Protokoll der Sitzung vom 01.06.2017

Das wollen Sie auch nicht. Wir wollen die Kommunen, insbesondere die kleinen, zweimal stärken – mit diesem Gesetz und mit unserer Gebietsreform. Und dazu können Sie heute Ja sagen.

(Unruhe CDU)

Sie werden sich am Ende dieses Tagesordnungspunkts entscheiden müssen, ob Sie Nein sagen zu Investitionen in unseren Kommunen oder ob Sie sich einen Ruck geben. Nehmen Sie noch mal eine Auszeit, denken Sie noch mal darüber nach, aber sagen Sie Ja zu Investitionen in unseren Kommunen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Über allem steht die Verfassung! Auch über dem Hause steht die Verfassung!)

Bitte, Herr Abgeordneter Kuschel für die Fraktion Die Linke.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, der ursprüngliche CDU-Antrag, den Kommunen mehr Geld zur Verfügung zu stellen, konnte durch uns nicht mitgetragen werden, weil er Elemente beinhaltete, die Ineffizienz zur Folgen haben. Das habe ich versucht darzulegen. Aufgrund der bestehenden Gemeindestruktur ist es einfach ineffizient, den Kommunen pauschal Geld zu geben, weil bei über zwei Dritteln de facto nur ein Symbolbetrag ankommt. Sie sind doch aber gerade die Partei, die auf Effizienz in der Gesellschaft sehr viel Wert legt. Deswegen war es ungeeignet, auch aufgrund der Erfahrung im Jahr 2015.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was nützt denn kommunale Selbstverwaltung auf dem Papier, wenn sie in der kommunalen Praxis nicht mehr Wirkung entfaltet?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Das haben wir doch zurzeit zur Kenntnis zu nehmen. Noch einmal zur Wiederholung: Von den 849 Kommunen, also Gemeinden, die wir haben, hatten im vergangenen Jahr 75 keinen Haushalt, also fast jede zehnte. Bei Ihnen waren es noch mehr, das hat sich etwas reduziert. 125 haben ein Haushaltssicherungskonzept. 200 Gemeinden haben keinerlei finanzielle Rücklagen mehr. 400 Gemeinden, jede zweite, konnte den Verwaltungshaushalt nur durch Entnahme aus einem Vermögenshaushalt ausgleichen. Das sind doch die Realitäten.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Wie entste- hen die denn? Erklären Sie mal!)

Das heißt, wir wollen kommunale Selbstverwaltung wieder stabilisieren, herstellen durch Leistungskraft. Wir haben dabei bewusst den ländlichen Raum im Blick. Deswegen ist es einfach unwahr, wenn Herr Fiedler hier sagt, wir hätten nur den Blick auf die Städte. Ich darf daran erinnern, in § 1 des Vorschaltgesetzes steht die Stärkung der zentralen Orte. Dazu gehören auch die gegenwärtig 76 Grundzentren – das ist alles ländlicher Raum –, und die haben de facto Bestandsschutz. Es werden weitere Grundzentren ausgewiesen. Das heißt, bewusst

(Abg. Adams)

haben wir neben den städtischen Verdichtungsräumen auch den ländlichen Raum in Thüringen im Blick.

Ihr Modell der pauschalierten Ausreichung von Mitteln hingegen hat die Städte im Blick, weil nur die mit diesen Pauschalen auch was anfangen können. Der ländliche Raum kann mit Ihren Modellen nichts anfangen, weil mit der Gießkanne einfach Mittel verteilt werden. Das steht nicht zur Verfügung. Insofern fällt Wort und Tat bei Ihnen so weit auseinander, das ist schon nicht mehr nachzuvollziehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, und noch einmal – Geld weggenommen –: Herr Fiedler, Sie wissen es doch besser, Sie wissen es tatsächlich besser. Es sind drei Säulen, aus denen sich die Kommunen durch Landeszuschüsse und eigene Einnahmen finanzieren: Das ist die Finanzausgleichsmasse im Finanzausgleich, es ist aber auch die Zahlung außerhalb des Finanzausgleichs, immerhin auch 1,1 Milliarden Euro, und das sind die eigenen Steuereinnahmen der Kommunen. Der Kommunale Finanzausgleich, da werde ich nicht müde, ist kein Alimentationssystem, sondern, wie der Name sagt, ein Ausgleichssystem. Leistungskraft, die fehlt, wird ausgeglichen vom Land, wird ergänzt. Eigentlich sind wir berechtigt, Steuermehreinnahmen gegenzurechnen. Wir machen es aber nicht. Wir lassen den Kommunen das Geld. Insofern nützt es doch nichts, wenn Sie hier jedes Mal immer wieder Thesen aufstellen, die sich anhand von Zahlen nicht belegen lassen. Das nützt auch nichts. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das sehen die Spitzenverbände aber ganz anders!)

Ich habe keine weiteren Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten und gebe jetzt der Finanzministerin das Wort, Frau Taubert.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, zunächst will ich auch einmal etwas zum KFA sagen. Das kommt immer wieder, man muss immer wieder darauf antworten, damit falsche Dinge sich nicht einbrennen. Wenn sich die CDU erinnert, war die kommunale Familie vor über zehn Jahren überhaupt nicht glücklich über ihre Verteilung, nämlich Zuteilung der Schlüsselzuweisungen zu den Kommunen. Deswegen haben Kommunen angestrebt, dass es geklärt wird: Wie soll der KFA in Zukunft aussehen? Das hat am Ende zu einer

Normenkontrolle geführt, die diesen jetzigen Zustand auch im KFA mit sich gebracht hat. Es war Dr. Voß, CDU, der von Ihnen beklatscht wurde für den neuen Kommunalen Finanzausgleich, der jetzt sehr transparent ist. Und Sie waren es doch auch, Herr Fiedler, genau Sie. Sie haben zugestimmt – wenn Sie schon von Wegnehmen reden –, dass da 200 Millionen Euro weniger drinstanden. Es ist einfach Fakt. Jetzt so zu tun, als ob diese Landesregierung nichts getan hat, ist einfach unredlich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Wolfgang Fiedler, du warst mit dabei und du hast zugestimmt, und das wurde auch noch gelobt. Und dann habt ihr vorm Parteitag Hosenflattern bekommen, weil die Landräte rumort haben, und dann wurden Pakete verkündet. Die SPD war überrascht, kann ich ja noch aus eigener Anschauung erzählen. Dann ist natürlich auch dieses Paket geprüft worden. Insofern will ich mal eines sagen: Die Landtagsverwaltung klagt ständig darüber – auch jetzt für den Doppelhaushalt –, dass sie zu wenig Personal hat, und wird jetzt mit einem Gutachten beauftragt, das sie gar nicht hätte erstellen müssen, weil schon damals ein Gutachten von der Finanzverwaltung eingeholt wurde, das der CDU natürlich zur Kenntnis gegeben wurde, nämlich von Herrn Prof. Korioth, der genau diesen Sachverhalt – doch, du brauchst nicht mit dem Kopf zu schütteln, Wolfgang Fiedler – geprüft hat.

Nun sage ich erst mal für alle, die nicht die hinteren Artikel unserer Verfassung lesen: Es geht ja vor allen Dingen um Artikel 98 ff. und insbesondere um Artikel 99 Abs. 3. Und der heißt: „Der Entwurf des Haushaltsgesetzes mit Haushaltsplan sowie Entwürfe zu deren Änderung werden von der Landesregierung eingebracht. Der Landtag darf Mehrausgaben und Mindereinnahmen gegenüber dem Entwurf der Landesregierung oder dem festgestellten Haushaltsplan nur beschließen, wenn Deckung gewährleistet ist.“

Nach kursorischem Lesen des Gutachtens der Landtagsverwaltung beschäftigt sich diese nicht vorwiegend damit, was Herr Mohring gesagt hat, sondern mit Artikel 99 Abs. 3 Satz 1, und das Gutachten, das Herr Korioth verfasst hat, befasst sich auch mit Artikel 99 Abs. 3 Satz 2. Es soll nämlich mit diesem Artikel verhindert werden, dass der Landtag ungedeckte Schecks mit dem Gesetz ausstellt und dass man sich quasi gegenseitig diszipliniert. Das ist der Grund dieses Artikels.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Herrn Ko- rioth habe ich nun auch kennengelernt!)

Ja, wenn man immer drin wäre, würde man alles hören, dann kennt man den ganzen...

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Abg. Kuschel)

Das heißt, der Gesetzentwurf, der hier vorgelegt wurde, der hat genau das – Herr Höhn und andere haben darauf hingewiesen –, nämlich dass die Deckung vor allen Dingen jetzt hier …

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist wirklich lächerlich! Die halbe Regierung ist nicht da! Wir machen da auch nichts den ganzen Tag! Ich bin draußen bei meiner Mit- arbeiterin. Ihre Vorwürfe sind einfach lächer- lich!)

(Unruhe DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, ich weiß gar nicht, warum Sie sich künstlich aufregen. Ich bin doch da, Herr Mohring.

(Zwischenruf Prof. Dr. Hoff, Minister für Kul- tur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Hier, Herr Mohring, hier sitze ich!)

(Unruhe CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, sich wieder zu beruhigen. Herr Mohring, ich bitte Sie auch, sich zu beruhigen. Entschuldigung, etwas mehr Ruhe! Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wenn es nach der Ministerin geht, darf man nicht mal rausgehen!)

Sehr geehrter Herr Mohring, ich will es noch mal klarstellen. Mir geht es doch gar nicht darum, dass Sie rausgehen. Sie können doch gern rausgehen. Aber Sie kommen rein, ohne zugehört zu haben, und reden rein, deswegen habe ich Ihnen das gesagt.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ich habe zugehört. Das wissen Sie doch gar nicht!)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So haben Sie aber gesprochen, Herr Mohring. Okay, gut.

Aber offensichtlich ist es doch so, dass wir ein Gutachten haben. Ich will hier an der Stelle auch noch mal ganz deutlich sagen, was vom Abgeordneten Kuschel aus dem Gutachten der Landtagsverwaltung zitiert wurde – da ist ja beschrieben worden, dass es einer Zustimmung bedürfe und man nicht gemerkt hat, dass es eine Ablehnung gibt. Ich will hier an der Stelle noch mal sagen: Natürlich stimmt die Landesregierung diesem Gesetz zu, insofern wäre auch diese Frage klargestellt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt keine Zweifel daran, dass es hier keine verfassungsrechtlichen Gründe gibt, die gegen dieses Gesetz sprechen – gibt es einfach nicht. Deswegen denke ich auch, es ist eher eine Frage, ob die CDU das der Koalition gönnt. Da sage ich, man muss auch gönnen können,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

insbesondere mit Blick auf die Kommunen. Gönnen Sie den Kommunen diese 100 Millionen Euro, lassen Sie uns da rasch die Möglichkeit haben, auch mit den Kommunen ins Gespräch zu kommen, um die Anträge entgegenzunehmen.

Ich will Sie selbst noch mal zitieren, das steht in dem Protokoll der 142. Sitzung vom 24. Januar 2014 auf Seite 13.475, da hat Herr Mohring gesagt: „Wir haben als Koalitionsfraktionen diesen Gesetzentwurf eingereicht, weil wir den Kommunen schnell helfen wollen. Deswegen haben wir uns entschieden, selbst den Antrag zu stellen.“

Und dem kann ich ja gar nicht widersprechen; das gilt auch für dieses Gesetz. Herzlichen Dank an die Fraktionen für diese Arbeit. Ich hoffe, dass wir dem Gesetz zustimmen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)