Protokoll der Sitzung vom 27.03.2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung, die ich nunmehr auch eröffne. Ich begrüße die wenigen Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführerin Frau Abgeordnete Rosin neben mir Platz genommen. Die Redeliste führt Frau Abgeordnete Herold.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Dr. Voigt, Herr Abgeordneter Höhn zeitweise, Herr Abgeordneter Reinholz zeitweise, Herr Minister Prof. Dr. Hoff, Herr Minister Lauinger, Herr Minister Dr. Poppenhäger zeitweise sowie Frau Ministerin Werner.

Ich frage: Gibt es Ergänzungen zur Tagesordnung? Das ist nicht der Fall.

Dann treten wir in den Tagesordnungspunkt 10 ein

Handwerk stärken – Meisterbonus einführen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/370

Ich frage: Wünscht die Fraktion das Wort zur Begründung? Herr Wirkner, bitte, Sie haben das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, werter Herr Landtagspräsident, werter Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren Minister, „Handwerk stärken – Meisterbonus einführen“, der Antrag der CDU-Fraktion zielt darauf ab, dass wir der rückläufigen Entwicklung bei der Handwerksmeisterausbildung in unserem Freistaat Thüringen entgegenwirken und einen Bonus mit dem Ziel einführen, dass die jungen Leute, die sich auf den Weg machen, sich zu qualifizieren – wir haben gestern in der Debatte hier mehrmals erfahren, dass Thüringen noch mehr Bildungsland werden soll –, die sich zum Meister qualifizieren, bei erfolgreicher Absolvierung ihrer Ausbildung einen Bonus in Höhe von 1.000 Euro bezahlt bekommen.

Der Rückgang von Meisterausbildungen ist natürlich bedingt durch viele Einflüsse in den letzten Jahren. Einer der wichtigsten ist die Novellierung der Handwerksordnung. Ich hoffe, dass wir uns heute in der Debatte gemeinsam parteiübergreifend dazu bekennen, ein Signal an die Menschen zu senden, die bereit sind, diese Ausbildung als Grundlage ihrer beruflichen Entwicklung anzunehmen, als Grundlage dafür, dass Menschen eingestellt wer

den, als Grundlage dafür, dass wir vor allen Dingen Lehrlingsausbildung weiter organisieren. Insofern freue ich mich heute auf die Debatte und wünsche mir hier rege Diskussionen. Ich werde dann später noch einmal etwas zu dieser ganzen Angelegenheit in die Tiefe gehend erklären. Danke.

(Beifall CDU, AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wirkner. Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Warnecke für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, unbestritten ist das Handwerk das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, die hervorragenden Zahlen sprechen da für sich selbst. Die Branche konnte im letzten Jahr einen Zuwachs von 2 Prozent verzeichnen und ist für Thüringen mit seinen rund 30.000 Handwerksbetrieben und deren beachtlicher Wertschöpfung die prägende Branche überhaupt.

Ich möchte mich auch bei der Thüringer Handwerkskammer bedanken, dass sie mit dem vorgestrigen parlamentarischen Abend eine Plattform für Austausch von Politik und Interessierten aus und außerhalb der Branche geboten hat. Die Quintessenz aus dem vorgestrigen Abend war unter anderem auch, dass es dem Handwerk gut geht und es sich über volle Handwerksbücher freuen kann. Darüber hinaus wurde immer wieder deutlich: Der Meisterbrief ist die Krone der beruflichen Ausbildung in Deutschland. Dieser setzt schon hohe Standards, da er das große Fachwissen auf die nächste Generation von Handwerkern überträgt, die jungen Menschen, Heranwachsenden und Fachkräfte zu praktischen, theoretischen, aber auch sozialen Kompetenzen befähigt.

Im Koalitionsvertrag haben wir ein gemeinsames Bekenntnis zur weiteren Förderung der dualen Ausbildung abgelegt und die Möglichkeit in Erwägung gezogen, auch weitere Förderungsmöglichkeiten zu suchen. Zusätzlich haben die regierungstragenden Fraktionen im Bundestag mit der Einbringung in den Beschluss zum Antrag „Der deutsche Meisterbrief – Erfolgreiche Unternehmerqualifizierung, Basis für handwerkliche Qualität und besondere Bedeutung für die duale Ausbildung“ klargestellt, dass sie die Abschaffung des Meisterbriefs in aller Deutlichkeit nicht unterstützen wollen. Damit reagierte man auf die im Jahr 2014 aufgeflammte Diskussion um das Vorhaben der Europäischen Kommission, Zugangsschranken für regulierte Berufe zu begründen und zu hinterfragen. Die Europäische Kommission zielt aber nicht darauf ab, die absolute Zahl der reglementierten Berufe zu verringern oder den Mei

sterzwang in bestimmten Berufen ganz abzuschaffen. Vielmehr will damit die Kommission die Bedingungen bei dem Berufszugang erleichtern und die Arbeitsmobilität der Arbeitskräfte im europäischen Raum verbessern.

Eine Abschaffung des Meisters halte ich nicht für richtig. Dieses Vorgehen hat im Zuge der Handwerksnovelle im Jahr 2014 nicht die erwarteten positiven Effekte auf die Wettbewerbsfähigkeit erzielt.

Nun zum vorliegenden Antrag: Dieser legt den Fokus auf den Meisterbonus und dessen Einführung noch in diesem Jahr. Dabei hatten wir in der letzten Legislatur in der damaligen Koalition beschlossen, den Meisterbonus nach seiner Evaluation in Bayern zu prüfen. Dieser Beschluss unterlag natürlich der Diskontinuität, aber ist im Koalitionsvertrag vermerkt worden.

Den vorliegenden Antrag halte ich allerdings für einen Schnellschuss, denn weder ist eine Evaluation aus Bayern vorgelegt, die den Meisterbonus in einem tatsächlichen Effekt bewertet, noch sind die Folgen aufgrund von Überschneidungen mit dem Meister-BAföG hinreichend abzuschätzen. Dazu kommt außerdem, dass das Meister-BAföG weiter verbessert wird. Zum 1. August 2016 erhöht sich der Unterhaltsfreibetrag nach § 10 Abs. 2 Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz. Damit sehen wir den richtigen Impuls in Richtung einer guten Förderung der beruflichen Qualifizierung und den Aufstieg im dualen System der beruflichen Fortbildung gesetzt.

Wenn ich auf Thüringen blicke, stelle ich fest, dass wir die Herausforderungen der Zukunft erkannt haben. Einen wichtigen ersten Schritt hat das damalige Wirtschaftsministerium gemeinsam mit der Handwerkskammer im Rahmen der Potenzialanalyse des Thüringer Handwerks aus dem Jahr 2013 durch die Verortung der Herausforderungen in den kommenden Jahren bereits getan. Die Zukunftsfelder erfordern von den Betrieben und den Akteuren eine besondere Leistung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Der demografische Wandel, die Fachkräftesicherung, die Umsetzung von Innovationen, die Energiewende und die Digitalisierung erfordern Investitionen und ein gebündeltes Knowhow.

Ich bin mir sicher, dass wir vor allem im Bereich Innovationen und Handwerk Akzente setzen werden. Unsere Fraktion wird sich vor allem dafür einsetzen, dass die Arbeitsbedingungen und die Zukunft des Handwerks durch einen verstärkten Technologietransfer und eine gezielte Berufsorientierung sowie eine gute Fachkräftepolitik weiter verbessert und gesichert werden können.

(Beifall SPD)

Daher sehen wir die Überweisung oder die Zustimmung zu den Punkten aus dem Antrag nicht als zielführend an und lehnen diesen somit ab. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Warnecke. Das Wort hat nun Abgeordneter Jörg Henke für die AfDFraktion.

Erst mal allen einen wunderschönen guten Morgen! Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, werte Gäste! Wir reden heute über ein Thema, in dem ich 35 Jahre gearbeitet habe – als Handwerker. Das Handwerk in Thüringen bedeutet 148.000 Beschäftigte, 31.443 Handwerksbetriebe und 5.390 Lehrlinge. Und wenn wir darüber reden, dass Handwerk goldenen Boden hat, sind wir von der Realität weit entfernt. Die Realität sieht anders aus.

(Beifall AfD)

Wenn man sich mal einen ganz normalen Betrieb anschaut, der heute von einem jungen Meister gegründet werden soll: Der steht vor unüberwindbaren Hürden. Der muss diese Firma erst mal anmelden, er braucht Eigenkapital, um den Meisterbrief abzuschließen. Er muss sich Geräte anschaffen, er muss sich um Aufträge kümmern, er muss Leute einstellen. Diese Hürden muss er erst mal nehmen. Dann muss er seine Aufträge ausführen, das heißt, er geht mit seinem Material in Vorkasse, er muss seine Leute bezahlen. Bis er das erste Geld bekommt, wenn er es bekommt – es ist nicht immer gesagt, dass die Rechnung auch bezahlt wird, meistens ist da nämlich für die meisten schon Schluss, und da sollten wir meiner Meinung nach ansetzen. Ich bin der Meinung, dass der Meisterbonus da zielführend ist, natürlich. Aber es ist zu kurz gesprungen.

(Beifall AfD)

Das ist eine Tatsache. Das Handwerk stellt ohne Zweifel das Rückgrat der Thüringer Wirtschaft dar. Jedoch zeigt sich, dass sich seit dem Jahr 2011 die Zahl der bestandenen Meisterprüfungen im Handwerk in Thüringen halbiert hat. Hier sind wir schon beim Problem. Warum ist das so? Weil wir aus der schulischen Ausbildung zu wenig Nachwuchs bekommen, der überhaupt dazu befähigt ist, diesen Meisterbrief zu machen. Sie bekommen ja noch nicht einmal Gesellen, die die Anforderungen erfüllen, wie Sie sie in einer solchen Firma brauchen. Ein Beispiel ist: In einem Dachdeckerbetrieb soll ein Lehrling einen Quadratmeter Dachziegel ausrechnen. Wenn es ein schlauer Lehrling ist, dann misst

(Abg. Warnecke)

er einen Meter mal einen Meter auf dem Dach ab und zählt die Ziegel. Aber er konnte es nicht einmal ausrechnen. Solange wir solche Schwächen haben, brauchen wir über dieses Meister-BAföG überhaupt nicht zu reden. Die Grundlagen dafür müssen erst mal geschaffen werden, dass wir Leute haben, die in diesen Berufen arbeiten können.

(Beifall AfD)

Meisterberufe und Handwerksberufe sind Berufe, die mit den Jahren und ihrer Erfahrung wachsen. Nicht nur das: Auch die Auszubildenden fehlen den Betrieben, sodass viele Ausbildungsstellen insbesondere für Mechaniker und Techniker im letzten Jahr nicht besetzt werden konnten. Besonders die kleinen Thüringer Handwerksbetriebe haben Angst um ihre Nachfolge. Da sind wir bei einem anderen Problem: Viele Firmen finden keinen Nachfolger. Das hat seine Ursachen in den zuvor genannten Tatsachen. Es ist eine Schande, dass wir die Handwerksbetriebe so im Regen stehen lassen.

(Beifall AfD)

Das ist eine Tatsache! Ich habe 35 Jahre als Handwerker gearbeitet – das können Sie mir gern mal nachmachen –, bis zum letzten Tag, bevor ich hier in den Landtag eingezogen bin. Das ist einfach so. Die Lage ist angespannt und es muss dringend gehandelt werden. Es ist nicht fünf vor zwölf, es ist fünf nach zwölf. Da bleibt keine Zeit für taktische Spielchen und Abwarten. Das Handwerk muss gestärkt werden, schnell und nachhaltig. Die 2004 vorgenommene Abschaffung der Meisterpflicht für eine Reihe von Handwerksberufen hat sich negativ auf die Ausbildungsbereitschaft und Stabilität von Existenzgründungen ausgewirkt. Ein solcher Fehler darf kein zweites Mal passieren. Der Meister ist Garant einer hochwertigen Berufsausbildung und gleichzeitig Symbol der hohen Qualität im Handwerk. Es ist Markenzeichen und Symbol einer langen Tradition. Für uns steht bei den Bemühungen um einen Qualifikationsbonus, wie es der Meisterbonus letztlich ist, die langfristige Sicherung des Fachkräftebedarfs in Thüringen im Mittelpunkt. Ziel muss sein, junge Menschen von einer Abwanderung insbesondere in die alten Bundesländer abzuhalten.

Hier finde ich es schon interessant, wir wollen darüber reden, das Wahlalter mit 16 Jahren einzuführen, wobei die Lehrlinge, die zu ihren Betrieben oder in die Lehrausbildungsstätten fahren müssen, nicht mal einen Führerschein machen können.

(Beifall CDU, AfD)

Gleichzeitig müssen interessante Rahmenbedingungen geschaffen werden, um qualifiziertes Fachpersonal aus anderen Bundesländern davon zu überzeugen, sich mehr mit den Vorzügen des Thüringer Arbeitsmarkts zu befassen. Wobei ich hier einfügen muss, die meisten Handwerksbetriebe ar

beiten ja nicht vor Ort. Sie arbeiten bundesweit und sie arbeiten europaweit. Das heißt, die wenigsten sind hier in Thüringen beschäftigt. Die Forderung nach einem Meisterbonus ist dabei sicher ein Schritt in die richtige Richtung, aber wahrlich nicht die Lösung des Problems.

Wir fordern daher zum einen eine Einmalzahlung für Absolventen einer Aufstiegsfortbildung wie zum Beispiel Techniker, Meister und Fachwirte, die ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einem Thüringer Unternehmen eingehen und dieses über einen angemessenen Mindestzeitraum aufrechterhalten.

(Beifall AfD)

Damit unterstreichen wir die Bedeutung der Weiterbildung von Arbeitnehmern und erhöhen die Produktion deutlich besser als durch ein Bildungsfreistellungsgesetz. Wobei ich sagen muss, wenn Sie junge Leute dazu bringen wollen, eine Firma zu gründen, dann sind diese bürokratischen Hindernisse wie dieses Bildungsfreistellungsgesetz oder der Mindestlohn ganz große Hürden, die diese Leute abschrecken. Das ist so.

(Beifall AfD)

Über die Höhe einer solchen Leistung kann man sicher streiten. Es sollte jedoch eine spürbare Anerkennung der Leistung erkennbar sein und für den frischgebackenen Meister eine echte Entlastung darstellen. Aber wir müssen noch viel weiter denken. Ein Großteil der Meister plant, sich selbstständig zu machen und nicht angestellt tätig zu sein. Hier müssen Entlastungen her. Ich denke da ganz besonders: Was passiert bei einem Unfall oder bei Krankheit bei diesen selbstständigen Meistern? Die fallen dann durch das Raster. Wenn sie auf der Baustelle mal einen Unfall hatten und sich an die Rentenversicherung wenden müssen, brauchen sie Jahre, um ihre Ansprüche durchzuklagen. Das ist doch nicht zielführend. Das schreckt Leute ab, ein solches Risiko einzugehen. Hier müssen Entlastungen her, die insbesondere die Anfangsphase einer Gründung betreffen. Zu denken ist hier an einen deutlichen Bürokratieabbau im Handwerk, der es den Selbstständigen ermöglicht, sich auf ihre Tätigkeit zu konzentrieren und Neugründern die Angst vor dem Bürokratiemonster nimmt.

Herr Henke, es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Kobelt. Lassen Sie die zu?

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Steht nicht im Manuskript!)

Und noch viel mehr.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Sie können gern lachen. Arbeiten Sie erst mal 35 Jahre, dann können Sie auch mitreden.