Protokoll der Sitzung vom 25.03.2015

Ja, darüber können Sie sich aufregen, wie Sie wollen.

Insbesondere die Galionsfigur der Linken, Gregor Gysi, hatte noch kurz vor den Krawallen in einem Interview erklärt, warum linke Gewalt nicht so schlimm sei, rechte aber schon. Zitat: „Der Rechtsextremismus wendet sich immer gegen Schwache, der Linksextremismus gegen Starke.“ Das sind Aussagen, denen kann ich nicht folgen, will ich auch nicht folgen. Das heißt, Gysi hält einen Schädelbruch nach einem linken Steinwurf wahrscheinlich für nicht ganz so schlimm. Ich sage ganz klar, wer … Aber ich gehe weiter, meine Zeit rennt. Während also Gysi ganz unverhohlen ein gewisses Verständnis für linke Gewalt aufbringt, organisieren seine Parteifreunde eine Brutaldemonstration in Frankfurt, wie sie Deutschland lange nicht gesehen hat.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ist das eigentlich das Thema der Aktuellen Stunde?)

Es muss an dieser Stelle gesagt werden, dass der hessische Abgeordnete, Vizepräsident des Landtags und langjähriger Landesvorsitzender der Linken, Herr Ulrich Wilken, die Demonstration gegen die EZB angemeldet hat. Die Linkspartei organisiert das Spektakel über Monate hinweg generalstabsmäßig und lockt reihenweise linksradikale Gruppen nach Frankfurt. So kamen auch die Schlägertrupps der autonomen Antifa-Szene. Das bittere Resultat: 4.000 hemmungslos agierende Straftäter, die einen Millionenschaden verursacht haben, zum Teil schwer verletzte Passanten und Polizisten.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, Die LINKE: Herr Fiedler, zur Sache!)

Unter anderem haben die linken Schlägertrupps Autos abgefackelt, Schaufenster demoliert, Passanten mit Steinen beworfen, voll besetzte Straßenbahnen befeuert, Feuerwehrleute, die helfen wollten, angegriffen und natürlich auch die Polizei. Frau Hennig-Wellsow war mit dort, wird das sicher bestätigen können. Sie war auch vor Ort, sie kennt sich da vielleicht bestens aus. Nach den Krawallen jubelten Blockupy und das Linkspartei-Milieu über – ein Zitat – den „großartigen Tag“. Bedanken möchte ich mich hier an dieser Stelle bei allen Polizisten und auch bei unseren 250 Thüringer Polizisten der Bereitschaftspolizei, die in Frankfurt dem Linksextremismus die Stirn gezeigt haben.

(Beifall CDU, AfD)

Ich hoffe und wünsche, dass es nicht in Thüringen um den 1./2. Mai herum genauso wird und solche extremen Dinge passieren. Gewalt bleibt Gewalt, ob von links oder rechts, und der müssen wir entgegentreten.

(Beifall CDU, AfD)

Danke, Herr Abgeordneter Fiedler. Vonseiten der Abgeordneten liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit erteile ich für die Landesregierung der Ministerin Klaubert das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der Titel der Aktuellen Stunde heißt: „Thüringen zeigt Gesicht gegen Rechtsextremismus und Rassismus“. Bevor ich darauf eingehen möchte, würde ich doch ganz kurz auf den Abgeordneten Fiedler reflektieren und auf den Vergleich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Sie haben sicher in der vergangenen Woche gelesen, dass sich der Ministerpräsident sehr deutlich von Gewalt distanziert hat, und ich glaube, ich habe dem und wir haben dem nichts hinzuzufügen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ich habe den Ministerpräsidenten nicht benannt!)

Ich habe ihn aber benannt, er hat sich ausdrücklich vor dem Hintergrund der Ereignisse, die Sie benannt haben, von Gewalt distanziert, aber nicht von friedlichen Protesten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber lassen Sie mich wirklich zurückkommen zu dem, was die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit ihrer Aktuellen Stunde auf die Tagesordnung gesetzt hat. Wenn wir die Frage danach stellen, was bedeutet es, Gesicht gegen Rassismus und Gewalt zu zeigen, dann muss man zuallererst sagen, das

(Abg. Fiedler)

heißt, die Augen aufzumachen und genau hinzuschauen.

Bezogen auf Suhl – ich hatte die Gelegenheit, selbst dort zu sein – kann ich feststellen, nach dem, was wir dort gesehen haben, haben wir es in der Organisation mit Kräften aus dem äußerst rechten Rand zu tun gehabt. Da hilft auch kein Drumherumreden, kein Schönreden, kein Begründen von Protesten gegen die eine oder andere Situation. Wer da von einer bürgerlichen Bewegung spricht, dem kann ich nur sagen, der ist auf dem rechten Auge blind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Hier in Thüringen waren wir übrigens zu lange auf dem rechten Auge blind – und das müssten Sie wissen. Wozu das geführt hat, konnten wir alle sehen, als vor mehr als drei Jahren allmählich und in immer erschreckender Art und Weise die Ausmaße des NSU bekannt wurden. Das konnte man aber auch schon vorher sehen. Wer sich genau mit dem Thema befasst hat, hat gewusst, wie sich Neonazis seit den 1990er-Jahren immer mehr des öffentlichen Raums bemächtigt haben. Das kann auch jeder sehen, der sich ernsthaft mit dem ThüringenMonitor auseinandersetzt. Der Thüringen-Monitor zeigt uns Jahr für Jahr, dass wir in Thüringen einen beachtlichen Bodensatz an rechtsextremen Einstellungen haben. Rechte Einstellungen und rechte Gewalt sind in Thüringen ein ernst zu nehmendes Problem. Also heißt Gesicht zeigen Augen aufmachen, hinschauen und es heißt auch, Präsenz zu zeigen.

Ich sage, in Suhl ist das gut gelungen. Viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Kabinett und aus dem Landtag waren vor Ort und haben zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern in Suhl gezeigt: Ihr seid mit eurer menschenfeindlichen Auffassung keine Mehrheit. Ich sage auch, als sich bei der ersten Demonstration der Landrat aus Coburg mit seinem Vizelandrat von der CSU aus Coburg bei uns gemeldet hat und ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er die Bewegung gegen Sügida unterstützen möchte, habe ich mich sehr gefreut.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es ist auch eine gute Nachricht, dass am vergangenen Montag in Erfurt mehr Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen sind und für ein weltoffenes Thüringen Gesicht zeigten. Dafür danke ich – im Namen der Landesregierung – allen Frauen und Männern, die die Präsenz gezeigt haben. Ich möchte all denen danken, die gegenüber fremdenfeindlichen und chauvinistischen Tendenzen wachsam sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich danke all denen, die zeigen, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus haben in Thüringen keinen Nährboden.

(Beifall AfD)

Ich danke all denen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren und die Menschen in Not mit Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit empfangen und ihnen begegnen. Flüchtlingen wollen wir zeigen: Ihr seid willkommen bei uns.

(Beifall Die LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, an den vergangenen Montagen haben wir zwei Dinge gelernt oder vertieft. Wir haben gesehen, dass Rechtsextremismus kein Phantom oder gar Hirngespinst ist. In Thüringen gibt es eine deutlich erkennbare rechtsextreme Szene, eine Szene, die zunehmend auf die Straße und in die Öffentlichkeit drängt, die Räume erobert und mitmischen will, die mit Parolen, mit Menschenverachtung und mit Gewalt agiert. Uns ist als Landesregierung bekannt, die Zahl der Gewaltverbrechen hat sich im letzten Zeitraum im rechten Lager mehr als verdoppelt. Rund drei Viertel aller politisch motivierten Straftaten kommen aus dem rechten Lager. Das ist eine Bedrohung. Frau Abgeordnete König verwies noch einmal auf den Februar 2014, auf den Überfall auf die Kirmesgesellschaft in Ballstädt. Ein Großteil derjenigen, die heute hier sitzen, hat damals mit Entsetzen zur Kenntnis genommen, wie die Thüringer Neonaziszene ihre ganze Brutalität und ihre ganze Skrupellosigkeit ohne irgendeinen Anlass gezeigt hat. Alles andere hat Frau Abgeordnete König benannt. Mir fallen dazu die Worte aus dem Brecht-Stück „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ ein: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die vergangenen Montage haben uns aber auch gezeigt, welche Menschenverachtung in der rechtsextremen Szene vorhanden ist, aber auch, dass sich Thüringerinnen und Thüringer nicht einschüchtern lassen, dass sie sich nicht manipulieren lassen, dass sie in der Lage sind, gegen derartige Machenschaften ihr eigenes Gesicht zu zeigen. Sie haben gezeigt, dass das beste Mittel gegen Rechtsextremismus eine starke Zivilgesellschaft ist. Mit dem Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit stärken wir die Zivilgesellschaft in Thüringen. Das Landesprogramm unterstützt bürgerschaftliches Engagement dort, wo Unterstützung am meisten gebraucht wird, auf der Ebene der Kommunen. Das Landesprogramm sichert Strukturen der mobilen Beratung, der Opferberatung und der Aussteigerberatung. Das Landesprogramm bringt Akteure an einen Tisch und sorgt für eine Vernetzung. Mit der Umsetzung des Landesprogramms wurde 2011 begonnen und ich erin

(Ministerin Dr. Klaubert)

nere daran, dass es einen großen Konsens in diesem Landtag zur Etablierung des Landesprogramms gab. Das Programm bietet einen guten Rahmen für alle Aktivitäten gegen Rechtsextremismus wie in den Beratungsprojekten der mobilen Beratung, der Opferberatung, der Aussteigerberatung, die bereits in den Vorreden benannt worden sind.

Um die wichtige Arbeit der Bürgerbündnisse gegen Rechtsextremismus zu unterstützen, haben wir seit letztem Jahr eine Stelle zur Vernetzung und Koordinierung eingerichtet, die auf Wunsch der Bürgerbündnisse bei der mobilen Beratung beheimatet ist. Es ist uns gelungen, in den letzten Jahren ein fast flächendeckendes Netz von lokalen Aktionsplänen zu knüpfen. Im letzten Jahr wurden in diesem Rahmen über 360 lokale Projekte gefördert und durchgeführt. In der Präventionsstrategie der Landesregierung werden wir diese Strukturen durch zahlreiche Modellprojekte, überregionale Präventionsprojekte und Interventionsprojekte ergänzen, auch mit dem Wunsch, diese in den nächsten Jahren gemeinsam zu erweitern und auszufinanzieren.

Wir bieten Fortbildungsprogramme für Lehrerinnen und Lehrer, für Erzieherinnen und Erzieher, für Polizisten an – und ja, Kollege Fiedler, auch Dank an diejenigen, die in den Demonstrationen als Polizisten tätig sind und die dort natürlich auch zum Teil mit Leib und Leben vor Gefahren nicht zurückschrecken dürfen. Ich kann nur sagen: Zivilgesellschaftliche Politik meint immer gewaltfreie Politik, meint Engagement, meint demokratisches Engagement und ich wiederhole damit das, was der Ministerpräsident in dieser Woche und in diesem Zusammenhang gesagt hat.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Übrigens, die gute Resonanz auf diese Bildungsprogramme, die ich jetzt zuletzt benannt habe, zeigt offensichtlich, dass wir damit einen Nerv dessen getroffen haben, was in der Thüringer Gesellschaft notwendig ist. Das Landesprogramm ist ein gutes Programm. Das hat uns auch in der Evaluation das Frankfurter Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik bescheinigt. Ich deutete es an, wir wollen dieses Programm gern weiterentwickeln, stehen natürlich dann auch in Bezug auf die Haushaltsverhandlungen immer auch in der Auseinandersetzung damit, dass wir gemeinsam eine ausreichende Finanzierung dafür erreichen müssen.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren, Thüringen ist bunt und ein Land voller Vielfalt. Farbenlehre erschöpft sich nicht in naiver Kenntnis darüber, dass, wenn man Wasserfarben zusammenmischt, ein brauner Klecks entsteht. Das haben wir in der Grundschule gelernt. Der Vergleich, den Sie damit benannten, ist ein echter Fauxpas. Le faux – das Falsche, le pas – der Schritt, der falsche Schritt, ein falscher Vergleich und ich würde es

auch künftig, wenn ich dieses Wort hier verwenden würde, exakt aussprechen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es ist gehobene Sprache und bezeichnet eben jenen unglücklichen Vergleich, den wir in einer anderen Aktuellen Stunde hier hören konnten.

Ich freue mich, dass Sie sich für die Erweiterung des Wissens bedanken, möchte aber sagen, dass wir wollen, dass Thüringen bunt bleibt und dass braune Einfalt nicht obsiegt. Wir wissen auch, dass wir alle Menschen mitnehmen wollen und müssen. Unsere Schulen brauchen Unterstützung genauso wie Behörden und Kommunen. Dieser Aufgabe stellen wir uns als Landesregierung und ich lade Sie dazu ein, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Wir brauchen eine Kultur der Würdigung und der Wahrung der Würde des Menschen, jedes Menschen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich habe noch eine Wortmeldung aus den Reihen der Abgeordneten. Abgeordneter Henke für die AfD hat sich gemeldet. Sie haben noch anderthalb Minuten Redezeit.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, werte Gäste! In diesem Plenum sind bei der Rede von Frau König zwei Worte gefallen, denen ich zutiefst widersprechen muss: „verrohtes Bürgertum“.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stammt von Heitmey- er von 2010!)

Die, die diese Worte in den Mund nehmen, sind Rassisten und Sie merken es nicht einmal, dass Sie sich auf diese Stufe herabbegeben.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist Herr Heitmeyer etwa Rassist?)

Herr Henke, dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Politi- sche Bildung bei der AfD...)