Jörg Kubitzki

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Ich bin heute auch noch mal dran. Aber, Herr Fiedler, ich bin seit 2003 mit meinem Betrieb tätig und habe mittlerweile über 50 Integrationshelfer, die in Schulen gehen. Wir betreuen fast 60 Kinder im Gemeinsamen Unterricht. Ich könnte Ihnen hier an dieser Stelle zig Beispiele nennen, wo das erfolgreich war, wo die Kinder dann sogar noch in Berufsschulen gegangen sind, weiter betreut werden, wo die Eltern froh waren, dass sie Integrationshelfer hatten, und dass der arme Unstrut-Hainich-Kreis das sogar finanziert. Das Problem an dieser Sache, was Sie schildern: Ich habe keine Eltern erlebt, die unglücklich sind oder was, die ihre Kinder, ihre behinderten Kinder in diese Schulen schicken. Eines muss ich an dieser Stelle auch sagen: Da klappt auch das Verhältnis und das Verständnis für Behinderungen bei gesunden Kindern. Da können sich manche Erwachsene eine Scheibe abschneiden, wie Kinder, gesunde Kinder – und heute ist es ein Glück, wenn man ein normales Kind zur Welt bringt –, wie diese Kinder mit behinderten Kindern umgehen. Denn dieser Gemeinsame Unterricht trägt nämlich auch zum Sozialverhalten unserer Kinder bei – und das ist wichtig.
Noch einen Aspekt gibt es – und da kann die Schule nicht Reparaturbetrieb sein: Wir erleben natürlich auch viele verhaltensgestörte Kinder, die in Familien aufwachsen, in denen das Familienleben nicht mehr gesichert ist, die in prekären Verhältnissen leben. Das ist aber ein gesellschaftliches Problem. Für Erziehung sind immer auch noch Eltern verantwortlich. Das kann ich nicht noch auf die Schulen abwälzen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, stellen Sie sich die Frage: Hat eine 75 Jahre alte Dame, die in einem Pflegeheim lebt – Sie wissen, das Leben spielt manchmal böse –, das Recht, einen Frisör zu besuchen? Die Frage mag für Sie vielleicht unverständlich sein – Frau Tasch, ich bitte Sie –, das Recht hat sie. Aber in der Regel ist es so, dass sie sich das nicht leisten kann. Warum kann sie sich das nicht leisten? Sie ist Bewohnerin eines Pflegeheims und ihre Rente, die sie noch hat, geht für die Zuzahlung für dieses Pflegeheim drauf, wird vollständig aufgebraucht.
Oder bei mir im ambulanten Bereich: Ich habe jetzt die Pflegesätze erhöhen müssen und konnte das aufgrund der Pflegesatzverhandlungen, weil mein Personal mehr Geld bekommt. Da sagt mir eine Pflegebedürftige, die sich da beschwert hatte: Herr Kubitzki, es ist ja schön, wenn Ihr Personal mehr Geld verdient, aber warum muss ich das bezahlen? Ich habe mir einen Notgroschen für meine Beerdigung erspart, der wird jetzt wohl draufgehen.
Wenn Sie so was hören, meine Damen und Herren, ich glaube, da erstirbt jedes Lächeln und da kriegt man einen Kloß im Hals, wenn Menschen, die viele Jahre gearbeitet haben, jetzt ein Pflegefall sind, ihr letztes Hab und Gut für diese Pflege aufgeben müssen. Wenn sie nichts mehr bezahlen können, fallen sie dann der jeweiligen Kommune zur Last.
Versetzen Sie sich auch in meine Kolleginnen, die sich freuen, dass sie mehr Geld für ihre anstrengende Arbeit in der Tasche haben, die das aber ihren zu Pflegenden, ihren Patienten verkaufen müssen und sagen müssen: Ich freue mich, dass ich mehr Geld kriege, aber Oma, wir erhöhen unsere Pflegesätze und du musst in Zukunft mehr bezahlen. Welche Gewissensbisse diese Kolleginnen haben, die da täglich in der Pflege sind, sich zwar über mehr Geld freuen, aber genau wissen: Es bezahlen eigentlich die, die die Hilfe brauchen.
Das, meine Damen und Herren, ist ein Zeichen dafür, dass das System der Pflegeversicherung so,
wie wir es hier in der Bundesrepublik haben, am Ende ist mit seinem Latein
und wir alle – die Politik – die Aufgabe haben, darüber nachzudenken, wie dieses System reformiert, wie es so gestaltet werden kann, dass Pflege nicht in Altersarmut führt. Das ist ein deutschlandweites Problem. Wenn wir in der Zeitung lesen, Heimbewohner müssen in Thüringen 1.400 Euro mehr bezahlen, dann ist das kein Thüringer Problem, sondern dieses System funktioniert in der ganzen Bundesrepublik. Die Thüringerinnen und Thüringer trifft es nur härter, weil deren Rente auch nach 30 Jahren Einheit immer noch niedriger ist als in der gesamten Bundesrepublik. Dass es immer noch diese Rentenunterschiede zwischen Ost und West gibt, ist auch eine Ursache dafür, dass wir zu Pflegende enteignen und dass sie weniger Geld haben. Deshalb fordern wir als Linke: Das System muss geändert werden! Wir sagen, wir brauchen eine Pflegevollversicherung. Da muss natürlich geklärt werden, ob das aus höheren Beiträgen bezahlt wird oder steuerfinanziert werden soll. Ich sage an dieser Stelle: Pflege ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen und diese Pflegeversicherung soll aus Beiträgen und Steuern bezahlt werden und die Pflege soll dort abgesichert werden.
Das, was jetzt vorgesehen ist, die Deckelung der Zuzahlungen per Gesetz, könnte ein erster Schritt sein. Aber, meine Damen und Herren, das ist noch nicht die Lösung, denn wenn wir die Zuzahlung deckeln, kommen wir den Pflegebedürftigen zwar entgegen, aber so, wie das System funktioniert, sind dann die Kommunen die Zahlenden. Wenn ich heute in der Zeitung lese, Weimar, Eisenach, und es war noch ein Kreis, haben wegen zu hohen Sozialkosten und Jugendausgaben Haushaltssperren verhängt, so kann ich nur für meinen Landkreis sagen: Wir mussten jetzt zusätzliche Haushaltsmittel bereitstellen, umschichten, weil der Posten „Hilfe zur Pflege“ auch bei uns im Kreis angestiegen ist. Das heißt, die Kommunen müssen viel mehr Menschen unterstützen, damit diese Pflege wahrnehmen können, weil ihr eigenes Geld dazu nicht reicht. Wie gesagt, deshalb sage ich an dieser Stelle: Wir brauchen eine Systemänderung.
Mein letzter Satz: Ich glaube, das ist die Verantwortung aller Politiker unserer Gesellschaft. Wir müssen uns zukünftig die Frage beantworten: Was ist dieser Gesellschaft das Älterwerden wert? Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Zippel, Sie lächeln, aber Sie sind noch so jung an Jahren.
Aber, Herr Zippel, was ich im Ausschuss auch schon erlebt habe bei diesem Thema: Der Starrsinn, der Sie bei diesem Thema umtreibt, erschüttert mich im Prinzip schon, muss ich sagen.
In meinem Alter würde man sagen „Altersstarrsinn“, aber wie ich das bei Ihnen ausdrücken soll, weiß ich nicht.
Ja, seht ihr, das ist auch manchmal in meiner Fraktion so, da wird dann reingeredet.
Ich schätze Sie ja eigentlich auch als fachlich kompetent ein. Aber nach der letzten Ausschusssitzung, auch heute, ich weiß nicht, was passiert ist. Ich will nicht sagen: Haben Sie was genommen oder irgendwie? Ich weiß es nicht.
Ich will es noch mal erklären. Erstens auch für alle hier im Haus: Bei diesem Antrag, meine Damen und Herren, oder bei diesem Gesetz geht es überhaupt nicht um die Facharztquote. Darum geht es
überhaupt nicht! Sie nutzen das nur, um diese Facharztquote – und das akzeptiere ich –, die Ihnen noch nie gepasst hat, als Thema hier wieder aufzugreifen.
Die zweite Sache, bei der ich wirklich fachlich enttäuscht bin von Ihnen, ist die Problematik, dass Sie Ergebnisqualität und Strukturqualität als etwas Gegensätzliches darstellen. Und das ist es im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens nicht. Wir haben Qualitätsstufen, nämlich als Erstes – und das habe ich Ihnen schon ein paar Mal erklärt, aber jetzt bin ich wieder beim Starrsinn – die Strukturqualität. Das ist die Struktur, mit der ich eine medizinische Behandlung oder einen medizinischen Prozess durchführen will. Dann haben wir die Prozessqualität, das ist nämlich, wie ich das mache. Und als Drittes habe ich die Ergebnisqualität, das ist nämlich: Wie kommt der Patient aus dem Krankenhaus raus?
Und wir haben – jawohl – einen ersten Schritt getan – und da muss ich dich ein bisschen korrigieren – im Krankenhausgesetz. Wir wollten es gern ins Krankenhausgesetz haben. Das hat der eine Koalitionspartner bei euch nicht gewollt. Deshalb haben wir das jetzt mit der Richtlinie gemacht. Und die fachliche Grundlage dafür, die Arztquote bedeutet für jede Fachabteilung 5,5 Ärzte und davon 3 Fachärzte. Diese Zahlen sind belegbar. Das heißt nämlich, eine Abteilung in einem Krankenhaus muss 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr für die Patienten einsatzbereit sein. Und ich sage Ihnen, bei unserer Verordnung zur Strukturqualität, Facharztquote und auch bei diesem Gesetz geht es uns in erster Linie um eine qualitätsgerechte Behandlung der Patienten. Der Patient steht nämlich im Mittelpunkt
und nicht die Anzahl der Ärzte. Der Patient ist zu versorgen – 365 Tage, 24 Stunden am Tag.
Ja, genauso ist es und dafür, das ist belegbar, brauche ich eine gewisse Anzahl von Ärzten. Das haben wir festgeschrieben.
Was soll ich da sagen? Die Ergebnisqualität bedeutet doch, das Pferd wird von hinten aufgezäumt.
Ich schaue erst, was kommt vorne raus, und stelle fest: Oh Mist, da müssen wir doch mal nachsehen, warum die Patienten mit Dekubitus aus dem Krankenhaus rauskommen.
Das hat jetzt zwar nicht unbedingt was mit Ärzten zu tun, sondern mit Pflegepersonal und dem Pflegepersonalschlüssel, aber eben auch – der blutige Patient, hat Frau Ministerin eingeworfen. Dafür haben natürlich auch die Fallpauschalen gesorgt. Aber hier gehen wir schon zu weit.
Man kann doch nicht erst warten, was hinten rauskommt, und sieht dann mal nach: Oh, da ist ein Fehler passiert, das ist Mist, wir müssen mal vorn nachdenken und was ändern. Nein, umgedreht. Ich muss zuerst die Struktur haben, dann kann ich einen ordentlichen Behandlungsprozess führen und bekomme auch ein ordentliches Ergebnis. So weit zu dieser Facharztquote. Dabei will ich es dann auch bewenden lassen.
Um was es hier in diesem Gesetz geht, dass der GBA jetzt schon Qualitätsindikatoren festgelegt hat, die für bestimmte, Fachbereiche bereits gültig sind. Die Krankenhäuser müssen jetzt schon darüber berichten. Das ist Ergebnisqualität auf Grundlage eines Prozesses, der stattfindet. Es geht in diesem Gesetz einfach darum, was jetzt möglich wäre, was uns der Bundesgesetzgeber vorgegeben hat: Wir übernehmen dies als planungsrelevant, das heißt, dann müsste dies automatisch in die Krankenhausplanung hinein. Der Gesetzgeber hat uns aber auch offen gelassen, dass wir diesen Automatismus nicht machen und selbst Regelungen treffen können.
Der erste Gesetzentwurf der Landesregierung – um dazu zu kommen, wie wir uns nach Ihrer Darstellung hier geprügelt und geschlagen haben – hat vorgesehen, dass wir den Automatismus nicht übernehmen. Darüber waren wir uns in der Koalition einig. Und dabei waren auch Sie in der ersten Debatte mit im Boot, muss ich an dieser Stelle sagen. Wir haben aber damals schon erlebt: Es gibt auch zwei Interessengruppen. Sie haben nämlich bei der Anhörung nur die einen, die Leistungserbringer, genannt. Auf der anderen Seite haben wir auch die Kostenträger angehört, die nämlich die Behandlung bezahlen. Was wir nicht angehört haben, ist ein Patientenvertreter. Das muss ich heute kritisch sagen, das hätten wir vielleicht auch machen sollen. Und es gab natürlich Diskussionen.
Die Kostenträger wollten den Automatismus, weil sie damit auch einen Planungsregulierungsmechanismus gesehen haben. Und wir haben gesagt, wir wollen als Land aber trotzdem die Hoheit über die Krankenhausplanung haben. Das war der Entwurf des Ministeriums. Dazu haben wir als Koalition gesagt – Babett Pfefferlein, Thomas Hartung, meine Wenigkeit, wir haben es zu dritt geschrieben: Das kann es eigentlich auch nicht sein, denn wenn wir schon Strukturqualitätsmaßnahmen festlegen, dann müssen wir auch in die Prozessqualität eingreifen, weil nämlich die Indikatoren zwar ein Ergebnis erfassen, was aber in einem Prozess entwickelt wird. Die schreiben nämlich fest, wie bestimmte Behandlungen usw. gemacht werden müssen, unter welchen Kriterien, in welcher Zeit usw. Dazu haben wir gesagt, man kann nicht einfach nur sagen, wir übernehmen die nicht automatisch, sondern wir haben gesagt, wenn da wirklich Planungsindikatoren dabei sind, wo wir sagen, die sind gut und sind im Interesse der Patienten für eine hohe Qualität der Behandlung, dann möchten wir schon, dass die in die Krankenhausplanung aufgenommen werden. Daher legen wir in dem Gesetz fest, dass das das Fachministerium gemeinsam mit dem Planungsausschuss zu evaluieren und zu untersuchen hat und dann zu entscheiden hat, ob das als planungsrelevantes Element in die Krankenhausplanung reinkommt. Und dann haben die Krankenhäuser nach dieser Entscheidung ein Jahr Zeit, sich darauf einzustellen. So ist das und so haben wir das gemacht und dabei bleibt es.
Und da haben Sie ganz geschickt um die Ecke die Facharztquote reingebracht. Das ist Ihr gutes Recht, aber das eine hat mit dem anderen was zu tun, ergänzt sich aber, steht nicht gegeneinander, sondern ergänzt sich. Da können wir heute reden, wie wir wollen. Herr Zippel, ich weiß, ich überzeuge Sie nicht, starrsinniges Kind, aber mich überzeugen Sie auch nicht, Altersstarrsinn.
So, das ist der Ausgangspunkt bei dieser Sache. Und die Anhörung, die Sie – Minderheitenrecht – auch gemacht haben, da habe ich Ihnen aber schon im Vorfeld das Ergebnis gesagt. Wir stehen auch ein bisschen zwischen den Stühlen. Nämlich die Kassen sagen: Unbedingt Automatismus und wir gehen nicht weit genug mit unserem Antrag. Und die anderen sagen: Ach, viel zu weit, Eingriff in die Hoheit usw.
Also es wird bei dieser Beschlussempfehlung bleiben. Wir werden das im Interesse der Patienten machen.
Jetzt einen letzten Satz, den kann ich mir nicht verkneifen, oder die letzte Bemerkung: Die Grund dafür, dass wir überhaupt über so was reden müssen,
ist doch, meine Damen und Herren, dass das Gesundheitswesen auch marktreguliert wird, und Gesundheit hat eigentlich auf einem Markt nichts zu suchen, und
dass alles nur noch mit Geld und Kosten verbunden ist. Das ist eigentlich die Hauptursache. Das ist die Hauptursache, warum wir uns über solche Sachen streiten. Es müsste einfach selbstverständlich sein, eine gewisse Anzahl von Fachärzten, genauso wie es selbstverständlich sein müsste, dass ein Schlüssel für Pflegepersonal vorhanden sein muss.
Das Problem, was ich nur dabei habe, ist – wir brauchen Personal, Pflegepersonalschlüssel oder egal wie ich das Ding nenne –, das sage ich hier ganz ehrlich: Ich weiß nicht, wo wir das Personal hernehmen sollen. Das ist mein Problem, was ich an der Stelle habe.
Aber eine hohe Qualität in der medizinischen Versorgung sicherzustellen – und nur darum geht es hier in diesem Gesetz – ist die Verantwortung, die der Staat für seine Menschen hat. Und deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf hier heute zur Abstimmung gestellt. Danke.
Frau Präsidentin, liebe anwesende Mitglieder des Europaausschusses, ich begrüße Sie hier recht herzlich im Plenarsaal. Es sind auch noch ein paar andere Abgeordnete da, die begrüße ich natürlich auch recht herzlich, aber vor allem wende ich mich jetzt an die Kollegen im Speisesaal am Bildschirm und an ihren Lautsprechern in ihren Zimmern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sprechen jetzt über Europa. Das wollte ich euch an dieser Stelle sagen.
Ich habe jetzt die Aufgabe als Berichterstatter des Ausschusses, hier zu stehen und den Bericht des Ausschusses zur Evaluierung der Vereinbarung über die Unterrichtung und Beteiligung des Landtags in den Angelegenheiten der Europäischen Union vorzunehmen. Der Antrag liegt Ihnen in der Drucksache 6/6846 vor. Es sind 17 Seiten, die ich jetzt hier an dieser Stelle verlesen werde. Dann haben wir den Saal vielleicht auch voll an dieser Stelle. Nein, ich werde natürlich hier jetzt nicht die ganze Beschlussempfehlung verlesen, es ist eine Drucksache und da wir Abgeordneten ja auch alle europabegeistert sind, werden wir das auch schon gelesen haben. Aber ich werde natürlich den einen oder anderen Schwerpunkt, der hier in dem schriftlichen Bericht ist, noch einmal darlegen.
Der Landtag hat mit Beschluss vom 26. April 2018 den Ausschuss für Europa, Kultur und Medien gebeten, dem Landtag sowohl über seine Aktivitäten, Erfahrungen und Ergebnisse bei der allgemeinen Beteiligung des Landtags in den Angelegenheiten der Europäischen Union als auch in der Beteiligung
des Landtags im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems unter Beachtung der Arbeit der mitberatenden Ausschüsse zu berichten. Der Ausschuss für Europa, Kultur und Medien hat über das Berichtsersuchen in seiner 47. Sitzung am 18. Mai 2018, in seiner 51. Sitzung am 21. September 2018, in seiner 56. Sitzung am 25. Januar 2019 und in seiner 57. Sitzung am 22. Februar 2019 beraten und erstattet nun folgenden Bericht, der in der Drucksache 6/6846 veröffentlich ist.
Grundlage dieser Vereinbarung war der Vertrag von Lissabon, wo es die Möglichkeiten gab, im Rahmen der Schaffung des Frühwarnsystems die Mitgliedstaaten in Entscheidungen einzubeziehen. Aufgrund des Föderalismus in der Bundesrepublik werden natürlich dann auch die regionalen Parlamente, sprich die Landtage, mit in die Entscheidungsfindung einbezogen. Um dem Thüringer Landtag zu ermöglichen, seine hinzugewonnenen Kompetenzen effektiver wahrnehmen zu können, wurde am 19. Mai 2011 auf der Grundlage des Artikels 48 Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 67 Abs. 4 der Verfassung des Freistaats Thüringen die Vereinbarung über die Unterrichtung und Beteiligung des Landtags in den Angelegenheiten der Europäischen Union zwischen dem Landtag und der Thüringer Landesregierung geschlossen. Zugleich wurden mit § 54 a und § 54 b die geschäftsordnungsrechtlichen Grundlagen geschaffen. Gemäß Ziffer IV der Vereinbarung 2011 wurde diese zwei Jahre nach ihrem Wirksamwerden auf der Grundlage von Erfahrungsberichten überprüft. Im Ergebnis der Evaluierung empfahl der Landtag, die am 16. April 2014 unterzeichnete Novellierung der EU-Vereinbarung soll ebenfalls nach vier Jahren überprüft und evaluiert werden und an dieser Stelle stehen wir hier. Das war damals 2011, einige können sich noch erinnern, eigentlich war das wirklich eine tolle Sache, die hier im Thüringer Landtag stattgefunden hat. Ich möchte da auch an die Akteure noch einmal erinnern, die hauptsächlich vonseiten der drei Fraktionen, die damals im Landtag waren, agiert haben. Zu nennen wäre hier auf alle Fälle Gustav Bergemann von der CDU-Fraktion, der sich stark dafür eingesetzt hat,
aus der SPD-Fraktion war das der Herr Höhn und ein bisschen Anteil habe ich auch von unserer Fraktion an dieser Vereinbarung, die wir geschaffen haben.
Wir waren damals als Thüringer Landtag der erste Landtag in der Bundesrepublik, der so eine Verein
barung abgeschlossen hat, mit konkreten Mitwirkungsrechten und ‑pflichten des Landtags und wo eine Landesregierung sich verpflichtet hat, dem Landtag zu berichten und sich auch an das Votum des Landtags bei Entscheidungen im Bundesrat zu europapolitischen Angelegenheiten zu halten. Das ist ja Ziel und Inhalt dieser Vereinbarung gewesen.
Ein weiterer Schritt wurde dort vereinbart, hier in diesem Landtag einen Ausschuss speziell für Europaangelegenheiten zu gründen.
Jetzt konzentriere ich mich vorrangig auf den Berichtszeitraum, um den es jetzt geht. In dem jetzigen Berichtszeitraum – also seit 2014 – hat die Landesregierung dem Landtag 273 Frühwarndokumente übermittelt. Die Übermittlung durch die Landesregierung erfolgte per E-Mail an ein Postfach des Landtags und in der Regel informierte die Landesregierung innerhalb eines Tages dann auch in schriftlicher Form. Von den 273 eingegangenen Frühwarndokumenten wurden 81 vom Ausschuss beraten, wovon wiederum 74 in andere Ausschüsse entsprechend unserer Geschäftsordnung zur Mitberatung übersandt wurden. Zu den 81 Frühwarndokumenten, die vom Ausschuss beraten wurden, legte die Landesregierung 80 Informationsblätter vor. Zugleich wurden dem Landtag 71 Berichtsbögen der Bundesregierung mit übermittelt, auf deren Grundlage und deren Einschätzung wir dann im Ausschuss beraten konnten. Festgelegt wurde dann auch innerhalb des Landtags, anknüpfend an die Praxis der 5. Wahlperiode, dass auch die Landtagsverwaltung vom Ausschuss beauftragt wurde, ebenfalls jedes zu beratende Frühwarndokument mit einem Informationsbogen der Landtagsverwaltung zu versehen. Das heißt also, die Landtagsverwaltung hat selber einen Informationsbogen erstellt und uns als Ausschussmitgliedern für die Beratung mit zur Verfügung gestellt.
Es gibt ja dann die Instrumente, die wir aussprechen können, wenn wir als Landtag mit einem Frühwarndokument, mit einer Richtlinie, mit einer Verordnung nicht einverstanden sind. Dann haben wir die Möglichkeit, die Landesregierung zu beauftragen, im Bundesrat – denn die Bundesrepublik hat ja zwei Stimmen, eine Stimme hat der Bundestag, eine Stimme hat der Bundesrat – eine Subsidiaritätsrüge auszusprechen. Die Problematik bei der ganzen Sache ist, dass wir insgesamt vom Zugang der Frühwarndokumente beim Bundesrat acht Wochen Zeit haben, und das ist eine verhältnismäßig kurze Frist. Daraufhin hat ja auch die Kommission eine Taskforce gebildet, wie besser und einheitlicher mit den Frühwarndokumenten umgegangen werden kann. Dazu haben sich auch die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschsprachigen Landes
parlamente verständigt. Die Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen und österreichischen Landesparlamente usw. sind sich in ihrer Brüsseler Erklärung vom 29. Januar 2019 darin einig, dass die Einführung eines Prüfrasters auf fakultativer Basis mit einer Evaluation nach einer anfänglichen Probephase erfolgen sollte, ohne dabei den direkten Dialog der Regionalparlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen mit der Kommission einzuschränken oder zu ersetzen. Das heißt, die TaskForce hat vorgeschlagen, ein Prüfraster zu entwickeln, nach dem dann einheitlich in den Mitgliedstaaten die Frühwarndokumente eingeschätzt werden können. Die Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage und wir als Ausschuss und als Parlament könnten uns heute dieser Aufforderung auch anschließen, sagen aber, dass auch dieses Prüfraster erst mal in der Anwendung erprobt werden muss, ob es auch möglich ist, das so umzusetzen.
Im Ergebnis der Beratung der Frühwarndokumente im Ausschuss sowie dem mitberatenden Ausschuss hat der Landtag nach Beschluss des Ausschusses die Landesregierung im Evaluierungszeitraum in zwei Fällen aufgefordert, sich im Bundesrat für eine Subsidiaritätsrüge auszusprechen. Das waren ein Vorschlag zur Änderung der AVMD-Richtlinie, das heißt Audiovisuelle Mediendienste, und zu einem Verordnungsvorschlag „Elektrizitätsbinnenmarkt II“. Während der Bundesrat in einem der beiden Fälle eine Subsidiaritätsrüge erhoben hat, fand der Antrag auf Erhebung einer Subsidiaritätsrüge in dem zweiten Fall, also zum Elektrizitätsbinnenmarkt, nicht die erforderliche Mehrheit. Inhaltlich findet sich der Beschluss des Landtags auch hier in der Stellungnahme im Bundesrat wieder.
In weiteren 15 Fällen hat der Landtag durch den Ausschuss auf Subsidiaritätsbedenken hingewiesen. Davon ist in allen Fällen in der allgemeinen Stellungnahme des Bundesrats die Position des Landtags ganz oder teilweise enthalten.
In allen Fällen, in denen sich der Landtag zu Fragen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit äußerte, berücksichtigte die Landesregierung die Stellungnahme des Landtags im Rahmen ihres Abstimmungsverhaltens im Bundesrat. Dies betraf auch solche Fälle, in denen durch das Frühwarndokument die Gesetzgebungsbefugnisse des Landes nicht oder nicht direkt berührt wurden. Dafür möchte ich mich auch noch mal bei der Landesregierung recht herzlich bedanken.
Vonseiten der Landesregierung wurde in dieser Legislatur auch der Beratungsgegenstand „Bericht aus den europäischen Institutionen“ eingebracht. Bisher war es in unserem Ausschuss üblich, dass wir den Beratungsgegenstand „Bericht aus dem Bundesrat“ hatten, zu dem die Landesregierung regelmäßig berichtet hat, wie im Bundesrat zu Frühwarndokumenten, die wir im Ausschuss beraten hatten, entschieden wurde. Dazu berichtet die Landesregierung regelmäßig. In diesem Berichtszeitraum wurde dann auch der Tagesordnungspunkt „Wie war der Umgang mit den Frühwarndokumenten?“ oder „Welche Entscheidungen wurden auf Grundlage unserer Entscheidungen, des Bundesrats in den Europäischen Institutionen getroffen?“ aufgenommen. Das hat die Landesregierung ebenfalls gemacht. Das war die Problematik Frühwarndokumente.
Bei der Novellierung der Vereinbarung 2014 wurde durch uns in die Vereinbarung aufgenommen, dass die Landesregierung über alle Grün- und Weißbücher berichtet. Dem ist die Landesregierung ebenfalls nachgekommen. Wir müssen natürlich feststellen, dass dieses Instrument von Grün- und Weißbüchern innerhalb der Kommission zurückgegangen ist.
Von den 500 Mitteilungen der Europäischen Kommission wurden 171 Mitteilungen im Bundesrat beraten. Die Landesregierung hat über diese Mitteilungen ebenfalls im Ausschuss berichtet. So weit vielleicht mal zu den statistischen Aussagen in der Beschlussempfehlung. Nun zu Problematiken, die dann auch in einen Antrag einmünden, aber der dann noch gesondert beraten wird. Der Ausschuss schätzt ein, dass sich die Vereinbarung insgesamt bewährt hat. Sie wirkt sich sehr positiv auf die Europatauglichkeit und auf das Verständnis für europäische Problematiken im Landtag aus und trägt dazu bei, dass der Landtag die ihm obliegende Integrationsverantwortung wahrnehmen kann. Die Vereinbarung bildet dabei eine solide Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und dem Landtag in Europafragen und gewährleistet seither eine relativ zeitnahe Information aller Abgeordneten des Landtags über wichtige europäische Vorhaben sowie aktuelle Entwicklungen. Die mit der Neufassung der Vereinbarung im Jahr 2014 aufgenommenen konkretisierten Informationspflichten wurden in vollem Umfang erfüllt. Wesentliche Elemente für die Einwirkungsmöglichkeit des Landtags auf die Gesetzgebung der Europäischen Union sind die frühe Beteiligung im prälegislativen Bereich europäischer Gesetzgebungsverfahren sowie die Einbeziehung über die Landesregierung in das vom Bundesrat durchgeführte Verfahren der Kontrolle der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit.
Von den in der Vereinbarung getroffenen Festlegungen ist die 2011 erfolgte Einsetzung eines eigenständigen Europaausschusses hervorzuheben, zumal dessen Existenz seit 2011 den Stellenwert der Europapolitik im Landtag deutlich erhöhen konnte. Neben einer Zunahme von europapolitischen Themen hat hierzu auch die Möglichkeit beigetragen, andere Fachausschüsse mitberatend in die Beratung von EU-Angelegenheiten einbinden zu können. Zweifellos hat die Vereinbarung mit dazu beigetragen, dass der Landtag zu den deutschen Länderparlamenten gehört, der im Vergleich zu anderen besonders häufig Stellung zu Frühwarndokumenten nimmt. Aufgrund bislang fehlender einheitlicher klarer Anwendungskriterien wurden in der Vergangenheit teilweise Fragen der Kompetenz und der Verhältnismäßigkeit einerseits sowie Fragen nach der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips andererseits miteinander vermengt, was mitunter ein qualifiziertes Beratungsergebnis erschwert hat. In den Beratungen gab es dabei mitunter auch unterschiedliche Auffassungen bei der Frage, was Gegenstand einer Subsidiaritätsrüge und von Subsidiaritätsbedenken sein kann bzw. ob allein schon das Fehlen einer Kompetenznorm oder eine vorliegende Unverhältnismäßigkeit eine Subsidiaritätsrüge oder Subsidiaritätsbedenken rechtfertigen können.
Ich will das mal noch mit einfacheren Worten schildern: Subsidiaritätsrügen werden in der Regel dann ausgesprochen oder können ausgesprochen werden, wenn unverhältnismäßig in die Länderhoheit und die Gesetzgebung des Landes eingegriffen wird. Wir hatten es aber auch mit Frühwarndokumenten zu tun, wo dieser Fall nicht vorlag, wo aber die einzelnen Fraktionen trotzdem durchaus Bedenken hatten, was die Verhältnismäßigkeit des Aufwands der Umsetzung dieser Richtlinie oder Verordnung betraf, bzw. gab es natürlich auch zu den Frühwarndokumenten die eine oder andere politische Diskussion, wo eine Mehrheit im Ausschuss gesagt hat: Es greift zwar nicht in die rechtliche Hoheit des Landes ein, aber politisch gesehen sind wir dabei einer anderen Auffassung. Da haben wir dann immer im Ausschuss zu dem Kunstgriff gegriffen, Bedenken auszusprechen, und haben die Landesregierung beauftragt, diese Bedenken im Diskussionsprozess im Bundestag mit einzubeziehen. Als Orientierungshilfe in diesem Diskussionsprozess galt, die Subsidiaritätsrüge lediglich bei Bezügen zur Subsidiarität im engeren Sinne und Subsidiaritätsbedenken bei Bezügen zur Subsidiarität im weiteren Sinne einschließlich der Verhältnismäßigkeit auszusprechen. Die fehlenden präzisierten Anwendungskriterien, mit deren Hilfe man sich auf regionaler, nationaler oder europäischer Ebene auf
ein einheitliches Verständnis von Subsidiaritätsrüge oder -bedenken einigen könnte, erschwerten bislang die Beratungen des Ausschusses im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems.
Eine Anpassung des Wortlauts der Vereinbarung und der Geschäftsordnung an die bisherige Praxis lässt die bestehende Systematik der Bindungswirkung unberührt. Die Landesregierung würde sich weiterhin verpflichten, grundsätzlich alle Stellungnahmen bei ihrer Willensbildung zu berücksichtigen, wobei sie im Fall eines beabsichtigten abweichenden Stimmverhaltens gemäß Ziffer II.4 der Vereinbarung den Landtag möglichst im Vorfeld der Bundesratssitzung darüber informiert und die maßgeblichen Gründe mitteilt. Zugleich wird klargestellt, dass die Landesregierung nur dann nicht gegen das Votum des Landtags entscheidet, wenn Gesetzgebungsbefugnisse des Landes betroffen sind und es um die Erhebung einer Subsidiaritätsrüge geht. Das heißt, wir werden als Ausschuss Vorschläge unterbreiten, dass wir unsere Vereinbarung und damit auch die Geschäftsordnung so verändern – das schlagen wir jedenfalls vor –, dass wir die Form der Subsidiaritätsbedenken im Prinzip mit in die Geschäftsordnung hineinbringen, damit wir dieses Instrument haben und nicht hin- und herrätseln müssen, ob wir das können oder nicht.
Die Landesregierung sowie die Landtagsverwaltung sollten zudem prüfen, ob für die Bewertung der Vereinbarkeit eines Vorhabens mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit das im Abschlussbericht der Taskforce für Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und „Weniger, aber effizienteres Handeln“ vorgeschlagene Prüfraster angewendet werden kann. Darüber hinaus sollte sich die Landesregierung auf Bundesebene weiter für eine umfassende Informationsmöglichkeit des Landtags in Fragen der europäischen Gesetzgebung einsetzen und in diesem Zusammenhang insbesondere für einen Zugang des Landtags zum Bundesratsinformationssystem EUDISYS eintreten, was bisher noch vom Bundesrat abgelehnt wird.
Die Beratungen der Frühwarndokumente werden im Ausschuss stets auch unter der Berücksichtigung des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände durchgeführt. Durch eine Einbindung der kommunalen Spitzenverbände auf Regierungs- und Parlamentsebene kann auch an den auf der kommunalen Ebene vorhandenen konkreten Rechtsanwendungserfahrungen und der Praxisnähe partizipiert werden. Für ein reguläres parlamentarisches Anhörungsverfahren ist im Rahmen der Frühwarnkontrolle mit der Acht-Wochen-Frist in der Regel nicht ausreichend Zeit. Die vom Ausschuss zu Beginn der
6. Wahlperiode an die Landtagsverwaltung gerichtete Bitte, zu den in der Beratung befindlichen Frühwarndokumenten einen Informationsbogen zu erstellen, sollte dahin gehend ergänzt werden, regelmäßig die Position der kommunalen Spitzenverbände abzufragen, um die Informationsgrundlage für den Ausschuss noch weiter zu verbessern. Es sollte darüber hinaus jedes Ausschussmitglied den Auftrag an die Landtagsverwaltung rechtzeitig vor Fertigstellung des Informationsbogens weiter dahin gehend konkretisieren können, von welchem Verband oder welcher Organisation eine Stellungnahme abgefragt werden soll. Wir schlagen vor, dass zukünftig der Ausschuss über die Landtagsverwaltung vor seiner Entscheidung zu einem Frühwarndokument die Möglichkeit wahrnehmen kann, externen Sachverstand einzuholen. Eine Anhörung ist in dieser kurzen Frist nicht möglich, um uns ein besseres Meinungsbild zu verschaffen. Einmal haben wir dieses System angewendet, als wir die Krankenkassen abgefragt haben, wie sie zu einem bestimmten Frühwarndokument stehen.
Die Landesregierung hat den Landtag im Evaluierungszeitraum über alle Grün- und Weißbücher der Kommission unterrichtet. Des Weiteren hat die Landesregierung in regelmäßigen Abständen über die Beratung zum Mittelfristigen Finanzrahmen der EU und deren Ergebnisse berichtet sowie umfassend über den Verlauf des EU-Austritts von Großbritannien und Nordirland einschließlich der möglichen Auswirkungen auf Thüringen informiert. Zur Umsetzung der vom Landtag 2014 bekräftigten Absicht zur stärkeren Beteiligung im prälegislativen Bereich sollten die Vereinbarungen und die Geschäftsordnung behutsam weiterentwickelt werden. Mit den dadurch gewonnenen zusätzlichen Informationen wird der Landtag besser in die Lage versetzt, auch eigene Konsultationsbeiträge abzugeben oder Stellungnahmen zu Mitteilungen der Kommission zu verfassen. Die Landesregierung sollte dem Landtag daher künftig zusätzlich Informationen über Mitteilungen und Konsultationen der Kommission übersenden. Dabei meinen wir keine inhaltliche Übermittlung, sondern erst einmal nur eine Aufstellung, welche Mitteilungen und Konsultationen mit welchem Beratungsgegenstand gegenwärtig auf der Tagesordnung stehen. Diese sollen aufgrund der zu erwartenden hohen Anzahl nicht in jedem Fall zu einer Beratung im Ausschuss führen, sondern geschäftsordnungsrechtlich wie Informationen über aktuelle europapolitische Entwicklungen nach § 54 a Abs. 6 Geschäftsordnung behandelt werden. Nur, wenn das Thema einer Mitteilung oder einer Konsultation aus Sicht der Landesregierung für den Freistaat ist von wesentlicher Bedeutung, wird sie den Landtag auch weiterhin unterrichten, wobei die
se Unterrichtung wie bisher zu einem Beratungsgegenstand im Ausschuss wird. Darüber hinaus sollte künftig auch aus dem Reihen des Landtags die Beratung einer Mitteilung oder einer Konsultation im Rahmen von § 54 a der Geschäftsordnung initiiert werden können. Am Ende der Beschlussempfehlung stehen die Empfehlungen des Ausschusses, die wir dem Landtag vorschlagen. Dazu haben die Fraktionen der CDU, der Linken, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen auch einen Antrag hier eingebracht. Wir wollen die Vereinbarung dahin gehend ändern, dass die Landesregierung den Landtag neben Grün- und Weißbüchern der Europäischen Kommission auch über Mitteilungen und Konsultationen informiert. Dabei soll der Ausschuss vorrangig über Konsultationen informiert werden, die Gegenstand einer Kabinettsberatung sind.
In die Vereinbarung soll auch die Formulierung „Verhältnismäßigkeitsprüfung“ mit aufgenommen werden, also nicht nur eine Subsidiaritätsprüfung, sondern auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, damit wir das Instrument „Subsidiaritätsbedenken“ oder „Verhältnismäßigkeitsbedenken“ anwenden können.
Wir sprechen Empfehlungen für eine behutsame Änderung der Geschäftsordnung dahin gehend aus, dass beim § 54 a Abs. 6 auch die Möglichkeit eröffnet wird, dass der Vorsitzende des Ausschusses über den Beratungsgegenstand – im Fall von Konsultationen und Mitteilungen – entscheiden kann, sodass der Ausschuss das auf die Tagesordnung setzt. Dazu sage ich dann aber auch noch etwas in meiner Rede zum Antrag.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Mitgliedern des Ausschusses für Europa, Kultur und Medien für ihre konstruktive Mitarbeit bedanken. Ich möchte mich auch besonders bedanken bei Frau Marx, Frau Henfling, Frau Walsmann, jetzt bei Herrn Wucherpfennig für ihre konstruktive Mitarbeit im Ausschuss und vor allem auch für ihre inhaltlichen Beiträge, dass es uns als Fraktionen gelungen ist, bei den meisten Fragen, wo es um Frühwarndokumente, um europäische Mitteilungen ging, europäisch zu entscheiden. Mein Dank geht aber auch an die Landtagsverwaltung, insbesondere an Herrn Nepp und an Herrn Forelle, die die Arbeit des Ausschusses – gerade bei der Entscheidungsfindung – gut vorbereitet, uns viele Materialien zur Verfügung gestellt, uns viele Entscheidungen damit erleichtert und uns inhaltlich immer rechtzeitig ausgestattet haben. Nochmals vielen Dank an die fleißige Arbeit der Mitarbeiter der Landtagsverwaltung, auch an die Mitarbeiter aus den Fraktionen,
die hier mitgewirkt haben. Abschließend bedanke ich mich noch einmal für die angenehme Atmosphäre in unserem Ausschuss und für die immer sachlichen Diskussionen, die wir im Interesse von Europa bei uns im Ausschuss geführt haben. Jetzt wünsche ich auch eine genauso sachliche Diskussion hier bei diesem Thema.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auch ich werde jetzt meine Ausführungen in zwei Teilen machen und zuerst möchte ich noch mal auf den Bericht und die Vereinbarung zwischen Landesregierung und Thüringer Landtag zu sprechen kommen.
Es wurde heute hier schon gesagt, vonseiten der AfD wird es so dargestellt – Was können wir als kleines Thüringen tun? –, als wenn die Mitgliedstaaten bei der Entscheidung im Prinzip nur scheinbar dazu befragt werden und die EU ja sowieso das macht, was sie will. Als Erstes, Herr Höcke, die Politik in der EU wird durch die Politik der Mitgliedstaaten bestimmt. Das ist so. Die politischen Entscheidungen in der Europäischen Union werden letztendlich im Europäischen Rat getroffen und da sitzen die Regierungschefs der EU-Staaten drin und die treffen letztendlich die Entscheidung. Wir als Die Linke sagen: Das muss reformiert werden. Mehr Befugnisse in das Parlament
bei diesen Entscheidungen. Und da passiert es eben oft, dass manche Regierungschefs in der EU das umsetzen, was sie in ihrem Land nicht umzusetzen wagen. Ich erinnere nur daran, als wir vor vielen Jahren groß die Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union diskutiert haben. Da hat sich eine damalige Bundeskanzlerin nicht getraut, das in Deutschland umzusetzen, aber in der EU wurde es eingebracht und da kann man sich ja immer hinstellen und kann sagen, die EU ist daran schuld. Durch solche Handlungen wird die EU auch durch manche Mitgliedstaaten in Misskredit gezogen.
Aber das Europäische Parlament hat schon in der letzten Legislatur mehr Befugnisse bekommen: zum Beispiel das Haushaltsrecht. Das haben ja auch alle gleich zu spüren bekommen, weil das Parlament das auch umgesetzt hat, also damals wurde der mehrjährige Finanzrahmen mit Verzögerung eingeführt, das war schon ein erster Fortschritt. Natürlich sage ich auch, manche Sachen müssen weiter reformiert werden und ich und meine Partei treten auch dafür ein, dass das Europäische Parlament mehr Initiativrecht bekommt. Aber sich hier hinzustellen und zu sagen, ob wir nun in dem Ausschuss reden oder nicht, letztendlich sind wir das kleine Thüringen – klar sind wir nur ein kleines Thüringen, aber ich will mal zwei Beispiele nennen. Wir haben in unserem Ausschuss – ich glaube, es war in der letzten Legislatur, da waren Sie noch nicht im Landtag – beraten: Da hatte die Euro
päische Union, sage ich an dieser Stelle, auf Bestreben vieler Energiekonzerne die Trinkwasserversorgung in der Europäischen Union liberalisieren und privatisieren wollen. Das kam auch in Form eines Frühwarndokuments zu uns. Da waren sich die damaligen Fraktionen im Europaausschuss alle einig: Trinkwasserversorgung ist soziale Daseinsvorsorge und gehört nicht in private Hand.
Und parallel dazu lief der erste europäische Bürgerentscheid ebenfalls erfolgreich und die Menschen aber auch wir als kleiner Thüringer Landtag haben unseren Beitrag dazu geleistet, dass die Trinkwasserversorgung in der Europäischen Union nicht privatisiert wurde.
Ein zweites Beispiel: Wir hatten bezüglich der Ausbildung der Pflegekräfte eine Verordnung, in der die EU vorgesehen hatte – die Bestrebung kam von Frankreich, das gehört einfach dazu, Politik der Mitgliedstaaten –, dass, wer also zukünftig in der EU Pflegekraft bzw. Pflegefachkraft werden will, zwölf Jahre Schulbildung haben muss. Wir haben gesagt, wir haben jetzt schon nicht genug Pflegekräfte, dann sollen die noch Abitur haben, also was soll denn das werden. Da haben wir uns im Landtag dazu entschieden, nein, wir lehnen das ab und haben sogar eine Subsidiaritätsrüge gemacht, genau wie bei Trinkwasser. Der Bundesrat hat Subsidiaritätsrüge gemacht und viele andere europäische Mitgliedstaaten auch. Diese Sache wurde nicht eingeführt. Das nur mal als Beispiel, wie wenig Einfluss wir haben. Na klar, manche Mitgliedstaaten haben andere Interessen und da können wir uns nicht durchsetzen, aber das ist gegenüber dem, was vor dem Lissabon-Vertrag war, schon ein großer Fortschritt, dass wir auch als Regionalparlament zu dieser Frage gehört werden.
Dann haben Sie ja hier gesagt – das ist immer mein Lieblingsargument –: „Auf die krumme Gurke gehe ich nicht ein.“ Ich will es jetzt aber noch mal tun. Ich habe es langsam satt, die EU auf die krumme Gurke zu reduzieren. Wer hat denn die gerade Gurke gewollt? Doch nicht Juncker oder dergleichen mehr. Die Handelskonzerne, die Handelsketten haben das gewollt, weil sie dann die geraden Gurken besser von A nach B transportieren können. Das war doch die Ursache, wirtschaftliche Interessen gab es hier.
Was Sie wollen, dazu komme ich noch. Auf die Konzerne und ihre Politik komme ich noch. – Frau Henfling hat nämlich viel Inhaltliches gesagt, das
brauche ich mit dem, was ich aufgeschrieben habe, nicht noch mal wiederholen, weil wir da sehr vieles unterschreiben können. Aber ich will jetzt für die Seite – wie sind wir genannt worden: „Jubeleurokraten“ – noch mal auf diese Vereinbarung zu sprechen kommen. Hier in diesem gemeinsamen Antrag von CDU, Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen haben wir auch schon einen neuen Text, nicht neuen Text, einen etwas ergänzenden, überarbeiteten Text einer neuen Vereinbarung aufgenommen, den wir empfehlen. Auch wir sind der Auffassung, dass wir hier keine Gesetzesänderung oder irgendwas machen, sondern dass die Vereinbarung gut ist und entsprechend fortgeschrieben werden sollte. Das haben wir hier drin gemacht. Und wir haben dabei auch geklärt, was ich vorhin schon erklärt habe, dass die Rolle Subsidiaritätsbedenken und dergleichen mehr jetzt ein bisschen klarer dargestellt und natürlich auch dann in die Geschäftsordnung aufgenommen wird und die Frage der Konsultation usw.
Wir haben auch die Forderung aufgenommen, dass wir als Landesparlament den Zugang zu dem Bundesratsinformationssystem EUDISYS bekommen, da bitten wir die Landesregierung, an dieser Thematik dranzubleiben. Wir haben hier aufgenommen, dass die Frist von acht Wochen auf zwölf Wochen verlängert werden soll, dass wir das deutlich machen wollen und wir haben auch aufgenommen – da bin ich auch bei Herrn Wucherpfennig, da waren wir uns ja auch im Ausschuss einig, dieser Punkt kam ja auch von euch –, dass wir jetzt wirklich prüfen, inwieweit dieses Raster, was die Taskforce festgelegt hat, umgesetzt werden kann. Das müssen wir dem neuen Landtag mit auf den Weg geben, weil es ja jetzt wegen der Europawahlen – und was alles ist – kaum Frühwarndokumente von der Europäischen Union geben wird, wo wir das mal durchspielen können. Deshalb bitte ich auch um Zustimmung für diesen Antrag insgesamt. Das ist eine Fortschreibung der guten Vereinbarung. Das sollten wir einfach hier dem Landtag und der Landesregierung empfehlen.
Nun zu unserem anderen Antrag zum Weißbuch: Ich möchte mal so beginnen, ich will jetzt hier keine Schulstunde mit Herrn Höcke machen, aber ich weiß nicht, ob – Herr Höcke, ich gehe mal ein bisschen zur Seite, hier hinten befinden sich drei Fahnen, eine Fahne davon ist die Europaflagge – sich denn schon mal jemand ernsthaft Gedanken gemacht hat, wo die Europaflagge überhaupt herkommt und was sie eigentlich bedeutet. Darauf hat mich – da bin ich auch fair – heute eine Kollegin aufmerksam gemacht.
Frau Herold, „Heiliger Gral“ finde ich gar nicht so schlecht. Ich will es Ihnen auch begründen. Jawohl, es hat etwas mit dem Heiligen Gral an sich zu tun. Das ist sogar gut. Ich will Ihnen nämlich sagen: Die Europaflagge gibt es seit 1955. Die hat damals der Europarat eingeführt, der 1949 gegründet wurde. 1955 hat der Europarat diese Flagge gemacht. Was soll diese Flagge mit den zwölf Sternen auf azurblauem Hintergrund bedeuten? Die Sterne stehen für die Werte Europas – damals war es der Europarat –, nämlich Frieden, Einheit, Solidarität, Harmonie zwischen den Völkern Europas. Und jetzt komme ich gleich mal zu Ihrem, Frau Herold, „Europa der Vaterländer“ – da war die Katze aus dem Sack gelassen. Ich kenne es aus Geschichtsbüchern oder aus der Zeit, als mein Großvater gelebt hat, da gab es schon solche Begriffe wie „Europa der Vaterländer“. „Europa der Vaterländer“, meine Damen und Herren, hat Europa zwei verheerende Weltkriege eingebracht.
Das ist das „Europa der Vaterländer“.
Oh, jetzt muss ich fragen, in welchen Geschichtsbüchern Sie gelesen und gelernt haben.
Aber ich komme zurück: 1945 war der letzte Weltkrieg beendet. Nach dem Krieg 1949 lagen Deutschland und viele europäische Staaten in Schutt und Asche. Damals hat sich der Europarat aus europäischen Staaten als eine Organisation gebildet, die sich das Ziel gesetzt hat: Wir wollen keinen Krieg mehr, wir müssen miteinander reden und wir müssen in Zukunft in Frieden leben. Die haben sich dann 1955 diese Fahne mit den zwölf Sternen gegeben. Wie gesagt, diese Sterne stehen für Frieden, Einheit, Solidarität und Harmonie zwischen den Völkern Europas. Und das, Frau Herold, das unterschreibe ich gern, ist für mich als Europäer ein Heiliger Gral. Das ist es.
Ich will noch zu dem Europarat sagen: Heute besteht dieser Europarat aus 47 Staaten. Denn eins hat in Ihrer Rede, Herr Höcke, eigentlich noch ge
fehlt, darauf hatte ich mich eigentlich eingestellt, dass Sie uns wieder noch eine Lehrstunde „Was ist EU, was ist Europa?“ liefern. Das kam heute gar nicht. Da muss ich sagen, dieser Europarat besteht heute aus 47 Staaten, die miteinander reden. Ich will es nur mal so an der Seite erwähnen: Auch Russland ist Mitglied dieses Europarats.
Das Wort „Jubeleurokraten“, wie Sie uns hier betitelt haben: Da muss ich jetzt sagen, die AfD ist für mich ein heimtückischer und hinterlistiger EU-Zerstörer. Das sage ich an dieser Stelle.
Warum heimtückisch und hinterlistig? Das muss ich zugeben, da habe ich gestaunt, die Brüder haben viel Geld. Die ersten Wahlplakate, die wir hier in Thüringen für die Europawahl hatten, waren die blauen Plakate der AfD.
Ordentlich organisiert, straff deutsch organisiert.
Ich frage mich nur, warum Sie eigentlich für das Europaparlament kandidieren,
warum Sie Kandidaten für das Europaparlament aufstellen.
Bitte? Noch mal, Herr Möller, laut!
Meine Damen und Herren, das brauche ich jetzt nicht weiter ausführen, wir haben es alle gehört, für das Protokoll: Er hat die Frage beantwortet. –
Jetzt komme ich noch mal auf die Konzerne zurück, Herr Höcke. Sie haben davon gesprochen, Sie brauchen Europa, Sie wollen es ja nicht ganz kaputtmachen, der Binnenmarkt soll funktionieren, haben Sie gesagt. Genau da bin ich bei Ihnen, Herr Höcke. Sie wollen, dass Europa verkümmert. Das kritisiere ich teilweise auch an Europa, dass nur wirtschaftliche Interessen vorrangig im Mittelpunkt stehen. Sie wollen Europa nur auf wirtschaftliche Interessen, auf Geldverdienen, auf Profite konzen
trieren, und das Soziale und alles klammern Sie aus – mit dieser Bemerkung, wir brauchen nur den Markt.
Zur Eurokrise: Als wenn der Euro an sich, als Geldstück, als Währung daran schuld wäre, dass wir hier in eine Finanzkrise geraten sind. Erstens: Die Immobilienblase platzte zuerst in Amerika, in den USA. Und zweitens: Nicht der Euro ist daran schuld, sondern die Finanzpolitik insgesamt – ob mit Euro oder ohne Euro –, die hier in der Welt stattfindet. Das ist es. Und da muss ich Ihnen sagen: Die Deutsche Bank ist ein großes Beispiel dafür, wie man mit Spekulationen Menschen betrügt und Menschen Geld aus der Tasche zieht. Das ist es. Die Finanzkrise haben die Banken zum Teil mitverursacht.
Deutschland ist Nettozahler, haben Sie gesagt. Wir könnten ja viel mehr Geld für uns verwenden, als wir das könnten, wenn wir nicht in die EU einzahlen würden. Da muss ich sagen, da haben Sie den Wert der Solidarität nicht verstanden, das erwarte ich auch von Ihnen nicht. Wenn Deutschland Nettozahler ist, ist das einfach Solidarität, dass dann auch andere Staaten davon Nutzen haben, wenn wir als leistungsstarkes Land Geld einzahlen. Thüringen war Nutznießer davon und darüber sind wir auch froh.
Im Interesse der Zeit und der weiteren Diskussion: Ich könnte Ihnen hier an dieser Stelle jetzt natürlich auch noch unser Wahlprogramm erläutern. Eines möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen, was unseren Antrag betrifft, den wir hier gemacht haben, das wird unser PGF noch mal sagen: Wir werden hier sozusagen abschnittsweise Abstimmungen zur Zukunft der Europäischen Union vorschlagen. Ich will noch mal sagen, warum wir das 5. Szenario favorisieren und durchaus natürlich einsehen, dass es bis dahin Zwischenszenarien geben wird. Weil für uns heißt viel mehr gemeinsames Handeln, dass – Frau Henfling hat es gesagt – die Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden und dass die Menschen gemeinsam handeln sollen und dass wir für die Menschen gemeinsam handeln. Da sage ich immer wieder: Die EU ist auch in die Krise gekommen, weil die soziale Frage in vielen europäischen Staaten auch gemeinsam mit der EU nicht geklärt wurde. Deshalb sage ich: Wir brauchen einen europäischen Mindestlohn, das heißt keinen Einheitslohn in der EU, aber einen Mindestlohn in allen europäischen Staaten, wo die Lebensverhältnisse so sind, dass Menschen menschenwürdig leben können. Das ist unser Ansinnen für eine EU.
Dann zur Förderpolitik der EU, da will ich noch mal etwas für Thüringen sagen. Ich habe das mal zusammenrechnen lassen: Zwischen 2000 und 2020 hat Thüringen 8.154.000.000 Euro an Fördermitteln bekommen bzw. wird sie noch bekommen. Ohne diese Fördermittel hätten wir die soziale Infrastruktur nicht geschaffen, hätten wir keine leistungsfähige Wirtschaft. Wir haben ja auch vor allem kleine und mittelständische Betriebe reingeschrieben, die vom EFRE-Programm viel profitiert haben. Das hätten wir – Herr Wucherpfennig, wir waren in den Niederlanden – diese Technologie, die wir dort gesehen haben, die Thüringer Betriebe mit europäischen Konzernen machen, ohne diese europäische Förderung nie erreicht. Deshalb muss das genannt werden. Das hat etwas mit Solidarität zu tun: Dabei haben uns andere europäische Staaten geholfen, denen es besser ging als uns hier in Thüringen.
Zur Frage „Umweltschutz“ hat Frau Henfling schon etwas gesagt, das lasse ich an dieser Stelle weg. Auch ich möchte alle Thüringerinnen und Thüringer hier aufrufen: Gehen Sie zur Europawahl! Stärken wir das Europäische Parlament! Sorgen wir mit unserer Stimme dafür, dass Europa erhalten bleibt, sozialer, ökologischer und nachhaltiger wird, und vor allem, dass Frieden in Europa bleibt, und überlassen wir es nicht den Nationalisten! Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte mich hier auch im Namen der Koalitionsfraktionen bei der CDU für die Einbringung des Antrags bedanken.
Hier geht es um eine Krankheit, die eigentlich in diesem Land schon mal ausgerottet und beseitigt war und jetzt wieder auftritt und gefährlich auftritt. Ich muss allerdings auch sagen, wir haben hierzu einen Alternativantrag eingebracht, nicht als Gegenmittel, sondern um mit Ihnen gemeinsam auch darüber zu reden, denn ich finde, unser Antrag ist weitergehender, weil ich auch der Auffassung bin, wir sollten hier nicht nur über Masern reden, sondern wir sollten hier an dieser Stelle generell über Impfungen gegen gefährliche Infektionskrankheiten reden. Deshalb, wie gesagt, dieser Antrag von uns. Wir haben ja dann auch noch die Debatte dazu. Ich muss allerdings auch an dieser Stelle sagen, auch durch diesen Vorstoß von Spahn, der dazu geführt hat, dass uns auch der MDR am Sonntag alle befragt hat und ich dort meine Meinung geäußert habe – die werde ich dann schon noch mal kundtun –,
wurde das Thema zu Recht wieder in die Bevölkerung reingetragen. Ich muss aber auch feststellen, mit welcher großen Bandbreite da diskutiert wird und dass ich auch Argumente erlebe, wo ich den Kopf schütteln muss, aber es auch Argumente gibt, wo ich sagen muss, darüber musst du doch noch mal nachdenken.
Fakt ist eins: Im Interesse der Kinder bin ich – oder wir und deshalb unser Antrag – auch für eine Impfpflicht, aber sie muss rechtlich so gestaltet sein, dass sie auch nicht angreifbar ist. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich glaube, bei der Einbringung habe ich mich ja schon bei der CDU-Fraktion für diesen Antrag bedankt. Ich habe auch begründet, warum wir unseren noch eingereicht haben.
Eigentlich ist das, wir hier besprechen, ein Thema, das im Deutschen Bundestag ein bisschen anders gehandhabt wird. Vielleicht sollten wir mal darüber nachdenken. Bei solchen Themen wird oft das Abstimmungsverhalten freigegeben. Darüber sollten wir vielleicht mal nachdenken. Ich habe auch in der Diskussion eine Bandbreite kennengelernt.
Ich will mal ganz persönlich beginnen: Ich war 1958 ein dreijähriger Steppke, schöne Kindheit, Mietshaus in Weida an der Weida und jeden Nachmittag kam der Sohn des Vermieters – der war 18 Jahre – von seinem Lehrbetrieb zurück und hat mit mir gespielt. Das war toll. Eines sonntags, es war sogar die 750-Jahr-Feier in Weida, konnte der nicht mehr aufstehen. Er konnte nicht mehr aufstehen und wurde erst auf Rheuma behandelt. Es stellte sich heraus, es war Kinderlähmung. Seitdem war der erst einmal gelähmt. Ich habe jeden Tag mit dem gespielt und sage heute, ein Glück, dass ich die gerade eingeführte Schluckimpfung gegen Kinderläh
mung hatte. Vielleicht wäre ich angesteckt worden und hätte das Gleiche gehabt. Ich war froh, dass ich diese Schluckimpfung bekommen hatte. Ich habe vorhin gesagt, die Krankheit war schon einmal ausgerottet.
In den Diskussionen stelle ich fest, die Generationen gehen unterschiedlich an dieses Thema heran. Ich glaube, wir Älteren mit einer gewissen Sozialisierung, die eine Impfpflicht kannten, ich glaube, wir haben weniger ein Problem, da eine Debatte zu führen. Deshalb sage ich persönlich auch an dieser Stelle, auch aus den Erfahrungen
Madeleine bitte, ich weiß, wir haben unterschiedliche Auffassungen. Ja, das glaube ich euch. Deshalb habe ich vorhin auch etwas dazu gesagt, wie man mit so etwas hier in diesem Haus vielleicht umgehen kann, ohne dass wir uns die Köpfe einschlagen. –: Ich persönlich bin für eine Impfpflicht.
Aber ich sage nicht nur Masern, sondern wir sollten auch über andere gefährliche Krankheiten nachdenken. Dazu zählen für mich Keuchhusten, Kinderlähmung. Es geht um den Schutz unserer Kinder und es geht um den Schutz der Menschen, die sich so einer Impfung – Kollege Hartung hat es gesagt – vielleicht nicht unterziehen können.
Ich sage allerdings auch – das steht in unserem Antrag drin –, ich muss natürlich vorher auch noch einmal versuchen, mit einer Kampagne und dergleichen mehr die Menschen zu überzeugen. Ich erlebe zum Beispiel ein Argument von jungen Muttis – das kommt sogar aus meiner Familie, da staunst du, aber es ist so –, diese Sechsfachimpfung, die es gibt, ich kann doch meinem Kind nicht diese Dröhnung, Sechsfachimpfung zumuten. Das muss ich erst mal zur Kenntnis nehmen. Da wird nichts gegen die Impfung an sich gesagt, sondern die Sechsfachimpfung. Muss das so sechsfach sein, kann man das nicht auch anders lösen? Also, ich könnte mir vorstellen, das kann man auch anders lösen,
ich muss bestimmt nicht eine Sechsfachimpfung machen. Muss ich? Ich bin kein Arzt, aber ich muss mich doch mit diesem Argument auseinandersetzen. Ich bin kein Arzt, ich muss das ja erst mal zur Kenntnis nehmen. Dann höre ich Argumente, die
Sechsfachimpfung usw., da verdient die Pharmaindustrie dran.
Hör auf! Die Pharmaindustrie, klar, die verdient an allem. Das müssen wir erst einmal grundsätzlich sagen. Also wenn ich Hustentabletten nehme und ich muss die auch noch selber bezahlen, verdient die Pharmaindustrie daran. Das ist erst mal Fakt. Aber trotzdem ist das hier ein Produkt, wo ich froh bin, dass es das auf dem Markt gibt und dass ich so eine Impfung nutzen kann, auch wenn da ein Konzern verdient.
Dann, Leute, da bin ich fast vom Fernsehsessel gefallen. „Panorama“-Sendung, und da sagte ein Vater – er bringt sein Kind in eine Privatschule, die fängt mit W an – in die Fernsehkamera: Masern? Was ist denn das? Das ist doch eine ganz normale Krankheit. Wenn mein Sohn Masern kriegt, dann wird er gestählt, das härtet den Körper ab und der wird gestählt. – Na, da dachte ich an der Stelle, der hat ja nicht alle Tassen im Schrank. Aber das war seine Meinung. Auch diese Meinung muss ich zur Kenntnis nehmen. Es ist so.
Aber ich habe meine Position dazu gesagt, ich bin für die Impfpflicht – als mich der MDR zu dem Spahn-Vorstoß gefragt hat. Das war wieder typisch Spahn, wir ballern erst mal was raus. Das Anliegen an sich, ja, aber das mit diesen Sanktionen muss ich schon rechtlich abwägen. Ich bin auch dafür, dass Kindergärten keine Kinder aufnehmen, die nicht geimpft sind,
wenn es nicht einen Grund gibt, warum sie nicht geimpft sind. Das muss ich natürlich abwägen. Dazu zu sagen, da hat der Staat kein Eingriffsrecht: Also da sage ich, wir haben als Staat festgelegt, dass jedes Kind einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz hat. Dann habe ich, glaube ich, als Staat auch das Recht, festzulegen, unter welchen Voraussetzungen ein Kind den Kindergarten besuchen kann und sollte.
Aber es gibt da wieder Rechtsbedenken oder was kann man für eine andere Lösung machen. Also es ist ein heißes Thema und ich weiß, so ein paar Kollegen aus unserer Koalitionsfraktion, aber auch aus meiner Fraktion, die klatschen jetzt bei meiner Rede keinen Beifall. Auch das muss ich akzeptieren und erst einmal zur Kenntnis nehmen. Deshalb sollten wir noch einmal darüber nachdenken, wie wir jetzt mit bestimmten Sachen umgehen. Darum bitte ich auch meine Koalitionsfraktionen, im Prinzip darüber noch einmal nachzudenken. Ich beantrage hier ganz offiziell noch einmal die Überweisung bei
der Anträge an den Sozialausschuss, sage aber auch an dieser Stelle: Ich persönlich möchte dort keine ellenlange Debatte haben. Ich möchte auch keine große Anhörung dazu haben, weil wir da manches schon genug verzögern. Wir sollten prüfen, was alles machbar ist. Wir sollten auch dazu das Sozialministerium noch einmal befragen, wir sollten dazu auch das Bildungsministerium noch einmal hören, damit wir das rechtlich sauber abklären. Ich möchte eins, dass wir als Landtag einen Beschluss fassen, der uns allerdings nicht gleich in den nächsten vier Wochen vor das Verfassungsgericht bringt. Das sage ich an dieser Stelle auch. Das sollte sauber abgeklärt werden. Meine persönliche Meinung habe ich heute hier dazu gesagt. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eigentlich sollte jetzt an dieser Stelle unsere Kollegin Karola Stange stehen und zu ihrem Fachgebiet und zu der Thematik sprechen. Leider, wie das im Leben so ist, da kann sich manches in Sekunden ändern – Sie haben ja draußen den Krankenwagen gesehen oder manche haben es gesehen –, musste Karola Stange aufgrund eines Vorfalls, so will ich es mal sagen, was wir nicht wissen, oder eines Notfalls ins Krankenhaus gebracht werden. Deshalb bin ich auch der CDU dankbar, dass sie den Antrag gestellt hat, dass wir den Bericht, der es verdient hat weiter im Ausschuss beraten zu werden, bzw. dass wir es bei den jetzigen Ausführungen belassen und die Debatte im Ausschuss führen.
Namens der Koalitionsfraktionen möchte ich aber auch die Gelegenheit nutzen, mich beim Behindertenbeauftragten, Herrn Leibiger, und bei seinen Kol
leginnen und Kollegen für diese geleistete Arbeit, für die im Bericht genannten und natürlich auch nicht genannten Aktivitäten recht herzlich bedanken. Die Behinderten in Thüringen haben in Herrn Leibiger eine Stimme und einen Vertreter, der sich stets, zu jeder Zeit, um ihre Belange kümmert, der aber auch immer ein mahnendes Wort und Hinweise und Ratschläge für die Politik bei der Gestaltung der weiteren Arbeit mit Behinderten und bei der Umsetzung der Behindertenkonvention hat. Und ein guter Behindertenbeauftragter ist der, der vor allem immer, zu jeder Zeit, auch auf die wunden Punkte und Reserven hinweist, die wir noch als Politik haben.
Aber darüber können wir im Ausschuss gern noch reden und diskutieren und deshalb stimmen wir als Koalitionsfraktionen der Überweisung an den Ausschuss zu.
Danke, Frau Präsidentin, ich möchte erklären, warum ich als fast Betroffener so abgestimmt habe. Bei mir in der Familie lebt eine 35-jährige junge Frau, die Tochter meiner Frau, und die besucht seit 15 Jahren eine Werkstatt für Behinderte. Ich habe bewusst den Antrag der CDU-Fraktion abgelehnt und ich will das erklären. Da stehen viele Sachen drin, die im ersten Moment als richtig erscheinen, aber gelöst werden können sie nicht so mit einem Antrag.
Warum halte ich diesen Autoschlüssel hoch? Meine Tochter muss hier in dieser Werkstatt Kontakte und Batterien hineinmachen, das ist eine Arbeit, die ich nach zehn Minuten in die Ecke schmeißen würde, weil ich das nicht könnte. Für diese Arbeit bekommt sie 180 Euro Lohn. Sie ist gezwungen, Grundsicherung in Anspruch zu nehmen. Wenn sie für gute Arbeit mal eine Prämie von 100 Euro bekommt, nimmt das Grundsicherungsamt ihr diese 100 Euro wieder weg, weil das auf die Grundsicherung angerechnet wird, Gesetzgebung SGB XII, Bundesgesetz, Lohnhöhe Bundesgesetz. Und warum halte ich noch mal diesen Autoschlüssel hoch? Darüber spricht nämlich keiner, meine Damen und Herren! Die Werkstatt bekommt für ein solch kleines Ding 10 Cent – 10 Cent von der Autoindustrie! Ich glaube, hier liegen Ursachen, worüber wir nachdenken müssen, wie wir politische Rahmenbedingungen setzen müssen.
Das ist das Problem und deshalb geht unser Maßnahmenplan weiter als Ihr Antrag. Es will keiner, auch ich will nicht, dass die Werkstätten abgeschafft werden, weil das nämlich unter anderem die Voraussetzung ist, dass unsere Tochter mal Rente beziehen wird. Wie die dann aussehen wird, das sei noch dahingestellt. Was mir vorschwebt: Dieses System der Werkstätten muss geändert werden. Aus den Werkstätten müssen Integrationsbetriebe werden, die dann auch von der Wirtschaft ordentlich bezahlt werden.
Und das ist das Problem und deshalb habe ich heute gegen den Antrag der CDU gestimmt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich wollte eigentlich so beginnen wie Frau Henfling: die unendliche Geschichte des Brexit. Und viele Menschen, mit denen man spricht, können das Wort „Brexit“ wirklich schon nicht mehr hören. Wir müssen aber auch anerkennen, dass der Entscheidung zum Brexit ein Referendum in Großbritannien vorangegangen ist, die Menschen abgestimmt haben und das Ergebnis so ist, wie es ist. Uns bleibt nichts
anderes übrig – und das gehört dazu –, dass wir dieses Referendum erst einmal akzeptieren – mit allen Auswirkungen, die dieses Referendum hat.
Natürlich sollten wir nicht vergessen, warum das Referendum zustande gekommen ist: Weil ein konservativer Ministerpräsident Cameron seine Macht erhalten wollte, dann mit dem Feuer gespielt hat, die Meinung seiner Menschen im eigenen Land nicht kannte und dann dieses Referendum losgestoßen hat – unter dem Motto: „Das wird schon nicht schiefgehen!“ Es ist schiefgegangen, weil die Menschen so abgestimmt haben, wie es ist.
Eine Ursache für mich, dass die Abstimmung so war, wie sie eben stattgefunden hat, ist unter anderem auch die Angst der Briten vor ausländischen Bürgern. Aber nicht, wie vielleicht manche denken, vor denen, die aus Afrika kommen oder sonst woher. Nein: Angst vor EU-Bürgern. Zum Beispiel wissen wir alle, dass viele polnische Bürger in Großbritannien arbeiten und auch die Freizügigkeit wahrnehmen, die das europäische Recht ihnen gewährt, was eine gute Sache ist. Aber viele hatten dann Angst: Die nehmen uns die Arbeit und sonst was weg und dergleichen mehr. Und warum ist das so? Weil in Europa die soziale Frage innerhalb der EU nicht geklärt ist.
Das ist eigentlich die Hauptursache, dass dieses Referendum zustande gekommen ist. Und deshalb müssen wir auch die Ursachen für solche Sachen bekämpfen. Und deshalb fordern wir zum Beispiel: Wir brauchen in Europa soziale Standards, wir brauchen eine Angleichung der sozialen Sicherungssysteme und wir brauchen auch einen europäischen Mindestlohn! Schrittweise müssen wir dort hinkommen, damit die Freizügigkeit im Interesse der Menschen auch wirklich bewahrt werden kann. Wir sollten natürlich auch, wenn wir sagen, dass wir das Referendum akzeptieren – ich will jetzt gar nicht die Politik des Unterhauses beurteilen oder so was, was dort ist, Chaos, das wissen wir alle …
Aber natürlich hat das auch Auswirkungen auf Deutschland und auf uns. So gibt es eine Bertelsmann-Studie, die zum Beispiel errechnet hat, dass die Einkommensverluste nach dem Brexit – also nach einem harten Brexit – in Deutschland pro Jahr 10 Milliarden Euro betragen würden. Das heißt, statistisch berechnet hat jeder 115 Euro im Jahr weniger in der Tasche. In Großbritannien sind das 57 Milliarden Euro, das heißt 850 Euro pro Kopf. Das sind natürlich Zahlenspielereien, aber die drücken unter anderem aus: Jawohl, wir werden Nach
teile haben und wir werden auch Verluste haben. Verlierer wird vor allem die Jugend sein. Die Jugend, die Erasmus-Programme wahrnehmen konnte, Studienaustausche gemacht hat, die wird der Verlierer sein, weil das zukünftig wegfällt. Deshalb gibt es jetzt erst einmal die Notfall-Lösung, dass zumindest die – und das kann man hier sagen –, die im Erasmus-Studium sind und das begonnen haben, das zu Ende führen können.
Aber Verlierer werden auch wir hier in Thüringen sein, die einzelnen Betriebe mit Zollgebühren und dergleichen mehr. Aber es wird auch weniger Mittel im EU-Haushalt geben und damit auch weniger Mittel für Thüringen aus dem Kohäsionsfonds.
Und ein letztes Beispiel nach einem Gespräch gestern mit dem Apothekerverband: Besonders auch auf die Arzneimittelversorgung wird das Auswirkungen haben, weil der freie Arzneimittelhandel zwischen Großbritannien und Deutschland und der EU wegfallen wird. Es ist heutzutage so, dass in Großbritannien auch viele Ausgangsprodukte für Arzneimittel hergestellt werden. Das heißt, auf die muss ein Zoll erhoben werden, bis die hier reinkommen und dergleichen mehr. Damit kann auch die Gefahr bestehen, dass die Arzneimittel teurer werden.
Insgesamt kommt es aber jetzt darauf an, dass wir durch eine soziale und ökologische Politik innerhalb der EU – und die Politik wird durch die Mitgliedstaaten bestimmt – solche Faktoren wie Sozialneid, soziale Ungerechtigkeiten innerhalb der EU schrittweise beseitigen, damit nicht noch andere Länder eventuell auf die Idee kommen: Wir wollen uns mal trennen und machen unseren eigenen Mist. Diese Tendenzen gibt es, denen sollten wir entgegenwirken. Und wir werden spüren, was es bedeutet –
wenn wir dann plötzlich allein sein müssen bzw. ein Land austritt. Ich danke.
Also ich glaube, Herr Rudy, für Sie ist die Erde eine Scheibe, also nach diesen Worten jetzt bleibt mir nichts anderes übrig. Es wird keine Handelseinschränkungen geben – sagen Sie mal, in welcher Welt leben Sie denn? Haben Sie überhaupt was begriffen? Es werden Zölle erhoben werden, es werden Handelsverträge nicht mehr gültig sein, damit werden sich die Preise verteuern. Die deutsche Wirtschaft ist auf Export ausgerichtet, was ein großes Problem ist. Das wird sich aber auswirken, weil nämlich unsere Ausfuhren für die britischen Bürger teurer werden und damit vielleicht auch nicht mehr so viele Produkte aus Deutschland angenommen werden. Die Einfuhr von Arzneimitteln wird mit Zoll belegt sein, das haben wir vorhin alles gesagt. Also für Sie ist die Erde eine Scheibe. Und dann behaupten Sie hier, das hat keine Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen mit Großbritannien. Das ist einfach falsch.
Und Thüringen wird weniger Mittel innerhalb des Kohäsionsfonds bekommen, allein weil 10 Milliarden Euro – mehr sogar noch, ich habe jetzt die Zahlen nicht im Kopf – Mittel im EU-Haushalt fehlen werden. Das wird sich auf die 27 restlichen Staaten auswirken – aber der Brexit hat keine Auswirkungen auf Europa für Sie, weil Sie in Ihrer nationalen Kiste denken und nicht global denken können. Aber das hat auch was mit Bildung zu tun, Herr Rudy. Danke.
Gerade wir als Thüringer haben nach 1989 der EU sehr viel zu verdanken. Wir hätten es nämlich nicht geschafft,
so eine soziale Infrastruktur aufzubauen und kleine und mittelständische Betriebe aufzubauen. Wir hätten nach 1989 eine Arbeitslosigkeit gehabt, die wäre jenseits von Gut und Böse gewesen. Dank der Mittel von ESF, dank EFRE-Mittel konnte diese Arbeitslosigkeit verhältnismäßig niedrig gehalten werden, und vor allem hat diese Förderung ESF dazu beigetragen, dass viele aus dem damals sogenannten zweiten Arbeitsmarkt einen Platz auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden haben. Und das waren EU-Mittel und da haben – und da sind wir bei Wertegemeinschaft und nicht bei Geld –
nämlich die europäischen Staaten Solidarität auch mit den schwachen Regionen bei uns hier in Ostdeutschland geübt, und das hat was mit Wertegemeinschaft zu tun.
Für mich gibt es heute eine ganz tolle Erkenntnis, dass nämlich ab diesem Gang hier in diesem Haus die Europäer sitzen, und wir sollten gerade auch in Vorbereitung der Europawahlen bei unserer Meinung bleiben und wir sollten uns in diesem Haus auch weiter als Europäer darstellen, vor allem aber auch draußen gegenüber den Thüringerinnen und Thüringern.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nur am Rande: Ich komme noch öfter heute.
Wir stellen zurzeit bei Gesprächen mit Menschen – in der Presse wird das dargestellt, aber auch bei Gesprächen, die im Wahlbüro geführt werden – fest, dass besonders Bewohner von Altenheimen jetzt neue Pflegevereinbarungen bekommen und dass ihre Beiträge für die Unterbringung im Heim bzw. Pflege im Heim teurer werden, dass sie mehr bezahlen müssen. Das Gleiche trifft auch auf Menschen zu, die ambulant betreut werden; auch hier steigen die Zuzahlungen. Es ist ja bekannt, dass ich in meiner Trägerschaft Pflegedienste habe. Selbst wir haben jetzt neue Pflegeverträge mit unseren Pflegebedürftigen abgeschlossen und die Erhöhung der Zuzahlung betrifft je nach Pflegegrad teilweise bis 250 Euro mehr. Warum ist das so gekommen? Weil wir zum Beispiel Pflegesatzverhandlungen mit den Krankenkassen geführt haben, im Interesse, dass unsere Pflegekräfte mehr Geld für ihre Arbeit bekommen. Es ist ja in diesem Land gesellschaftlicher Konsens, dass die Pflegekräfte eine angemessene, ihrer Arbeit entsprechende gerechte Vergütung bekommen sollen. Das wollen wir alle und das wird überall bekundet. Und hier an dieser Stelle habe ich schon öfter gesagt: Aber wie das System funktioniert, bezahlen das nicht die Pflegekassen – diese Gehaltserhöhung und die Lohnerhöhung für die Pflegekräfte –, sondern diese Erhöhung müssen die Pflegebedürftigen bezahlen. Und können die das nicht, bezahlen das die Kommunen.
Ursache dafür ist, dass die Pflegeversicherung eine sogenannte Teilversicherung ist, manche sagen auch, es ist eine Teilkaskoversicherung. Das heißt, die Deckelbeträge für die Pflegenden bleiben gleich, wird etwas erhöht, zahlen es die Betroffenen selbst. Und das ist nicht nur wegen der Gehaltserhöhungen für unsere Pflegekräfte so, sondern privat muss auch noch die Umlage für die Ausbildungsvergütung bezahlt werden. Wenn eine Pflegeeinrichtung ausbildet, werden eigentlich die Pflegebedürftigen in der Einrichtung bestraft, weil die
mit einer Umlage die Ausbildungsvergütung bezahlen müssen. Und es werden von den Pflegebedürftigen sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich Investitionskosten verlangt und eine Investitionsumlage. Das heißt, mit diesem System werden unsere Pflegebedürftigen enteignet – und das kann es nicht sein, da brauchen wir einen Systemwechsel. Der Systemwechsel kann nur darin bestehen, dass aus der Pflegeversicherung – aus dieser Teilversicherung – eine Vollversicherung wird.
Da wird gleich wieder die nächste Frage kommen: Vollversicherung bedeutet mehr Geld, wo nehmen wir das Geld her? Ja, da müssen wir uns alle tief in die Augen schauen: Entweder Beitragserhöhung oder – was wir favorisieren – wir bauen das System der Pflegeversicherung auf der Grundlage einer Bürgerversicherung auf. Jeder, der Einkommen erzielt, zahlt in diese Versicherung ein, ebenfalls die Beamten, Politiker und so weiter, damit mehr Geld in die Pflegekasse reinkommt. Oder wir müssen das System steuerfinanzieren. Nur das sind die Auswege aus der Krise, in der die Pflege zurzeit ist. Was Herr Spahn jetzt vorschlägt, die Deckelung der Eigenanteile und dergleichen mehr, das ist aus unserer Sicht nicht weit genug gegriffen, das ist Kosmetik am System. Wir brauchen eine grundsätzliche Veränderung.
An dieser Stelle muss ich natürlich auch sagen: Die Krankenkassen bezahlen keinen müden Pfennig mehr. Und wenn sich die Kassen aber hinstellen – und das habe ich selbst erlebt: Wenn sich der Chefunterhändler oder Chefverhandler, der extra aus Chemnitz kam, einer großen grünen Kasse, die für zwei Bundesländer zuständig ist, in den Gebührenverhandlungen so arrogant und überheblich hinstellt und ich mir Sätze gefallen lassen musste wie: „Herr Kubitzki, Sie sind selbst dran schuld, wenn Sie ältere Pflegekräfte beschäftigen, die viel Geld kosten!“, dann ist das einfach nicht richtig und ist falsch. Das sollten sich die Kassen mal überlegen, wie sie hier mit Pflegekräften umgehen.
Oder wenn ich einen Artikel lese, geschrieben von Hanno Müller in der TLZ: „Wer pflegt, kämpft allein auf weiter Flur“. Was hier drinsteht, dass Pflegebedürftige überfordert sind, die Rechnung zu verstehen, das stimmt, das erlebe ich manchmal jeden Tag. Aber was hier unterschwellig auch drinsteht, dass die Pflegedienste und -einrichtungen teilweise als Abzocker dargestellt werden, das ist in meinen Augen eine Riesensauerei. Und damit danken wir den vielen Pflegekräften nicht, die tagaus tagein, nachts, am Tag, am Wochenende arbeiten. Denen gehört unser Dank und dafür gehört sich auch eine gerechte Bezahlung.
Diesen Herrn Hanno Müller würde ich gern mal für eine Woche in meine Einrichtung einladen. Da kann er jeden Tag eine Doppelschicht fahren, da kann er Wochenenddienst machen, da kann er mal sehen –
wie das Leben einer Krankenschwester ist. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich staune schon etwas, was in so eine Studie, womit 4 Prozent der Kinder von Thüringen erfasst sind, alles reininterpretiert werden kann. Damit will ich nicht ausdrücken, dass diese Studie nicht ernst genommen werden soll. Aber daraus dann gleich „Frau Ministerin, Sie sind schuld, keine Impfungen, Kinder sind zu dick, also lassen Sie sich mal was einfallen“ zu machen, das finde ich schon ein bisschen unredlich in dieser Sache. Dass mit medizinischer Struktur in Verbindung zu bringen, finde ich auch fachlich sehr fragwürdig an dieser Stelle.
Was mich natürlich überrascht hat, sind zum Beispiel an erster Stelle die Atemwegserkrankungen vor allem bei Kindern in der Stadt und Allergien bei Kindern auf dem Land. Aber wenn man mal nachdenkt, ist das ja gar nicht so befremdlich. Ich glaube, unter anderem die Atemwegserkrankungen in der Stadt haben auch was mit unserer Umwelt zu tun – als eine Ursache. Und die zweite Ursache ist fehlende Bewegung. Jetzt könnte ich reininterpretieren, Allergien usw. auf dem Land – wir haben gerade die Glyphosat-Diskussion. Das könnte ich jetzt einbringen. Auch das kann ich hier in diese Studie reininterpretieren.
Aber ich will mal eine andere Aufmerksamkeit bei Ihnen wecken. Vor Kurzem konnte ich die RehaEinrichtung in Bad Salzungen „Charlottenhall“ besuchen. Dort werden Kinder betreut und rehabilitiert, die übergewichtig sind. Das Programm, was die dort machen, ist eine ganz tolle Sache, in drei, vier Wochen die Kinder in eine gesunde Lebensweise zu bringen. Da sagte mir aber der Chef von dieser Reha-Einrichtung dort: Wir arbeiten auch viel mit Eltern zusammen; aber, Herr Kubitzki, was kann ich denn in den drei Wochen anfangen, wenn ich
auch die Mutti hier habe – und ich sage das jetzt mal ein bisschen plakativ – und die so breit ist, dass sie eigentlich auf zwei Stühlen Platz finden muss. – Ich glaube, und das ist doch das Wesentliche, dass die Lebensverhältnisse und die Lebensweise der Eltern auch entscheidend die Lebensweise der Kinder beeinflussen. Dazu wird in der Studie was gesagt, nämlich, dass es Unterschiede in der Frage bildungsfern oder bildungsnah gibt. Ich sage aber auch, es gibt Unterschiede bei der Frage arm oder reich. Auch das spielt eine Rolle.
Aber wir müssen doch ansetzen unter anderem bei der Erziehung der Eltern. Das beginnt auch schon im Kindergarten bei der Bewegung der Eltern zu einer gesunden Lebensweise, die sie auch an ihre Kinder weitergeben müssen. Deshalb gehört die Erziehung der Eltern für mich – und deshalb haben wir auch Eltern-Kind-Zentren – mit dazu, um das zu erreichen. Ich gebe zu, Bewegung brauchen unsere Kinder, dazu zählt der Sportunterricht. Und es ist schade und schlecht, wenn Sportunterricht ausfällt. Da bin ich bei denen, die das gesagt haben. Aber es gehört auch dazu, dass Kinder mehr für eine Teilnahme in Sportvereinen gewonnen werden. Aber auch das ist eine Geldfrage, manchmal. Ich erlebe das selbst bei meiner Enkelin. Die ist Flossenschwimmerin, macht Leistungssport im Tauchsportverein der TU Ilmenau. Sie nimmt an Wettkämpfen teil. Aber was das für Kosten für die Eltern bringt, allein die Ausrüstung, die Flossen, auch der Transport zu Wettkämpfen und dergleichen mehr – das tragen die Eltern. Manche können das, manche können das nicht. Also fällt das weg. Auch hier spielt die Einkommensfrage eine Rolle bzw. wir müssen darüber nachdenken, wie solche Kinder, die auch aus sozial schwachen Familien kommen, an solchen Sportveranstaltungen zum Beispiel teilnehmen können.
Wir brauchen eine gesunde Ernährung in unseren Schulen; gesundes Schulessen gehört dazu. Aber wir wissen alle, über den Essensanbieter in den Schulen entscheidet die Schulkonferenz. Da denken viele auch noch: Hauptsache es kostet nichts. Also wir können nicht alles nur auf Land und Regierung schieben, sondern es haben hier an dieser Stelle auch die Eltern eine Rolle.
Hier wurde die Frage der Depressionen genannt. Herr Zippel sagt, das ist der Leistungsdruck, der auf unseren Kindern liegt. Mag sein! Ich stelle aber, auch über meine Integrationskräfte aus dem Betrieb, die Problematik fest, dass auch Kinder Depressionen haben, die gerade nicht aus Familien in prekären Verhältnissen kommen, sondern dass das oft auch Kinder sind, die die sogenannte ESE-Störung haben – emotional-soziale Empfindungsstö
rung –, die aus Familien kommen, denen es eigentlich gut geht. Aber was ist da das Problem? Die Eltern müssen dem Geld hinterherjagen.
Sie jagen freiwillig dem Geld hinterher und haben dann wenig Zeit, sich mit den Kindern zu beschäftigen. Also ich glaube, wir müssen ganzheitlich ansetzen und das beginnt in den Kitas und bei den Eltern. Danke.
Herr Zippel, bleiben Sie mal auf dem Teppich!
Ich habe im Gegensatz zu Ihnen eine Zeit erlebt in diesem Land, da herrschte die Diktatur, die wir alle nicht mehr haben wollen. Da war aber manches anders möglich zu klären. Da hat man nämlich den Eltern gesagt: Impfpflicht, Schuluntersuchungspflicht usw. Die Zeiten sind Gott sei Dank vorbei.
Was Sie hier der Ministerin vorwerfen, auch mit der Landesgesundheitskonferenz – ich habe ja nun auch das Vergnügen, Mitglied im Vorstand der AGETHUR zu sein. Dort laufen auch Programme für Kindergesundheit, an denen sich Landkreise beteiligen können und an denen sich Landkreise auch beteiligen, aber eben nicht alle Landkreise in Thüringen. Wir können sie nicht zwingen. Die Realität im Leben ist eigentlich auch: Ich kann fünfmal mit Eltern reden, die in prekären Verhältnissen leben, Frauen und Kolleginnen von mir müssen die betreuen. Wir sehen unsere Aufgabe darin, mit den Kindern zu den Ärzten zu gehen und so weiter. Aber wir können nicht in allen Familien jemanden an die Hand nehmen. Ein bisschen Eigenverantwortung müssen die Familien auch noch von sich aus als Eltern haben.
Ich will noch mal etwas zu der Frage psychisch kranker Kinder sagen. Gerade bei Eltern, die gut situiert sind, wo die Kinder erst kommen, wenn die Eltern Mitte 30 sind, erlebe ich dann manche, die wollen auf nichts verzichten, obwohl sie Kinder haben. Auf nichts wollen sie verzichten, alles mitmachen, die schleppen abends noch kleine Kinder zu Veranstaltungen oder in Gaststätten mit. Und dann wundern die sich, dass die Kinder nervös sind. Frau Rosin, da brauchen Sie gar nicht lachen, das kann man diesen Eltern in dem Sinne nicht verbieten. Eine Gaststätte kann die eigentlich rausschmeißen, aber wenn es eine geschlossene Gesellschaft ist, kann ich das nicht verbieten. Das ist doch die Realität.
Bleiben Sie doch mal ein bisschen realistisch. Es sollen auch die Verantwortung tragen, die dafür sind. Und dazu müssen wir die Eltern befähigen.
Aber wir können sie nicht diktatorisch dazu zwingen. Ja, das macht einen doch wahnsinnig hier.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich kann es jetzt verhältnismäßig kurz machen, denn ich wiederhole nicht das, was viele schon gesagt haben,
nur weil ich es nicht gesagt habe. Ich bedanke mich für Ihren Beifall.
Ich will jetzt nicht über das Thema reden, es stimmt vieles, was hier gesagt wurde. Aber, Herr Zippel, eines muss ich korrigieren: Dr. Hartung hat nicht am Thema vorbeigeredet, das muss ich an dieser Stelle sagen.
Denn wenn wir über die Notwendigkeit reden, warum wir ausländische Ärzte hier brauchen, dann müssen wir über die Ursachen reden, warum wir die brauchen.
Das ist zum Beispiel ein Problem – da bin ich wieder bei dem, was ich gestern gesagt habe –: Es hat auch was mit der Ökonomisierung dieses Gesundheitssystems zu tun. Wir haben diesen Verschiebebahnhof. Vor Kurzem hatte ich mal Gelegenheit, drei Tage in einer stationären Einrichtung eines Krankenhauses zu verbringen. Ich musste feststellen: viele ausländische Ärzte, man merkt es an der Sprache. Die Chefärzte haben alle deutsch gesprochen.
Ich glaube, wir haben hier wirklich ein Problem wegen der Bezahlung, wegen der Arbeitsbedingungen an unseren Krankenhäusern, dass viele sagen: Diese Belastung mache ich nicht mehr mit. Meine Aufstiegschance als Oberarzt, als Chefarzt dauert ein Stück, da gehe ich lieber in die Schweiz, da gehe ich nach Skandinavien, da gehe ich nach Großbritannien – das wird nun demnächst nicht mehr so attraktiv werden – und da verdiene ich mehr Kohle, mehr Geld und ich gehe.
Ich hatte schon die Situation – da haben wir überhaupt noch nicht über Flüchtlinge gesprochen, das war Anfang der 2000er-Jahre –: ein Familienmitglied von mir, vor einer Operation, Gespräch mit dem Anästhesisten. Ich hatte das Gefühl, ich habe den Anästhesisten nicht so richtig verstanden, und ich hatte aber auch das schlimme Gefühl, der versteht uns nicht. Da wurde es dann schon in gewissen Fragen kritisch.
Wir müssen die Ursachen bekämpfen, warum das so ist. Die andere Seite ist: Wir nehmen den osteuropäischen Staaten – oder wo das ist – im Prinzip auch die Fachleute weg, weil unsere Fachleute wieder woanders hingehen, wo sie viel Geld verdienen. Das ist eine Sache, die müssen wir angehen, aber dazu brauchen wir eine Veränderung in diesem Gesundheitssystem.
Ich könnte jetzt noch was zur Pflege sagen, aber das lasse ich an dieser Stelle weg, es wurde vieles gesagt. Aber da stimme ich mit Ihnen überein, Herr Zippel: Auch ich habe das Gefühl, das Landesverwaltungsamt ist hier ein gewisses Nadelöhr. Das hat das Ministerium schon erkannt. Deshalb beantrage ich hier ganz offiziell die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Soziales usw. Vielleicht finden wir eine Möglichkeit, ohne dass wir in das Prozedere einer Anhörung gehen, dass wir bei diesem Tagesordnungspunkt die Landesregierung bitten, dass sie da mal das Landesverwaltungsamt mitbringt und dass wir die Landesärztekammer dazu einladen
gleich – und dass wir dazu vielleicht auch die FSU einladen und wir uns dann im Ausschuss mit diesen Leuten unterhalten, die aktiv an diesem Prozess beteiligt sind.
Ich habe nie abgestritten, dass wir ausländische Ärzte brauchen. Aber wenn Sie schon von einem vereinten Europa reden, dann müssen wir eines machen: Dann brauchen wir in Europa auch eine gewisse Vereinheitlichung vom Steuersystem, vom Lohnniveau, dass wir nicht diese Problematik haben, dass wir aufgrund dieser unterschiedlichen Bezahlung, dieser unterschiedlichen Vergütung, diese Wanderbewegung haben. Haben wir nämlich einheitliche Sozialstandards in Europa,
eine vernünftige einheitliche Bezahlung, dann haben wir auch nicht diese Wanderbewegung. Da bin ich bei Ihnen oder vielleicht auch nicht bei Ihnen. Aber trotzdem, wenn wir ausländische Ärzte brauchen, hat es ja Ursachen, warum wir die brauchen – weil wir nicht genug deutsche Ärzte haben, die hier arbeiten wollen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, also eines lasse ich hier nicht gelten, von niemandem: dass die Landesregierung wenig unternommen hat, um diesen Krankenhausstandort zu halten.
Lösungsansätze gab es, wir waren beteiligt – Thomas Hartung hat das gesagt, Babett hat das gesagt. Wir haben uns den Mund teilweise fusselig geredet, das ist so. Aber es gibt eben auch kommunale Einflüsse, es gibt eine kommunale Selbstverwaltung – und das mussten wir letzten Endes akzeptieren.
Ich will jetzt nichts zu bestimmtem, zu so manchem Missmanagement sagen. Das, was Thomas, du gesagt hast, mit der Frage der Spezialisierung, das ist ja nicht das erste Mal hier in diesem Haus behandelt worden. Darüber haben wir schon oft gesprochen.
Das gehört ganz einfach auch dazu und da muss ich sagen: Jawohl, mit dem Privatisierungswahn, das ist ein Problem in unserem Gesundheitswesen.
Das muss ich an dieser Stelle sagen: Ursache dafür ist, dass Kommunen teilweise aufgrund ihrer
Haushaltslage gezwungen wurden, dass sie, bestimmte Eigentümer verkaufen müssen. Wir haben heute hier über den Jahresbericht des Landesrechnungshofs gesprochen. Was hat der mit diesem Thema zu tun? Ich komme aus einem Landkreis, dem geht es nicht gut, das weiß nun jeder. Aber teilweise, wenn ich diesen Bericht lese, steht drin, wir sollen unser Eigentum verkaufen. Das Eigentum, was wir noch haben, ist unser Krankenhaus. Und das kann ich aber an dieser Stelle sagen: So wie der Kreistag jetzt zumindest noch aussieht – Frau Holzapfel kann das bestimmt bestätigen –, wird es keine Mehrheit geben, dass wir unser Krankenhaus an irgendwelche Privatleute verkaufen. Das ist erst mal Fakt.
Dann haben wir dort eine Krankenhausdichte, wo ich natürlich auch fragen muss: Was wurde da bisher in der Krankenhausplanung gemacht? Wir haben in Bad Frankenhausen 169 Betten, wir haben in Sömmerda 176 Betten, wir haben in Sondershausen 172 Betten. Da rede ich jetzt noch gar nicht von unserem großen kommunalen Krankenhaus in Nordhausen. Das sind Entfernungen – ich sage da immer Rollator-Entfernung –, da kann der Patient hinlaufen zu diesen Krankenhäusern, zwischen diesen Krankenhäusern. Das gehört ganz einfach auch zur Realität dazu. Die Menschen, vor allem aus dem westlichen Teil des Kyffhäuserkreises – also Artern, Rossleben und so –, die gehen schon gar nicht in die Krankenhäuser, die gehen nach Sangerhausen in das Krankenhaus. Das können sich die Menschen nämlich aussuchen.
Frau Herold, Sie haben gesagt, dieses Krankenhaus ist ein ökonomischer Trauerfall. Ja und genau das ist eigentlich die Ursache. Nicht das Krankenhaus ist ein Trauerfall, sondern die Ökonomisierung des Gesundheitswesens, das sind die Probleme, die wir in diesem Land haben,
indem nämlich die Frage der Gesundheit und die Leistungserbringer, Krankenhäuser – das sind nicht nur die Krankenhäuser, das sind die Altenheime, das sind die Pflegedienste und dergleichen mehr – der Ökonomisierung unterliegen. Letzten Endes geht es nur noch darum, Geld zu verdienen, Geld einzunehmen und bei niedergelassenen Ärzten – das müssten sie als Zahnärztin ja eigentlich auch wissen – geht es wieder darum zu sparen. Das ist doch die Ursache, dass wir in solche Situationen kommen und dass dann Häuser in Schwierigkeiten kommen. Diese Hauptursache, die Ökonomisierung des Gesundheitswesens, muss beseitigt werden,
und das ist aus meiner Sicht als Linke-Politiker die Aufgabe von Politik.
Insgesamt möchte ich an dieser Stelle der Landesregierung auch noch mal Dank aussprechen, dass sie alles unternommen hat, dass diese Situation im Prinzip nicht passiert. Ich bin überzeugt davon, dass die medizinische Sicherstellung im Kyffhäuserkreis weiter gewährleistet sein wird. Leid tut es mir um die Mitarbeiter in diesem Krankenhaus, denn die müssen es letzten Endes ausbaden, aber es ist rein von der Logik her ein Krankenhaus – da muss ich Sie korrigieren, Frau Herold – nicht mit 58 Prozent Auslastung in Bad Frankenhausen, sondern mit 40 Prozent Auslastung. Das kann nicht funktionieren und das liegt daran, dass wir dort eine große Dichte an Krankenhäusern haben – und da bin ich bei Thomas Hartung: Hätten sie mal eher spezialisiert. Aber letzten Endes ist der Druck von der Ökonomie auf die Krankenhäuser immer da und das muss beseitigt werden. Die Gesundheit des Patienten muss in den Mittelpunkt rücken. Ihr Antrag ist abzulehnen.
Und noch eine letzte Bemerkung zu dem Bundeswehrkrankenhaus: Ich bin der Meinung, wir sollten so wenig Bundeswehrkrankenhäuser wie möglich haben, weil ich das nämlich immer mit der Hoffnung verbinde, dass unsere Soldaten nicht in Kriege geschickt werden und in Einsätze geschickt werden, aus denen sie verwundet wiederkommen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich muss jetzt echt ein bisschen runterkommen. Ich habe viele Kollegen in meinem Betrieb, die als Integrationshelfer arbeiten, und die betreuen auch Kinder mit Downsyndrom, von denen Sie gesprochen haben. Sie haben so verächtlich darüber gesprochen, dass ich mich für Sie schäme.
Das sind Menschen, Kinder, die in die Schule gehen, die lieb sind, die bemüht sind zu lernen, aber eben mit ihrer Behinderung leben und mit Anleitung
im Leben zurechtkommen und die selbstständig denken können. Sie werten diese Menschen ab. Jetzt sage ich Ihnen etwas ganz persönlich: Ich habe eine Frau geheiratet, die hat ein geistig behindertes Kind mit in die Ehe gebracht. Das ist ein wertvoller Mensch für mich.
Hören Sie auf! Hören Sie auf!
Das wäre besser. – Herr Möller, ich lese zurzeit ein Buch. Eine Schriftstellerin aus dem Unstrut-Hainich-Kreis, aus Eigenrieden, hat ein Buch geschrieben, „Patient Nummer 981“, glaube ich. Manche Mühlhäuser mögen das vielleicht gar nicht gern lesen. Dieses Buch hat eine Handlung, die auf einer wahren Grundlage beruht. In Mühlhausen gab es nämlich schon seit Ewigkeiten eine psychiatrische Fachklinik. Das Buch beschreibt eine Geschichte aus dieser Zeit, von der Frau Stange bereits hier gesprochen hat, wo Lkws vorfahren, von geistig behinderten Menschen, die ein wertloses Leben haben in dieser Zeit, weil die Ideologie, die damals herrschte, diese Menschen so abstempelt, die sind durch Ärzte in dieser Klinik eingestuft worden, sind auf die Lkws geladen und nach Buchenwald und Auschwitz gefahren worden. Als Sie hier gesprochen haben, hat mich das sehr an dieses Buch erinnert. Das, was Sie hier gesagt haben, der nächste Schritt – und wenn ich jetzt einen Ordnungsruf kriege, ist mir das scheißegal –, was Sie hier propagieren, ist nahe an der Euthanasie.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, durch Beschluss des Landtags am 29. September 2018 nach der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs hat der Landtag diesen Entwurf an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit überwiesen. In drei Sitzungen dieses Ausschusses am 25.10., am 09.11. und am 06.12.2018 hat der Ausschuss darüber beraten. In seiner Ausschusssitzung am 25.10. beschloss er, eine schriftliche Anhörung durchzuführen. An dieser Anhörung haben zehn Anzuhörende teilgenommen. Vorrangig haben, aber das werden wir dann bei der Debatte erklären, die Mitglieder des 90a-Gremiums an der Anhörung teilgenommen und Stellung genommen. Es gab keine Einwände gegen diesen Gesetzentwurf. In seiner Sitzung am 06.12.2018 hat der Ausschuss die Anhörung ausgewertet und die Beschlussempfehlung getroffen: Der Gesetzentwurf wird angenommen. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich wollte eigentlich heute nicht mehr zu diesem Thema reden, weil wir darüber schon ausführlich gesprochen haben. Aber, Herr Zippel, da Sie in Ihren jungen Jahren schon sehr zeitig auf Wahlkampfmodus umgeschaltet haben, wünsche ich Ihnen viel Ausdauer und muss dazu doch noch etwas sagen.