Protokoll der Sitzung vom 24.02.2017

(Beifall CDU)

Also wenn Sie unter Initiativen reine populistische Veranstaltungen wie Anfragen oder hier mal im Plenum reden verstehen...

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Gar nichts kommt von Ihnen, nur heiße Luft!)

Nur weil wir nicht alles öffentlich machen, was wir den ganzen Tag tun – dann tut es mir leid, aber Sie können mir gern auf Twitter folgen, dann würden Sie auch mehr verstehen, was wir tun. Natürlich begleiten wir zum Beispiel diese Drug-Checking-Projekte, um dort auch einen Verbraucher- und Gesundheitsschutz für die Konsumierenden zu erreichen. Vielen Dank.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Sie müssen hier arbeiten! Sie sind hier im Landtag!)

(Zwischenruf Abg. Kubitzki, DIE LINKE: Macht das der Stuhl auf dem Sie sitzen, Herr Zippel?)

Frau Abgeordnete Engel, ich möchte Sie noch einmal darauf aufmerksam machen, dass wir uns hier vereinbart haben, dass wir die Namen entsprechend nennen.

(Zuruf Abg. Engel, DIE LINKE: Ich habe doch „Frau Meißner“ gesagt!)

Nein, sie haben Bernd Höcke gesagt. Herr Höcke heißt Björn Höcke.

(Zuruf Abg. Engel, DIE LINKE: Das wusste ich nicht!)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Ja, ja! Aus- reden, Ausreden!)

Ich will das nur noch einmal sagen. Also wir werden das demnächst auch entsprechend von hier ahnden. Wir haben uns darauf verständigt, auch im Ältestenrat haben wir darüber gesprochen. Ich will das nur noch einmal hier ganz deutlich sagen. Als nächste Rednerin hat Frau Abgeordnete Herold das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, für die ermahnenden Worte an eine der anwesenden Kollegen Abge

ordneten. Ich hoffe, dass Sie diese Linie jetzt auch durchziehen. Ich wünsche mir das.

Ich danke vor allem den Vorrednerinnen Frau Meißner und Frau Pelke für ihren Hinweis darauf, dass Sie unseren in Ihren Augen überflüssigen Antrag natürlich ablehnen werden. Ich muss dazu sagen, wir werden natürlich aus rein formalen Gründen nur unseren Antrag unterstützen und aus rein formalen Gründen den Antrag der CDU ablehnen. Wir werden allerdings im Ausschuss zum Antrag der CDU unsere Beiträge leisten, weil das Thema einfach zu ernst ist.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenn es Ihnen ernst ist, müssen Sie der Überweisung zustimmen!)

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD)

Ja, Frau Pelke, gackern Sie fertig und hören Sie mir bitte zu!

Das Thema ist zu ernst, um hier irgendwelche Lagerkämpfe zu führen. Ich frage mich auch, wenn ich beobachte, wie die CDU sich hier dem links-rot-grüne Lager anbiedert, wie weit links die CDU noch rutschen möchte, bis sie endlich auf dem Schoß dieses rot-grünen Lagers landet.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auf Ihren Schoß will je- denfalls niemand!)

Ich finde das außerordentlich bedauerlich. Das Thema ist zu ernst und das Thema „Crystal Meth“ ist in den letzten Jahren in Thüringen so virulent geworden, dass man es einfach nicht mehr ignorieren kann. Schon vor mehreren Jahren – ich kann mich erinnern, das fing ungefähr am Ende des ersten Jahrzehnts an – traten in meinem beruflichen Umfeld vermehrt sehr viele junge Patienten auf, die massive Schäden an ihren Zähnen durch den ausufernden Gebrauch von Crystal Meth aufwiesen. Es wurden, anders als hier im Antrag, speziell vor allem junge Männer behandelt, oft aus prekären sozialen Verhältnissen, die sich ohne größere Anstrengungen, wie ich aus Befragungen entnehmen konnte, die einschlägigen Drogen zu sozial verträglichen Preisen besorgen konnten und ohne größeren Verfolgungsdruck fürchten zu müssen. An dem Milieu dieser jungen Männer hängen natürlich dann auch die entsprechenden jungen Frauen und die sind schwer gefährdet in diesen Freundschaftskreisen, Freizeitkreisen, in diesen Beziehungen, wenn sie schwanger werden und angefangen haben, diese wirklich bösartige und – ich muss es sagen – teuflische Droge zu konsumieren. Da hilft es auch nicht, wenn wir den einen Drogengebrauch gegen den anderen aufrechnen und sagen: Rauchen und Alkohol sind viel, viel schlimmer und treten viel, viel häufiger auf. Nikotingebrauch ist sicherlich für die

(Abg. Meißner)

Schwangerschaft auch nicht förderlich, einfach schon alleine aufgrund des mangelnden Sauerstoffangebots für den Fetus.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ganz bestimmt nicht!)

Auf der anderen Seite ist es an dieser Stelle wirklich kleinkariert, darauf zu verweisen, dass Rauchen so schrecklich ist. Ich habe noch nie einen Raucher erlebt, der im Nikotinrausch seine Familie ausgelöscht oder Selbstmord begangen hätte. Bei Drogengebrauchern kommt es leider viel zu häufig vor.

(Beifall AfD)

Hebammen, Ärzte und anderes Fachpersonal stehen seit Jahren vor den Herausforderungen des Umgangs mit diesen jungen werdenden Müttern, die drogensüchtig sind und Crystal Meth konsumieren. Sie haben sich notgedrungen oftmals im Selbststudium zu Experten für diese Problemlage herangebildet und wir sollten uns lagerübergreifend in diesem Haus hier einig darüber sein, dass die medizinische und therapeutische, sozialtherapeutische, psychologische Versorgung dieser betroffenen Frauen und ihrer hilflosen und sehr jungen Kinder absolute Priorität hat.

Der heute von der Landesregierung vorgelegte Bericht war zwar umfangreich, aber leider unvollständig, denn entgegen den Ankündigungen der Ministerin fehlen noch immer die Daten, wie viele drogengeschädigte Neugeborene es in Thüringen gibt. Die Nachbarländer Sachsen und Bayern melden seit Jahren steigende Fallzahlen. Das ist ein kleines Armutszeugnis für die Thüringer Drogenpolitik. Diese Drogenpolitik sollte auf drei Säulen fußen, die alle gleichermaßen wichtig sind. Als Erstes muss natürlich gerade an der vordersten Front im Bereich „Schwangere und Neugeborene“ die medizinische und psychologische Begleitung und Therapie im Vordergrund stehen. Vom Frauenarzt über die Hebamme bis zum Kinderarzt müssen die Angebote einfach präsent sein, die auch ganz einfach erreichbar sein müssen, und zwar schon, wenn bei der Erstuntersuchung in der Frauenarztpraxis die untersuchenden Gynäkologen auch nur den leisesten Anfangsverdacht haben, dass hier ein Drogengebrauch vorliegen könnte. Dazu sollte auch ein Beratungsangebot eingeschaltet werden, das es den Kollegen ermöglicht, sich einmal in Ruhe eine halbe Stunde Zeit zu nehmen, um mit den jungen Frauen über diese vermutete Problematik zu sprechen. Viele öffnen sich dann, wenn sie merken, dass da wirklich Interesse und auch Zeit vorhanden ist.

Auch meine Profession sollte darin eingebunden werden und ich erinnere mich an der Stelle immer gern an den in der DDR üblichen Schwangerenausweis. Darin war – über die Methodik kann man sicherlich streiten – fest vorgeschrieben, dass die

schwangere Mutter in den neun Monaten Schwangerschaft zwei zahnärztliche Untersuchungen absolvieren musste. Andernfalls gab es Abschläge bei dem nach der Geburt auszuzahlenden Geld. Ich halte das im Hinblick auf diese Problematik für eine ausgesprochen sinnvolle Methode.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist aber ein Zwang mit fi- nanziellen Mitteln!)

Man muss das nicht an Geld knüpfen, man muss das auch nicht an Zwang knüpfen, aber man sollte doch zumindest dieses Angebot machen. Es gibt diesen Hinweis, ich weiß das. Aber es fehlt mir an der Stelle einfach oft an Nachdruck, denn ich erlebe immer wieder, dass schwangere Frauen dann irgendwann auf die letzte Angst kommen, in den letzten drei, vier Wochen vor der Entbindung und sagen: Ich habe gedacht, vorher kann man sowieso nichts machen, weil ich ja schwanger bin. Ich habe dann immer meine liebe Not, ihnen zu erklären, dass es ganz wichtig und sinnvoll ist, dass man bereits im ersten Trimester zu einer zahnärztlichen Untersuchung geht. Auch da könnten wir bereits die gefährdeten oder die schon abhängigen jungen Mütter identifizieren, entsprechend aufklären und beraten.

Die zweite Säule der Suchtprävention „Information und Aufklärung“ habe ich damit schon angesprochen. Wichtig ist uns – und da bin ich mir erstaunlicherweise mit der sehr engagierten Vorrednerin vonseiten der Linken völlig einig – die Primärprävention. Da geht es darum zu gucken, warum die jungen Frauen dieses Zeug nehmen. Woher kommen sie? Was haben sie für Probleme? Worunter leiden sie? Ganz oft ist jede Art von Substanzmissbrauch einfach nur Selbstmedikation. Es ist oft der verzweifelte Versuch, sich in einer völlig misslichen seelischen, sozialen Notlage irgendwie zu helfen, aus einem depressiven Tief herauszukommen oder einfach das Gefühl zu genießen, gut drauf zu sein, weil man es aufgrund seiner persönlichen Situation auf andere Art und Weise einfach nicht erreichen kann. Hier ist die Gesellschaft gefordert, diese Kinder und Jugendlichen ganz früh zu identifizieren, zu unterstützen, zu beraten und aufzufangen. Wenn wir das systematisch machen würden, würden wir nicht mit der Sekundär- und Tertiärprävention so viel Zeit und Geld verbrauchen und oftmals dann nur vor den Trümmern dieser Biografien stehen und feststellen, dass die Abhängigen immer wieder in ihre Sucht zurückgleiten.

Zur Aufklärung gehört sicherlich die Sichtbarmachung der Folgen der Sucht: körperlicher Verfall, Zerstörung, Zahnschäden, Hautschäden, Gedächtnislücken. Es ist aber nicht damit getan, im Sinne von schwarzer Pädagogik Kindern und Jugendlichen immer nur schreckliche Bilder zu zeigen und

solche albernen Kampagnen wie auf den Zigarettenschachteln loszutreten, sondern die Probleme, die der Sucht zugrunde liegen, sind wirklich ernst zu nehmen und anzunehmen. Ein gutes Beispiel, glaube ich, ist an der Stelle die Benutzung sogenannter Testimonials, wo ehemalige Abhängige in die Jugendeinrichtungen, in die Schulen gehen und dort über ihre Erfahrungen berichten und auch vielleicht ins Gespräch mit den Jugendlichen über die Ursachen für ihre Abhängigkeit kommen, damit sich die Jugendlichen vielleicht darin wiedererkennen und rechtzeitig Rat und Hilfe suchen können. Dazu braucht es zum Beispiel auch ein ausgedehntes Netz von Schulpsychologen an den Schwerpunktschulen in den großen Städten, wo wir in den letzten Jahren auch immer wieder erleben mussten, dass gespart wird und dass die Stellen gestrichen werden und dass die Kinder und Jugendlichen mit ihren Problemen,

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Was er- zählen Sie denn hier? Das stimmt doch ein- fach nicht!)

die sie von zu Hause mitbringen, einfach allein gelassen werden.

Die dritte Säule der Drogenprävention ist im Antrag der CDU eben leider nicht zu finden. Dazu gehört das Verbot gefährlicher illegaler Drogen.

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Darum geht es doch!)

Was wir hier nicht brauchen, was wir ganz bestimmt nicht brauchen und was ich auch gestern schon angesprochen habe, wo ich den Verdacht habe, wir gleiten hier wieder in die parlamentarische Prokrastination,

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das Wort haben Sie gelernt!)

ist eine weitere Studie zu Suchtfolgen. Es ist hinlänglich bekannt – und wer medizinische Literatur lesen kann, der lese –: Jede Art von Substanzgebrauch schädigt das Gehirn des Neugeborenen. Das neuronale System ist hochgradig sensibel und anfällig und alles – auch der Alkohol, auch das Nikotin –, was die Plazentaschranke passiert, landet im neuronalen System.

Frau Abgeordnete Herold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tischner? – Nein.

Dort entstehen die Probleme für das Kind, die möglicherweise lebensbegleitend sind, weil organisch verankert und nicht wieder zu beheben. Natürlich müssen wir das alles in unsere Überlegungen einfließen lassen, aber wir brauchen keine weiteren

Studien zu Suchtfolgen. Wie gesagt, das ist alles bekannt und man kann das nachlesen.

Was uns ganz wichtig ist, ist im dritten Teil die Erwähnung der Sekundär- und Tertiärprävention, indem wir alles daran setzen müssen, den illegalen Drogenhandel zu unterbinden. Natürlich ist es sinnvoll, nicht die Konsumenten zu kriminalisieren, denn die sind das schwächste Glied in dieser Kette. Wir müssen an die Profite heran, wir müssen an die Händler heran, wir müssen an die Strukturen heran. Dafür darf eine halb offene Landesgrenze, die nur in eine Richtung offen ist, nämlich für illegale Drogen aus Polen, aus Tschechien, möglicherweise von weiter entfernt – aus Osteuropa oder auch aus Holland – keine Grenze sein, wenn es um länderübergreifende Zusammenarbeit mit der Polizei geht.

(Beifall AfD)