Herr Mohring, lesen Sie doch bitte Ihren Antrag ausführlich. Nehmen Sie doch Ihren eigenen Antrag, wenn Sie mich schon provozieren, nehmen Sie Ihren Antrag zur Hand, ich mache das auch.
Sie verlangen zwei Sachen. Zu Punkt 5 Ihres Antrags habe ich gerade gesprochen. Sie haben beantragt, die Landesregierung soll aufgefordert werden, Erkenntnisse über die Teilnahme von Thüringer Bürgern und/oder Abgeordneten an Demonstrationen im Rahmen des G20-Gipfels vorzulegen. Was Sie jetzt allerdings meinen …
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Mit Links- radikalen haben Sie die Gebietsreformde- monstranten verglichen!)
Was Sie allerdings meinen, steht in der Tat einen Punkt später auch darin, aber Sie können deswegen doch nicht leugnen, dass das, was ich Ihnen gerade vorgetragen habe, in Ihrem Antrag steht und dass Sie ganz bewusst eine Zweiteilung vornehmen. Sie wollen wissen, welche Abgeordneten Straftaten begangen haben, aber Sie wollen darüber hinaus auch wissen, welche Abgeordneten an Versammlungen teilgenommen haben. Das hat mit meinem Rechtsstaatsverständnis und der Ausübung des Versammlungsrechts und der Meinungsfreiheit nun überhaupt nichts mehr zu tun.
Meine Damen und Herren, Redner ist jetzt der Abgeordnete Dittes. Herr Mohring, Sie haben noch Gelegenheit.
Aber so ein abenteuerliches Rechtsverständnis ist gar nicht Kern des Antrags, sondern der Linksextremismus. Damit schließt sich die Thüringer CDU wieder einmal der Debatte an, die im Nachgang die Proteste als linksextrem diskreditiert und aus meiner Sicht eine notwendige Differenzierung zwischen den zehntausenden Demonstranten bei friedlichen Veranstaltungen und einigen hundert Gewalttätern vollkommen unberücksichtigt lässt.
Ich will auch sagen, dass der Begriff des Linksextremismus – ich will das nicht ausführen, denn es ist bekannt, dass wir hier bei der Beschreibung der Verantwortlichen gerade in der Krawallnacht am Freitagabend unterschiedlicher Auffassung sind – alles andere als zielführend ist. Auch als Erklärungsmodell ist er nicht geeignet und wird deshalb auch von vielen Wissenschaftlern abgelehnt. Ich will, da Sie es hier auch angesprochen haben und immer wieder Programme zur Bekämpfung des Linksextremismus einfordern, noch mal die Lektüre des Projektergebnisses der Arbeit der Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte in Weimar empfehlen. Die haben in den Jahren 2010 bis 2012 im Rahmen eines Programms des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend – damals hieß die Ministerin Kristina Schröder – ein Projekt unter dem Titel „Demokratische Kompetenzen im Diskurs entwickeln“ durchgeführt und beschäftigten sich dabei intensiv mit dem Linksextremismus. Als Ergebnis fassen die Projektmitarbeiter zusammen, dass sich nach drei Jahren Projektdauer, intensiven Auseinandersetzungen mit externen Partnerinnen und über 400 Teilnehmenden sagen lässt, dass sich ein Vorhandensein linksextremer Einstellungen und Haltungen im Sinne eines Rückgriffs auf geschlossene linksextreme Welt- und Menschenbilder nicht konstatieren lässt. Die EJBW sieht dieses Projektergebnis als eines der zentralsten an – nachzulesen in der „Zeitschrift für die Jugendarbeit – Deutsche Jugend“. Das heißt doch, wenn das so ist, dann können wir diese fehlerhafte Blaupause nicht auf die Analyse für die Ereignisse in Hamburg legen, sondern müssen uns doch etwas mehr an Analysekompetenz zugestehen und zumuten und dann auch die dafür notwendige Zeit in Anspruch nehmen. Jede Analyse geht fehl, die eine unzulässige Gleichsetzung oder Gegenüberstellung jener Gewalt aus den verschiedenen Spektren betreibt, sowohl die Form der Gewalt als auch Motive und Ursachen nicht differenziert und auch Kontexte, in denen sie entstehen, völlig außen vor lässt.
Zum Thema „Gewalt gegen Polizeibeamte“ denke ich, habe ich sehr deutliche Worte gefunden, aber ich hätte mir auch von der CDU gewünscht – und das hätte ihr auch gutgetan –, sich sachlicher mit dem Thema auseinanderzusetzen, so auch mit den ernsthaften Bezügen zur Situation in Thüringen. Gelegenheit, meine Damen und Herren, hätten Sie gehabt, denn Ihr Abgeordneter Walk richtete vor der Sommerpause eine Kleine Anfrage zu Angriffen auf Polizeibeamte in Thüringen an die Landesregierung und hat auch eine Antwort darauf erhalten, diese allerdings in Pressemitteilungen und Redebeiträgen bislang nicht thematisiert. Ich glaube, das hat auch einen Grund, weil die Antwort nicht in Ihr politisches Konzept – auch der Argumentation heute hier – passt, denn laut der Antwort des Innenministeriums haben sich die Straftaten von Linksextremisten gegen Polizeibeamte 2016 halbiert und 99 Prozent aller Straftaten gegen Polizisten in Thüringen gehen eben nicht von politisch linksmotivierten Straftätern aus. Das heißt, wenn wir darüber reden, wie wir Gewalt gegen Polizeibeamte wirklich wirksam bekämpfen, müssen wir uns auch insbesondere den anderen Konfrontationssituationen, die den Beamten jeden Tag zu schaffen machen, zuwenden. Das sind häusliche Gewalt oder die Tatsache, dass 60 Prozent aller Körperverletzungsdelikte gegen Polizisten in Thüringen von alkoholisierten Personen ausgehen. Das zeigt eben auch manche Schieflage in der Diskussion. Dazu will ich Ihnen auch noch mal deutlich sagen – weil Sie gesagt haben, diese Landesregierung tut nichts gegen linksextremistische Gewaltstraftaten –, auch dort kön
nen wir mal einen Blick in die Statistik nehmen. Da wird sich zeigen, dass Ihre Argumentation nicht nur zu kurz geht, sondern auch einfach sachlich jeder Grundlage entbehrt. Sie haben recht, die Straftaten im Bereich der PMK-links, der Gewaltdelikte, sind bis zum Jahr 2015 angestiegen – Sie haben, glaube ich, den Zeitraum seit 2012 genannt, wir haben das gerade noch mal nachgesehen. 2016 ist sie um 22 Prozent zurückgegangen. Wenn ich Ihre Logik, die Sie vorhin hier vorgetragen haben, zur Grundlage mache, dann würde ich sagen, dass offensichtlich Ihre Regierung zu wenig gegen linksextreme Gewalt getan hat, weil sie damals angestiegen ist, und diese Regierung offensichtlich sehr viel getan hat und zum Rückgang linksextremer Gewalt in Thüringen beigetragen hat. Das ist doch aber nicht wirklich eine belastbare These oder ist doch nicht wirklich ein belastbares Erklärungsmodell. Insofern glaube ich, wir müssen diese Schieflage letztendlich beenden.
Ich will aber auch noch mal auf das zurückkommen, was ich eingangs gesagt habe, weil es natürlich auch darum geht, wie wir als Linke uns im Kern zur Gewalt positionieren. Ich habe sehr deutliche Worte zu unserer Positionierung gefunden.
Aber ich will Ihnen auch deutlich sagen, dass Sie mit Blick auf Hamburg – auch mit Ihrer Interpretation und Zuschreibung – die Situation eben nicht vollständig erfassen. Die unterschiedlichen Verursacher von Gewalt aus Sicht der Bewohnerinnen und Bewohner habe ich Ihnen dargestellt. Ich will auch deutlich noch mal zum Ausdruck bringen, wie man sich innerhalb der gesellschaftlichen Linken mit Hamburg auseinandergesetzt hat. Ich will mal darauf verweisen, dass beispielsweise die Rote Flora in Hamburg, die kein rechtsfreier Raum ist, die auch nicht geschlossen werden muss, an der Seite von Anwohnerinnen und Anwohnern Brände gelöscht hat, weil damit Menschenleben gefährdet worden sind, wo zum Teil Vermummte anderen Rowdys deren Eisenstangen aus der Hand gegriffen haben, wo sich auch Menschen aus der Flora geäußert haben, öffentlich in der Diskussion mit Bürgerinnen und Bürgern, mit den Worten: Hier ist eine rote Linie überschritten, so was geht gar nicht. Die Verantwortlichen hätten sich an der Militanz selbst berauscht, das sei politisch und inhaltlich falsch. Es heißt dann eben auch aus der Flora: „Wir beobachteten das Geschehen leicht verängstigt und skeptisch […]. Aber die Komplexität der Dynamik, die sich in dieser Nacht hier Bahn gebrochen hat, sehen wir weder in den Medien noch bei der Polizei oder im öffentlichen Diskurs angemessen reflektiert. […] Emanzipatorische Politik bedeutet für uns nicht[,] Unbeteiligte in Angst und Schrecken zu versetzen. Wir können verstehen, dass Menschen in der Nachbarschaft auf die Ereignisse des Wochenendes mit Fragen und Unverständnis reagieren.“
Ich will eine weitere Erklärung aus radikal-linken Kreisen zitieren, um zu zeigen, welche Diskussion da gerade stattfindet. Dort heißt es: „Die Gefährdung von Leib und Leben Unschuldiger wird dabei in Kauf genommen. […] Die Linke kann ein solches Verhalten aus moralischen Gründen nicht hinnehmen. Wenn sie zu schwach ist, um in solchen Situationen selbst einzuschreiten und zu verhindern, dass Menschenleben gefährdet werden, darf sie solche Situationen eben nicht herstellen.“ Weil es diese Diskussion gibt, weil es diese Diskussion auch gerade durch Initiatoren und Aktive der Roten Flora gibt, ist es eine völlig falsche politische Reaktion – auch durch den Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten –, die Schließung der Roten Flora zu fordern.
Es geht tatsächlich doch darum, diejenigen zu unterstützen, auch in der kritischen Auseinandersetzung. Man muss nicht jede Position teilen, die dort geäußert worden ist. Aber man muss nicht die kriminalisieren, die genau diesen Diskurs führen und zur Gewaltfreiheit in der politischen Auseinandersetzung aufrufen.
Meine Damen und Herren, Politik muss differenzieren können, aber nach Hamburg sind die Maßstäbe ein erneutes Mal verrutscht. Dazu gehört, dass nur wenige sich über Demonstrationsverbotszonen empörten, dazu gehört, dass der Gipfel selbst und die Kritik an der Politik der G20-Staaten als Teil eines politischen Streits und für Milliarden Menschen existenzielle Entwicklungsentscheidungen aus der gesellschaftlichen Debatte verdrängt wurden, dazu gehört, dass die vielfältigen kreativen Proteste, die Tausenden Menschen bei friedlichen Versammlungen und inhaltlichen Veranstaltungen nicht wahrgenommen werden, dazu gehört, dass die Mehrheit der Hamburger den Gipfel in ihrer Stadt gar nicht haben wollte, dazu gehört auch, dass nach dem G20-Gipfel brennende Autos in den Köpfen bleiben, wo nicht zur Empörung führt, dass die Politik der G20-Staaten – auch die in Hamburg verabredete oder auch ausgelassene – dazu beiträgt, dass Millionen Menschen vor Hunger und Armut, Umweltzerstörung und Krieg fliehen, die dazu beiträgt, dass mehr als 10.000 Flüchtlinge in den letzten Jahren im Mittelmeer gestorben sind. Zur Schieflage gehört auch, dass der Bund und die Stadt Hamburg nur wenige Tage nach dem Gipfel 40 Millionen Euro zur Schadensregulierung bereitstellten, was grundsätzlich richtig und zu begrüßen ist, während beispielsweise die Opfer der NSU-Morde in Summe 900.000 Euro erhielten.
mit einem letzten Satz schließen. Meine Damen und Herren, wir brauchen keine Ferndiagnose in Thüringen, wir brauchen klare politische Worte. Wir brauchen parlamentarische Aufklärung und Analyse in Hamburg, aber wir brauchen keine einseitige und eindimensionale Analyse und deswegen haben wir unseren Antrag eingebracht. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn der Kollege Dittes eben mit dem Satz geschlossen hat: „Wir brauchen keine Ferndiagnose.“, dann sollten wir uns alle hier ein bisschen an die Nase fassen, glaube ich. Ich war dann doch überrascht, mit welcher Sicherheit, auch jetzt in dem letzten Redebeitrag, bestimmte Diagnoseversuche unternommen wurden. Ich glaube, da überheben wir uns wirklich hier in Thüringen. Das ist auch das, was ich hier an der AfD kritisiere, an diesem angeblich aktuellen Antrag. Warum beschäftigen wir uns hier in Thüringen mit den Ereignissen wegen des G20-Gipfels in Hamburg? Was Herr Höcke damit bezweckt, das hat er ja in seinem Redebeitrag zum Ausdruck gebracht, dass Rot-RotGrün in Thüringen in direkter Linie für linkes Chaos, was zu Gewalt führt, verantwortlich ist. Auf der anderen Seite haben wir uns überlegt, wie können wir hier sinnvoll diesen Tag gemeinsam verbringen. Der Thüringer Berührungspunkt ist eigentlich erst mal nur ein einziger, nämlich der, dass dort circa 450 Polizistinnen und Polizisten aus Thüringen an diesem Wochenende in Hamburg gewesen sind und an diesem sehr schwierigen Einsatz teilnehmen mussten. Ich kann mir vorstellen, bei der Belastung, die unsere Polizistinnen und Polizisten übers Jahr und auch über das letzte Jahr mit vielen Ereignissen hatten, dass sich insbesondere die BePo, die Bereitschaftspolizei, nicht danach sehnt, zu
solchen Einsätzen herangezogen zu werden, auch andere nicht. Und dass solche Einsätze unter schwierigen Bedingungen stattfinden, das wissen wir auch.
Ich möchte deswegen ausdrücklich damit beginnen, dass wir hier in diesem Sonderplenum den Polizistinnen und Polizisten einen Dank aussprechen, die in einer übergroßen Mehrheit – davon gehe ich aus – wirklich ihr Bestes gegeben haben und sich dort zwischen allen Fronten unter schwierigsten Bedingungen verhalten, bewegen und alles absichern mussten.
Dank verbesserter Ausrüstung der Polizei – unser Minister hat dazu Stellung genommen – ist die Zahl der Verletzten aus Thüringen zum Glück gering. Wir haben die Schutzausrüstung verbessert, dennoch müssen dann Erfahrungen aus diesem Einsatz in Entscheidungen zur weiteren Verbesserung der Schutzausstattung unserer Polizei einfließen. Wir haben ja diese Debatte über ballistische Wechselvisiere für Polizeihelme. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier schnell eine Lösung finden werden. Ich fand es auch gut, dass es aus Anerkennung für den geleisteten Dienst auch Sonderurlaub nach ihrem Einsatz für die Polizistinnen und Polizisten in Thüringen durch das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales gegeben hat. Das war ein richtiges, wichtiges Signal gegen Überlastung. Zu dieser Anerkennung, liebe Kolleginnen und Kollegen im ganzen Haus, gehört eben auch, dass man pauschale oder einseitige Kritik an Polizistinnen und Polizisten, die vor Ort ihren Job gemacht haben, zurückweist. Der Einsatz muss als Ganzes bewertet werden. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir hier in Thüringen schlicht nicht tun. Also ich sehe mich dazu außerstande und halte das nicht für besonders seriös, wenn wir hier unsere eigene Erklärung der Ereignisse komplett fertig haben. Aber was wir doch sehen, ist natürlich, dass es offene Fragen gibt. Natürlich müssen die geklärt werden. Dazu gehört im Rahmen der Eskalation, die dort eingetreten ist, selbstverständlich auch die Frage: Was war mit dem Akkreditierungsentzug von Journalistinnen und Journalisten? Was war mit der Einsatzplanung der Hamburger Polizei – ich kenne sie nicht –, die offenbar nicht in jedem Fall zur Deeskalation beigetragen hat und damit möglicherweise die Einsatzkräfte vor Ort unnötiger Gefahr ausgesetzt hat? Und die Ereignisse im Schanzenviertel: Wie konnte es dazu kommen?
Es ist sicherlich nicht verkehrt, wenn Kollege Dittes hier einzelne Augenzeugenberichte zitiert, aber dass die ein sozusagen schlüssiges Gesamtbild abgeben bzw. eine Erklärung dafür geben, was dort eigentlich passiert ist, also damit – ich sage es
noch mal – überheben wir uns. Mit diesen ganzen Fragen muss und wird sich der Senat in Hamburg beschäftigen und da gehört es hin. Das war eine sehr schwierige Aufgabe, die dort durch die Hamburger Polizei oder auch die Hamburger Innenbehörde oder den Hamburger Senat zu bewältigen war. Wir müssen als Demokratie- und Rechtsstaat einerseits in der Lage sein, einen solchen Gipfel zu beherbergen, aber auch Versammlungs- und Meinungsfreiheit gegen den G20-Gipfel gewährleisten, denn wir haben Meinungsfreiheit, wir haben Demonstrationsfreiheit, wir haben Versammlungsfreiheit. Und das ist ein hohes Gut. Am Ende hat der G20-Gipfel stattgefunden. Es gab friedliche Proteste, das möchte ich hier auch noch mal ausdrücklich sagen, mit mehreren Zehntausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern und die konnten auch stattfinden durch den Einsatz sowohl von umsichtigen Demonstranten als auch von Leuten, die diese Demonstrationen abgesichert haben. Und weil es eben auch diese friedlichen Demonstrationen gegeben hat, die Teil eines selbstverständlichen Grundrechts, nämlich der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit, sind, bei denen nichts sozusagen schiefgegangen ist, ist also der Punkt in dem CDUAntrag vermessen, zu sagen, dass man mal wissen möchten, wer da in Hamburg von den Abgeordneten war. Denn dann wird quasi automatisch unterstellt – das ist der Kritikpunkt an diesem Absatz –, dass die, die dort waren, sich dann möglicherweise zu diesen „Chaoszellen“ gesellt hätten, die dann dort auch Gewalt angewendet haben.
Als demokratische Partei ist es uns sehr wichtig, dass solche Demonstrationen auch in der Nähe der Gipfel stattfinden können und eben nicht wie in den vergangenen Jahren an entlegenen Orten, wo Gegenprotest gar nicht möglich war. Kritik an G20 insgesamt ist politisch legitim, und es ist jedem überlassen, wie weit er das sozusagen politisch gutheißt, was in diesem Gremium passiert. G20 war mal eine Idee einer weitgehend informellen Beratung von Staatschefs. Man darf hinterfragen – und das ist legitim –, ob solche Gipfel sinnvoll sind, bei denen die Betroffenen von Klimawandel und militärischen Konflikten, von denen es in der Welt nun immer mehr gibt, weitgehend außen vor sind. Dass sich diese Kritik nicht dadurch artikulieren lässt, indem man Bewohnern von Altersheimen ihre Kleinwagen anzündet, ist auch eine Selbstverständlichkeit. Natürlich müssen wir das auch hier noch mal sagen und betonen, aber das sollte doch für uns alle gelten.
Gleichzeitig ist jede Eskalation eine zu viel. Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung verurteilen wir hoffentlich alle, und an der Stelle muss ich noch mal die Rede der AfD von Herrn Höcke hart kritisieren, der sich hier sehr entlarvt hat. Auf der einen Seite haben Sie hier die Linken pauschal und unser Regierungsbündnis insbesondere bezichtigt,
durch alle möglichen Unterstützungen quasi die Vorbereitungen zum Straßenkampf zu schüren, also der Radikalisierung Vorschub zu leisten. Auf der anderen Seite haben Sie – das habe ich mir wörtlich aufgeschrieben und das können Sie sich alle dann hinterher auch im aufgezeichneten Livestream noch mal anschauen – von einer „infantilen Deeskalationsstrategie“ gesprochen. Das hat Sie, Herr Höcke, der jetzt gerade nicht mehr im Raum ist, auch wirklich sehr entlarvt. Eine „infantile Deeskalationsstrategie“ – also das ist wirklich das Allerletzte, eine Deeskalationsstrategie für infantil zu halten. Es ist, denke ich, ein Kernbestandteil jeder vernünftigen Polizeistrategie in den letzten Jahrzehnten und auch gerade hier in Thüringen,
aus den Erfahrungen von gewalttätigen Auseinandersetzungen, dass natürlich die Deeskalationsstrategie immer zentral ist und – da hat Kollege Dittes auch dankenswerterweise mal den Tweet der Polizei in Thüringen verlesen – dass man erst dann, wenn sozusagen gar keine anderen Mittel mehr in Betracht kommen, auch zu Maßnahmen greifen muss und kann, die dann auch eine Eskalation bewirken können. Eskalationen zu vermeiden – das ist ein wichtiges Ziel, nicht nur bei Demonstrationen, auch in der Welt, möchte ich mal fast sagen. Mit dem Begriff „infantile Deeskalationsstrategie“ kann sich vielleicht Kim Jong-un und vielleicht auch noch ein anderer Präsident eines westlichen, großen Staatsgebildes, den USA, anfreunden, wir hier im Thüringer Landtag nicht.
Jetzt haben wir aber auch Zeugen – einen möchte ich zitieren, weil er aus Thüringen kommt, nämlich Kai Christ, der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP. Er war selbst vor Ort und er hat in einem Interview gesagt, dass er bei den Gewalttätern eben auch Menschen beobachtet hat, die unter dem Deckmantel linker Demonstrationen agiert hätten; das stand in der „Südthüringer Zeitung“ vom 16.08.2017. Und wenn wir Kai Christ aus Thüringen schon als Zeugen vor Ort haben – das ist das einzige Zitat, das ich hier bringen möchte.
Darauf hat Steffen Dittes auch ganz zu Recht hingewiesen: Es gab diese Medienberichte, da waren ja irgendwelche „Normalos“, die haben sich mit Selfies vor Straßenbarrikaden in Szene gesetzt. Das war in der Tat wohl auch ein erschreckendes Phänomen, dass sich diesen Gewalteskalationen, die sicherlich auch von militanten Demonstranten, gleich welcher Richtung, ausgegangen sind, dann auch Bürger angeschlossen haben, die gar keiner politischen Richtung zuzurechnen sind und die gesagt haben: Och, das war ja mal ein cooles Erlebnis, Krawall. Das hat mir eigentlich richtig gut gefallen, hätte ich mir vorher gar nicht vorstellen können. Solche Äußerungen gab es da auch und die sind in
der Tat erschreckend. Das ist eben die Frage: Was können wir tun, damit die Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft nicht weiter zunimmt und dass sich nicht eine schlimme Eskalation über alle Bevölkerungsgruppen zieht – unabhängig davon, ob sie politisch motiviert sind?
Noch mal zu den Zahlen in Thüringen: Es ist natürlich doch auch schon ein bisschen peinlich, wenn ein Sonderplenum der AfD die Ereignisse in Hamburg zum Anhaltspunkt nehmen muss, um hier der Regierung Versagen und quasi eine geistige Brandstifterschaft vorzuwerfen. Sie haben dann zwar gesagt, dass es bei Ihren Wahlkampfauftritten auch zu unschönen Dingen gekommen ist, aber das lässt sich wahrscheinlich in der Tragweite nicht unbedingt vergleichen. Dann hatten Sie ganz am Anfang, Herr Möller – er sitzt noch da hinten –, immer dazwischengerufen und gesagt, Sie wollten doch die Zahlen über die politischen Gewaltdelikte. Und da ist es tatsächlich so – ich meine, das muss man nicht mit dieser Rechnerei machen, aber weil Sie danach gefragt haben –, dass die politisch motivierten Gewaltdelikte in Thüringen im rechten Bereich zu- und im linken Bereich abgenommen haben.