Protokoll der Sitzung vom 27.02.2015

(Abg. Henfling)

standen, das das Hohe Haus hier auch passiert hat, und ich finde es gut. Aber wir kennen auch die Aussagen von Dr. Schäfer, dem ehemaligen Bundesrichter. Man könnte jetzt alles stundenlang hoch- und runterdeklinieren. Wir haben zwei Minister. Wenn jemand meint, dass die Vorgängerregierung irgendwo Einfluss genommen hat, bitte schön, jetzt können doch die neuen Minister alles nachfragen. Sie können das doch in Auftrag geben – das erwarte ich einfach – in ihren eigenen Häusern.

Ich nehme mal das Beispiel Eisenach – ich erinnere mich noch daran, wie wir im Innenausschuss zigmal nachgefragt haben, wieso war die Feuerwehr eher da als die Polizei oder hat eher gelöscht usw., diese ganzen Dinge. Oder die unterschiedlichen Obduktionsberichte, die es gab. Die hat nicht irgendjemand gemacht, der das nicht wollte, sondern das sind ausgewiesene Fachleute. Das kann man doch alles, wenn dort noch Fehler vermutet werden, wohl von Amts wegen weiter klären. Ich stelle mir die Frage: Muss das ein Parlament machen? Ich erwarte schon von der Regierung, dass sie diese Dinge im Rahmen ihrer Möglichkeiten nachvollzieht und versucht, diese Dinge abzuklären. Verfassungsschutz haben wir – denke ich mal – zumindest auf einen guten Weg gebracht. Ich setze aber gleich in Klammern: Die linke Seite des Hauses will den nach wie vor abschaffen. Das muss man nur im Hinterkopf behalten, was dort dabei ist. Ich denke, wir sollten ganz genau hinschauen, was wir hier eigentlich wollen. Wir haben den Verfassungsschutz betrachtet, wir haben die Polizei betrachtet. Auch da, wenn es dort noch weiteren Nachholbedarf gibt, dass das untereinander, miteinander verbessert werden kann, denke ich, sind die zuständigen Minister ganz klar dafür zuständig. Das erwarte ich einfach, wenn es da noch Fehler gibt. Da gibt es gar keine Frage, Fehler können passieren und die müssen ausgemerzt werden. Oder wenn ich in Richtung Justiz schaue, meine Damen und Herren: Ich bin nun nicht der Erste, der die Justiz über den grünen Klee lobt. Das ist eines der Dinge, die ich nach der Wende schmerzhaft erleben musste, wie viele Jahre das manchmal dauern kann, ehe die Justiz mal zu Potte kommt. Aber was soll es!

Ich erinnere den verehrten Kollegen Poppenhäger – wenn er mir noch mal kurz das Ohr leiht – als damaligen Justizminister daran, wie wir in den zuständigen Ausschüssen, im Innenausschuss, den Minister beigerufen haben, gebeten haben, wo wir diskutiert haben mit dem Generalstaatsanwalt: Was können wir dort eigentlich machen? Wir haben uns festgebissen nur in die Richtung Polizei und Verfassungsschutz. Die Justiz hat überhaupt keiner näher betrachtet. Auch die Justiz – bei aller Unabhängigkeit der Justiz, das will ich gleich dazu sagen – hat ja gravierende Fehler begangen. Wollen wir deswegen die freie Justiz abschaffen? Wollen wir die Richter abschaffen? Die Staatsanwaltschaft hat aus

meiner Sicht in Größenordnungen Fehler begangen. Wollen wir deswegen die Staatsanwaltschaft abschaffen? Nein. Wir haben jetzt den Fall – und das will ich einfach nur mal zu bedenken geben –, was mich auch heftig umtreibt. Es gibt neben NSU auch noch andere Dinge in der Welt. Das ist zum Beispiel jetzt dieser Krankenpfleger, der so viele Menschen tot gespritzt hat und wo in diesem Fall die Staatsanwaltschaft – was man hört und was berichtet wird – wahrscheinlich auch schmählich versagt hat.

Dann muss man doch drangehen, dass man nicht die Staatsanwaltschaft abschafft, sondern dass die Dinge, die dort nicht genügend betrachtet wurden, geschult werden usw. Ich erinnere den Kollegen Poppenhäger daran, dass wir damals gesagt haben, sollte man vielleicht Schwerpunktstaatsanwaltschaften schaffen oder dass bestimmte Dinge nur noch von Spezialisten gemacht werden, weil wir nämlich gemerkt haben, dass eben auch zwischen Jugendgerichtsbarkeiten oder ordentlichen Gerichtsbarkeiten die Dinge, wie die Fälle übergeben wurden, viele Dinge im Argen lagen. Dort kann man schon Einfluss darauf nehmen, dass man solche Dinge in Zukunft abstellt. Ich denke, wir sollten nicht immer meinen, dass nun ein Parlament und Untersuchungsausschuss der ganz große Renner sind. Das mag zwar der eine oder andere glauben, ich glaube es nicht. Damit es gleich noch mal gesagt ist: Der vorhergehende Untersuchungsausschuss, den haben Kollegen eingesetzt, bitte schön, das ist das gute Recht, ich hätte ihn nicht eingesetzt, sage ich gleich dazu.

(Beifall SPD)

Ich sage das nicht, um jemanden zu ärgern, sondern man muss auch abschätzen, wie wir das Schwert, das wir haben, nutzen. Frau Kollegin Marx, ich erinnere mich noch an eine der ersten Maßnahmen, die die verehrte Kollegin Vorsitzende damals gemacht hatte, als sie die Frau Zschäpe vorladen wollte.

(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Ja, das war so!)

Jeder wusste – also ich als Nichtjurist – und alle haben darüber gelacht und gelächelt, weil doch klar war, dass die nicht hierherkommt. Das ist doch vollkommen klar. Und wir sollten nicht vergessen: Es gibt Gott sei Dank einen großen Gerichtsprozess, der in München stattfindet. Meinen wir denn, dass wir hier im Untersuchungsausschuss mehr rauskriegen als die dort mit den vielen Zeugen, was dort alles läuft? Meinen wir, dass wir dort mehr rauskriegen? Ich meine, die verehrte Kollegin König, die kennt sich bestens aus. Ich kenne mich nicht so gut aus. Die kennt ja fast jeden Einzelnen dort. Da gebe ich zu, so genau kenne ich mich nicht aus. Da gibt es welche, die sich besser auskennen. Aber ich

will einfach nur sagen: Es ist ein großer Gerichtsprozess.

(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Deswegen geht sie immer zu CDU-Veran- staltungen!)

Ja, die filmen gern bei CDU-Veranstaltungen, das ist eine neue Art von Überwachung – aber was soll es.

Mir geht es einfach darum, ich will noch mal ganz deutlich machen: Hier ist Nummer 1 – die Exekutive – weiter gefordert. Wenn man sagt, die Vorgänger haben vielleicht nicht alles richtig gemacht – ich sage, das kann ich nicht beurteilen; meine Kenntnis ist eine andere –, dann sollte man doch jetzt drangehen und von Regierungsseite die Dinge noch mal beleuchten, alle Möglichkeiten. Man kann die Polizisten von Eisenach ranholen, man kann alle befragen, die da irgendwo tätig waren. Ich habe bewusst vorhin ein paar Dinge genannt, wo wir selber auch gesagt haben: Manche Dinge kann man sich überhaupt nicht vorstellen. Wer hat nun wen erschossen und wer war zuerst da? Gibt es noch einen Ominösen, der irgendwo noch in der Ecke stand? Das erinnert mich so ein bisschen an Barschel, an die Affäre. Für die, die das noch kennen. Das ist heute noch nicht aufgeklärt. Das sind solche Dinge. Wir werden manche Dinge – so ärgerlich das ist – hier nicht aufklären können. Damit müssen wir uns auch mal auseinandersetzen. Wir haben einen Abschlussbericht vom letzten UA und ich meine, den konnte man in Kilo wiegen. Das war schon wirklich ein heftiges Werk. Aber auch dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, habe ich mich nicht weiter geäußert. Aber wenn wir langsam im Rechtsstaat dahin kommen, dass wir so sehr gern und viel mit Vermutungen arbeiten, mit Unterstellungen arbeiten, also noch sind wir, denke ich mal – irgendjemand hat die Bananenrepublik genannt –, im Rechtsstaat und im Rechtsstaat zählt das, was ich beweisen kann, das, was ich auch untermauern kann, und nicht, was sein könnte, was gewesen wäre usw. Ich denke einfach – mir ist es wirklich wichtig –, dass es nicht darum geht, hier irgendetwas wegzuschieben oder irgendwie in irgendeiner Form etwas abzudeckeln. Ich habe das hier von dem Pult aus gesagt, wie ich dazu stehe. Ich habe mich selber maßlos geärgert, wie wir von dem Verfassungsschutz über viele Jahre und von den Ministerien teilweise ver… – das Wort darf ich nicht sagen – vergackeiert wurden – sage ich mal das Wort. Man muss das einfach zur Kenntnis nehmen und muss es verbessern und verändern. Zum Beispiel ist heute mehrfach auch der Name Kiesewetter gefallen, es ist auch Hessen gefallen. Mein Kollege hat es ja schon gesagt, wir sollten uns doch mal um unsere Dinge kümmern, um unser Land, um unsere Dinge, die verkehrt gelaufen sind. Einen Bundestagsausschuss hat es gegeben. Wenn ich es richtig gelesen habe, selbst der verehrte Kollege Ströbele, den

ich sonst ja nur mit spitzen Handschuhen anpacke, selbst der sagt: Oh, da muss man erst einmal überlegen, ob man überhaupt noch einmal einen neuen Ausschuss macht. – Man muss hier aber sehen, was denn hinten rauskommt. Oder wollen sich da zwei, drei Leute profilieren, die sich vorne hinsetzen, usw. Es kann auch nicht darum gehen – das habe ich schon einmal versucht, gestern bei der Kali-Diskussion zu sagen –, ob es vielleicht den damaligen Justizminister Otto Kretschmer, den damaligen Innenminister Richard Dewes, den damaligen usw., die vielen, die da alle irgendwo eine Rolle gespielt haben, bis zum Leitenden Oberstaatsanwalt, wo ich sagen muss, viele Dinge mit dicken, dicken Fragezeichen. Ich erinnere mich auch daran, Herr Kollege Poppenhäger, Herr Minister, wie gern wir Akten gehabt hätten. Es hat eine Weile gedauert, ehe dann die Akten so langsam anrollten, damit wir die auch näher betrachten konnten, weil eben leider Gottes auch einige Dinge vom Verfassungsschutz weg waren. Sie waren einfach weg, ob willentlich oder nicht konnte bis jetzt nicht nachgewiesen werden. Deswegen haben wir alle Möglichkeiten, auch mit dienstlichen Erklärungen – es sind auch im Vorfeld von anderen Ministern dienstliche Erklärungen abgefordert worden –, damit man mal guckt … Wenn jemand angeblich eine falsche abgegeben hat, da gibt es doch gar keine Frage, da muss der zur Verantwortung gezogen werden. Aber ich muss das wenigstens mal machen. Warum muss das eigentlich das Parlament machen? Dafür haben wir eine Exekutive, dass die Exekutive dort nachgeht. Worüber man reden könnte, ist die ganze Frage – irgendjemand hat es gesagt oder Frau Kollegin Henfling –, wie man das gesellschaftliche Umfeld usw. … Ob der Untersuchungsausschuss der richtige Ort ist, weiß ich nicht.

Meine Damen und Herren, ich wollte einfach hier noch einmal auch meine Sicht der Dinge äußern. Ich weiß durch viele Anrufe, Gespräche etc., dass es im Land nicht nur Leute gibt, die sagen, wir brauchen einen neuen Untersuchungsausschuss. Es gibt auch genügend Leute, die sagen: Ändert die Dinge, die ihr schon wisst. Was noch dazukommt, sind vielleicht 0,2 Prozent Erkenntniszuwachs. Es gibt auch noch andere Dinge in diesem Land.

Herr Abgeordneter Fiedler!

Oh, ich sehe das rote Blinken. Das ist immer ein Zeichen, man muss aufhören. Ich möchte also ganz klar sagen: Ich werde dem Untersuchungsausschuss nicht zustimmen. Ich werde natürlich auch nicht mitarbeiten und bitte auch mal zu überlegen,

dass auch die, die in der Exekutive in Verantwortung waren, handeln können.

(Beifall CDU, AfD)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Der Abgeordnete bzw. Ministerpräsident hat sich zu Wort gemeldet. Bitte. Ich wusste jetzt nicht, in welcher Funktion.

Da ich hier vorne sitze, als Ministerpräsident. Werte Kolleginnen und Kollegen, die Ausführungen des Kollegen Fiedler veranlassen mich, noch einmal aus der Sicht der Regierung ein paar Bemerkungen dazu zu sagen.

Man soll nach Wahlen nichts anderes sagen, als man vor Wahlen gemeinsam festgelegt hat. Vor den Wahlen war nicht klar, wie der Wähler oder die Wählerin in Thüringen die Entscheidung trifft und sich das Parlament zusammensetzt, und trotzdem war das gesamte Hohe Haus beim Thema NSUUntersuchungsausschuss und beim Thema Trinkaus-Untersuchungsausschuss einer Meinung. Beim Thema Trinkaus-Untersuchungsausschuss haben wir es sogar geschafft, und das ist einmalig gewesen in der deutschen Parlamentsgeschichte, dass alle Beschlüsse des Trinkaus-Untersuchungsausschusses immer einstimmig waren. Das heißt, es gab überhaupt keinen parteipolitischen Streit in den Ausschüssen. Im Trinkaus-Untersuchungsausschuss kam heraus, dass ein Beamter des Verfassungsschutzes eine Straftat kannte, am 1. Mai 2007 am Erfurter Hauptbahnhof, den Täter kannte, die entwendete Kamera hatte und vom stellvertretenden Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz angewiesen bekam, die Straftat und den Täter nicht zu erfassen. Die Speicherkarte der Kamera fanden wir dann beim Landesamt für Verfassungsschutz, und zwar durch das gemeinsame Agieren aller Parlamentarier im Untersuchungsausschuss. An manchen Stellen war es sogar so im Untersuchungsausschuss, der von einer CDU-Kollegin, der Kollegin Groß, sehr erfolgreich und sehr gut geführt wurde, dass wir den Innenstaatssekretär sogar zweimal rausschmeißen mussten, weil er der Meinung war, er könnte Märchenstunden abhalten. Ich verweise deshalb auf den Trinkaus-Untersuchungsausschuss, weil dort deutlich war, dass wir es mit den gleichen Sicherheitsstrukturen zu tun hatten, allerdings ohne die Morde, die bei NSU eine blutige Spur durch ganz Deutschland gezogen haben. Deswegen habe ich einen großen inneren Respekt und eine große Anteilnahme. Wenn wir über NSU reden, dann reden wir über Familien, Angehörige, die man jahrelang mit der vermeintlichen Schuld ihrer Angehörigen deutschlandweit alleingelassen hat. Die Taten waren begangen und die Op

ferfamilien wurden dann sogar noch bundesweit unter einen Generalverdacht genommen. Deshalb war es so gut und so wichtig, dass das Parlament in seiner Gänze – alle Parteien, alle Fraktionen – im heißen Wahlkampf die Wahlkampfphase unterbrochen hat und wir uns hier versammelt haben, um den Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses gemeinsam zu präsentieren. Und alle Plätze da oben waren voll mit den Familien der Angehörigen. Die Angehörigen haben uns gegenüber, und zwar allen Fraktionen gegenüber, gesagt, wie dankbar sie sind, dass der Thüringer Landtag sich so intensiv damit beschäftigt hat. Auch Frau Lieberknecht wurde ausdrücklich gedankt für den Sonderermittler und Herrn Geibert wurde gedankt, weil er in einer bestimmten Situation die Akten ungeschwärzt nach Berlin hat bringen lassen, was auch zu einer seltsamen Intervention anderer Innenminister geführt hat, die versuchen wollten, dass diese Akten auf der Autobahn von anderen Polizeifahrzeugen abgefangen werden sollten, damit sie den Bundestag, den Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags nicht erreichen.

All diese Dinge haben wir gemeinsam erlebt und gemeinsam durchgehalten. Wir haben damals ausdrücklich der Landesregierung gedankt für die Unterstützung, aber es war völlig klar, der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags war derjenige Untersuchungsausschuss, der am intensivsten im Interesse der Familien der Opfer, der Angehörigen immer wieder bohrend nachgefragt hat. Deswegen war das Parlament in Thüringen eine Wohltat – das kann man in solchen Zusammenhängen fast gar nicht sagen –, aber es war eine notwendige Unterstützung für die Familien der Opfer. Es gab einen einstimmigen Beschluss, Kollege Fiedler; ich kann mich nicht erinnern, dass der Abgeordnete Fiedler in der Abschlussbeschlussfassung gegen die Weiterarbeit des NSU-Untersuchungsausschusses gesprochen hätte. Da war nicht klar, ob die Landesregierung in Zukunft von der CDU geführt wird oder von Rot-Rot-Grün. Insoweit war der Abschlussbeschluss im Untersuchungsausschuss und im Parlament eindeutig und es war immer klar, dieser Abschlussbericht ist ein Abschlussbericht als Zwischenbericht, weil der Untersuchungsausschuss und seine Ergebnisse der Diskontinuität zum Opfer fallen würden, wenn es keine Weiterarbeit gibt.

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Fiedler?

Bitte, gern.

(Abg. Fiedler)

Herr Abgeordneter Fiedler.

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Herr Ministerpräsident – Sie sind ja jetzt Ministerpräsident –, würden Sie mir zustimmen, dass auch die Exekutive, so wie ich es hier angesagt habe, sprich Innenministerium, Justiz, dass auch dort das Ganze, wenn man meint, man hat etwas übersehen oder Dinge sind nicht genannt worden, dass man genauso gut verlangen kann, dass die Landesregierung sich der Dinge annimmt und dieses Ganze weiter verfolgt? Stimmen Sie mir da zu oder nicht?

Kollege Fiedler, hätten Sie mir jetzt Gelegenheit gegeben, meine Gedanken zu Ende zu bringen, hätten Sie die Antwort schon in meinen Ausführungen gehört, dass es nämlich eine Verabredung war des Parlaments im Interesse aller Familien derjenigen, die von Thüringer Tätern zu Tode gebracht worden sind, dass die Arbeit weitergeführt werden sollte als parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Wir haben diese Diskussion bei uns in der Fraktion vorher geführt. Wir haben sogar darüber diskutiert, ob wir, wenn sich die Regierung ändert, uns dann anders verhalten würden. Am Ende haben wir deutlich gesagt: Wir verhalten uns so, wie wir uns auch vorher als Opposition gegenüber der Regierung verhalten haben. Wir haben nicht die Regierung beauftragt, die Dinge anzugehen. Wir haben sogar gemeinsam – Regierung und Opposition – die Regeln des Landtags geändert, damit der Innenausschuss und der Justizausschuss zusammen tagen können, wenn es zum Thema NSU neue Erkenntnisse gibt. Wir haben gemeinsam ohne Einhaltung von irgendwelchen Fristen sogar einhellig die Geschäftsordnung des Landtags geändert. Insoweit: Ja, Kollege Fiedler, natürlich hätten die Administration und damit die zuständigen Ministerien das Recht, diese Dinge alle abzufragen.

Aber darf ich daran erinnern – und jetzt bin ich noch mal im Inhalt –: Stregda, die Ermittlungsberichte von dem Ort, wo die beiden in ihrem Camper gefunden worden sind. Dazu hat der Herr Minister abgefragt, und zwar intensiv. Ich habe mich bei ihm erkundigt. Ich habe eine bestimmte Erläuterung bekommen, dann hat mir der dortige amtsführende Ermittler erzählt, wie die Abläufe aus seiner Sicht waren, und dann hat Frau Marx den Obduktionsbericht dem Untersuchungsausschuss vorgelesen. Als ich gehört habe, was im Obduktionsbericht steht, brach die ganze Geschichte, die mir vorher erzählt worden ist, zusammen. Offenkundig haben da einzelne Akteure auch Einzelnen die jeweilige Sicht auf irgendwas erzählt. Manches Mal musste auch der Herr Innenminister nach Erkenntnisständen das

korrigieren, was die Landesregierung selber wusste. Und niemand von uns hat sich hingestellt und gesagt, der Innenminister wäre daran schuld, sondern wir haben immer gesagt, dass wir offensichtlich tiefer in die Dinge reingehen müssen.

Jetzt komme ich noch mal auf Stregda: Uns ist gesagt worden, die Waffe kann sechs Schüsse aufnehmen. Und die Frage, die Clemens Binninger, der CDU-Obmann im Bundesuntersuchungsausschuss, der Polizist ist, gestellt hat, ist: Wie kann es eigentlich sein, dass neben der Waffe eine Patronenhülse liegt? Wie kann denn ein Toter selber noch das Gewehr repetieren? Jetzt, hören wir, gibt es eine neue Korrektur aus Thüringen an das Gericht in München, dass zwei Hülsen neben der Waffe gelegen haben. Bei allem, was alle bisher gehört haben, war immer nur die Rede von einer Hülse, und da ist gesagt worden, er sei mit dem Finger beim Sterben dagegen gekommen. Nach meiner Erinnerung war es immer so, der eine hat den anderen erschossen und gleichzeitig hat er den Camper angesteckt. Da war immer die Geschichte, dass doch Rußpartikel in seiner Lunge sein müssen und das ist mir von der Polizei auch genauso erläutert worden, denn sonst geht es gar nicht. Hinterher kommt der Obduktionsbericht und es ist kein Rußpartikel in den Lungen weder des einen noch des anderen festgestellt worden. Das heißt, der muss sich eine Plastiktüte über den Kopf gezogen haben, um den anderen zu erschießen, und hat gleichzeitig noch Feuer gelegt und anschließend waren noch zwei Patronenhülsen an einem Tatort. Dazu kommt noch die Verrücktheit: Wieso ist dieser Tatort eigentlich quer auf einen Lkw hochgezogen worden und nicht am Ort selber bearbeitet worden?

Das sind alles die Fragen, die der Untersuchungsausschuss unter Beteiligung der Administration festgestellt hat. Darauf basiert eine ganze Menge an öffentlicher Erkenntnis. Das war der Grund, warum wir der Meinung waren, der Untersuchungsausschuss ist ein guter Weg, parlamentarisch – das sage ich jetzt als jemand, der damals Oppositionsführer war –, um weiter die Öffentlichkeit auch hier im Parlament teilhaben zu lassen an den Erkenntnisprozessen und an den Widersprüchen, die da alle kommen. Ich kann nur sagen, Clemens Binninger würde sich heute wünschen, wenn ein Untersuchungsausschuss im Bundestag die gleichen Fragen bearbeiten würde, und ich persönlich würde mir wünschen, wenn in Hessen aufgeklärt würde, was in Kassel passiert ist, und in Thüringen – das war die Frage von Herrn Kellner, welchen ThüringenBezug wir haben – die Frage der Einheit von Michèle Kiesewetter, die ermordete Polizistin, die offensichtlich hingerichtet worden ist, diese Einheit und Mitglieder aus dieser Einheit waren regelmäßig in Oberweißbach. Was ist da eigentlich gewesen? Welche Rückbindung gab es da eigentlich und welche Querverbindung vom Ku-Klux-Klan und der Un

terwanderung des Ku-Klux-Klans durch Verfassungsschutzleute hat es gegeben? Da muss man doch nachfragen, weil objektiv eine Thüringerin in Baden-Württemberg hingerichtet wird und ein Thüringer Täter zufällig auf dem Fahrrad an einer Stelle vorbeigefahren kommt, an der sie weder an dem Tag noch zu der Uhrzeit überhaupt hätte anwesend sein können. Das sind die Fragen, die, glaube ich, alle, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, immer wieder umgetrieben haben, und auch dazu gibt es aktuell wieder neue Erkenntnisse. Deswegen war ich einverstanden, dass das Parlament selbst für sich sagt, wir wollen den Untersuchungsausschuss als gemeinsame Ebene, gemeinsame Plattform, auch die Administration abzufragen, die Erkenntnisse einzubeziehen und damit deutlich zu machen: Dieser NSU-Terror ist aus Thüringen gekommen. Kein einziges der Opfer war in Thüringen. Unsere Arbeit als Parlamentarier und als Regierung muss es sein, den Angehörigen Erhellung darüber zu geben, wie es zu all diesen Mordtaten kommen konnte.

(Beifall SPD)

Herr Ministerpräsident, es gibt noch eine weitere Anfrage des Abgeordneten Fiedler. Gestatten Sie die?

Ja.

Herr Abgeordneter Fiedler, bitte.

Herr Ministerpräsident, ich will Ihnen in vielen Punkten überhaupt nicht widersprechen, weil wir selbst diese Fragen in den unterschiedlichen Gremien beackert haben und natürlich dann Unstimmigkeiten aufgetreten sind. Bloß glaube ich, es wird da und dort nie eine Antwort geben, die werden wir nie kriegen. Meine Frage vorhin war aber an die Landesregierung und den Ministerpräsidenten: Soll denn jetzt nur das Plenum, also wir, das Ganze machen und die Exekutive lehnt sich zurück und macht nichts mehr? Das war eigentlich meine Frage. Wir können doch nicht alles nur noch hier in den Landtag geben – ich will jetzt nicht das andere Thema nennen, das beackern wir später –, sondern ich erwarte auch, dass die Exekutive ihre Dinge abklärt, und ich erwarte, dass die Exekutive Schlussfolgerungen zieht.

Herr Fiedler, Sie hatten...

Deswegen meine Bitte, Herr Ministerpräsident, die Antwort war nicht konkret. Wird die Exekutive hier weiterarbeiten, Dinge aufdecken und nicht nur der Landtag das machen?

Lieber Kollege Fiedler, die Antwort heißt Ja.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Danke!)

Um es klar zu sagen, die Exekutive hat sich aus Respekt vor dem Parlament nicht vorgedrängelt, sondern die Entscheidung war das abgebende Parlament, das entschieden hatte: Wir werden, und zwar mit Stimmen aller CDU-Abgeordneten, im neuen Parlament die Arbeit des Untersuchungsausschusses mit einem neuen Untersuchungsausschuss fortsetzen. Dieses finde ich nach wie vor richtig und akzeptabel und ja, Kollege Fiedler, alle Erkenntnisprozesse, die jetzt Stück für Stück möglicherweise dabei als Erkenntnis wachsen, muss die Administration begleiten, muss die Administration absichern und sie muss Konsequenzen ziehen.

Ich will noch mal das Detail sagen, Kollege Fiedler: Wenn in der Parlamentarischen Kontrollkommission die gleichen Fragen, die ich gerade angesprochen habe, bearbeitet wurden, dann war es damals üblich, dass ich als Fraktionsvorsitzender darüber nicht in Kenntnis gesetzt werden durfte. Erst als der Kollege Fiedler interveniert hat, durften die Fraktionsvorsitzenden informiert werden. Ich erinnere mich an eine Szene, dass ein Mitarbeiter des Hauses neben mir stand und sagt: Der Kollege Fiedler sagt Ihnen was Falsches. Sie dürfen nicht informiert werden. Der Kollege ParlKK-Mitglied bei uns darf die Fragen, die wir gestellt haben, mir nicht beantworten. Danach wurde es gemeinschaftlich geregelt. Das heißt, wir haben doch einen Erkenntnisprozess gehabt, dass wir dieses Behördenversagen nicht weiter so akzeptieren dürfen, was wir dabei feststellen mussten. Deswegen habe ich gesagt: Trinkaus-Untersuchungsausschuss lässt grüßen. Da wollte hinterher keiner mehr was davon wissen, wer diesen V-Mann angeworben hat und wie es kommen konnte, dass der fünf Parlamentarier öffentlich so dargestellt und heruntergeputzt und heruntergewürdigt hat. Deswegen war es gut, dass wir beide Untersuchungsausschüsse auf den Weg gebracht haben. Der eine hat sich erledigt, weil danach viel verändert worden ist, und der eine Beamte hat dann Thüringen verlassen. Aber beim NSUUntersuchungsausschuss geht es immerhin um zehn ermordete Menschen. Die Pflicht, die wir als Thüringer haben, heißt, mehr Aufklärung hineinzugeben und mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Und ja, Kollege Fiedler, vieles von dem, was geschreddert worden ist, werden wir nicht mehr aufklären. Aber denken Sie an das Münchner Oktoberfestattentat. Jetzt wird das Ermittlungsverfahren im

(Ministerpräsident Ramelow)

Münchner Oktoberfestattentat wieder aufgenommen, weil es neue Erkenntnisse gibt, die lange unter der Decke gehalten worden sind. Deswegen sollten wir uns nicht wechselseitig vorhalten, ihr tut es nicht, wir tun es nicht. Ich wollte jetzt nur als Ministerpräsident sagen, ich wollte den einstimmigen Beschluss des Landtags als Grundlage akzeptieren und die Landesregierung wird sich gemeinsam mit dem Untersuchungsausschuss an dem Erkenntnisprozess beteiligen. Wir sind es den Angehörigen schuldig. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Es ist keine Ausschussüberweisung beantragt worden, deswegen kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU, Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 6/232 in der Neufassung. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Bei 1 Gegenstimme des Abgeordneten Fiedler und 3 Stimmenthaltungen aus der CDUFraktion ist der Antrag angenommen.