Protokoll der Sitzung vom 26.02.2015

zeptanz können nicht verordnet werden, aber sie können beispielgebend vorgelebt werden. Wer sich mutig gegen Fremdenfeindlichkeit einsetzt und Hass und Gewalt deeskaliert, der verteidigt die Menschenwürde und damit einen wichtigen Grundwert unserer Demokratie und unserer Kultur.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich ermutige deshalb alle Thüringerinnen und Thüringer, sich überall dort friedlich entgegenzustellen, wo alte und neue Nazis marschieren wollen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wo rassistisches und fremdenfeindliches Gedankengut propagiert wird. Friedlicher Protest gegen den rechten Rand ist ein demokratisches Recht, ja, ich sage sogar, eine demokratische Pflicht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Thüringen-Monitor vermittelt seit dem Jahr 2000 ein wissenschaftlich fundiertes Bild über die politische und geistige Kultur in unserem Land. In seiner Kontinuität ist dieser Thüringen-Monitor bundesweit zu einer einmaligen Langzeituntersuchung über Einstellungen und Meinungen der Menschen zu Demokratie und Rechtsstaat geworden. Der ThüringenMonitor ist damit für die Landesregierung zu einem unersetzbaren Instrument dafür geworden, zu identifizieren, was die Thüringer denken, wünschen und politisch artikulieren.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wer hat’s erfunden?)

In der Kontinuität aller Landesregierungen und insbesondere der CDU-geführten Landesregierungen,

(Beifall CDU)

aber aus einem traurigen Anlass heraus, nämlich des Brandanschlags auf die Synagoge. Da hat die CDU ein bisschen länger gebraucht, bis sie dann mit in der Menschenkette stand, aber danach standen wir alle zusammen und das ist gut so.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Lassen Sie mich abschließend noch einen Blick in die Zukunft des Monitors werfen. Auch diese Landesregierung will den Thüringen-Monitor im 25. Jahr der deutschen Einheit in ihre Bemühungen um eine intensive Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und des DDR-Unrechts einbinden. Die Aufarbeitung vergangenen Unrechts ist für uns ein zentrales Regierungsziel. Der Thüringen-Monitor soll sich in diese Strategie mit einordnen. Wir wollen das demoskopische Instrumentarium zur DDRAufarbeitung überprüfen und schärfen. Auf wider

(Ministerpräsident Ramelow)

sprüchliche Befunde zum DDR-Unrecht und zum Unrechtsstaatsbegriff weist ja schon der aktuelle Thüringen-Monitor hin. Da heißt es, vertiefend an dieser Stelle weiter zu arbeiten. Darüber wollen wir mit den Wissenschaftlern sprechen.

Und wir wollen mehr darüber wissen, warum die Menschen heute optimistischer in ihre persönliche Zukunft schauen als noch vor einem Jahrzehnt. Da glauben wir Hinweise finden zu können, wo Zufriedenheit und demokratisches Grundvertrauen wachsen und wachsen können. Ich meine, es sind noch viele Fragen offen, die einfache Antworten nicht erlauben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe die Lektüre des Thüringen-Monitors nicht bereut und empfehle sie Ihnen sehr. Er enthält einen unschätzbaren Datenfundus und viele Anregungen zum Nachdenken und Diskutieren. Thüringen ist ein gutes Land mit guten Menschen, aber auch ein Land, vor dem viele Herausforderungen liegen. Lassen Sie uns gemeinsam an deren Bewältigung und für uns an der Zukunft arbeiten!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN; Abg. Primas, CDU)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident.

Ich darf darauf hinweisen, dass in der Drucksache 6/289 ein Entschließungsantrag der Fraktion der AfD verteilt worden ist.

Wenn die nötige Aufmerksamkeit im Saal wiederhergestellt ist, frage ich noch mal, ob Aussprache beantragt wird. Durch die Fraktionen der Linken und der CDU. Gut, vielen Dank. Dann eröffne ich die Aussprache und das Wort hat Herr Abgeordneter Mohring.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Thüringen-Monitor ist seit dem Jahr 2000 ein Meilenstein in der Erforschung der politischen Kultur in Thüringen und er ist zu Recht das, was die Wissenschaftler und auch der Ministerpräsident eben in seiner Erklärung gesagt haben, ein deutschlandweit einzigartiges Projekt. Es ist gut, dass dieses Projekt von den Thüringer Landesregierungen vor Ihnen initiiert und fortgesetzt wurde und auch, dass Sie erklärt haben, dieses Projekt auch in der Zukunft in Thüringen fortsetzen zu wollen.

Schlussendlich ist dieser Thüringen-Monitor, dieser 2014, insbesondere natürlich auch für die neue Landesregierung ein Erkenntnisgewinn. Vieles, was der Ministerpräsident in seiner Erklärung gesagt

hat, vor allem mit Blick auf die Datenanalyse – nicht das, was er für die Zukunft an politischer Weichenstellungen gesagt hat –, hätte auch einer Ihrer Vorgänger sagen können. Es gibt nur einen Unterschied: Sie müssen jetzt Beifall klatschen.

(Heiterkeit CDU)

Und das ist bemerkenswert. Sie haben sich früher an vielen Stellen verweigert. Jetzt wissen Sie, dass die politische Kultur, die Analyse dazu tatsächlich auch ein Stück intensivere Arbeit ist. Und es ist gut, dass mit diesem Thüringen-Monitor 2014, nachdem ja nun wirklich ein guter Datenstamm aus 15 Jahren Erkenntnissen und Demoskopie vorliegt, dass jetzt auch eine Milieu- und Clusteranalyse dazugekommen ist. Die wird uns helfen in der Betrachtung, in der Auswertung der Daten auch für die Zukunft. Und wenn wir anregen können – das haben Sie ja auch vor –, dass diese Analyse fortgesetzt wird als zweiter Bestandteil des Thüringen-Monitors, ist das mit Sicherheit für fortgesetzte Debatten auch außerhalb des Plenums für die Analyse der politischen Kultur in Thüringen wichtig.

Die Wissenschaftler sagen mit Blick auf die Überprüfung der Instrumente: Was aber messen wir, wenn wir Rechtsextremismus messen? Deswegen sind sie zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, ihre Milieuanalyse mit vorzulegen als zweiten Bestandteil des Thüringen-Monitors, weil es tatsächlich differenzierterer Antworten bedarf als die, die wir in den vergangenen Jahren aus dem Thüringen-Monitor gezogen haben. Deswegen ist es gut, dass dieses Beiwerk dazugekommen ist.

Aber zunächst: Das Hauptthema des diesjährigen Thüringen-Monitors ist „Die Thüringer als Europäer“. Thüringen ist 1990 mit der Wiedervereinigung in der Europäischen Gemeinschaft angekommen und inzwischen ist die Europäische Union auch bei den Thüringer Bürgern angekommen. Das bestätigen die Zahlen des diesjährigen Thüringen-Monitors. Die Europäische Union steht, so sehen es die Thüringer positiv, für Frieden, für Solidarität und sie steht für Wohlstand. Immerhin 84 Prozent der Befragten sagen, dass durch die Europäische Union in Europa Frieden gesichert werden kann. Dennoch ist die Europäische Union, wir spüren das ja auch in den Debatten auf der Straße, in Bürgerforen und überall, nicht frei von Kritik. Die Frage der Bürokratie, die Frage der Geldverschwendung, aber auch die Demokratieunzufriedenheit mit der Europäischen Union spiegelt sich im Thüringen-Monitor 2014 wider. 78 Prozent der Befragten hadern mit der Bürokratie in der Europäischen Union, 64 Prozent prangern aus ihrer Sicht die Geldverschwendung in Europa an und beachtliche 56 Prozent sagen, mit der Demokratie ist es in der Europäischen Union, in den Institutionen nicht weit her. Das ist – denke ich mal – auch wichtig zu beachten. Wenn man dazu im Zusammenhang sagt, dass man auf

(Ministerpräsident Ramelow)

der einen Seite Wohlstandsgemeinschaft, Friedensgemeinschaft sieht, aber eben auch wie die Institutionen arbeiten, gibt es Kritik und daraus wächst natürlich auch Debatte. Dennoch, wenn man die Leute in Thüringen nicht nach ihrer persönlichen Situation fragt – dazu wird auch gefragt, aber da sind die Werte anders –, wenn man sie fragt, Situation Thüringen, Situation Wirtschaft, Schaden für die deutsche Wirtschaft, Schaden für die thüringische Wirtschaft, politische Isolation Deutschlands, dann wissen sie, ein Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union ist keine Lösung und keine Antwort auf die Kritik, die die Menschen an der Europäischen Union haben. Bei aller Kritik, in dieser Risikokalkulation wissen die Thüringer, was sie an der Europäischen Union haben.

(Beifall CDU)

Eben weil der Thüringen-Monitor mit Blick auf die Europawahlen 2014 in Auftrag gegeben wurde, bleibt auch das festzuhalten, was der Altkanzler Helmut Kohl zur Europawahl 2014 im Mai gesagt hat: Europa bleibt eine Frage von Krieg und Frieden. Und als der Altkanzler das gesagt hatte in einer großen deutschen Zeitung, haben viele gelächelt. Jetzt ist vielen das Lächeln mit Blick auf die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine vergangen. Die Thüringer wissen, Helmut Kohl hatte recht, Europa ist eine Frage von Krieg und Frieden. Wir müssen sie, das haben Sie auch gesagt, zugunsten des Friedens lösen. Deshalb ist es wichtig für uns und spannend, wie die Thüringer die Lage in Europa einschätzen, auch mit Blick auf die Friedensordnung, wenn wir die nächsten Bemessungszeiträume für den nächsten Thüringen-Monitor anschließen. Es bleibt eine große Aufgabe aller Europäer, sich für diese Friedensgemeinschaft auf Dauer jeden Tag einzusetzen. Der Frieden in Europa ist, auch wenn er jetzt schon mehrere Jahrzehnte anhält, keine Selbstverständlichkeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Thüringen-Monitor tun sich tatsächlich jede Menge Widersprüche auf. Zum einen erwarten die Thüringer mit ihren Wünschen an Europa ein einheitliches Steuersystem, gemeinsame Systeme der sozialen Sicherheit, eine einheitliche EU-Außenpolitik und mehr Hilfe für die Regionen in sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten und zum anderen haben dieselben Befragten Vorbehalte gegen die Preisgabe nationalstaatlicher Souveränität und schätzen insbesondere die Möglichkeiten der Subsidiarität.

Das spiegelt sich auch in allen anderen Werten wider. 84 Prozent der Thüringer wollen vor der Abgabe wichtiger nationaler Kompetenzen Volksabstimmungen in Deutschland und gleichzeitig sagen 84 Prozent, sie wollen Volksabstimmungen in der ganzen Europäischen Union zu wichtigen Entscheidungen, welche die EU in besonderer Weise betref

fen. Da wird es spannend. Sie haben eben in Ihrer Regierungserklärung gesagt, Sie begrüßen Volksabstimmungen auf europäischer Ebene, Festschreibung im Grundgesetz. Das geht offensichtlich nur so lange gut, solange es im eigenen politischen Sinne ist. Aber wir wissen doch bei vielen Befragungen, die europäische Angelegenheiten betreffen, dass gerade in Deutschland manche Entscheidungen, die zur Weiterentwicklung der Europäischen Union beigetragen haben, wären sie durch Volksabstimmung entschieden worden, die Europäische Union sich heute nicht so weiterentwickelt hätte, wie sie heute dasteht.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Und Fehlent- wicklungen wären verhindert worden, Herr Mohring! Das muss man aber auch mal sa- gen!)

Meine Damen und Herren, ich habe nur in den Raum gestellt, dass man das einseitige Pro für Volksabstimmungen zur Festschreibung im Grundgesetz bei europäischen Fragen natürlich positiv sehen kann, aber natürlich auch beachten muss, dass es möglicherweise manchmal mehr bedarf, als einfach nur zu sagen, wir wollen Volksabstimmungen und dann geht es in Europa weiter. Die Skepsis, die bei den Menschen zur Europäischen Union und auch zu weiteren Integrationsschritten vorherrscht, die löst man nicht, indem man einfach Volksabstimmungen für europäische Angelegenheiten im Grundgesetz festschreibt.

(Beifall CDU)

Ich will an einer anderen Stelle widersprechen: An der Stelle, an der Sie meinen, dass Europa von unten, der Druck von unten die Antwort sei, die sich aus dem Thüringen-Monitor herauslesen lässt, das wäre das Ergebnis. Wir lesen etwas anderes heraus. Nämlich, dass die Thüringer hadern, dass aus ihrer Sicht die Städte und Gemeinden in Thüringen und natürlich auch in Deutschland insgesamt zu wenig Einfluss auf europäische Prozesse haben. Das meinen sie auch mit Europa von unten. Sie wollen das vor Ort in den Regionen, sie wollen das vor Ort in den Ländern. Sie wollen aber, dass vor Ort, zu Hause in den Städten und Gemeinden, auch über europäische Fragen mitentschieden wird und Beteiligung vorherrscht. Deshalb ist es für uns ganz wichtig, hier als Thüringer Parlamentarier, dass wir auch – es ist zum Glück am Ende gelungen – im Ausschuss der Regionen mitreden können, nicht nur die Regierung, sondern auch das Parlament, vertreten durch die Abgeordnete Walsmann – ein ganz entscheidendes Moment. Die Regionen brauchen ein stärkeres Wort in Europa. Europa funktioniert nur, wenn nicht nur zentral mehr organisiert, sondern wenn die Mitsprache der Regionen auf Dauer gesichert wird.

(Beifall CDU)

Deshalb müssen wir auch, bevor wir über die Frage von Volksabstimmungen schlussendlich reden, mehr Debatten über Europa führen. Nur so kann mehr Verständnis wachsen. An dem Beispiel der Debatten über Griechenland sieht man: Vieles ist bei diesen Debatten über Griechenland befremdlich, natürlich. Aber dass sie geführt werden, das trägt auch zur Aufklärung über und in Europa bei. Zu Recht mahnen die Leute bei den Debatten über Griechenland an: Verträge sind einzuhalten! Solidarität und Solidität sind zwei Seiten einer Medaille. Natürlich, Hilfen – das sagen auch die Befragungen der Thüringer –, Europa ist auch eine Gemeinschaft der Solidarität für die Mitgliedstaaten und unter den Mitgliedstaaten. Aber wer Hilfe gewährleistet, der muss auch erwarten können, dass die, die die Hilfe bekommen, auch solide ihre Aufgaben machen und ihre Hausaufgaben erledigen.

(Beifall CDU)

Deshalb – mit Blick auf die anstehende Griechenland-Entscheidung im Deutschen Bundestag morgen – kann man davon ausgehen, dass eine große Mehrheit der Verlängerung der vereinbarten Regelung um vier Monate zustimmt, aber zu Recht sagen diejenigen, die skeptisch sind: Verträge sind einzuhalten! Deswegen wird der Deutsche Bundestag sich auch an seine vertraglichen Zusagen halten. Aber Verträge sind einzuhalten heißt auch, dass die neue griechische Regierung die Zusagen ihrer Vorgänger einhalten muss. Europa funktioniert nur, wenn die, die in Europa Verantwortung tragen, sich in den Mitgliedstaaten auch daran halten, was sie gegen Europa zugesagt und versprochen haben. Europafreundlichkeit und Europazustimmung hängen auch davon ab, dass sich aus den Mitgliedstaaten heraus an die Verträge gehalten wird.

(Beifall CDU)

Natürlich muss man auch in dieser großen europäischen Debatte auf die Feinheiten achten. Ich glaube nicht, dass der neue griechische Regierungschef sich einen Gefallen getan hat, dass dann in der Parteizeitung seiner eigenen regierungstragenden Partei unser Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der Fratze des Nationalsozialismus karikiert wurde. Natürlich gab es danach Entschuldigungen. Aber davor stehen Redaktionen, davor stehen Entscheidungen, so eine Karikatur zu veröffentlichen. Da will ich schon anmerken, da geht es wirklich darum, auch auf die Feinheiten zu achten. Wer die Fratze des Nationalsozialismus so hoch hängt, der muss sich auch fragen lassen, ob er schon in Europa angekommen ist.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, auch die Linke hier im Thüringer Landtag muss sich natürlich fragen lassen, wenn sie die neue griechische Regierung, die

sich gebildet hat nicht nur aus einer Linkspartei, sondern auch aus rechtsextremen Regierungspartnern, plötzlich gutheißt und sagt, es gab gar keine andere Möglichkeit zur Regierungsbildung. Bei der Hysterie, die Sie manchmal hier in diesem Land verbreiten, will ich schon anmerken: Diese Doppelzüngigkeit, hier kritisieren und in Griechenland gutheißen, wenn Rechtsextremisten in die Regierung kommen, nur weil Linke plötzlich den Regierungschef stellen, lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall CDU)