Meine sehr geehrten Damen und Herren, werten Sie doch bitte diese Truppen, die keine Lösung für das Heute und das Morgen haben, nicht noch auf!
Durch Ihr ständiges Agieren werten Sie diese Truppen erst noch auf. Damit tragen Sie eine Verantwortung. Wir als Demokraten sind gefordert – dazu gehört auch die CDU in der Opposition –, dort gegenzuhalten, die zu entlarven
und die beteiligten Menschen bei diesem Reformprozess mitzunehmen. Eine solche Reform hat Chancen, aber sie hat auch Risiken. Dass in der öffentlichen Debatte oftmals die Risiken im Fokus stehen, ist doch nachvollziehbar. Aber es ist doch auch unsere Verantwortung – auch die Verantwortung der Opposition –, die Chancen zu erläutern, sodass Menschen abwägen können. Wenn sie nur immer mit Risiken beschäftigt werden, dann beteiligen sie sich nicht an der Debatte. Sie beteiligen sich erst an der Debatte, wenn sozusagen der Reformprozess als Ganzes mit seinen Chancen und den Risiken dargestellt wird; wir wollen gar keine Risiken ausklammern.
Sehr geehrte Damen und Herren der CDU, die Linke hat es Ihnen in der Opposition vorgemacht, wie man sich konstruktiv in einen solchen Prozess einbringt. Wir hatten im Jahr 2005 den Mut, ein Diskussionspapier zur Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform vorzulegen – mit sehr konsequenten Thesen, damit die Debatte in Gang kommt,
mit dem sogenannten Strukturmodell 2009, mit der Idee der vier Regionalkreise. Es hat sein Ziel erreicht, weil seitdem debattiert wird. Das müssen Sie auch machen. Aber heute hat Herr Fiedler hier wieder nicht einen einzigen Vorschlag unterbreitet, außer dass er gesagt hat, es bleibt alles so, wie es ist.
Ich komme noch mal darauf zurück, worin die Varianten, die wir abgewogen haben, bestehen. Das jetzt vorliegende Gesetz ist auch das Ergebnis einer Abwägung und Diskussion. Dabei blenden Sie sich selbst aus. Sie werden zum Schluss als Verlierer in die Geschichte eingehen; das haben Sie doch gar nicht nötig.
Wenn Sie konstruktiv mitmachen, müssen Sie nicht in dieser Rolle des Verlierers landen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Herr Fiedler hat auch die These aufgestellt, die kommunalen Spitzenverbände hätten in der Debatte kein gutes Haar an diesem Gesetzentwurf gelassen. Meine Wahrnehmung war eine andere. Allein die Debatte zur Ausrichtung der Bürgerservicestellen war eine sehr konstruktive. Dabei war die Frage, ob diese Bürgerservicebüros pflichtig eingeführt oder in das Ermessen der Gemeinden gestellt werden sollen oder ob sie als eine Gemeinschaftseinrichtung – ähnlich wie jetzt die Jobcenter – zwischen Gemeinde und Landkreis fungieren sollen, oder ob die Gemeinden ausschließlich Träger sein sollen und im Rahmen der Beleihung auch Landkreisaufgaben oder Aufgaben von Landesbehörden miterfüllen sollen. Das ist eine konstruktive Debatte, die Sie nicht dahin gehend interpretieren können, indem Sie sagen, dass die kommunalen Spitzenverbände kein gutes Haar an unserem Gesetzentwurf gelassen hätten. Von daher – den Einwurf hatte ich vorhin gemacht – ist Herr Fiedler offenbar inzwischen in einer anderen Welt angekommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn unser Gesetzentwurf – wie Herr Fiedler ihn bezeichnet – eine Hülse ohne Inhalt wäre, hat er dafür aber viel Kritik daran geäußert. Dann hätten Sie hier gar nichts sagen brauchen, wenn nichts drinsteht. Von daher, Kritik ist für mich immer die höchste Form der Anerkennung, weil diejenigen, die kritisieren, immer noch die Erwartungshaltung haben, dass man mit ihnen in den Dialog tritt. Den werden wir fortsetzen. Aber Herr Fiedler, Sie sollten dann sagen, was Sie wollen.
Herr Abgeordneter, es gibt eine Möglichkeit, diesen Dialog hier fortzuführen. Der Abgeordnete Fiedler möchte Ihnen eine Frage stellen.
Würden Sie mir zustimmen, dass der Thüringische Landkreistag – ich sage nur einen Satz: „Nach Befragung unserer Mitglieder und Beratung in den Gremien des Verbandes teilen wir Ihnen mit, dass wir den o. g. Gesetzentwurf kategorisch ablehnen.“ Stimmen Sie mir zu, dass die Stellungnahme vom Landkreistag insbesondere so war?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir nehmen das zur Kenntnis und wir setzen uns damit auseinander.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, erst mal agieren die Landräte schon alle nicht mehr einheitlich. Es gibt eine Vielzahl von ganz konstruktiven Debatten. Wir sind davon überzeugt, wenn sich das Verfassungsgericht erst mal mit all den Klagen beschäftigt und eine Entscheidung getroffen hat, dann wird eine Dynamik in diesen Prozess kommen, die die Landräte
selbst mittragen, weil sie dann wissen, wo die Reise hingeht. Dass jetzt dort noch eher eine Blockadehaltung erkennbar ist, das gehört zum politischen „Spiel“ mit dazu. Ich bedaure das selbst, aber nehme schon ganz klar Differenzierungen wahr.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde kritisiert, in dem Gesetz steht keine Folgekostenbetrachtung. Da muss ich noch mal für die Öffentlichkeit erklären, es handelt sich um ein Grundsätzegesetz. Jetzt weiß die Exekutive, wohin die Reise geht, was wir als politisches Willensgremium wollen. Jetzt müssen die handeln und die Kostenfolgeabschätzung erfolgt natürlich, aber dann im Maßnahmegesetz, dort, wo dann konkret geregelt wird, welche Aufgabe wem zugeordnet wird. Da schreibt schon unsere Verfassung die Kostenabschätzung vor. Man kann aber doch nicht wie Sie immer fordern, wir wollen ein Dialogverfahren, wir wollen einen Prozess, und dann wollen Sie schon zu Beginn der Debatte einen fertigen Aufgabenkatalog und eine Folgekostenabschätzung. Was wollen Sie denn? Wollen Sie einen Dialog? Dann haben wir jetzt ein Grundsätzegesetz, auf dieser Grundlage wird debattiert. Oder wollen Sie eine Basta-Politik, wie Sie sie hier 25 Jahre gemacht haben, und sagen, wir bestimmen und alle anderen müssen folgen? Das funktioniert doch nicht. Entscheiden Sie sich bitte!
Meine Damen und Herren, nach wie vor hat die CDU irgendwie nicht die Fähigkeiten oder den Willen, die Reformziele zu erkennen. Deswegen möchte ich die Gelegenheit noch mal nutzen, sie zu benennen: Leistungsfähigkeit der Verwaltung, sowohl der Landes- als auch Kommunalverwaltung. Ich möchte an den nüchternen Zahlen belegen, vor welcher Herausforderung wir und auch die kommunale Ebene stehen. Bis 2026 scheiden 17.000 Landesbedienstete aus Altersgründen aus, auf der kommunalen Ebene 10.000. Das heißt, wenn wir nur blind wie die CDU den Pfad des Stellenabbaus verfolgen würden, müssten wir gar nichts machen, müssten nur warten, bis die Betroffenen ausscheiden und dann hätten wir rein statistisch die Zahlen erfüllt. Das ist aber kein Konzept.
Deshalb werden wir einen Fachkräftemangel bekommen. Es wird einen Kampf mit der Privatwirtschaft um die besten Köpfe geben. Dem müssen wir uns stellen und dazu brauchen wir auch eine attraktive Verwaltung für Einstiege und Aufstiege sowohl für Beamte als auch für Tarifbeschäftigte. Da haben wir Probleme sowohl in den Kreisverwaltungen als auch gerade in den kleinen Verwaltungen der Verwaltungsgemeinschaften. Also Leistungsfähigkeit.
Das Zweite: Bürgernähe. Wobei Sie Bürgernähe nicht als eine Kategorie verstehen dürfen, die man in Kilometern bemisst, sondern Bürgernähe hat etwas mit Entscheidungsvorgängen in Behörden zu tun, in den Gemeinden, in den Landkreisen. Da erlebe ich jeden Tag, dass sich Bürgerinnen und Bürger beschweren, selbst wenn sie neben dem Rathaus wohnen, dass die Verwaltung ganz weit weg ist. Die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich nur als Adressat von Verwaltungsentscheidungen, nicht aber als Partner. Wenn wir aber ein partnerschaftliches Verfahren als Schwerpunkt wollen, dann müssen wir auch die entsprechenden Verwaltungen fit machen und die Strukturen anpassen.
Das Dritte ist natürlich eine stärkere demokratische Kontrolle und Steuerung von Prozessen. Da haben wir auch Probleme. Wer hat denn wirklich hier in dem Haus die Vorstellung, dass wir als Landtag die Mittelbehörden gegenwärtig tatsächlich demokratisch kontrollieren und steuern können? Ich bekomme immer wieder Hinweise, dass die sich in ihrer Tätigkeit oftmals verselbstständigen, eine Eigendynamik entwickeln, sich vorrangig als Aufsichtsbehörden, aber nicht als Dienstleister der kommunalen Ebene und der Bürgerinnen und Bürger definieren. Das hat auch etwas mit Strukturen zu tun. Ähnlich auf kommunaler Ebene: Die Verwaltungsgemeinschaft hatte lange Zeit ihre Berechtigung, aber sie stößt zunehmend an Grenzen, wo eine Weiterentwicklung in der vorhandenen Struktur wenig sinnvoll erscheint. Also demokratische Kontrolle und Steuerung.
Wenn hier die These aufgestellt wird, das Landesverwaltungsamt funktioniert: Ich habe seit 20 Jahren eine andere Erfahrung – und in den letzten zwei Jahren ist die noch viel bitterer –, wie es funktioniert. Ich erkenne eher: Wir ändern nichts. Es gibt ganz starke Probleme, sich neuen Aufgaben zuzuwenden. Viele Bürgerinnen und Bürger kritisieren die Entscheidungen des Landesverwaltungsamts und auch viele Bürgermeister, selbst Landräte stehen bei uns, schreiben uns und fragen: Was ist da los? Deswegen müssen wir uns also damit beschäftigen und uns keinesfalls in die Scheinwelt retten, das Landesverwaltungsamt wäre sozusagen das Beste, was wir haben, weil es eine Bündelungsbehörde ist. Das geht auch anders. Darüber wollen wir diskutieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aufgaben des Landesverwaltungsamts und anderer Mittelbehörden kann man natürlich in der jetzigen Kommunalstruktur nicht sinnvoll kommunalisieren oder darüber debattieren. Mit 17 Landkreisen und sechs kreisfreien Städten geht das nicht, aber mit acht Landkreisen und zwei kreisfreien Städten zeichnet sich eine andere Möglichkeit ab. Deshalb müssen wir ganz bewusst neben Verwaltungs- und Funktionalreform auch wissen, wo die Reise bei der Gebietsreform hingeht. Eine Operation am offenen
Herzen, so wie die Präsidentin des Landkreistags den Vorgang bezeichnet, ist manchmal unumgänglich, wenn der Patient in einer sehr kritischen Situation ist. Was hätte ich denn für eine Alternative? Ich könnte den Patienten in Würde sterben lassen. Das können wir aber nicht machen, das können wir uns nicht leisten. Insofern müssen wir manchmal auch einen solchen Weg gehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde wieder thematisiert: Warum macht ihr nicht erst Funktional-, dann Verwaltungsreform und dann Gebietsreform? Ich will noch mal daran erinnern, ich hatte es schon in meiner Rede gesagt: Seit 2005 laufen die Prozesse in der Enquetekommission durch den Bericht, durch das Leitbild. Es gibt aber darüber hinaus weitere Argumente, warum ein Dreiklang, also eine Parallelität besser ist als eine Hintereinanderreihung dieser Reformsäulen. Wer zum jetzigen Zeitpunkt erst eine Funktional- und Verwaltungsreform will, der muss auch sagen, dass eine Gebietsreform frühestens 2024 möglich ist, anders geht das nicht, das muss er deutlich sagen. So viel Zeit haben wir aber nicht mehr. Dann hätten wir 2009 oder spätestens 2012 in den Reformprozess einsteigen müssen. Da war die CDU aber Träger dieser Landesregierung. Das haben Sie versäumt. Die SPD wollte es nach unseren Informationen, aber ist damals am Koalitionspartner CDU gescheitert.
Das zweite Argument, was ich immer verwende: Auch wenn wir mal Funktional- und Verwaltungsreform ausblenden, müssten wir uns über Gebietskulissen verständigen, weil schon beim jetzigen Aufgabenkatalog der Reformbedarf unverkennbar ist; insbesondere bei den Landkreisen, aber gerade auch bei den Verwaltungsgemeinschaften ist es unverkennbar. Das heißt, selbst wenn wir keine Funktional- und Verwaltungsreform machen würden, müssten wir uns mit diesen Gebietsveränderungen beschäftigen. Natürlich ist es viel sinnvoller, das mit Funktional- und Verwaltungsreform zu koppeln.
Das Dritte: Wenn Sie all das lesen, was bisher aufgeschrieben wurde, was untersucht wurde – deswegen haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern ein Entscheidungsproblem –, werden Sie zu der Erkenntnis kommen, wenn wir Funktional- und Verwaltungsreform nach den Kriterien der Wissenschaft hier realisieren, stehen am Ende Gebietskulissen bei den Gemeinden von 12.000 Einwohnern als Mindestgröße und bei den Landkreisen von 180.000 Einwohnern als Mindestgröße. Was hätte denn dann die CDU gesagt? Was hätte dann der Landkreistag gesagt? Was hätte dann die Mehrzahl der Bürgermeister gesagt? Bei einem solchen Vorschlag – wie wäre die Konsequenz? Also insofern ist es doch viel sinnvoller, dass man zunächst abcheckt, welche Gebietskulissen denn überhaupt po
litisch unter Berücksichtigung der Besonderheiten in Thüringen umsetzbar sind, und dann sagt, machen wir parallel eine Funktional- und Verwaltungsreform. Ich habe persönlich wenig Interesse daran, über Funktional- und Verwaltungsreform ewig zu debattieren, und am Ende bekommt man eine Entscheidungsgrundlage und dann machen wir lieber nichts, weil wir sagen, die ist politisch nicht durchsetzbar. So hat die CDU in den letzten zwei Legislaturperioden agiert. Sie haben Dinge in Auftrag gegeben, dann haben die Ergebnisse Ihnen politisch nicht gepasst und dann haben Sie es sein lassen. Eine solche Art von Politik muss vorbei sein!
Der Landrat vom Eichsfeld-Kreis hat es ja gestern ehrlicherweise gesagt: Er will eine Gebietsreform in zehn Jahren; er will vorher über Funktional- und Verwaltungsreform reden. Das können wir uns entsprechend nicht leisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Landkreistag fordert von uns mehr Geld und sieht aber keinen Reformbedarf. Auch das ist äußerst widersprüchlich. Es zeigt sich ja jetzt schon – das hat der Landesrechnungshof auch festgestellt –, dass die Aufgabenwahrnehmung im jetzigen Bestand der Landkreise im Vergleich zu der früheren Struktur zu teuer ist und oftmals auch die Fachlichkeit nicht geeignet ist. Jetzt müssen uns die Landräte mal signalisieren, was sie denn wollen. Alternativ könnten wir ihnen diese Aufgaben wieder entziehen und als Land selbst wahrnehmen. Das wollen sie nicht. Sie wollen aber auch nicht eine Struktur mitgestalten, um diese jetzigen Aufgaben effizienter und fachlich korrekter wahrzunehmen. Also insofern ist das alles sehr widersprüchlich und das ist in den nächsten Wochen und Monaten im Dialog auch mit den Landräten zu lösen.
Was nicht geht, ist, zu sagen, wir wollen gar keine Veränderung und das Land soll das bezahlen, denn das Geld haben wir einfach nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, keine Einsparungen würde die jetzige Reform bringen. Jetzt ist das ein Komplex und deshalb ergeben sich auch die Effizienzpotenziale an verschiedenen Stellen. Die CDU fordert heute noch oder morgen wieder ein Hilfsprogramm von 100 Millionen Euro. Seit 2014 halten wir die kommunale Struktur über Hilfsprogramme am Leben, oftmals im dreistelligen Millionenbereich. Wenn es uns gelingt, leistungsfähige Kommunalstrukturen zu schaffen, wo das nicht mehr nötig ist, stünden diese Gelder für andere zur Verfügung, für andere Aufgaben. Das Gleiche betrifft die Bedarfszuweisungen, im vergangenen Jahr 68 Millionen Euro. 145 Millionen Euro waren beantragt. Wenn diese Mittel nicht mehr in notleidende Gemeinden fließen müssen, ohne dass sich dort eine Situation grundlegend bessert, stünden diese Mittel für anderes zur Verfügung, zum Beispiel für Schulen, für die kommunale Infrastruktur, für Kin
dertagesstätten. Das heißt aber nicht, dass wir das Geld einsparen; wir geben es an einer anderen Stelle aus, wo eben noch Investitionslücken sind, wo das Leben von Menschen positiv beeinflusst wird. Insofern ist es doch auch politisch unverantwortlich, von Einsparungen zu reden. Wir brauchen Potenziale, um die Defizite, die gerade in der Infrastruktur erkennbar sind, zu decken. Unsere Kommunen investieren zu wenig, eben weil Geld fehlt, meine sehr verehrten Damen und Herren.