Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

Danke schön. Als Nächste erhält Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, der Anfang der Rede von Herrn Brandner hat in vielerlei Hinsicht deutlich gemacht, wie er denkt. Er hat von „Zeug“ gesprochen und meinte damit die Regeln unserer Zusammenarbeit. Das erleben wir leider tagtäglich in der Arbeit auch mit ihm und seien Sie versichert, wir haben lange diskutiert, ob wir diesen Antrag so stellen. Wir haben es getan, trotzdem Sie, Herr Brandner, den Vorsitz in dem Ausschuss innehaben, weil es uns um die Sache geht und weil es uns in der Tat um die Einhaltung von Regeln geht.

Und auch noch an einer anderen Stelle muss ich Sie korrigieren: Hätte Rot-Rot-Grün allein auf die Mehrheit gesetzt, dann hätten wir das vor zweieinhalb Jahren tun können, als es um die Wahl eines Präsidenten in diesem Hause ging. Wir haben uns bewusst entschieden, das nicht zu tun. Wir haben

uns bewusst entschieden, weil wir gesagt haben, wir wollen …

(Unruhe CDU, AfD)

Natürlich hätten wir das mit einer …

(Unruhe CDU, AfD)

Liebe Kollegen, jetzt bitte ich wieder um etwas mehr Aufmerksamkeit für die Rednerin.

Danke, Herr Carius. Man sieht ja, wie aufgeregt Sie sind. Ich habe eben bewusst gesagt, wir haben das nicht getan und das aus einem demokratischen Verständnis heraus, weil wir gesagt haben: Wir haben zwar eine Mehrheit in diesem Landtag, aber wir sehen auch, dass die größte Oppositionsfraktion eine besondere Rolle haben muss. Es waren in gewisser Weise also Vorschusslorbeeren zu sagen: Wir tragen einen CDU-Präsidenten mit. Ja, das haben wir bewusst so entschieden, weil wir alle die Erfahrung der Opposition gemacht haben.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Unglaub- lich, was Sie hier erzählen!)

Es kann nicht wahr sein, dass wir einen CDU-Präsidenten mittragen? Doch – es ist wahr.

Liebe Kollegen, ich bitte Sie alle, sich einen Moment wieder zu beruhigen und Frau Rothe-Beinlich kann dann fortfahren.

Das ist sehr freundlich. Also noch einmal: Wir haben uns so entschieden und es ist jetzt so, wie es ist. Aber natürlich müssen wir auf die Einhaltung von Regeln achten. Meine Kollegin Frau Marx hat das sehr plastisch am Beispiel einer Klinik dargestellt. Herr Dittes hat noch einmal sehr ausführlich geschildert, wie er die Situation im Innenausschuss erlebt hat und konkret die einzelnen Punkte benannt. Ich will es noch einmal auf das reduzieren, was sich auch in unserem Antrag darstellt.

Es geht darum, in diesem Landtag eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Auslegung einer Vorschrift der Geschäftsordnung gemäß § 122 vorzunehmen. Das obliegt nun einmal dem Justizausschuss. Ich bin keine Juristin – das ist hier vorhin auch schon belächelt worden, jetzt käme noch eine Juristin –, nein, das bin ich nicht.

(Abg. Brandner)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Sie sind nicht nur keine Juristin, sondern gar nichts, wenn Sie mal ehrlich sind, Frau Rothe-Bein- lich!)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Aber manche Juristen können es auch nicht!)

Ich glaube, ich weiß, wer ich bin.

Frau Rothe-Beinlich ist Abgeordnete und redet als solche. Ich bitte um Aufmerksamkeit für die Abgeordnete.

Ich bin genauso Abgeordnete wie andere auch, wo ich mich auch manchmal frage, aber nun ja, so ist das. So ist auch die Demokratie. Abgeordnete haben Rechte. In Artikel 53 der Verfassung ist die Stellung der Abgeordneten umrissen, das hat Herr Scherer hier auch richtig dargestellt. Dort werden die Grundlagen für die Rechte und Pflichten gelegt. Aufgrund der Geschäftsordnungsautonomie des Landtags gemäß Artikel 57 Abs. 5 der Thüringer Verfassung können die Rechte der Abgeordneten durch die Geschäftsordnung – das ist dieses „Zeug“, wie Herr Brandner meint –, das ist unsere Grundlage der Zusammenarbeit, modifiziert werden.

Die Geschäftsordnungsautonomie ist allerdings ihrerseits durch den verfassungsrechtlichen Status der Abgeordneten und natürlich auch der grundsätzlichen Rechte begrenzt. In diesem Spannungsverhältnis bewegt sich auch der Antrag der Koalitionsfraktionen zur Beauftragung des Ausschusses für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zur grundsätzlichen Auslegung der Geschäftsordnung in zwei Problemkreisen und die will ich auch kurz benennen.

Zum einen sind das die Reichweite und die Grenzen der Informations- und Akteneinsichtsrechte der Abgeordneten gemäß § 114 der Geschäftsordnung, bezogen auf Vorgänge innerhalb der Landtagsverwaltung, sowie die rechtlichen Voraussetzungen zur Beschränkung des Akteneinsichtsrechts durch den Präsidenten und zum Zweiten die Ausgestaltung der Rechte des Präsidenten bei der Erfüllung der Aufgaben mit Adressaten außerhalb des Landtags, das hat Herr Dittes eben umfänglich beschrieben, insbesondere im Zusammenhang mit der Beteiligung von Ausschüssen des Landtags an Organstreitverfahren beim Thüringer Verfassungsgerichtshof.

Die vorliegenden Sachverhalte geben nun einmal Anlass zu einer grundsätzlichen, über den Einzelfall hinausgehenden Auslegung des § 114 der Ge

schäftsordnung unseres Landtags. Zur Prüfung dieser Fragen ist gemäß § 122 der Geschäftsordnung der Justizausschuss zuständig, der dann sein Ergebnis dem Landtag auch zur Beschlussfassung vorlegen wird. Ich will es noch einmal sagen, als eine der Abgeordneten in diesem Hause, die auch Mitglied des Justizausschusses und des Ältestenrats ist, habe auch ich einen Antrag auf Akteneinsicht an den Präsidenten unterschrieben, der genau diese Fälle betrifft. Der Präsident hat uns die Akteneinsicht in etlichen Fällen verwehrt. Er hat vielmehr eine Kommission aus – wie es vorhin hieß – honorigen Männern eingesetzt, nämlich Herrn Landau, Herrn Dewes und Herrn Zeh, die nunmehr ganz unabhängig klären soll, was wir eigentlich dürfen. Diese Kommission – hört, hört! – hat weitgehende Zugriffsrechte. Genau genommen bekommt sie vollständige Akteneinsicht, anders als wir Abgeordneten. Ich bin zwar keine Juristin, aber es erschließt sich mir nicht, wieso Mitglieder einer Kommission, die keinerlei Rechtsgrundlage hat, außer dass sie vom Präsidenten eingesetzt wurde, mehr Rechte haben, mehr Einsichtsrechte haben, als Abgeordnete dieses Hauses, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen will ich ganz deutlich sagen: Ich freue mich immer, wenn honorige Persönlichkeiten etwas erforschen und ergründen und ich werde mir die Ergebnisse auch genau anschauen. Das beantwortet für mich als Abgeordnete aber nicht die Frage, ob hier tatsächlich gemäß unserer Geschäftsordnung und der Verfassung verfahren wurde oder eben nicht. Ich glaube, es liegen hier Verletzungen unserer Rechte als Abgeordnete vor, und zwar massiv, schon allein was die Nichteinsichtgewährung in die Akten durch den Präsidenten anbelangt. Wer ist dafür zuständig, so etwas zu klären? Das ist kein Popanz oder wie auch immer, sondern das ist schlichtweg nach unseren Grundlagen der Zusammenarbeit der Justizausschuss. Genau deshalb wollen wir das dort klären und schlichtweg auf eine sachliche Ebene zurückführen.

Lassen Sie es mich noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, es ist hier schon inhaltlich ausgeführt worden: Der Präsident hat für sich entschieden, in einzelnen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof keine Stellungnahme abzugeben. Das ist sein gutes Recht. Wenn ich mich aber entscheide, keine Stellungnahme abzugeben, zeitgleich aber auf Bitten einer Fraktion etwas weiterzugeben, was der Ausschuss so nicht beschlossen hat, dann muss ich mich fragen, was es ist. Ist das Neutralität oder ist das gegebenenfalls Amtsmissbrauch? Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Un- verschämtheit, was Sie hier erzählen!)

Wir gehen jetzt, nachdem ich noch weitere Wortmeldungen vorliegen habe, in die zweite Runde. Ich darf nur der Wahrheit halber noch einmal darauf hinweisen: Nicht der Landtagspräsident hat die Kommission eingesetzt, der Landtagsvorstand hat die Kommission eingesetzt. Ich habe lediglich die Benennung der Mitglieder dann allein vorgenommen. So viel muss man doch der Wahrheit am Ende noch Ehre lassen. Herr Scherer hat sich gemeldet, bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe vorhin nicht umsonst das Wort „Konsens“ in den Mund genommen, weil es eine gute parlamentarische Übung ist, gerade bestimmte Fragen, auch die Geschäftsordnung, aber auch andere Fragen, zum Beispiel die Wahl des Präsidenten, im Konsens durchzuführen. Und es war schon immer parlamentarischer Brauch, auf welche Art und Weise ein Präsident des Landtags gewählt worden ist. Ich finde es unerträglich, mit welcher Arroganz hier einfach behauptet wird, der jetzige Präsident sei ein Präsident nach Gnadenerweisen durch die Regierungskoalition. So hat sich das eben nämlich für mich angehört. So etwas ist unerträglich.

(Beifall CDU, AfD)

Ja, das ist so. Wenn wir diese Konsenslinien verlassen, dann haben wir tatsächlich hier ein Parlament, das ausschließlich Machtausübung einer Seite ist ohne Rücksicht auf alles andere, was bisher parlamentarische Gepflogenheit war.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben wir eben nicht gemacht!)

Vorhin haben wir von Herrn Dittes viel über Neutralität gehört. Mal abgesehen davon, dass eine Diskussion, die sich tatsächlich auf die Frage des § 114 GO beschränkt, der Akteneinsicht, zu dem Thema „Neutralität“ gar nichts bringen würde. Das ist ja aber auch gar nicht Ihre Absicht, sondern Sie wollen in der Tat darüber reden. Wenn Sie mir vorhin zugehört hätten – ich habe Ihnen doch dargestellt, wie normalerweise – Frau Marx hat dann in Abrede gestellt, dass das hier bei dieser Verwaltung so wäre – in einer Verwaltung eine Entscheidung gefunden wird. Ich beschränke mich mal auf zwei Referenten und einen Referatsleiter, wir können auch noch einen Abteilungsleiter dazunehmen. Woher nehmen Sie denn die Behauptung, dass es, wenn der Nächstobere bei dem Unteren ir

gendwas in dessen Gutachtenentwurf ändert, eine Verletzung der Neutralität wäre?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Am Inhalt! Ganz klar, der Inhalt spricht dafür!)

Wollen Sie denn allen Ernstes sagen, der Parlamentarische Dienst besteht darin, dass ein Referent einen Entwurf macht und auch der Referatsleiter dann darin nichts mehr ändern darf? Das wäre nicht mehr die Unabhängigkeit von allen. Natürlich darf der ändern. Und wenn der meint, dass das falsch ist, was da steht, dann muss er es sogar ändern, weil er die Verantwortung dafür trägt, was rausgeht.

(Beifall CDU)

Da können Sie den Referatsleiter nehmen oder Sie können auch den Abteilungsleiter nehmen. Der Abteilungsleiter muss doch nichts aus seiner Abteilung rausgehen lassen, aus der Abteilung Wissenschaftlicher Dienst zum Beispiel, hinter dem er selber nicht steht, weil er sagt: Das ist falsch, das ist rechtlich falsch, das kann man so nicht darstellen. Natürlich darf der das ändern. Da kann man doch nicht einfach sagen: Weil die Landtagsdirektorin was geändert hat, ist es Verletzung der Neutralität.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das hat doch keiner gesagt!)

So geht das nicht.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter Scherer, es gibt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dittes. Lassen Sie die zu?

Nein, ich wollte mich kurzfassen. Da machen wir jetzt keine Zwischenfragen.

Jetzt noch ein Punkt zu dem Organstreitverfahren: Vorhin wurde gesagt, im Organstreitverfahren gibt es gar kein Votum für die Minderheit. Das ist schlicht falsch.

(Beifall CDU)

Als wir den § 104 a vor ungefähr einem halben Jahr kreiert haben, da war in der Tat – ich habe es doch vorhin gesagt – in Absatz 4 vorgesehen, dass im Organstreitverfahren die Absätze 1 bis 3 nicht gelten. Dieser Absatz ist aber nicht mehr da, also gelten die Absätze 1 bis 3, also gilt auch ein Minderheitenvotum im Organstreitverfahren. Ich weiß gar nicht, wo Sie etwas anderes sehen wollen.

(Beifall CDU)