Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor. Herr Minister Tiefensee, Sie haben das Wort für die Landesregierung.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bin der Fraktion Die Linke sehr dankbar, dass Sie dieses Thema auf die Tagesordnung setzt, weil wieder einmal mehr der Hochschulstandort Thüringen, die Frage des Bildungsstandorts Deutschland thematisiert wird. Danke dafür. Ich denke, die Zielrichtung, die heute aus den Regierungsfraktionen zu vernehmen war, ist richtig. Wir müssen ständig jenseits jeder BAföGReform die Frage stellen, ob tatsächlich die Bedingungen, die das BAföG ermöglichen, der Lebenswirklichkeit angepasst sind. Es ist also letztlich eine ständige Aufgabe. Ich will zuvor sagen: Wir werden gemäß dem Koalitionsvertrag selbstverständlich im Jahre 2018 schauen, wie sich die gegenwärtig greifende Reform auswirkt und dann entsprechende Bundesratsinitiativen erwägen, wenn es hier noch einen Steuerungsbedarf gibt. Es ist völlig richtig referiert worden, dass wir in Thüringen einen Rückgang der BAföG-Bezüge haben, in Zahlen ausgedrückt: 6,2 Prozent weniger. Das sind, meine Damen und Herren, für die Schülerinnen und Schüler an den Berufsschulen ungefähr von 10.000 auf 9.500, bei den Studierenden von ungefähr 16.500 auf 15.500 – vom Jahr 2016 auf das Jahr 2017 –, demgegenüber ein Rückgang bundesweit von 5,5 Prozent. Es ist also ein ähnlicher Rückgang, der sich in den Bundesländern im Trend durchschnittlich zeigt.
Wenn wir jetzt die Reform anschauen wollen, die es gegeben hat, und die seit dem 1. Oktober 2016 wirkt und wenn wir dann für 2018 unsere Schlüsse ziehen wollen, müssen wir auf die Gegebenheiten in Thüringen schauen. Da ist – ad eins – die Quote der BAföG-Empfänger interessant. Herr Schaft hat 30 Prozent genannt. Ich habe eine etwas weiter zurückliegende Studie des Studierendenwerks herangezogen. Da wird deutlich, dass die Quote bei 35 Prozent lag, das liegt einige Jahre zurück. Wichtig ist aber, in Ostdeutschland lag sie damals bei 32 Prozent, in Westdeutschland bei 22 Prozent.
Summa summarum: Wenn dieser Trend sich fortgesetzt hat, sehen wir, dass Thüringen über eine relativ hohe Quote – also wenn Sie so wollen –, eine relativ hohe Ausgangsbasis verfügt, von der aus es jetzt einen Rückgang gibt. Dann müssen wir andere Dinge in Betracht ziehen. Das eine ist, dass sowohl die Anzahl der Berufsschülerinnen und Berufsschüler zurückgeht – wenn wir uns die Statistiken anschauen, im letzten Jahr bei den Berufsschülerinnen und -schülern um 0,6 Prozent. Bei den Studierenden sind es ungefähr 2,5 Prozent. Auch das schlägt zu Buche. Ein weiterer wichtiger Fakt ist: Wo kommen eigentlich unsere Studierenden her? Wir stellen fest, im Laufe der letzten zehn Jahre ist die Anzahl derjenigen, die in Thüringen ihre Voraussetzungen erlangt haben, um zu studieren, dramatisch zurückgegangen. Wir sind bei 58 Prozent gestartet und sind jetzt bei ungefähr 34 Prozent. Es kommt hinzu, dass wir die Anzahl der ausländischen Studierenden erhöht haben. Eine ganz erfreuliche Entwicklung, die sich daran zeigt, dass sich in diesem Zeitraum die Anzahl der ausländischen Studierenden verdoppelt hat auf mittlerweile 13 Prozent, und die bekommen, wie Sie wissen, kein BAföG.
Die Einkommenssituation müssen wir uns auch anschauen, wenn wir 2018 diskutieren. Die Einkommenssituation in Westdeutschland ist anders als in Ostdeutschland. Kommen mehr aus Westdeutschland, ist natürlich auch das Kriterium des Verdienstes der Eltern heranzuziehen. Darüber hinaus ist insgesamt natürlich in Deutschland das Einkommen durch die gute konjunkturelle Lage angestiegen. Auch das müssen wir berücksichtigen. Summa summarum sind es ganz viele Faktoren, die wir einbeziehen müssen, und dann auf die Reform schauen, die jetzt in Gang gesetzt worden ist, wie gesagt zum 1. Oktober 2016 greift. Vermögensfreibeträge, Wohnzuschlag, Zuverdienstgrenzen, BAföG für den Übergang vom Bachelor zum Master, das alles müssen wir uns sehr gründlich anschauen, 2018 Bilanz ziehen und dann im engen Schulterschluss der Länder eine Veränderung der BAföG-Systematik anstreben, wenn wir tatsächlich die negative Entwicklung – die auch Sie beschrieben haben – weiter in dieser Form sehen. Summa summarum: Ich bin Frau Mühlbauer sehr dankbar, dass sie noch mal auf die Rahmenbedingungen eingegangen ist, die ringsherum um das BAföG für Thüringen gelten. Herr Prof. Voigt, nur noch mal zur Erinnerung: Die 40 Millionen Euro Entlastung, die wir bekommen, geben wir im Rahmen der Ausreichung von Geldern, Rahmenvereinbarung IV, an die Hochschulen weiter und haben einen Einmalbetrag von 5 Millionen Euro aus dieser Summe herausgezogen. Warum? Weil wir neben der Finanzierung der Studierenden mit BAföG meinen, dass es auch wichtig ist, mit diesen 5 Millionen Euro und 10 Millionen Euro vom Hochschulpakt 2020, ein ehrgeiziges Programm, Sanierungs- und Neubauprogramm für
Studierendenheime und Mensen auflegen zu wollen und zu müssen. Also, lassen Sie uns weiter in der Diskussion bleiben.
Frau Muhsal, weil wir ja über Bundestagswahl und 24. September diskutiert haben: Ich denke schon, dass man auch als Wählerin, als Wähler gut beraten ist, auf das Feld Bildung, auf das Feld Hochschule zu schauen, wenn es darum geht, die Wahlprogramme und diese Aspekte zu vergleichen und dann seine Wahl, sein Kreuz richtig zu machen. Vielen Dank!
Danke schön, Herr Minister Tiefensee. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit schließe ich diesen Teil der Aktuellen Stunde. Ich unterbreche die Sitzung und rufe den Ältestenrat in den nächsten 5 Minuten im Ältestenratszimmer bitte ein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir nehmen die Sitzung wieder auf. Ich darf darüber informieren, dass der Ältestenrat getagt hat. Wir haben uns über die Frage der angemessenen Bekleidung von Mitarbeitern in diesem Plenum ausgetauscht. Die Meinungen sind da mitunter sehr verschieden, aber der Vorstand dieses Hauses, also der Präsident und die beiden Vizepräsidenten, sind sich darüber einig, dass wir für die Würde des Hauses zuständig sind, was auch einschließt, dass Mitarbeiter von Fraktionen in einer angemessenen Kleidung hier im Saal erscheinen mögen.
Ich habe daher die Fraktion der Grünen gebeten, ihren Mitarbeiter aufzufordern, dass er angemessen gekleidet ist, damit die Würde des Hauses hergestellt ist, oder anderenfalls dafür zu sorgen, dass er nicht an der Plenarberatung teilnimmt. Die Rechtsgrundlagen liegen in § 39 und § 4 der Geschäftsordnung vor.
Ich bedanke mich zunächst dafür, dass wir jetzt die Beratung wieder aufnehmen können und diesen Tagesordnungspunkt im nächsten Ältestenrat erneut beraten können. Ich komme damit zurück zur Aussprache.
d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Gewalt und Vandalismus im Bundestagswahlkampf in Thüringen“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/4416
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der vergangenen Woche ist nach dem Besuch der Bundeskanzlerin in Vacha ein 21-jähriger Wahlkampfhelfer deshalb von jemandem angegriffen und verletzt worden – es hat Krankenhausbehandlungen nach sich gezogen –, weil er ein T-Shirt anhatte, mit dem er sich zu Angela Merkel bekennt. Diese Woche ist die Abgeordnete Frau Jung in ihrem Wahlkreisbüro angegriffen worden. In dieser Woche ist eine Mitarbeiterin der Abgeordneten Muhsal angegriffen worden. Wir lesen jeden Tag von Angriffen und Sachbeschädigungen auf Bürgerbüros und Wahlkreisbüros. Wir lesen jeden Tag und sehen Beschädigungen von Wahlkampfmitteln und Plakaten und Aufstellern und wir spüren im Netz und sehen jeden Tag, welcher Hass im Rahmen dieses Bundestagswahlkampfs ausgegossen wird. Ich will das mit wenigen Worten zusammenfassen und sagen: Egal, was da passiert, ob Hass verbreitet wird, ob Hetze verbreitet wird, ob Gewalt angewendet wird, all das sind keine Mittel der politischen Auseinandersetzung. Das dürfen sie nie in diesem Land sein. Wir lehnen jegliche Gewalt ab.
Der Luther-Satz „Der alte Grundsatz ‚Auge um Auge‘ macht schließlich alle blind.“ zwingt uns, genauer hinzuschauen. Der zwingt uns, deshalb auch in dieser Aktuellen Stunde nachzudenken, was eigentlich in diesem Bundestagswahlkampf passiert, der so von Hass und Unversöhnlichkeit geprägt ist, der Mandatsträger und Mitarbeiter attackiert, der Wahlkampfhelfer angreifen und der Werbemittel zerstören lässt, und zwar aller Parteien, wofür es keine Rechtfertigungen gibt. Wir wissen, dass die politische Landschaft vielfältiger geworden ist, dass sie polarisierender geworden ist, dass sie auch an den Rändern extremer geworden ist. Dennoch darf es uns nicht kaltlassen, dass wir um unsere Demokratie gerade in diesem Bundestagswahlkampf und darüber hinaus mehr kämpfen müssen als je zuvor. Wenn wir in der Mitte gewinnen wollen, dann dürfen wir nicht zulassen, dass Extremisten von den Rändern und Gewalttäter aus der Mitte der Gesellschaft obsiegen. Wir dürfen es in keiner Sekunde zulassen.
Unsere Landesbischöfin Ilse Junkermann hat uns in der vergangenen Woche eine Denkschrift der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD übergeben. Die heißt „Konsens und Konflikt: Politik braucht Auseinandersetzung“. Eine kluge Denkschrift, in der es heißt: „Demokratien verzichten darauf, eine bestimmte Auffassung des guten Lebens als verbindlich zu erklären. Sie rechnen mit der
Vielfalt der Lebensstile und daher auch mit verschiedenen Vorstellungen vom guten Leben. An die Stelle von nicht hinterfragbaren Wahrheitsansprüchen setzen sie den Streit der Meinungen – einen Streit, der durchaus mit Engagement, aber ohne Gewalt, sei es physische oder psychische, zu führen ist.“ Dies, so scheint es, gerät aus dem Blick.
Wenn ich mir anschaue, was im Netz passiert, der Hass, der dort verbreitet wird, aber der auch von Abgeordneten aus diesem Haus angestiftet wird, dann muss man mehr darüber nachdenken, was da eigentlich passiert. Ich will gern einmal zitieren, was der Abgeordnete Brandner in diesen Tagen auf einer Veranstaltung am 28.08. – also erst vor Kurzem – gesagt hat. Ich will das wirklich zitieren, Frau Präsidentin, und ausdrücklich dazusagen, es ist ein Zitat, es ist nicht meins: „Wir werden diese Fuchtel aus dem Kanzleramt nicht entsorgen, sondern uns dieser Fuchtel entledigen.“ Ich will sagen, wer so etwas als Abgeordneter sagt, der disqualifiziert sich völlig und ist dieses Parlaments nicht würdig.
Und eins können Sie mir glauben, weil ich das in Vacha in den Augen mancher gesehen habe, die da aufgehetzt waren und es waren die Aufgehetzten von Ihrer Fraktion,
weil euer Spitzenkandidat der örtlichen Region dort dabei war, ich will das wirklich mal sagen: Wenn Sie als Brandstifter beginnen, die Leute so aufzuwiegeln und Sie tun das aus der Mitte des Hauses heraus, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn diese Gewalt und der Hass immer mehr zunehmen, dass wir irgendwann die Kontrolle darüber verlieren. Wir aber brauchen die Kontrolle, die Festigkeit der Demokratie und nicht die Auflösung, egal ob von ganz Links oder von ganz Rechts. Aber was Sie tun, was Sie anzünden, das ist hochgefährlich und das erleben wir in diesem Bundestagswahlkampf. Ich hoffe sehr, die Wähler erkennen das und lassen nicht zu, dass dieses Zündeln obsiegt, sondern dass die gewinnen, die in der Mitte für die Demokratie kämpfen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Damen und Herren Abgeordnete, ich sage es mal vorweg: Um meine kurze Hose ging es in der Unterbrechung zur Einberufung des Ältestenrates nicht. Ich will aber
damit sagen, dass man auch an dieser Stelle sieht, wie unterschiedlich die Abgeordneten, die Auffassungen in den Fraktionen, die Meinungen in der Bevölkerung sind und in welcher Unterschiedlichkeit wir uns auch akzeptieren sollten, wenn uns das gemeinsame Wohl unserer Gesellschaft das Wichtigste ist, was wir hier tun.
Mike Mohring hat es gesagt, in Vacha wurde am 24. August bei einer Kundgebung der CDU mit der Bundeskanzlerin ein aktives Mitglied der CDU körperlich angegriffen, geschlagen, verletzt. Ich kann das für meine Fraktion auch von dieser Stelle erst noch mal sagen: Ich wünsche Ihnen persönlich gute Besserung und in unser aller Namen natürlich auch schnelle Genesung.
Dabei geht es natürlich nicht nur um die körperlichen Verletzungen, es geht dabei natürlich auch immer um das, was im Kopf passiert, um die psychischen Folgen bei Menschen, die Opfer von Gewalt und Bedrohung werden und die möglicherweise langfristig wirken.
Laut Presseberichten trug der junge Mann – Mike Mohring hat es schon bestätigt – eine Aufschrift mit „Kanzlerinfan“. Mal davon abgesehen, dass ich nicht Kanzlerinfan bin,
steht es jedem und jeder von uns zu, ein solches TShirt zu tragen, wenn er es denn gern möchte. Es ist das gute Recht von jedem und jeder, sich als Mitglied oder Anhänger einer demokratischen Partei zu outen, sich als Fan der Bundeskanzlerin in der Öffentlichkeit zu zeigen und nicht nur im Wahlkampf, auch und gerade immer wieder und nicht nur um den Wahlkampf herum. Parteien sind fester Bestandteil unserer Demokratie, die zentral im Grundgesetz verankert sind und wenn mit der Faust einem Menschen das Recht abgesprochen wird, sich in der Öffentlichkeit für eine demokratische Partei zu bekennen, dann wird das Grundgesetz im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen getreten, ein Mensch verletzt und unsere Demokratie beschädigt. Es darf nicht sein, dass Menschen sich überlegen müssen, ob sie sich unversehrt als Mitglied einer Partei bekennen können, es darf nicht sein, dass sie künftig darüber nachdenken, an welchen Orten sie Wahlkampf machen, an welchen Orten sie für ihre politische Haltung einstehen. All das darf nicht sein und dürfen wir nicht zulassen.
nem Jahr brüllte man mir von der Straßenseite gegenüber entgegen: „Knie dich hin du rote Sau, dann kann ich dich besser erschießen.“ Insofern, denke ich, haben wir alle schon erlebt, was es bedeutet, auch tatsächlich körperlich Angst zu haben und das zu erleben, was keinem von uns passieren sollte: bedroht zu werden für die politische Haltung. Wenn es auch manchmal schwer ist und wir auch manchmal wütend aufeinander sind oder Meinungen nicht teilen können, es wäre falsch für Demokratinnen und Demokraten, sich zu verstecken. Deswegen will ich den jungen Mann aus der CDU von dieser Stelle noch einmal ermuntern: Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Ich glaube, die Situation ist so ernst – bei allen unterschiedlichen politischen Auffassungen –, dass ich Sie von hier aus bitten möchte, gehen Sie weiter auf die Straße, werben Sie für die Bundeskanzlerin und verstecken Sie sich nicht.
Der traurige Höhepunkt: Am Dienstagmorgen wurde unsere Abgeordnete und Vizepräsidentin Margit Jung Opfer und Ziel einer Gewalttat. Ein Mann beschimpfte sie in ihrem Büro, schlug sie mit einem Heft und warf einen Aufsteller nach ihr. Ich bin heute noch froh, dass ihr nicht mehr passiert ist. Das können wir auch, glaube ich, alle sagen.
Aus dem Auftreten des Mannes wurde klar, er sympathisiert mit der AfD. Der Grund für seinen gewalttätigen Angriff war unsere kritische Position gegenüber der rechtsextremen AfD. Ich bin entsetzt über diese gewalttätige Attacke von einem offenkundigen AfD-Sympathisanten. Aber genau diese Tat macht deutlich, dass die aggressive Rhetorik der AfD, ihre unverhohlene Hetze, das Schüren von Hass und das Anbrennen dieses Landes zu Übergriffen führen,
die dazu führen, dass Menschen ihre Haltung, ihre Ablehnung – zum Beispiel von der Linken – in Taten umsetzen und eben zu Tätern werden.