herr Dittes, ich habe Ihrer Rede aufmerksam gelauscht. Sie haben sehr vieles gesagt, was im Innenausschuss besprochen wurde, aber eines haben auch Sie, Herr Adams, gekonnt umschifft: Sie haben nichts zu den Kosten gesagt, die dabei entstehen werden. Ich hätte mir gewünscht, wir hätten mal ein paar Zahlen von Ihnen bekommen, an denen man sich orientieren kann. Da Sie das nicht gemacht haben, werden wir wohl darauf eingehen müssen.

Wenn wir über eine Verwaltungsreform reden, dann braucht man sich nur eine einzige Zahl zu merken: 184 Millionen Euro. So viel kostet Thüringen nach unseren Berechnungen etwa eine Landesverwaltung pro Jahr. Und das ist noch eine vorsichtige Berechnung. Thüringen steht bundesweit auf Rang zwei, was das beim Land beschäftigte Personal pro 10.000 Einwohner angeht. Hier geht es um den Abbau der Bürokratie. Die Thüringer Landesverwaltung hat über die Jahre Fettpolster bekommen und muss ertüchtigt werden. Thüringen liegt zum Beispiel auch bei der politischen Führung und inneren Verwaltung klar über dem Bundesdurchschnitt. Während im Durchschnitt rund 74 Vollzeitbeschäftigte auf 10.000 Einwohner kommen, sind es in Thüringen rund 86. Mit 184 Millionen Euro könnte Thüringen viel Besseres anfangen, als sie für die Bürokratie auszugeben.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Also schaffen wir jetzt die Verwaltung ab?)

Bietet nun die Landesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf irgendwelche Maßnahmen dafür an, wie die Verwaltung verschlankt werden kann? Nein. Ist der Gesetzentwurf daher überflüssig? Ja. Darauf haben im Übrigen von den kommunalen Spitzenverbänden über den Thüringer Rechnungshof und den Thüringer Beamtenbund bis hin zu ver.di – und da rede ich nicht von dem Komponisten – die meisten Anzuhörenden in aller Deutlichkeit hingewiesen. Die Bewertung reicht von „[Es] liest sich wie ein Positionspapier“, Thüringer Beamtenbund, bis „Der Entwurf enthält kein Gesetz im klassischen Sinne“, ver.di. Übrigens eine sehr schöne Formulierung dafür, dass das vorliegende Werk überhaupt nicht die Anforderungen an ein Gesetz – wie klar formulierte, umsetzbare Normen – erfüllt.

Ein sehr gutes Beispiel dafür ist das Fehlen eines konkreten Aufgabenkatalogs. Vor einer Verwal

(Abg. Adams)

tungsreform muss zwingend eine Aufgabenkritik stehen: Muss die Aufgabe überhaupt vom Staat erfüllt werden und wenn ja, wer soll sie auf welcher Verwaltungsebene vollziehen? In Brandenburg hat die dortige rot-rote Landesregierung bereits im Leitbild einen Aufgabenkatalog vorgelegt. Den hätte ich mir für Thüringen übrigens auch gewünscht.

(Beifall AfD)

Dort steht konkret drin, welche Aufgaben vom Land auf die Kommunen und welche von den Landkreisen auf die Gemeinden übertragen werden sollen. In Thüringen fehlt bislang jegliche Konkretisierung. In der kleinen Antwort auf unsere Große Anfrage zu den Kosten und Einsparpotenzialen einer Verwaltungs- und Gebietsreform gibt die Landesregierung unumwunden zu, dass die interministerielle Arbeitsgruppe zum Standortabbau, die konkrete Ergebnisse bis November 2016 vorlegen sollte, versagt hat. Ihr einziges Ergebnis: Wir haben getagt, getagt und nochmals getagt – kein Ergebnis!

Doch eines glaubt die Landesregierung, schon jetzt zu wissen: Aufgaben sollen von oben nach unten durchgereicht werden – vom Land auf die Kommunen.

(Zwischenruf Abg. Adams: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Subsidiarität!)

Dieser Grundsatz der Kommunalisierung steht argumentativ auf tönernen Füßen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Mit dem Be- griff kann er nichts anfangen!)

Der Gemeinde- und Städtebund fordert zu Recht, dass vor der Übertragung jeder einzelnen Aufgabe evaluiert werden muss, auf welcher Verwaltungsebene sie am kostengünstigsten, effizientesten und schnellsten vollzogen werden kann. Als weiteres wichtiges Kriterium wird die Bürgernähe genannt. Nach dem Thüringer Rechnungshof wird das Potenzial für Kommunalisierung politisch höher eingeschätzt, als es sich tatsächlich darstellt. Daher ist laut Rechnungshofpräsident Dette nicht erkennbar, welcher Mehrwert durch ein gesetzliches Kommunalisierungsgebot erzielt werden soll.

(Beifall AfD)

Keinen Mehrwert, sondern Mehrausgaben hat übrigens die Kommunalisierung der staatlichen Umweltämter im Jahre 2008 gebracht. Man höre und staune, im vom Rechnungshof geprüften Zeitraum beliefen sich die Mehrkosten auf 40 Millionen Euro. Doch wie heißt es so schön: Der Dumme lernt aus seinen Fehlern, der Kluge aus den Fehlern der anderen.

(Beifall AfD)

Ein Kommunalisierungsgebot festzuschreiben, ohne sich konkret über die umzuverteilenden Aufgaben Gedanken zu machen, ist in etwa so klug, wie

ein Haus auszugestalten, ohne sich über die Grundrisse der Fundamente im Klaren zu sein. Das ist Pfusch am Bau und handwerklich eine unzureichende Leistung der Landesregierung.

(Beifall AfD)

Vielen Bürgermeistern, Landräten, Bürgern drängt sich der Eindruck auf, dass das Kommunalisierungsgebot der Landesregierung in Wahrheit einen Personalabbau des Landes auf Kosten der Kommunen darstellt. „Auf Kosten der Kommunen“, das könnte das Motto der Landesregierung sein, denn es zieht sich wie ein roter Faden durch das Regierungshandeln und den Gesetzentwurf. Es fehlt gerade bei Finanziellem jede Klarheit. Schon heute steht zum Beispiel fest: Die Landkreise werden zusätzlich belastet, da sie nun vieles für die Städte erledigen, die ihre Kreisfreiheit verlieren. Woher sollen sich die Landkreise das Geld holen? Natürlich von eben diesen Städten und Gemeinden, und zwar über eine steigende Kreisumlage. Genau hier schließt sich der Teufelskreis. Sieht die Landesregierung so etwas wie einen Zuschuss für die Landkreise vor, damit sie die steigenden Lasten tragen können? Fehlanzeige!

Zu guter Letzt ein weiteres Beispiel für – vorsichtig ausgedrückt – unzureichendes Nachdenken. Das Landesverwaltungsamt soll zurechtgestutzt und nach Meinung mancher links außen am besten ganz abgeschafft werden. Auch hier wäre es angeraten, aus den Erfahrungen anderer zu lernen. Sachsen-Anhalt hat bekanntlich schon ein Gesetz zur Verwaltungsreform beschlossen. Der dortige Rechnungshof stellt fest: Es gibt eine Vielzahl von Aufgaben, die auch bei einem hohen Kommunalisierungsgrad, den wir in Sachsen-Anhalt übrigens nicht erreicht haben, auf der Landesebene verbleiben. Hierfür ist ein Landesverwaltungsamt nach meiner Einschätzung als Bündelungsbehörde effektiver als eine Vielzahl von Landesoberbehörden.

(Beifall AfD)

In der Tat, durch das Landesverwaltungsamt wird der einheitliche Verwaltungsvollzug sichergestellt und die Ministerien werden vom Verwaltungsvollzug entlastet.

Meine Damen und Herren, Aufgaben sollen bürgernah dort erledigt werden, wo sie am kostengünstigsten, effizientesten und schnellsten vollzogen werden können, und nicht dort, wo die Landesregierung meint, das meiste Personal einsparen zu können. Die Landkreise sollen im Zuge der Reform nicht be-, sondern entlastet werden und das Landesverwaltungsamt muss gestärkt und nicht abgeschafft werden. Wenn Sie dafür sind, dann stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu. Wenn Sie alle Bedenken, Gründe und Argumente aus der Anhörung in den Wind schlagen wollen, entscheiden Sie sich anders. Wie auch immer, denken Sie daran,

dass Thüringen eine wirkliche Verwaltungsreform braucht und keine Mogelpackung, die nicht hält, was sie verspricht. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön, Herr Abgeordneter Henke. Als nächster Redner erhält Herr Abgeordneter Kuschel für die Fraktion Die Linke das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, werte Gäste! Herr Fiedler hat den Einstieg gewählt: „So weit sind wir gesunken.“ Den Eindruck hatte ich als Mitglied des Innen- und Kommunalausschusses bei dieser besagten Anhörung, auf die der

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vorsitzende des Ausschusses eingegangen ist. Man fängt langsam an, sich für diesen Mann – für Herrn Fiedler – fremdzuschämen, denn wir werden hier alle in Sippenhaft genommen für das Niveau, was dort geboten wird. Es ist nicht das erste Mal, dass dort derart versucht wird,

(Unruhe CDU)

die Arbeit des Ausschusses zu behindern. Also insofern ist dem Ausschussvorsitzenden und dem Ausschuss als Ganzes zu danken, dass die Anhörung dann noch ordnungsgemäß stattfinden konnte und wir heute in der Lage sind, das Gesetz abschließend zu beraten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer die Reform nicht will, der fährt dieses Land in die Blockade und davon hat niemand was, weder wir als Land noch die Städte und Gemeinden noch die Landkreise und schon gar nicht die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft. Die Landesregierung ist nicht – wie Herr Fiedler behauptet – gescheitert. Wir stehen am Anfang einer Debatte, eigentlich mittendrin. Im Thüringer Landtag wird seit 2005 über Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreformen debattiert. Wir hatten eine Enquetekommission. Wenn man diesen Bericht liest, da sind auch ganz klare Ansagen zu den Reformsäulen der Funktional- und Verwaltungsreform beinhaltet.

In der 5. Legislaturperiode hat die CDU-geführte Landesregierung fünf Wissenschaftler beauftragt, sich mit diesem Reformwerk zu beschäftigen. Es ist ein Bericht, der immer als „Blaues Wunder“ bezeichnet wird, mit über 200 Seiten vorgelegt worden. Davon betreffen 170 Seiten nur den Bereich „Funktional- und Verwaltungsreform“. Die jetzige Landesregierung hat im Auftrag des Parlaments ein

Leitbild erarbeitet und im Dezember 2015 vorgelegt. Auch dieses Leitbild beschäftigt sich mit dem Dreiklang dieser Reform.

Wer das alles ausblendet und die These aufstellt, die Landesregierung würde sich nur mit Gebietsreform beschäftigen, Funktional- und Verwaltungsreform überhaupt nicht im Fokus haben und diesbezüglich erst im Nachhinein nachlegen, der will nur Ängste schüren und Verunsicherungen schaffen, meine Damen und Herren. Wer in diesem Prozess Ängste und Verunsicherungen schafft, braucht sich letztlich nicht zu wundern, dass möglicherweise Rechtspopulisten in diesem Land gestärkt werden, wobei sich die These, dass angeblich diese Rechtspopulisten davon profitieren, weil wir Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform machen, nicht mal ansatzweise an den Fakten bestätigen lässt, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU. Wenn das die einzige Ursache für das Erstarken ist, dann dürften die Rechtspopulisten in Thüringen zurzeit noch gar keinen Einfluss ausüben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, werten Sie doch bitte diese Truppen, die keine Lösung für das Heute und das Morgen haben, nicht noch auf!