Protokoll der Sitzung vom 01.06.2017

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wir haben die Grünen in unser Herz aufgenommen!)

Also, jetzt im Ernst: Die grundlegenden wahlrechtlichen Regelungen enthält Artikel 28 Abs. 1 Grundgesetz, die über den Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz auch in den Ländern gelten. Das sind die Grundsätze des republikanischen, demokratischen und so

(Vizepräsidentin Jung)

zialen Rechtsstaats und, was die Wahlen angeht, der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen. Das sagt zunächst noch nichts über die Frage einer prozentualen Sperrklausel bei solchen Wahlen aus. In der Regelung des Artikels 28 Grundgesetz steckt aber der Grundsatz der Wahlgleichheit. Eine 5-Prozent-Sperrklausel findet sich bundesgesetzlich im Bundeswahlgesetz und ist in allen Ländern für das jeweilige Landeswahlrecht mit geringfügigen Variationen gesetzlich verankert. Das Bundesverfassungsgericht hat schon in der Entscheidung im ersten Band, also sehr früh im Leben der Bundesrepublik, hierzu Stellung genommen und die Sperrklausel im Interesse der Bildung eines aktionsfähigen Parlaments und stabiler Regierungsverhältnisse als zulässig erachtet und die Bundesrepublik, wenn man jetzt an die Jahre denkt, und die alten Länder sind damit in den letzten mehr als 60 Jahren im Sinne einer Stabilisierung demokratischer Entscheidungsabläufe auch gut gefahren.

Die Hauptkritik an einer solchen Sperrklausel meint, es sei damit die Wahlrechtsgleichheit verletzt und insbesondere gäbe es dadurch keine realistische Chance neuer Parteien, in das Parlament einzuziehen. Gerade die jüngere Geschichte zeigt aber, dass dies nicht der Fall ist. Nicht nur die Grünen sind nach ihrer Gründung in die Parlamente eingezogen, derzeit auch die AfD

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Nicht nur derzeit!)

derzeit, habe ich gesagt, auch die AfD. Sie denken ja selbst zwei Jahre weiter, deshalb „derzeit auch die AfD“ –, eine gewisse Zeit zum Beispiel auch die Piraten oder die DFU, aber zum Beispiel auch die „Bürger in Wut“ in der Bremischen Bürgerschaft. Natürlich kommt es vor und gibt es politische Gruppierungen, die wie zuletzt Die Linke in Nordrhein-Westfalen an der 5-Prozent-Hürde scheitern, aber der Gesetzgeber hat hier eine Abwägung vorzunehmen zwischen einerseits dem Stabilitätsgesichtspunkt und andererseits dem innerhalb der Sperrklausel eintretenden Stimmenverlust des wählenden Bürgers. Diese Abwägung hat der Thüringer Gesetzgeber, wie derjenige in den anderen Ländern auch, zu Recht dahin gehend getroffen, eine Sperrklausel von 5 Prozent festzuschreiben.

Wenn wir über Stimmenverlust und Wahlgerechtigkeit reden, dann muss dabei beachtet werden, dass dem Grundsatz der Wahlgerechtigkeit durch unser Verhältniswahlrecht bereits in erheblichem Maße gegenüber dem reinen Direktwahlsystem Rechnung getragen wird. Nehmen Sie einmal das Wahlrecht in England, einem Land, das den Anspruch erhebt, Hort der Demokratie zu sein. Dort kann es sein, dass in den einzelnen Wahlbezirken sogar mehr als 50 Prozent der Stimmen keinerlei Berück

sichtigung finden, die fallen schlicht unter den Tisch beim direkten Wahlrecht.

Ganz anders bei unserem Verhältniswahlrecht, wonach die Anzahl der Sitze für eine Partei nach der Anzahl der Zweitstimmen verteilt wird, was deshalb heißt, dass auch eine Partei, die knapp 5 Prozent der Stimmen erlangt – man kann auch sagen nur knapp 5 Prozent der Stimmen –, dennoch im Parlament vertreten ist. Und nicht nur das, sie ist nicht nur im Parlament vertreten, sondern dadurch nicht selten letztlich mit ihren 5 Prozent Stimmenanteil auch entscheidend, wer von den anderen Parteien mit 30 oder 40 Prozent Stimmenanteil die Regierung bildet. Das kann bei einer weiteren Ausweitung der Parteienlandschaft zu schwierigen Koalitionskonstruktionen führen, was letztlich zu Entscheidungen nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner führt. Das kann jeweils keine besonders gute Entscheidung sein, das liegt auf der Hand.

Die 5-Prozent-Sperrklausel bietet dagegen einen gewissen Schutz, der zwar, wie wir sehen, nicht verhindert, dass in einem Parlament dann doch fünf oder sechs Parteien vertreten sind, aber doch davor schützt, dass es noch wesentlich mehr werden.

Gerade die Entwicklung in den letzten Jahren zeigt, dass die 5-Prozent-Klausel notwendig ist. Die von der AfD in den Raum gestellte Bürgerverdrossenheit hat aus meiner Sicht eine Ursache gerade in den Koalitionsbildungen, durch die die politischen Linien verwässert werden und beim Bürger der Eindruck entsteht, dass er zwar einer Partei seine Stimme gegeben hat, diese dann aber in einer Koalition die von ihr vorgegebenen Ziele nicht verwirklicht.

Deshalb verhindert die Sperrklausel gerade den von der AfD behaupteten Verlust der Legitimation des Parlaments, sie stärkt – im Gegenteil – die Handlungsfähigkeit des Parlaments und der davon natürlich abhängigen Regierung. Nach unserer Auffassung ist deshalb durch die Sperrklausel von 5 Prozent der verfassungsrechtliche Grundsatz der Wahlgerechtigkeit und der Stimmengleichheit nicht verletzt und wir halten die Regelung nicht nur für verfassungsgemäß, sondern auch für rechtspolitisch geboten und zweckmäßig.

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat dazu festgestellt: „Die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung ist durch die Verfassung als Grund [zum Eingriff] in den Grundsatz der Wahlgleichheit legitimiert [...]. Sie ist ein legitimes Ziel, das den Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt, eine Fünf-Prozent-Sperrklausel einzuführen.“ Danke schön.

Es sind alle eingeschlafen.

(Beifall CDU, SPD)

Herzlichen Dank, Herr Scherer, für Ihren Beitrag. Der war so beeindruckend, dass eine wirkliche Ruhe im Haus war. Als nächster Redner hat Abgeordneter Blechschmidt, Fraktion Die Linke, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Argumentationslinie werde ich ähnlich ziehen wie der Kollege Scherer. Ich könnte es mir jetzt relativ einfach machen und mich jetzt darauf beziehen, drei Sätze zur Begründung geben und aufhören, aber vielleicht würde das eine oder andere Argument, das eine oder andere Zitat diese Argumentationslinie noch verstärken.

Unabhängig von einem weiteren Antrag der AfD zum Aktionismus einer Demokratie in eigenem Mäntelchen über das Thema „Sperrklausel“ muss man natürlich auch deutlich sagen: In den letzten Jahren ist dieses Thema ein umstrittenes, ein gesellschaftlich und rechtlich hoch spannendes Thema. Letztendlich geht es um die Klärung wichtiger Abwägungsfragen und Prozesse bei der demokratischen Gestaltung unserer Gesellschaft. Soll das Prinzip – Kollege Scherer hat es angesprochen – der parlamentarisch wirksamen Stimme eines jeden Wählers zu hundert Prozent umgesetzt werden? Wie weit soll sich die Mannigfaltigkeit politischer Meinungen und Parteien ungehindert und ungefiltert in einem Parlament widerspiegeln? Welche Schattenseiten hat auch demokratisch gesehen unter Umständen eine solche Kleinteiligkeit eines Parlaments? Reicht es, dass das Parlament diese Spiegelfunktion erfüllt? Welche Funktionen hat das Parlament in der Demokratie noch zu erfüllen, die durch eine zu große Kleinteiligkeit und Meinungsverschiedenheit gefährdet werden könnte?

Immerhin regieren Regierungen in einem demokratischen Rechtsstaat nicht freischwebend aus eigener Machtvollkommenheit. Sie brauchen vielmehr kontinuierlich demokratisch-parlamentarische Unterstützung und Legitimation ihres Handelns. Es gilt, den Mittelweg zu finden, so viel demokratisch beteiligte Widerspiegelung der gesellschaftlichen Meinungsvielfalt bei gleichzeitiger Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Parlaments. Das Parlament muss noch funktions-, arbeits- und entscheidungsfähig sein, vor allem als Gesetzgeber und als „Auftraggeber“ für die Exekutive. Dabei ist zu beachten, abgesehen von der Diskussion um eine dreiprozentige oder fünfprozentige oder keine klassische Sperrklausel: Es gibt im Wahlrecht schon eine sogenannte natürliche Sperrklausel. Das ist die Anzahl der Stimmen, die eine Person in einem Wahlkreis bzw. parteibezogen auf die jeweilige Wahlebene braucht, um einen Sitz im Parlament zu erringen. Das ist die Mindeststimmenzahl, die grundlegendste Sperrklausel im Wahlrecht, über

die meist nicht oder kaum debattiert wird, höchstens indirekt in Form der Festlegung der Größe und der Bevölkerungsstärke von Wahlkreisen. Diese Problematik hatten wir ja im Zusammenhang mit der Änderung des Wahlkreisgesetzes vor ein paar Wochen schon einmal hier in diesem Hohen Haus.

Meine Damen und Herren, über die andere, die klassische Sperrklausel wird immer wieder gestritten, auch mit und um den vorliegenden Gesetzentwurf. Als Landesgesetzgeber ist der Landtag in solchen Fällen gut beraten, einen sehr ernsten Blick auf die geltende Rechtsprechung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs und auch des Bundesverfassungsgerichts zu werfen. Wegen der sogenannten Homogenitätsklausel des Artikels 28 Grundgesetz müssen – Kollege Scherer hat sich auch darauf bezogen – sich die Bundesländer bei solchem Kernbestand der Demokratie wie den Wahlen an einen Grundbestand an inhaltlichen Eckpunkten halten. Insoweit sollten und müssen die Wahlverfahren in den Ländern vergleichbar sein.

Nicht zuletzt vor allem vor dem historischen Hintergrund der Weimarer Republik haben sich die sogenannten Väter und Mütter des Grundgesetzes und später mehrere Verfassungsgerichte intensiv mit dem Thema „Sperrklausel für Wahlen“ beschäftigt. Nach unseren Einschätzungen ergeben sich für Gesetzesinitiativen zu diesem Thema „Sperrklausel“ bindende und sinnvolle Vorgaben, die zu berücksichtigen sind. Am 13. Februar 2008 fällte das Bundesverfassungsgericht im Grundsatzurteil zur 5-Prozent-Sperrklausel bei Kommunalwahlen ein Urteil, Bezugspunkt war das Wahlrecht in Schleswig-Holstein. Das Urteil lautet: Eine Sperrklausel bei Kommunalwahlen ist verfassungswidrig, wenn ein Verstoß gegen grundlegende Demokratieprinzipien besteht.

Bei den Kommunalwahlen in Thüringen ist die Sperrklausel durch das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 11. April 2008 abgeschafft worden. Die Hauptargumente des Thüringer Verfassungsgerichts in seinem Urteil 2008 sind – ich zitiere –: „[Es] liegt ein Eingriff in den vom Prinzip der Wahlrechtsgleichheit geforderten gleichen Erfolgswert jeder Stimme beim Verhältniswahlprinzip vor“, da „die Stimmen solcher Wähler, die für Listen gestimmt haben, die keine 5% der abgegebenen Stimmen erreicht haben, bei der Zusammensetzung der Kommunalvertretungen nicht berücksichtigt [werden]. [...] Die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Kommunalvertretungen rechtfertigt den Eingriff nicht“, da „die politische Wirklichkeit [...] einen Notstand“ bei der Fortbestehung der 5-Prozent-Klausel ebenso wie in anderen Bundesländern nicht erkennen lässt, denn: „Anders als beim deutschen Bundestag […] und beim Thüringer Landtag […] ist das Institutionengefüge [des Thüringer Kommunalwahlgesetzes] nicht auf eine von der Volksvertretung gestützte ‚Regie

rung‘ einerseits und eine sie ablehnende ‚Opposition‘ andererseits angelegt“.

Ich wiederhole das zum Verständnis, damit keine Missverständnisse auftauchen: „denn: ‚Anders als beim deutschen Bundestag [...] und beim Thüringer Landtag.‘“ Damit wurde die 5-Prozent-Klausel zwar in der Kommunalwahl abgeschafft, damit ist aber auch klar, dass der Thüringer Verfassungsgerichtshof zumindest im Jahr 2008 noch ausdrücklich davon ausgegangen ist, dass für die Wahlen zum Landtag eine klassische Sperrklausel zulässig ist. Das heißt, es gibt eine verfassungsrechtlich tragfähige und sinnvolle Begründung dazu. Darüber hinaus gibt es mittlerweile auch weitere Urteile, auch des Bundesverfassungsgerichts zu Wahlen zum Europaparlament. Diese Urteile sehen selbst für die übergeordnete Ebene Sperrklauseln als unzulässig an. In Urteilen vom 9. November 2011 und vom 26. Februar 2014 erklärt das Karlsruher Gericht erst die 5-Prozent-Sperrklausel und dann auch die 3Prozent-Sperrklausel für verfassungswidrig.

Nun gilt für die Europawahl keine Sperrklausel. Doch bevor mit Blick auf die Abschaffung der Sperrklausel bei der Landtagswahl jetzt Euphorie auf meiner von mir gesehenen rechten Seite entsteht, muss man das Bundesverfassungsgerichtsurteil weiterlesen: „Nicht zu berücksichtigen ist dagegen eine Erwägung, die für die Beurteilung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Deutschen Bundestag Relevanz besitzt. Sollte diese Sperrklausel wegfallen, bestünde die Gefahr, dass im Falle eintretender Funktionsbeeinträchtigung das Parlament aufgrund seiner veränderten strukturellen Zusammensetzung nicht mehr in der Lage wäre, die gesetzlichen Regelungen zu ändern, weil die erforderliche[n] Mehrheit[en] nicht mehr zustande [kommen]. Diese Situation kann im Europäischen Parlament nicht eintreten, solange zur Regelung des Wahlrechts nicht das Europäische Parlament selbst, sondern der Deutsche Bundestag berufen ist.“ – Urteil Bundesverfassungsgericht vom 9. November 2011.

Meine Damen und Herren, wenn man den Gedanken der umfassenden Beteiligung aller Wählerstimmen in Zukunft berücksichtigen müsste, müsste man auch überlegen, inwieweit 30 oder 40 Prozent von Nichtwählern – egal mit welcher Begründung nicht gewählt wurde – sich in diesem Parlamentsrund widerspiegeln sollten. Das hieße, 30 bis 40 Prozent leere Plätze. Dies würde rückblickend auf meine Argumentation zwar die eineindeutige Widerspieglung der Wählerstimmen bringen, aber die Funktionsfähigkeit dieses Parlaments beenden.

Im Rahmen dieses Abwägungsprozesses der Argumentationen einschließlich der gesetzlichen Grundlagen – Grundgesetz, Bundesverfassungsgerichtsurteile – lehnt die Linke diese parlamentarische

Initiative ab und sieht auch keinen weiteren Diskussionsbedarf. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Brandner, Fraktion der AfD, das Wort.

Ja, meine Damen und Herren, Herr Blechschmidt, das Parlament funktioniert auch mit 30 Prozent leeren Plätzen, wie Sie sehen. Schauen Sie sich einfach mal die CDU und die SPD an. Genauso funktioniert es dann auch, wenn der Landtag von sich aus kleiner wäre. Wenn Sie ins Saarland schauen, sehen Sie auch, dass ein kleinerer Landtag problemlos funktioniert.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie haben ja gar nicht zugehört!)

Also warum Sie hier Angst verbreiten und Angst schüren, Panik machen, verstehe ich nicht, muss ich ganz ehrlich sagen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht um eine ganz normale Frage, wie das Wahlrecht aufgefasst und ausgestaltet wird oder nicht. Abgesehen davon ist es ein reizvoller Gedanke – der steht ja auch, wenn ich mich recht erinnere, in unserem Bundeswahlprogramm –, dass wir die Wahlen davon abhängig machen wollen, wie viele absolute Stimmen letztendlich erreicht werden. Das gab es in der Weimarer Republik schon einmal – das hat sich eigentlich bewährt –, was dann zur Folge hätte, dass bei 40 Prozent Wahlenthaltung tatsächlich auch möglicherweise nur 60 Prozent der Plätze belegt werden. Wenn das dann so ist, dann ist das der Wählerwille und kein anderer. Der Wähler letztendlich, das ist der Stimmbürger, und der Bürger hat die Macht in diesem Staat. Was der will, kann der machen. Ich weiß gar nicht, warum Sie dem Bürger da weitere Vorschriften machen wollen. Der Bürger ist der Souverän, und wenn er das so machen möchte und sagt, die Hälfte vom Landtag reicht, dann ist das halt seine freie Entscheidung.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, der Keim der Ungerechtigkeit und der Webfehler im Thüringer Wahlrecht ist bereits da angelegt worden, wo das Wahlrecht hier in Thüringen geschaffen wurde. Allein der Umstand, dass das Wahlgesetz ursprünglich aus der Feder der Landesregierung stammt, lässt das deutlich werden. Es müsste eigentlich das ureigene Interesse eines Parlaments sein, das Wahlverfahren selbst und aus eigenem Antrieb zu regeln. Doch

(Abg. Blechschmidt)

darauf legten die Abgeordneten damals hier im Thüringer Landtag keinen Wert. Man ließ sich von der Landesregierung das Wahlgesetz quasi in das Gesetzgebungsverfahren hineindiktieren. Da hätte man eigentlich schon von Anfang an skeptisch sein müssen. Denn jedem muss klar sein, dass die Exekutive ein ganz eigenes Verhältnis zur Repräsentation des Volks, also zur Legislative hat. Und jeder weiß, dass die Exekutive die Legislative immer schon als eher hinderlich empfunden hat. Dafür müssen Sie gar nicht in den Bundestag schauen, der sich ja in seiner Eurorettungspolitik von Frau Merkel hat völlig entmannen und entfrauen lassen. Es reicht schon ein Blick auf die häufig verspäteten Antworten dieser Landesregierung auf Abgeordnetenfragen, um zu sehen, dass dieser Landesregierung das Parlament und Abgeordnete zumindest als sehr lästig erscheinen. Es ist das gute Recht der Landesregierung, Abgeordnete als lästig zu betrachten. Aber ein starkes, selbstbewusstes Parlament muss und sollte sich das keineswegs gefallen lassen,

(Beifall AfD)

denn vom Volk frei gewählt und damit demokratisch legitimiert sind schließlich nur wir Abgeordnete und nicht die obersten Angestellten dieses Freistaats, also alle in der Regierung von Herrn Ramelow abwärts. Nicht umsonst fängt das Wort „Minister“ mit „Mini“ an.

(Heiterkeit AfD)

Bestätigt wird der Eindruck natürlich, wenn man hier in das „Mini“-sterrund hineinschaut, dass also nicht der Minister der Chef im Ring ist, sondern der Chef im Ring ist der frei gewählte Abgeordnete, meine Damen und Herren.

Die Sperrklausel wurde damals und wird auch heute – wir haben es ja vorhin schon gehört – damit gerechtfertigt, dass dadurch Splitterbildung vermieden würde, denn dies könne dazu führen, dass die Willensbildung des Landtags oder der Parlamente in erheblicher Weise und in erheblichem Maße gefährdet würde. Ewig die gleiche Leier, meine Damen und Herren, aber bekanntlich werden falsche Aussagen dadurch auch nicht ansatzweise richtiger, wenn man sie beständig oder – wie Sie so gern sagen – nachhaltig wiederholt. Denn bis heute sind die Befürworter der 5-Prozent-Sperrklausel den Beweis schuldig geblieben, dass das politische System bei einer 3-Prozent-Hürde beispielsweise an Stabilität verlieren würde. So wären jetzt beispielsweise in diesem Landtag bei einer 3-ProzentKlausel nicht fünf, sondern sechs Parteien im Parlament, also gerade mal eine mehr. Sechs Parteien im Parlament fanden sich übrigens auch von 2009 bis 2014 im Sächsischen Landtag, sechs Parteien sitzen derzeit im Brandenburger Landtag und auch diese Staaten funktionieren noch, von Instabilität keine Spur. Bei der Landtagswahl 1955 in Nieder

sachsen fand übrigens gar keine Sperrklausel Anwendung, was nicht weniger als acht Parteien im Parlament zur Folge hatte, und auch das führte nicht zu einem Untergang des Landes Niedersachsen, das gibt es bekanntlich noch immer.

Allein diese wenigen Beispiele zeigen: Als Garant für Stabilität braucht es mitnichten eine Sperrklausel und schon gar keine mit 5 Prozent.

(Beifall AfD)

Das sah übrigens auch das Bundesverfassungsgericht – Herr Blechschmidt hat es erwähnt – mit seinen Entscheidungen zum Europawahlverfahren so. Wäre denn nicht für noch mehr Stabilität in Parlamenten gesorgt, wenn zum Beispiel wie in der so demokratischen Türkei, mit der ja die CDU gern herummerkelt, eine 10-Prozent-Klausel eingeführt würde? Das wäre dann richtig stabil, denke ich, hätte allerdings für den aktuellen Landtag den Nachteil, dass die Damen der Grünen wahrscheinlich sämtlich arbeitslos wären. 10-Prozent-Sperrklausel hätte den Effekt, dass Herr Adams wahrscheinlich wieder bei Frau Göring-Eckardt angestellt wäre und katzbuckeln müsste, Herr Kobelt wäre wahrscheinlich bei der Familienpartei und stellvertretender Generalsekretär in Thüringen

(Heiterkeit AfD)