6.440 Dienstposten. Von diesen Dienstposten sind laut einer Kleinen Anfrage des Kollegen Henke vom 17.11.2016 534 Posten im Vollzug nicht besetzt. Wenn man sich jetzt noch vor Augen führt, dass von der gegenwärtigen Einstellungszahl von 155 Anwärtern 25 Prozent die Ausbildung gar nicht abschließen usw., wird unsere Polizei über kurz oder lang in die Knie gehen. Auf die besorgniserregende Nachwuchsgewinnung, den späten Einstellungstermin – das ist für manche fachtechnisch –, die mangelnde Attraktivität und die magere Beförderungsquote will ich hier gar nicht groß eingehen, meine Damen und Herren.
Um die Situation bei der Polizei nicht noch weiter zu verschlechtern und insbesondere auch, um die innere Sicherheit nicht weiter zu gefährden, fordert meine Fraktion die Umsetzung eines Sofortprogramms, um wenigstens Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Wesentliche Punkte des Sofortprogramms sind: Zur Verbesserung der Personalsituation sind in den nächsten drei Jahren jeweils 255 Anwärter auszubilden. Das heißt, die 155 der Landesregierung plus 100 extra zum Beispiel mittels einer Ausbildungshundertschaft. Die Anzahl, die wir jetzt genannt haben, ist organisatorisch und finanziell machbar – entgegen den Aussagen, die der Innenminister gemacht hat. Wer immer diese Ausbildungshundertschaft nach wie vor so hinstellt, als ob das ein Unding wäre, der hat null Ahnung von Polizei – null Ahnung von Polizei! Es ist ein gängiges Mittel, was es in der Polizei schon immer gab und gibt, auch in Thüringen. Wenn wir die Kapazitäten in Meiningen nicht haben – wir können sie auch in Gotha schaffen. Das ist mir vollkommen egal. Aber wir müssen endlich mal etwas machen: Nachwuchsgewinnung, Optimierung des Einstellungsverfahrens, Steigerung der Attraktivität des Polizeidienstes, Beförderungen.
Meine Damen und Herren, ich will gar nicht wieder mit den 5 oder 10 Prozent anfangen. Das Eingangsamt ist eine A 7 und das sind circa – nur um mal eine Zahl zu nennen – 2.200 Euro brutto für einen Polizisten, der jeden Tag seinen Kopf hinhält und hier für uns, für die Bürgerinnen und Bürger ins Rennen geht. Das muss angegangen werden. Hier muss das Einstiegsamt auf die A 8 erhöht werden. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Wenn wir konkurrieren – wir konkurrieren ja mittlerweile mit allen Ländern, das vergessen viele –, ist es deswegen unabdingbar, dass das passiert.
Die Verbesserung der technischen Ausstattung erfolgt nur ansatzweise. Es fehlen immer noch zahlreiche Schutzwesten, Helme und Waffen. Es ist ein guter Anfang gemacht worden, aber es war auch notwendig, die Dinger nach über 10 Jahren mal auszutauschen. Aber ein guter Anfang ist besser als gar nichts.
Ich habe niemals die Absicht, hier was schönzureden. Ich gebe mir jedenfalls Mühe, es nicht zu machen, sondern ich will darauf hinweisen, was hier in dem Land los ist. Es fehlen immer noch die Schutzwesten. Erinnern Sie sich an die Diskussion, wo es um die Schutzklasse 4 ging. Es ging gar nicht um die normalen Westen, es ging um die Schutzklasse 4 und die Helme. Da ist dankenswerterweise etwas passiert. Das wird auch nicht schlechtgeredet. Aber das immer alles den anderen anzuhängen – oh, oh, da sollte man in allen Ressorts mal ein bisschen näher hingucken.
Aufgabenkritik zur Entlastung der Polizei: Objektschutz, Schwerlasttransporte, Überprüfung von Blitzerfotos usw. Da kann man viele Dinge rausnehmen. Das wissen wir auch schon lange, man muss es nur endlich mal machen.
Neben dem Sofortprogramm sind auch die Befugnisse der Sicherheitsbehörden zu erweitern und der geänderten Sicherheitslage anzupassen. Insbesondere sind die technischen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Überwachung verschlüsselter Kommunikation zu schaffen. Es kann nicht sein, dass die Täter, Gefährder etc. ein ganzes Stück vorweg sind und die Sicherheitsbehörden nicht nachkommen. Dem Verfassungsschutz die Befugnis zur Onlinedurchsuchung einzuräumen ist unabdingbar, da kann man noch lange drum herumreden. Dittes und Hasse werden da vieles finden, dass das ja nicht geht. Die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen ist auszuweiten. Es hat doch niemand gesagt, wir wollen was Ungesetzliches. Wir wollen das machen, was notwendig ist, und da werden einzelne Bereiche – warum geht das denn beim Bund oder warum geht das bei Nahverkehrsgesellschaften? Bei bestimmten Bereichen muss man auf so etwas zurückgreifen. Das bringt zwar nicht den Täter – das wissen wir wohl –, aber es bringt am Ende eine bessere Nachvollziehbarkeit der ganzen Geschichte.
Ich will noch eines sagen, meine Damen und Herren, auch an den grünen Justiz- bzw. Migrationsminister, den ich heute noch gar nicht gesehen habe – oder habe ich ihn schon gesehen? Vielleicht hört er irgendwo zu, wäre ja schön. Er muss hier mitziehen zum Beispiel auch bei der Frage von Abschiebungen, da muss er mitziehen und nicht immer dieser Schöngeist und das Schönreden, wenn ich an Frau Berninger, Frau König und Adams und folgende – ich wollte nicht die Frau Peinlich nennen – denke. Das will ich einfach nur sagen.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das vergessen Sie ja im- mer wieder. Was für ein Zufall!)
Meine Damen und Herren, Thüringen bildet die rote Laterne bei Abschiebungen. Das ist einfach so. Ja, da freut sich Frau Berninger, das ist mir klar.
Aber das kostet das Geld der Bürger, wenn Leute hierbleiben, die keinen entsprechenden Status haben.
Ob Ihnen das passt oder nicht passt, es ist mittlerweile Usus und im Bund haben sie es längst erkannt, wenn ich an Kollegen Schneider von der SPD und andere denke, die haben das längst erkannt – Oppermann und Co. –, dass die Uhr sich hier nicht mehr zurückdrehen lässt. Wir müssen jetzt fordern. Deswegen, meine Damen und Herren, muss ich hier noch einige Worte zur Evaluierung der PSR verlieren. Wir hatten dazu ein Treffen mit Prof. Baldus. Über 3 Stunden haben wir mit ihm im Arbeitskreis gesprochen und haben uns ernsthaft versucht mit der Thematik, sprich also neuer Überprüfung der Polizei etc. – Wir waren deswegen gestern noch mal in der LPD-Landeseinsatzzentrale und haben uns dort berichten lassen. Meine Damen und Herren, ich empfehle dem Minister noch mal und wir führen ihn auch gern dorthin, dass er endlich mal in seine wichtigsten Einrichtungen geht. Eine davon ist die Landeseinsatzzentrale. Gegen andere Aussagen, die auch hier vom Pult gemacht wurden, ist uns noch mal bestätigt worden, die Landeseinsatzzentrale läuft mittlerweile seit 2015 so gut, dass es kaum noch Mängel gibt. Es gibt immer mal da und dort was, aber es funktioniert. Es funktioniert, und nicht wie es dargestellt wurde.
(Zwischenruf Dr. Poppenhäger, Minister für Inneres und Kommunales: Ich habe dazu gar nichts gesagt!)
Das macht doch nichts, aber das haben die Vorhergehenden gesagt. Wenn ich schon das und jenes angeblich vergessen habe, will ich das doch wenigstens noch mal sagen.
Herr Prof. Baldus ist einmal ganz kurz dort gewesen und hat sich ganz kurz mal unterhalten – ich will die Zeit gar nicht nennen –, alles geht nur über Fragebögen etc. Dort haben wir ein Instrumentarium, was wir gemeinsam geschaffen haben. Landeseinsatzzentrale – die führen übergreifend Lagen im Land, wo vor Ort nicht mehr eine LPI das Ganze führen kann. Das ist hervorragend und muss so bleiben. Deswegen, meine Damen und Herren, wir haben uns das dort alles noch mal erklären lassen, was dort los ist. Wir müssen aufpassen, dass wir das nicht ohne Not, nur weil eine neue Regierung dran ist, schon wieder überprüfen. Die LEZ hat 2013 angefangen, so richtig ins Rennen zu gehen. Ich sage mal, so 2014/Übergang 2015 war sie so weit, dass sie die Kinderkrankheiten ausgemerzt hatten. Mittlerweile kommen andere Länder zu uns und sagen: Wie geht das denn so gut bei euch? Aber auch dort muss Personal hin, gehobener, höherer Dienst fehlt dort. Deswegen, meine Damen und Herren, ist das notwendig.
Die Unruhe in der Polizei ist groß genug. Die haben früh, mittags und abends genug zu tun, da muss ich nicht schon wieder mit einer neuen Strukturreform kommen.
Meine Damen und Herren, Thema „Abhöraffäre“: Ich will noch mal darauf eingehen und es möge mir keiner sagen, das hat nichts mit innerer Sicherheit zu tun. Wir erinnern uns alle sicher noch an das Sonderplenum von Rot-Rot-Grün im letzten Jahr. Wir erinnern uns hoffentlich noch daran – Sie wollen es vielleicht nicht mehr hören –, inklusive der reflexartigen vorverurteilenden Schuldzuweisungen insbesondere aus den Reihen der Linken und Grünen, aber auch insbesondere Frau Hennig-Wellsow, Herr Dittes und andere – ich könnte noch viele nennen. Aber auch der oberste Datenschützer und seine bessere Hälfte in der SPD-Fraktion waren schnell mit ihrer Kritik und Vorverurteilung.
Ausdrücklich danken möchte ich Herrn Dr. SchmittWellbrock für seine Arbeit, die am Ende ganz klar gezeigt hat
da kann man ruhig mal klopfen, auch die anderen, denn der hat für alle gearbeitet –, dass unsere Polizei und die damalige Hausleitung zu Unrecht von Rot-Rot-Grün kriminalisiert wurde, übrigens
nicht nur die damalige, auch die jetzige. Das haben dabei wahrscheinlich viele vergessen. Wie wäre es jetzt mit einem Wort der Entschuldigung oder zumindest einer öffentlichen Stellungnahme, dass man damals überreagiert hat? Ich kann davon bislang nichts erkennen. Meine Damen und Herren, Fakt ist: Die Aufklärung, die von meiner Fraktion maßgeblich gefordert und vorangetrieben wurde, hat ergeben, dass unsere Polizei kein Hort von Missbrauch ist. Wer aber dieses Bild unserer Sicherheitsbehörden aufbaut, verunsichert nicht nur die Truppe, sondern auch die Bürger, deren Vertrauen die Polizei braucht. Selbst der Ministerpräsident hat von Stasi-Methoden getwittert. Es gibt ja Leute, die können ohne die kleinen Buchstaben nicht leben. Man sollte vielleicht vorher überlegen und sich ein paar Informationen holen, bevor man so was äußert. Das erinnert mich an den Herren, der so weit weg von hier irgendwo tätig ist.
Meine Damen und Herren, ich sage es noch mal: Der Innenminister – aus meiner Sicht – grob fahrlässig. Daher fordere ich die Koalition auf, mindestens der Aufstockung der Polizei um 255, wie wir gefordert haben, zuzustimmen. Wir haben die 300, Frau Finanzministerin, ausdrücklich nicht gefordert, weil wir die Tatsache, was man wirklich leisten kann, im Blick behalten haben. Darüber haben wir ausdrücklich mit den Gewerkschaften geredet, dabei ist die Zahl 255 herausgekommen. Wenn Sie mal wieder in Ruhe mit Ihrem Innenminister bei einem Glas sowieso reden – es kann ja ruhig eine Schorle sein oder etwas Ähnliches –, dann sollten Sie sich das mal erläutern lassen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Aufstockung der Thüringer Polizei, wir brauchen mehr Anerkennung für unsere Thüringer Polizei, wir brauchen den Rückhalt der Polizei – deswegen dieses Ding hier, „Thüringer Polizei“, steht bei Bodo Ramelow auf dem Schreibtisch. Da es beim Innenminister bestimmt nicht steht, werde ich es ihm schenken, damit er weiß, was seine Polizei alles leistet, und sich noch mehr für sie einsetzt. Danke.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch ich möchte ganz herzlich die Vertreter der Polizeigewerkschaften hier begrüßen. Wir nehmen die sehr wichtige Arbeit der Polizei und der Sicherheitsbehörden hier in Thüringen sehr ernst. Wir unterstützen sie auch nach unseren Möglichkeiten und wir nehmen auch die drohenden Gefahren für Bürgerinnen und Bürger in Thüringen sehr ernst.
Wir bemühen uns deswegen hier auch wirklich um Lösungen, die aber auch echte Lösungen sind und nicht nur Scheinlösungen.
Herr Abgeordneter Fiedler, es ist natürlich immer auch viel Herzblut dabei – das finde ich ja auch schön –, aber man muss doch bei den Fakten bleiben. Es sind viele Zahlen genannt worden, die einfach so nicht stimmen. Natürlich ist es tatsächlich ein Problem, dass wir sehr viele Altersabgänge in der Thüringer Polizei haben und es immer schwieriger wird, die auszugleichen. Aber dass wir in diesem Jahr nur etwa 50 oder 60 Polizeianwärter übernommen hätten, ist schlicht falsch. Es waren 111.
Es waren 111, sagt uns der Innenminister. Er hat ja die Urkunden ausgehändigt. Es gibt jetzt noch einige Nachprüfungen.
Es gibt noch zwei Nachprüfungen – 113 sagt der Minister gerade. Natürlich bleibt immer noch ein Defizit und es ist in der Tat ein Problem. Ich möchte gleich am Anfang überhaupt keinen Zweifel daran lassen, daran arbeiten wir. Auch ich werde mich massiv dafür einsetzen, dass wir die einzustellenden Anwärterzahlen im nächsten Haushalt erhöhen können.
Das wird keine einfache Debatte, weil wir auch bestimmte haushalterische Grundregeln und Maßregeln einzuhalten haben, auf die wir uns hier gemeinsam im Landtag – auch in der alten Koalition – geeinigt haben. Da muss man in der Tat Prioritäten setzen. Ich weiß, dass auch andere Häuser wichtige Aufgaben zu stemmen haben. Trotzdem müssen wir hier aktiver werden als bisher. Dafür werde ich mich auch gern einsetzen.