Protokoll der Sitzung vom 24.03.2017

(Beifall AfD)

Die progressive Zerstörung der nationalstaatlichen Souveränität, die auch eine Zerstörung der rechtsstaatlichen Demokratie ist, muss gestoppt werden. Unser Antrag zeigt anhand exemplarischer Forderungen, wie eine entsprechende Agenda jenseits der von der Landesregierung vorgelegten Europa

(Abg. Höcke)

politischen Strategie aussehen sollte. Die Strategie der Landesregierung, meine Damen und Herren, ist nämlich schon längst von der Wirklichkeit überholt worden. Danke.

(Beifall AfD)

Ich eröffne die Beratung. Als Erster hat Abgeordneter Kubitzki, Fraktion Die Linke, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wenn die AfD hier betont, sie ist eine europäische Partei und sie steht zu Europa,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Dann ist das richtig!)

dann haben das die zwei Redner, die hier gesprochen haben, eigentlich schon selbst mit ihrer Rede widerlegt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man muss an dieser Stelle sagen und zum Schluss hat es Herr Möller auch gesagt: Was steht eigentlich in dem Antrag der AfD? Erstens – das hat er nicht gesagt –: Europa soll sich abschotten, Europa soll eine Festung werden. Als Zweites: Alle Rechte in der EU sollen von den Staaten ausgehen. Als Drittes soll der Euro abgeschafft werden. Das steht auch in Ihrem Antrag. Das haben Sie hier nicht gesagt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Dafür war kei- ne Zeit!)

Ach so.

Dann wird aber betont: Wir sind eine europäische Partei. Es wurde richtig gesagt, seit einem Jahr haben wir im Hohen Haus des Landtags die Europapolitische Strategie des Freistaats Thüringen, erarbeitet durch die Landesregierung, debattiert in allen Ausschüssen, die mitberaten haben. Das Ziel dieser Debatte war, dass wir als federführender Ausschuss nach Rückkopplung mit den anderen Fachausschüssen ein Dokument verabschieden, das dann weiter Handlungsspielraum für die Landesregierung sein soll, im Diskussionsprozess diese Europapolitische Strategie zu überarbeiten. Das haben wir der Landesregierung hier übergeben und Sie als Mitglieder des Landtags sind darüber auch informiert worden. Diese Unterrichtung bzw. dieses Dokument des Europaausschusses spiegelt den Diskussionsprozess wider, den wir hatten. Ich muss zugeben, die Onlinebefragung hat nicht die Erwartungen erfüllt, die wir uns selbst gestellt haben. Wir haben das auch das erste Mal zu diesem Thema gemacht. Wir haben dazu aber auch mit vielen Akteuren, die auf der europapolitischen Bühne tätig

sind – das waren vor allem Organisationen und Menschen, die praktische Arbeit leisten, dass die Bürger von Thüringen mit Bürgern anderer Mitgliedstaaten zusammenkommen, die in Thüringen Europaprojekte gestalten –, eine Anhörung durchgeführt. Deren Hinweise und Ratschläge sind zum Beispiel auch mit eingearbeitet worden. Zum Beispiel haben wir auch in die Vorschläge an die Landesregierung eingearbeitet, dass der Kulturaspekt, die Frage der Kulturarbeit noch stärker in die europäische Arbeit einbezogen wird.

Dieses Dokument, das wir im Ausschuss beraten und beschlossen haben, zeigt auch, dass es auf dem einen oder anderen Gebiet zwischen den Koalitionsfraktionen und der CDU unterschiedliche Auffassungen gibt, aber eins eint uns vier Fraktionen alle: Wir stehen zu Europa und sagen, Thüringen hat seinen Platz in Europa. Das eint uns alle vier Fraktionen. Das sollten wir heute hier auch zum Ausdruck bringen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie, meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion, haben es dann zum Schluss gesagt: Was wollen eigentlich Sie? Sie wollen ein Europa der Vaterländer.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Genau das wollen wir!)

Was wollen Sie eigentlich damit sagen? Sie bringen da auch Geschichte mit hinein, aber ich muss Ihnen sagen: Europa der Vaterländer hat über Europa bisher nur Leid, Tod und Zerstörung gebracht.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das waren die ersten 40 Jahre der EU!)

Das wollen Sie nicht hören, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Für ihr Vaterland sind sowohl Franzosen als auch Deutsche als auch Russen in den Krieg gezogen, was mit Leid und Zerstörung geendet hat.

(Unruhe AfD)

Weil das deutsche Vaterland nach den Ergebnissen des Ersten Weltkriegs benachteiligt war, hat man den Zweiten Weltkrieg von Deutschland aus begangen. Auch wieder für das Vaterland. Wie dieser Krieg geendet hat, mit Leid und Zerstörung und auch mit der Zerstörung Deutschlands, das wollen Sie nicht wahrhaben.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie denken zu viel in Reflexen!)

Ach, ich denke zu komplex.

Meine Damen und Herren, Europa ist ein komplexes Thema. Das sollten wir nicht vergessen. Das ist

(Abg. Möller)

das Europa der Vaterländer, das, was Sie haben wollen. Und es war ein Glück, dass die Menschheit in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg aufgewacht ist. Und es war ein Glück, dass es Akteure gab, die gesagt haben: Aus Erzfeinden in Europa müssen Partner werden. Sie haben die Römischen Verträge genannt. Jawohl, die waren der Beginn – Gründung der EWG, Europäische Atomunion, Parlamentarische Versammlung, Schaffung eines gemeinsamen Gerichtshofs und die Schaffung eines Wirtschaftsund Sozialausschusses. Das Wichtigste seit der Gründung der EU ist, dass aus Vaterländern Partner geworden sind, dass aus diesen Vaterländern, die sich einst beschossen haben, Partner geworden sind und wir innerhalb der EU-Staaten die längste Friedensperiode erreicht haben. Das ist richtig.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich negiere natürlich nicht, dass die EU sich auch an Kriegen in Europa beteiligt hat, was ich kritisiere. Aber insgesamt sind aus Erzfeinden Partner geworden und das soll so bleiben. Deshalb wehre ich mich gegen ein Europa der Vaterländer. Sie haben so süffisant gesagt, was hat Thüringen von der EU und wir haben noch ein Europäisches InformationsZentrum und dergleichen mehr. Wenn die EU nicht gewesen wäre, hätte Thüringen nach 1989 nicht diese soziale Infrastruktur aufbauen können, die wir jetzt haben. Wenn die EU nicht gewesen wäre, hätten wir nicht die Wirtschaftskraft erreicht, die Thüringen so hat.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Herr Kollege, oh mein Gott!)

Ja, das gehört dazu, Herr Höcke. Das wollen Sie nicht gern sehen.

Jawohl, wir haben von Brüssel Geld bekommen, wir haben Geld für die Wirtschaftsförderung bekommen und wir haben Geld über den Europäischen Sozialfonds bekommen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das hören Sie natürlich nicht gern. Natürlich sinken jetzt diese Beiträge der Europäischen Union, die wir kriegen, jawohl.

(Unruhe AfD)

Die sinken deshalb, weil wir ein Wirtschaftsniveau erreicht haben, mit dem wir jetzt nicht mehr zu den Armen in Europa zählen. Da gehört es zur Solidarität dazu, dass wir sagen: Andere Länder haben mehr verdient.

(Unruhe AfD)

Herr Höcke, Sie können dann hier ans Pult gehen und können Ihre Argumente der Vaterländer hier natürlich …

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Argumente hat er ja nicht!)

Herr Abgeordneter Höcke, Abgeordneter Kubitzki hat jetzt das Wort.

Und was das Europäische Informations-Zentrum betrifft – ich könnte jetzt Zahlen nennen, aber mit Zahlen haben Sie es ja nicht so. Aber eines steht unter anderem auch fest: Das Europäische Informations-Zentrum hat auch dafür gesorgt, dass viele Jugendliche Europa kennenlernen. So haben zum Beispiel mit Mitteln der EU, mit Mitteln der Erasmus-Förderung – Ihnen noch mal zum Einhämmern in Stein: das ist eine Förderung, damit Schüler und Studenten in EU-Ländern studieren können und in diesen Ländern ihr Studium fortsetzen können – zum Beispiel 579 Personen aus Thüringen mithilfe der Erasmus-Förderung im europäischen Ausland studieren können. Die Information dazu, dass das möglich ist, haben sie über das Europäische Informations-Zentrum erhalten. Ich frage mich, wenn zum Beispiel der Europatag ist, warum so viele Menschen in Erfurt den Tag der offenen Tür auch dieses Informations-Zentrums nutzen? Weil sie alle nichts mit Europa zu tun haben wollen? Ich glaube das nicht.

Natürlich, meine Damen und Herren, wenn ich das heutige Bild der Europäischen Union sehe, und das können wir nicht wegdiskutieren, sollte das schon Sorgen bereiten. Was gibt heute die EU für ein Bild ab? Brexit, nationalistische Bestrebungen in Polen, in der Slowakei, in Ungarn; Wilders wurde zweitstärkste Kraft – der Rechtspopulist – in den Niederlanden; die FPÖ hätte in Österreich beinahe einen Bundespräsidenten gestellt und Le Pen ist uns, glaube ich, hier auch allen ein Begriff.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Ein Kom- munist regiert Thüringen und ein Linksextre- mist sitzt daneben!)

Und natürlich auch die AfD ist dazu …

Herr Abgeordneter Brandner, ich bitte Sie herzlich, sich zu mäßigen.

Wenn wir mal von Extremisten reden: Es gibt Terroristen und nicht weit davon entfernt sind die Extremisten, Herr Brandner. Und wer im Glashaus sitzt, Herr Brandner, sollte nicht mit Steinen schmeißen – gerade Sie nicht!

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Fragen Sie mal Herrn Hoff!)