Ich habe gesagt, wir habe heute einige präsidiale Reden gehört und der Thüringen-Monitor wurde begrüßt in seiner Ausrichtung, in seiner Schwerpunktsetzung; auch was das Testdesign angeht, habe ich hier keine fundierte Kritik gehört. Ich habe gesagt, ich möchte so ein bisschen Wasser in die Suppe reinkippen, also zumindest eine zaghafte Kritik üben an der Fragestellung des Thüringen-Monitors. Jeder von Ihnen weiß, dass die Begrenztheit der Begriffe ein Problem ist, denn die Begrenztheit der Begriffe begrenzt letztlich auch unsere Erkenntnisfähigkeit. Gerade eine Wissenschaft wie die Sozialwissenschaft, die leidet auch unter der Begrenztheit der Sprache und deswegen steht diese Sozialwissenschaft doch immer auf tönernen Füßen. Wer auf tönernen Füßen operiert, der muss sehr, sehr vorsichtig operieren und sollte das entsprechend in seinen wissenschaftlichen Publikationen auch so leben und vorlegen.
Wie gesagt, ich möchte hier nur mein Unbehagen äußern und möchte das an einem Beispiel mal darstellen. Ich zitiere aus dem aktuellen Thüringen-Monitor 2014: „Sind die Thüringer_innen,“ – ich überlege immer, ob ich das Binnen-I schöner finde oder diese Unterstrichfassung, ist beides schön –
„insgesamt betrachtet, mit der Europäischen Union einverstanden oder sind sie eher euro[kritisch]?“ Das gibt natürlich Anlass zum Nachdenken. Denn was heißt denn „eurokritisch“? Ist man mit dem Euro nicht einverstanden, ist man antieuropäisch eingestellt – was ich tief bedauern würde – oder lehnt man die EU als supranationale Institution ab? Das muss man fragen dürfen. Die Aussage ist unklar. Auffällig ist jedenfalls, dass immer wieder
Europa und EU – ich habe das gerade schon einmal dargestellt – gleichgesetzt werden, indirekt oder direkt. Beispiel – ich zitiere aus dem Thüringen-Monitor: „Während die emotionale Bindung an Europa eher diffus und nur relativ gering ausgeprägt zu sein scheint – auch in diesem Jahr sieht sich nur eine Minderheit der Thüringer_innen in erster Linie als Europäer_innen […] – ist die Europäische Union eine Tatsache, die im Alltag und Bewusstsein der meisten Thüringer_innen Relevanz besitzt.“ Oder – Zitat: „Die bekannte Vorstellung von der Europäischen Union als Inbegriff der Überbürokratisierung ist demnach sehr weit in der Bevölkerung verbreitet und sozusagen ‚Allgemeinwissen‘ über Europa […]“. Ich habe das bewertet: Wer solche Aussagen trifft, verallgemeinert zumindest – und wenn das im politischen Rahmen passiert –, wir als AfD-Fraktion werden immer wieder als Europafeinde bezeichnet.
Wir sind tatsächlich keine Europafeinde. Wir lieben Europa. Wir haben ein europäisches Bewusstsein. Wir wollen Europa weiterentwickeln, aber ich sage auch ganz klar: Für uns, in unseren Herzen, ist Europa dort, wo die europäischen Völker und die europäischen Nationen sind. Wir streben nach einem Europa der Vaterländer im Sinne von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, sehr verehrte Damen und Herren.
(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Selber Sprachgebrauch wie Wohlleben, angeklagt im NSU-Prozess! Genau dasselbe!)
Mit kernigen Aussagen ist man allerdings auch im Thüringen-Monitor 2014 sehr schnell zur Hand. Da liest man zum Beispiel folgenden Satz, ich zitiere: „Eine Rückkehr zur D-Mark wird auch [...] tendenziell von Befragten bevorzugt, die als (subjektiv) depriviert, politisch desinteressiert bis apathisch sowie fremdenfeindlich und nationalistisch beschrieben werden können.“ Eine nennenswerte empirische Basis für eine so stark negativ eingefärbte Aussage fehlt.
Aber wenn man in Besitz der Begriffsherrschaft ist, Herr Dittes, dann muss man sich auch nicht mehr viel Mühe machen – glauben Sie jedenfalls –, aber das werden wir Ihnen sicherlich noch einmal austreiben können.
Gewagt finde ich auch, dass man aus der Bejahung wie – ich zitiere – „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ in Verbund mit zwei ähnlich gearteten Kriterien Ausländerfeindlichkeit ableitet. Die gerade zitierte Aussage mag ein Vorurteil sein.
Aber daraus eine zutiefst verwerfliche und dauerhafte Disposition abzuleiten, das geht einfach nicht. Das ist, muss man deutlich sagen, wissenschaftlich unredlich.
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das wollen Sie nur nicht wahrhaben! Sie wollen nicht als rassistisch dastehen! Sie sind es aber!)
Summa summarum: Wie gesagt, ich habe den Thüringen-Monitor gelesen, ich habe ihn durchaus auch mit Gewinn gelesen, aber die Qualität liegt hier und da doch im Argen. Hier muss nachgebessert werden
und ich möchte daran erinnern, dass der Thüringen-Monitor jedes Jahr 50.000 Euro Steuergelder kostet. Das sind – er erscheint jetzt im vierzehnten Jahr – schon über 700.000 Euro bei einer Staatsverschuldung von 16 Milliarden Euro. Auch hier müssen wir überlegen, ob das Geld so investiert ist und wenn wir das Geld weiter investieren wollen, müssen wir auch gucken, dass wir entsprechende Qualität geliefert bekommen.
Seit dem Jahr 2000 bietet der Thüringen-Monitor nun schon einen Überblick und einen Einblick in Wertvorstellungen und Ansichten der Menschen im Freistaat.
Schwerpunkt ist die Erforschung des Rechtsextremismus. Ich bedaure hier, dass der Linksextremismus überhaupt gar keine Rolle spielt, obwohl die einschlägigen Verfassungsschutzberichte immer wieder darauf hinweisen, dass die Mehrheit oder die Mehrzahl der Gewalttaten von gewaltbereiten Linksextremen verübt werden, und die Haltung zur Demokratie.
Der Thüringen-Monitor soll Auskunft geben über die Demokratiezufriedenheit und das Institutionenvertrauen der Menschen. Vielleicht sollte ich besser sagen, dass er uns – wenn wir ihn richtig lesen –
Auskunft gibt über die Demokratieunzufriedenheit und das Misstrauen der Menschen in die Politik der etablierten Parteien.
Die Zahlen des Thüringen-Monitors sind nicht allein eine Erhebung der Stimmung der Menschen im Freistaat, sie sind auch zugleich eine Notengebung für die Politik, und zwar für die Politik nicht nur der aktuellen Landesregierung – da muss ich auch wirklich fair sein, denn Sie können noch am wenigsten für diese Einstellungen, die dort abgetestet werden –, sondern für die Politik der letzten Landesregierungen, denn, was der Thüringen-Monitor abfragt, sind, wie ich das gerade schon erklärte, dauerhafte Einstellungen.
Man muss sagen, das Klassenziel ist für die etablierte Politik nicht erreicht worden. Das bescheinigt und quittiert der Thüringen-Monitor. Die Fakten sind nämlich ernüchternd, wenn man die Fakten jetzt mal rausliest. Bereits im Jahr 2012 hat sich der Thüringen-Monitor mit dem Rechtsextremismus intensiv beschäftigt und rechtsextreme Einstellungen sind in Thüringen präsent. Ja, das stimmt. Das Problem ist: Warum sind diese rechtsextremen Einstellungen messbar? Warum sind sie präsent? Man muss an die Ursache gehen. Man muss davon weggehen, immer die Symptome im Blick zu haben. Ich habe im letzten Plenum den Antrag der CDU-Fraktion kritisiert, als ich darauf hinwies, dass ein Antrag, der ein gutes Ziel hat, nämlich die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor Islamismus zu schützen, in seinem Verlangen, in seinem Wollen, in dem, was er einfordert, eben nur ein Kurieren an Symptomen ist. Wenn Sie sagen, wir brauchen mehr Betreuungsangebote, wir brauchen mehr Beratungsstellen für Islamisten und Familienangehörige, dann sind Sie auf der Ebene des Kurierens an Symptomen. Die AfD ist auch hier in diesem Parlament, weil wir sagen, wir dürfen nicht weitermachen im Kurieren an Symptomen, sondern wir müssen an die Ursachen gehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
oder sind der Ausfluss dessen, dass den Bürgern in diesem Lande keine Möglichkeiten offenstehen, um Einfluss zu nehmen, und deswegen werden sie für extreme Ideen anfällig und sie beginnen, andere Menschen und Gruppen auszugrenzen. Doch was lernt die Landespolitik daraus? Beteiligt sie die Menschen stärker an der politischen Ausgestal
tung? Nein, sie tut es noch nicht – im Gegenteil. Der Thüringen-Monitor verdeutlicht, dass die Menschen die Demokratie als Herrschaftsform – die Demokratie ist keine Staatsform, sondern eine Herrschaftsform – unterstützen. Er zeigt aber auch, dass knapp 40 Prozent die demokratische Praxis hier im Land und vor Ort kritisieren. Die Demokratie wird unterstützt. Die Menschen wollen und stehen zu Demokratie, aber die Praxis wird kritisiert.
Wenn Sie sagen, na gut, 40 Prozent sind unzufrieden und das ist ja ein geringer Wert und das ist vielleicht der beste Wert, den wir seit vielen Jahren im Thüringen-Monitor haben und sich jetzt auf die Schulter klopfen, dann sollten Sie das vielleicht noch einmal überdenken. Denn denken Sie bitte auch an die 50 Prozent Nichtwähler. Es sind Sie und es waren Sie, gerade nach der letzten Landtagswahl, die entsprechend öffentlichkeitswirksam hier große Krokodilstränen absonderten und die niedrige Wahlbeteiligung betrauerten.
Die Zahlen, die wir im Thüringen-Monitor haben, sind ein Ergebnis der Regierungspolitik der letzten Legislaturperioden und es ist egal – das möchte ich betonen –, ob es jetzt rote, tiefgrüne, grüne oder schwarze Parteien sind, die für diese Regierungspolitik verantwortlich sind. Die Erhebung zeigt, dass gerade einmal 7 Prozent der Thüringer mit der Landesregierung voll und ganz einverstanden sind. Nur 7 Prozent vertrauen der Landesregierung als Institution. Jetzt sind wir beim Thema „Institutionsvertrauen“ und das ist doch ein deutlicher Indikator dafür, dass hier einiges im Argen liegt.
Schauen wir mal auf die Zahlen. Es gibt eine ausgeprägte Feindlichkeit gegen Muslime. 47 Prozent sehen die Muslime kritisch und wir müssen uns dabei noch vor Augen halten – die Vorredner wiesen auch darauf hin –, dass diese Zahlen noch vor den furchtbaren Terroranschlägen von Paris erhoben worden sind. Darüber hinaus herrscht eine latente Abneigung gegenüber Asylbewerbern. 45 Prozent haben Probleme mit dieser Bevölkerungsgruppe, insgesamt 35 Prozent der Menschen schreibt der Thüringen-Monitor eine ausländerfeindliche Haltung zu.
Er gibt auch Auskunft, warum die Menschen im Freistaat Fremden gegenüber eine ablehnende Haltung einnehmen. 48 Prozent sehen die Gefahr einer Überfremdung, Herr Dittes, Frau König.
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Allein der Gedanke, dass Menschen zu Überfrem- dung beitragen, ist das Skandalöse!)
zen. So viel zu den Meinungen. Und was da dran ist, ist etwas ganz anderes. Das steht gar nicht zur Debatte. Das sind das Gefühl und die Meinung der Menschen. Die Frage, die wir uns jetzt stellen müssen, nicht nur Sie als Regierungspartei oder als Regierungsfraktion, sondern natürlich auch wir als Opposition, ist: Was machen wir damit? Wie ist das Fazit, das wir aus diesen Erhebungen, aus diesen entsprechenden Ergebnissen ziehen? Ich sage ganz deutlich: Das Fazit darf nicht das Fazit von Ideologen sein, aber das befürchte ich, dass das so sein wird, sondern das Fazit muss das Fazit des gesunden Menschenverstands sein.