Danke schön, Herr Henke. Bevor ich jetzt der Landesregierung das Wort erteile, möchte ich doch noch mal darum bitten: Jeder hat hier seine bestimmten persönlichen Auffassungen und jeder ist da unterschiedlich emotional aufgewühlt, ich kann das in der Sache alles nachvollziehen, ich bitte doch aber um etwas Mäßigung in der Debatte nachher. Jetzt geht es um Sicherheitspolitik und jetzt freue ich mich, dass der Innenminister für die Landesregierung einen Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags der Fraktion der CDU gibt. Herr Innenminister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Anschlag von Berlin, die Ereignisse am Frankfurter Flughafen, in München, in Würzburg, in Ansbach, aber auch die verhinderten Anschläge der Sauerland-Gruppe, die rechtzeitige Festnahme potenzieller Attentäter in Düsseldorf und Bochum oder durch glückliche Umstände erfolglose Anschlagsversuche wie am Hauptbahnhof in Bonn führen uns vor Augen, dass Terrorismus kein Ereignis außerhalb Deutschlands ist. Lange Zeit konnten wir uns in Deutschland nach dem Ende des RAF-Terrorismus und dem Terror des NSU in der vermeintlichen Sicherheit wähnen, Anschläge würden uns nur in den Nachrichten begegnen. Diese Annahme war stets trügerisch. Heute ist sie falsch. Aber Angst war und ist ebenfalls kein gu
ter Ratgeber. Die Bundeskanzlerin – und dies ist mir im Kontext der heutigen Landtagsberatung wichtig –, die CDU-Vorsitzende, Frau Dr. Merkel, sagte zutreffend nach dem Berliner Anschlag, unser Ziel ist Sicherheit in Freiheit. Wir sollten einen freiheitlichen Staat, einen offenen Staat erhalten. Die Bürger selbst, die gesamte gut meinende Gesellschaft sei jetzt gefragt. Es ist vielleicht auch wieder an der Zeit, wo man deutlich zeigen muss, wofür wir stehen.
Die CDU-Fraktion hat diese Sondersitzung zum Thema „innere Sicherheit“ beantragt, obwohl alle Vorschläge der CDU auch in den kommenden drei Tagen hätten diskutiert werden können.
Deshalb gestatten Sie mir die deutliche Feststellung: Weder Aktionismus noch parteipolitische Instrumentalisierung der Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger in unserem Freistaat sind angemessen.
Im Gegenteil: In Zeiten wie diesen bedarf es Besonnenheit, klaren Kurses, eines Kompasses, den ich mit „Sicherheit in Freiheit“ bereits benannt habe. Entgegen dem Bild, das die Opposition in der Öffentlichkeit zeichnet, stelle ich hier mit allem Nachdruck fest: Unsere Sicherheitsorgane leisten eine hervorragende Arbeit. Unsere Bediensteten – sei es in der Justiz, im Verfassungsschutz oder der Polizei – geben tagtäglich ihr Bestes, um unseren Bürgerinnen und Bürgern ein Leben in Sicherheit und Freiheit zu gewährleisten.
Dies sollte jeder verantwortliche Politiker in diesem Land sich und anderen verdeutlichen. Das heißt, gelegentlich eben auch mal den Oppositionsreflex auszuschalten, Herr Mohring.
In Thüringen wird es keine Angsträume geben, weder in der realen Welt noch in den sozialen Netzwerken. Als Innenminister stehe ich mit dieser Landesregierung jeden Tag dafür ein, dass die öffentliche Sicherheit und die innere Sicherheit unseres Landes gewahrt und verbessert werden, dass unsere Sicherheitsorgane die für ihre Arbeit notwendige Ausstattung erhalten, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verbessert werden und die gesellschaftlichen Netzwerke, die für Prävention von Terror und Kriminalität unverzichtbar sind. Ich stehe für eine Sicherheitspolitik, welche den Schutz der Freiheit für alle, weil Sicherheit für den Einzelnen,
zum Gegenstand hat. Wie diese Freiheit und innere Sicherheit in Balance zu bringen sind, darüber haben wir zu sprechen und da erwarte ich von einer verantwortungsbewussten Opposition auch Vorschläge, die mehr sind als die Sammlung parteipolitischer Evergreens. Ich sage dies deshalb, da in Zeiten wie diesen die konservativen Parteien reflexartig nach Gesetzesverschärfungen rufen. Das ist zunächst nicht mehr als Aktionismus.
Diese Koalition und ich als ihr Innenminister stehen für einen starken, einen handlungsfähigen, einen selbstbewussten Staat, der das Gewaltmonopol verteidigt und die Bürgerrechte bewahrt. Die Terroristen haben ihr Ziel dann erreicht, wenn wir unsere Freiheit einschränken. Ich glaube, das ist ein Allgemeingut. Der Preis der Freiheit besteht darin, dass eine offene Gesellschaft keine hundertprozentige Sicherheit garantieren kann. Doch gerade die Thüringerinnen und Thüringer wissen den Preis der freien Gesellschaft zu bewerten. Ein absoluter Staat und fehlende Freiheitsrechte, diese Zeiten haben wir 1989 hinter uns gelassen.
Sicherheit kann nicht mit einer einseitigen Stärkung des Staats erreicht werden. Nur durch das Zusammenwirken von Prävention, der Stärkung des inneren Zusammenhalts der Gesellschaft und der Arbeit aller Sicherheitsbehörden, der Staatsanwaltschaften, aber auch der Gerichte entsteht das hohe Maß an Sicherheit, das wir benötigen bei weitestmöglichem Erhalt der persönlichen Freiheit, derer wir genauso bedürfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, werfen wir einen Blick auf die tatsächliche Sicherheitslage in Thüringen. Den Sicherheitsbehörden im Freistaat liegen gegenwärtig keine konkreten Hinweise auf die Vorbereitung terroristischer Gewalttaten vor. Gleichwohl besteht für den Bereich des islamistischen Terrorismus weiterhin eine hohe abstrakte Gefährdung für die Sicherheitslage in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Darauf habe ich auch mehrfach in diesem Landtag hingewiesen. Islamistisch motivierte terroristische Anschläge in Deutschland oder gegen deutsche Interessen im Ausland sind jederzeit möglich. Allein auf die Gefahr des islamistischen Terrorismus zu schauen, wäre jedoch falsch. Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Nationalsozialistischen Untergrund, aber auch der zunehmenden gewaltsamen und gewalttätigen Vorfälle von sogenannten Reichsbürgern in Reuden in Sachsen-Anhalt oder in Georgensgmünd in Bayern, bei denen Polizeibeamte zum Teil schwer verletzt wurden und ein Beamter getötet worden ist, zeigen uns die Gefahr von rechtsterroristischen Anschlägen.
Unsere Welt ist eben nicht – wie es Vertreter der AfD so häufig versuchen – in die Welt der Bösen von da draußen und die der Guten hier drinnen einzuteilen. Wir müssen uns vielmehr gemeinsam im In- und Ausland gegen Extremisten positionieren.
Gerade auch mit Blick auf die sogenannten Reichsbürger ist es wichtig, über ein strenges Waffenrecht Gefährdung an Leib und Leben für unsere Bürgerinnen und Bürger, aber auch unsere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten und andere Bedienstete des Landes zu verhindern. Ich werde an späterer Stelle darauf zurückkommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDUFraktion fordert unter anderem eine Stärkung der Polizei mit dem Ziel, dem gegenwärtig gestiegenen Bedarf an Vollzugsbeamten gerecht zu werden und die bestehenden Personaldefizite auszugleichen – so das Zitat aus ihrem Antrag.
Hierzu stelle ich fest: Die CDU-Fraktion kritisiert eine Personalausstattung der Thüringer Polizei, für die CDU-Innenminister 10 Jahre lang die Verantwortung getragen haben.
Die CDU-Fraktion übernimmt hier den leicht durchschaubaren Versuch, die Untätigkeit vergangener Zeiten sowie den Stellenabbaupfad früherer Landesregierungen der jetzigen Landesregierung anzulasten.
Hier wird aus Aktionismus Unehrlichkeit in der politischen Debatte. Ich möchte die CDU-Fraktion an dieser Stelle auf den Widerspruch hinweisen zwischen ihrer heutigen Forderung, mehr Stellen bei den Sicherheitsorganen zu schaffen und ihrer Forderung, die Landesregierung solle den Stellenabbau radikal beschleunigen und verschärfen. Dem Anspruch stringenter Politik muss sich auch die Opposition stellen.
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Die Koali- tion aber auch! Das kannst du mit deinen lin- ken Brüdern klären!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, handlungsfähige Sicherheitsorgane benötigen eine gute Führung. Als Innenminister kann ich sagen, dass wesentliche Führungsdienstposten zu Beginn meiner Dienstzeit nicht besetzt waren. Diesen unhaltbaren Zustand, der übrigens auch ein Sicherheitsrisiko darstellt, habe ich beendet.
Die wesentlichen Führungsdienstposten sind heute stabil besetzt. Darüber hinaus habe ich dafür Sorge getragen, dass eine Vielzahl vakanter Spitzenpositionen in der Thüringer Polizei besetzt wurde. Neben dem Präsidenten der Landespolizeidirektion und des Landeskriminalamts Thüringen wurden fünf LPI-Leiter – in Erfurt, in Gotha, in Jena, in Nordhausen und in Saalfeld –, der Leiter der Autobahnpolizeiinspektion, der Fachbereichsleiter Polizei der Verwaltungsfachhochschule besetzt und als eine der letzten Besetzungen die erste weibliche Behördenleiterin in der Thüringer Polizei als Leiterin der Bereitschaftspolizei in eine Leitungsfunktion gebracht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist das Gegenteil von Aktionismus und Parteipolitik. Das ist wirksame Sicherheitspolitik.
Allein in der Zeit von 2004 bis zum Regierungswechsel 2014 reduzierte sich die Anzahl der Bediensteten in der Thüringer Polizei von 7815 auf 7148. Dies sind fast 700 Stellen im Bereich der inneren Sicherheit. In diesem Rückgang ist der Verlust von 411 Polizeivollzugsbeamten für die Thüringer Polizei inbegriffen. Um Ihnen diese Zahl etwas näherzubringen, möchte ich einen Vergleich heranziehen. Die Reduzierung von 411 Polizeivollzugsbeamten – Herr Mohring, da können Sie lachen – entspricht in etwa dem Gesamtpersonalbestand der Erfurter Inspektionsdienste Nord und Süd, die zusammen über 420 Dienstposten verfügen. Diese Beamten fehlen uns heute. Gute Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte wachsen eben nicht an den Bäumen, sondern benötigen Zeit für eine gute und solide Ausbildung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die amtierende Landesregierung hat von Beginn an die Problemfelder der Personalausstattung der Sicherheitsbehörden erkannt und folgerichtig Schritte zur Problemlösung eingeleitet, um den Gesamtpersonalbestand der Thüringer Polizei zu halten und weitere Reduzierungen zu vermeiden. So wurden die Ausbildungskapazitäten an den Bildungseinrichtungen der Thüringer Polizei in Meiningen erhöht. In den Jahren 2015 und 2016 wurden wieder zu
sätzliche 30 Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter eingestellt. Das ergibt eine Gesamtzahl von 155 Polizeianwärtern. Dies setzen wir 2017 fort. In den Haushaltsverhandlungen für den Doppelhaushalt 2018/2019 werde ich mich dafür einsetzen, die Zahl der Anwärtereinstellungen deutlich über das seit 2015 bestehende Niveau hinaus zu heben.
Die CDU-Fraktion fordert eine Ausbildungshundertschaft bei der Polizei. Ich sage dazu: Nicht alles, was sich bei Twitter auf 140 Seiten gut verkaufen lässt, ist auch eine sicherheitspolitische Maßnahme.
Statt dieser aktionistischen Forderung stelle ich in Übereinstimmung mit denjenigen, die tatsächliche Kenntnis von der Materie haben, fest: Die Ausbildungskapazitäten am Standort der polizeilichen Bildungseinrichtungen sind für bis zu 200 Polizeianwärter ausreichend. Selbst bei einer weiteren Erhöhung der Anwärterzahlen besteht überhaupt kein Erfordernis für eine sogenannte Ausbildungshundertschaft. Staatssekretär Udo Götze hatte bereits im Plenum am 11. November 2016 über diesen Sachverhalt berichtet. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie daraus Schlussfolgerungen gezogen hätten. Ihr Schnellschuss zeigt das Gegenteil.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass sich die gegenwärtige modulare Ausbildung insbesondere in Bezug auf qualitätssichernde Elemente der Polizeiausbildung bewährt hat. Gerade die modularen Ausbildungsinhalte in den Vorbereitungslehrgängen zum mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst stellen besondere Anforderungen an personelle und materielle Ressourcen, die an den Standorten der Bereitschaftspolizei in Erfurt und Rudolstadt nicht gegeben sind. Daher kann die Bereitschaftspolizei dem Bedarf eines modernen und umfänglichen Vorbereitungsdiensts nicht genügen. Wir wollen eine moderne, leistungsfähige Polizeiausbildung, die den zukünftigen Herausforderungen gewachsen ist. Die gegenwärtige Ausbildung gewährleistet das. Sie ist ein Garant für den Erhalt von qualifizierten Polizeivollzugsbeamten für den Freistaat Thüringen. Die hohen Qualitätsansprüche, die wir an die Polizeiausbildung stellen, sind freilich nur eine Seite der Medaille. Die Gewinnung von geeignetem Polizeinachwuchs ist die andere Seite und nicht minder wichtig. Die Thüringer Polizei steht bei der Gewinnung von geeigneten Bewerbern im direkten Wettbewerb mit den Polizeibehörden der anderen Länder und des Bundes. Insofern müssen Standortvorteile klar herausgehoben, transparent und offensiv dargestellt werden.