Protokoll der Sitzung vom 17.08.2017

Wie ich in der Vergangenheit auch mehrfach betont habe: Angst ist ein schlechter Ratgeber. Deshalb setzt diese Regierung auch nicht auf Furcht und Schrecken und sie sucht ihr Heil auch nicht in der Vergangenheit, sondern sie geht mit Mut und Zuversicht voran, um auf diese Weise erfolgreich die Zukunft unseres Freistaats zu gestalten. Dabei tritt die Landesregierung allen Formen...

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat das Wort und ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit und Ruhe in den Fraktionen.

(Unruhe AfD)

Herr Minister, bitte fahren Sie fort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich war gerade dabei, zu betonen, dass die Landesregierung allen Formen des Extremismus und der Gewalt entgegentritt. Dies umfasst auch die sogenannten Reichsbürger und Rechtsextremisten.

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Wie bei Ih- ren eigenen Abgeordneten!)

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, hat in einem Interview der „Frankfurter Rundschau“ am 21. Juli dieses Jahres dazu ausgeführt – ich zitiere –: „Im Bereich links gingen die Länder von einer Größenordnung [von Gefährdern] aus, die man an einer Hand abzählen kann.“ Im Bereich rechts ist es eine niedrige zweistellige Zahl.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist eine absurde Beschreibung!)

Ich rede von Gefährdern. Damit zeigt sich deutlich, dass die größere Gefahr von Rechtsextremisten ausgeht, sodass insbesondere mit Blick auf die Ereignisse auch in Themar

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das haben wir schon in Weimar gesehen!)

eine vertiefte Debatte hier zu empfehlen wäre. Dies sage ich in dem Wissen, dass wir die Extremisten auf der linken Seite des Spektrums selbstverständlich nicht ausblenden, sondern sehr genau im Blick der Sicherheitsorgane wissen. Schauen wir auf die Zahlen der politisch motivierten Kriminalität von 2016 in Thüringen, dann bestätigt sich dieses Bild. Der politisch motivierten Kriminalität – rechts können 1.570 Straftaten zugeordnet werden. Diese umfasst damit mehr Taten als alle anderen PMKBereiche zusammen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wie sieht es bei der Gewaltkriminalität aus, Herr Minis- ter?)

So ließen sich bei der politisch motivierten Kriminalität – links 442 Taten feststellen, 33 Taten der politisch motivierten Ausländerkriminalität und 256 Taten, die keinem dieser Felder zugeordnet werden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach diesen einführenden Worten muss ich aus fachlicher Sicht darauf hinweisen, dass sich der dieser Sondersitzung dieses Landtags zugrunde liegende Sachverhalt nicht in Thüringen ereignet hat und mir deswegen rechtliche und tatsächliche Grenzen gesetzt sind, umfassend über die Ereignisse zu berichten. Gleichwohl möchte ich natürlich versuchen, dem Informationsbedürfnis des Landtags umfassend nachzukommen. Das gilt umso mehr, wenn Thüringer Belange betroffen sind. In der Tat waren in der Hauptphase des Polizeieinsatzes in Hamburg circa 445 Bedienstete der Thüringer Polizei, aus dem Landeskriminalamt, der Bereitschaftspolizei sowie der Thüringer Landespolizei im Einsatz. Von diesen sind nach meinem aktuellen Stand derzeit 14 Thüringer Bedienstete fast ausschließlich durch Stein- und Flaschenwürfe verletzt worden. Es ist zudem auch zu beachten, dass die Ereignisse in Hamburg noch nicht einmal sechs Wochen zurückliegen. Die strafrechtliche Aufarbeitung hat gerade erst begonnen. Belastbare Ergebnisse liegen derzeit noch nicht vor. Insofern haben die nachfolgenden Ausführungen teilweise vorläufigen Charakter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Rahmen des Polizeieinsatzes sind neben den Verletzungen, die unsere Polizeibeamten erlitten haben, 18 Einsatzfahrzeuge der Thüringer Polizei – davon 14 Fahrzeuge der Bereitschaftspolizei und vier Fahrzeuge der Landespolizeiinspektion Jena – be

schädigt worden. Überwiegend wurden Fahrzeugscheiben und -türen sowie Außenspiegel, Kotflügel, Motorhauben und Fahrzeugdächer zerstört. Des Weiteren kam es insgesamt zu 17 Beschädigungen an Helmen, Einsatzhandschuhen, Einsatzanzügen, Körperschutzausstattungen sowie zu 12 Verlustmeldungen. Betroffen waren hiervon Taschenlampen, Akkus von Funkgeräten, Gehörschutz und Einsatzhandschuhe. In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, dass Extremisten aller Couleur zunehmend gewaltbereiter auftreten und Verletzte in Kauf genommen werden.

Hier macht die Landesregierung unmissverständlich deutlich, dass Gewalt kein legitimes Mittel von Protest ist und den staatlichen Strafanspruch in seiner ganzen Härte nach sich zieht. Dementsprechend soll in Hamburg gegen Ende des Monats auch das erste Strafverfahren gegen mutmaßliche Gewalttäter von G20 beginnen, was ich ausdrücklich begrüße. Weitere 162 Ermittlungsverfahren laufen, in 109 sind die Beschuldigten bekannt. Sorgfältig, gewissenhaft und konsequent werden die Justiz und Polizei Hamburgs die Vorfälle und Straftaten im Weiteren nun aufklären. Dafür wurde in Hamburg eine Sonderkommission „Schwarzer Block“ gebildet, der 170 Mitarbeiter angehören. Neben der Verfolgung der mutmaßlichen Täter wird es auch um das Erkennen von gewalttätigen Strukturen sowie die Auswertung des Bildmaterials gehen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden helfen, auch zukünftige Einsätze noch besser vorzubereiten.

An den Protesten und Gegendemonstrationen anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg nahmen jeweils mehrere Tausend Personen teil. In welchem Umfang sich daran jeweils Personen aus Thüringen beteiligten, ist nicht bekannt. Allerdings werden aktuell in Hamburg Ermittlungen gegen drei Thüringer wegen gefährlicher Körperverletzung, des Verstoßes gegen das Sprengstoff- und Waffengesetz sowie Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz geführt. Zu einer möglichen Beteiligung von Thüringern an einzelnen sogenannten „Schwarzen Blöcken“ im Zusammenhang mit den G20-Protesten in Hamburg liegen bisher keine konkreten Erkenntnisse vor.

Aus dem Phänomenbereich des Ausländerextremismus sind ebenfalls keine Personen aus Thüringen bekannt, welche an den Gegendemonstrationen zum G20-Gipfel in Hamburg teilgenommen haben. Wir untersuchen aber die Zusammenhänge weiter und arbeiten intensiv mit den Sicherheitsbehörden der Hansestadt zusammen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, lassen Sie mich nun auf einige Forderungen der AfD-Fraktion eingehen und diese bewerten. Hinsichtlich der Notwendigkeit der Einrichtung einer Kompetenzstelle zur Erforschung von Linksextre

mismus in Thüringen verweise ich auf die bisherigen Ausführungen der regierungsbildenden Fraktionen im Thüringer Landtag.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wollen Sie nicht machen!)

Ich möchte die Argumente nicht wiederholen, schließe mich aber im Ergebnis der Position an, dass Thüringen eine solche Kompetenzstelle nicht benötigt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Weil es kei- nen Grund gibt, keinen Linksextremismus!)

Zu der Forderung, beim Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales eine Präventionsstelle für die Sicherheitsbehörden einzurichten, lässt sich Folgendes sagen: Der Präventionsauftrag ist für die Thüringer Polizei gesetzlich normiert. So hat die Polizei nach § 2 des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes die Aufgabe, die allgemeinen oder im Einzelfall bestehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Sie hat im Rahmen dieser Aufgaben auch für die Verfolgung von Straftaten vorzusorgen und Straftaten zu verhüten, also die Bekämpfung von Straftaten, sowie Vorbereitungen zu treffen, um künftige Verfahren abwehren zu können.

Eine im Jahr 2013 eigens zu diesem Zweck eingerichtete Stabsstelle „Polizeiliche Extremismusprävention“ bei der Landespolizeidirektion hat die Aufgabe, sich mit sämtlichen Phänomenbereichen des politischen Extremismus zu befassen. Dazu zählt natürlich auch die politisch motivierte Kriminalität – links.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Es kommt nur nichts dabei raus!)

Der Auftrag zur Extremismusprävention ist Teil des umfassenden gesetzlichen Auftrags zur Bekämpfung des Extremismus, welcher auch dem Amt für Verfassungsschutz obliegt. Dieses Amt hat weiterhin die Aufgabe, die Öffentlichkeit in zusammenfassenden Berichten sowie in Einzelanalysen über Bestrebungen und Tätigkeiten, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, zu unterrichten.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aber wie sieht es denn jetzt in der Praxis aus?)

Es tritt solchen Bestrebungen und Tätigkeiten auch durch Angebote zur Information entgegen. So bietet das Amt für Verfassungsschutz entsprechende Fachvorträge, Informationsveranstaltungen und Materialien, sogar eine Wanderausstellung an, um hinsichtlich aller Erscheinungsformen des politischen Extremismus zu sensibilisieren.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Eine Wander- ausstellung, oje!)

(Minister Dr. Poppenhäger)

Das ist ein Aspekt der Arbeit des Amts für Verfassungsschutz. Machen Sie sich erst mal kundig!

Sie sehen also, Sie fordern etwas, was als gesetzlicher Auftrag längst doch formuliert ist und durch verschiedene Organisationseinheiten auch umgesetzt ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zu der Forderung der Einführung einer sogenannten Extremismusklausel kommen. Bei allen geförderten Projekten wird zunächst davon ausgegangen, dass sich kein Projektbeteiligter in grundgesetzwidriger Weise betätigt,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist aber kontrafaktisch!)

und bei begründetem Zweifel an der Verfassungstreue eines Antragstellers wird im Rahmen der Möglichkeiten eine Überprüfung durchgeführt. Diese Überprüfung erfolgt in drei Schritten: Zunächst wird als wesentlichste Voraussetzung geprüft, ob die Träger einer geförderten Maßnahme tatsächlich geeignet sind, diese durchzuführen. Dazu gehören die üblichen Prüfkriterien, wie Angemessenheit und Überprüfbarkeit der Zielsetzung für die entsprechende Maßnahme und auch eine ordnungsgemäße Gewähr für die Mittelumsetzung.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Augen zu und Ohren zu!)

Sofern möglich werden natürlich auch die bisherigen Erfahrungen bei den Zuwendungsempfängern ausgewertet und spielen bei der Prüfung eine ausschlaggebende Rolle. Weiterhin werden die zugänglichen Erkenntnismöglichkeiten, zum Beispiel die Verfassungsschutzberichte und Erfahrungen anderer Ressorts oder Kommunen, in die Prüfung einbezogen. Bei unbekannten Organisationen werden die Erkenntnisse der anderen Ressorts, insbesondere die der Sicherheitsbehörden, ebenfalls in die Bewertung einbezogen. Sie sehen also: Es bedarf keiner Extremismusklausel, um sicherzustellen, dass nur Projekte im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gefördert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch weitere Forderungen der AfD, etwa nach einem einheitlichen Presseausweis gehen an der Realität vorbei. Es scheint zunächst einmal in Ihrer Fraktion bedauerlicherweise nicht bekannt zu sein, dass sich die Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder seit geraumer Zeit mit dieser Frage befasst hat und im Rahmen ihrer November-Sitzung des Jahres 2016 bereits einen richtungsweisenden Beschluss gefasst hat. So ist es gelungen, sich mit den Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Presserats auf ein Verfahren zur Wiedereinführung eines bundeseinheitlichen Presseausweises zu verständigen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: AfD wirkt!)

(Beifall AfD)

Die Ausstellung dieses Ausweises wird künftig unter Berücksichtigung von konkret formulierten Anforderungen erfolgen. Ich sage: Wir haben das bereits in der November-Sitzung des Jahres 2016 beschlossen.

Zu beachten ist auch, dass Artikel 5 des Grundgesetzes aufgrund der Meinungs- und Pressefreiheit den freien Zugang zum Journalismus ermöglicht. Die Berufsbezeichnung „Journalist“ ist in Deutschland rechtlich nicht geschützt. Gerade in Zeiten von sich häufenden Internetbloggern, möglicherweise journalistisch tätigen Influencern und selbsternannten Investigativ-Journalisten ist es für Polizeibeamte gelegentlich auch schwierig, allgemeingültige Regelungen für die journalistische Berichterstattung zu finden und Missbräuche zu vermeiden. Der einheitliche Presseausweis kann begrenzt einen Beitrag zur formellen Regulierung der Pressearbeit leisten. Er ist jedoch nur bedingt als Legitimationsdokument für Journalisten geeignet und nicht mit besonderen Rechten oder auch Pflichten verbunden. Wie ich aber bereits ausführte, wird innerhalb der zuständigen Gremien an der Lösung der Probleme gearbeitet. Erste Erfolge sind erzielt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Forderung der AfD, ein Konzept zur Gewährleistung der Chancengleichheit aller Parteien im Bundestagswahlkampf zu erstellen, geht völlig ins Leere. Abgesehen davon, dass der Thüringer Landtag und die Thüringer Landesregierung schwerlich die Regularien zur Bundestagswahl und den vorgesehen Bundestagswahlkampf beeinflussen können, ist es vordergründig Aufgabe einer jeden Partei, ihre Ziele den Bürgerinnen und Bürgern zu verdeutlichen. Insofern erübrigen sich an dieser Stelle weitere Darlegungen der Thüringer Landesregierung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach meinen Ausführungen zu den Vorschlägen der AfDFraktion möchte ich Ihnen noch darstellen, welche Maßnahmen ich zur Bekämpfung des politischen Extremismus tatsächlich für zielführend halte.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Außer der Wanderausstellung!)

Denn es geht in der Politik nicht nur um Schauspiel, sondern um Verantwortung, und dem kommt diese Landesregierung nach.

(Beifall SPD)

Ich habe die polizeilichen Kräfte, die mit der strafrechtlichen Verfolgung extremistischer Straftäter beauftragt sind, weiter verstärkt.

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Das ist ja kein Problem, da kommt ja sofort ein Rechts- streit nach!)