Protokoll der Sitzung vom 30.08.2017

die dazu führen, dass Menschen ihre Haltung, ihre Ablehnung – zum Beispiel von der Linken – in Taten umsetzen und eben zu Tätern werden.

Es ist die ordinäre, rassistische Hetze der AfD, die sich immer wieder auf Merkel projiziert. Macht euch weg, wir wollen euch hier nicht, dann schlug er zu, übersetzte der Täter in Vacha das, was AfD und NPD brüllen. Insofern, es sind die Brandners, die Höckes, die Gaulands, die AfD, die NPD, die erst einmal einen Feind markieren: hier der Merkel-Unterstützer, dort die Linke, da der Antirassist, hier der Flüchtling, dort der grüne Gutmensch usw. Sie markieren, wer zu bekämpfen ist, sie putschen Menschen auf und sie wissen nicht, was sie tun.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Das wussten die Eierwerfer in Weimar auch nicht!)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Rudy, Fraktion der AfD, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Thüringer Bürger. Zerstörte Wahlplakate, Angriffe auf Wahlkampfstände, Übergriffe auf Wahlhelfer – der Wahlkampf 2017 ist kein Vorbild an demokratischer Kultur, auch nicht in Thüringen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sagen es!)

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: An wem liegt es denn?)

Ja, schauen Sie mal in den Spiegel, besonders hier die linke Seite.

(Beifall AfD)

Der Überfall auf den jungen Wahlkämpfer der CDU, den die AfD als Erstes verurteilt hat, reiht sich in die traurige Reihe der Tiefschläge – Bitte?

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Wenn Sie an- stiften!)

dieses Wahlkampfes ein. Ja, wir haben das zuerst verurteilt, ebenso der Angriff auf Frau Jung, Vizepräsidentin dieses Hohen Hauses, oder die Attacke auf die Wahlkreismitarbeiterin von Frau Muhsal. Dieser Wahlkampf ist leider vom Kampf der Ideen zum Kampf der Fäuste mutiert. Allein im August sind 49 Anzeigen bei der Polizei erstattet worden. Es war alles dabei, von Sachbeschädigung über Diebstahl bis zu Hausfriedensbruch. Ein Drittel der Wahlplakate der Linken und 30 bis 40 Prozent unserer Wahlplakate sind beschädigt worden. Ich weiß es aus eigener Erfahrung, in Greiz, in Zeulenroda-Triebes wurden innerhalb von einer Woche über 150 AfD-Wahlplakate abgerissen. In Neustadt an der Orla haben wir plakatiert, am nächsten Tag war schon wieder alles weg. Dass staatliche Instanzen sich unter Verletzung des Neutralitätsgebots oft indirekt in den Wahlkampf einmischen, dass die Massenmedien durch die Dämonisierung bestimmter Parteien ihren Anteil zur Verrohung leisten, das sei hier nur am Rande erwähnt.

(Beifall AfD)

Hier soll etwas anderes im Vordergrund stehen: die Barbarisierung des demokratischen Diskurses und

geistige Brandstifter, die den Boden für die physischen Übergriffe bereiten. Was ich damit meine? Äußerungen wie die von Ralf Stegner:

(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Wer ist das?)

„Fakt bleibt, man muss Positionen und Personal der Rechtspopulisten attackieren, weil sie gestrig, intolerant, rechts außen und gefährlich sind!“

(Beifall SPD, AfD)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Recht hat er!)

Da fordert der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD dazu auf, Menschen anzugreifen. Unfassbar! Und niemand hat sich davon distanziert.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ja, genau!)

Genauso wenig hat sich die Linke von dem Aufruf des Wahlkreis- und Jugendbüros RedRoXX abgegrenzt, Banden zu bilden, um die AfD anzugreifen.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Zitieren Sie heute auch noch Gauland?)

Diese Sprache der KPD aus den 20er-Jahren, eine Sprache des geistigen Bürgerkriegs, ist nicht zu tolerieren. Wenn Frau Hennig-Wellsow, von deren Wahlbüro dieser gewaltaffine Aufruf kommt, meint, dass einige Politiker zur Verrohung beitragen, sollte sie zunächst selbst in den Spiegel schauen.

(Beifall AfD)

Schließlich noch ein drittes abscheuliches Beispiel: der große Kanzlerkandidat Schulz, der offen gegen die AfD hetzt und auch bei seinem Besuch in Erfurt einen Auftritt zum Vergessen hingelegt hat. Herr Schulz, wir sind nicht rechtsextrem, sondern extrem für das Recht. Wir stehen für den antitotalitären Konsens ein und verurteilen jegliche Gewalt ohne Wenn und Aber.

(Beifall AfD)

Wir haben schon mehrfach alle Fraktionen aufgefordert, es uns gleichzutun und sich eindeutig zur Gewaltfreiheit zu bekennen. Hart in der Sache, offensiv im Stil, aber fair im Umgang, so muss der Wahlkampf sein.

(Beifall AfD)

Das Signal dazu muss vom Landtag ausgehen. Wenn Sie jetzt Herrn Gauland zitieren, dann zitieren Sie bitte die ganze Formulierung, die er verwendet hat und suchen da nicht irgendwas raus, was Ihnen gerade passt. Danke schön.

(Beifall AfD)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Marx, Fraktion der SPD, das Wort.

(Abg. Hennig-Wellsow)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zunächst einmal möchte ich mich noch mal ausdrücklich bei unserem Präsidenten für die wirklich guten Worte zu Beginn unserer Sitzung bedanken. Vielen Dank, Herr Carius. Sie haben uns allen hier wirklich aus der Seele gesprochen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass jetzt hier ein Teil des Hauses nicht applaudiert hat, zeigt auch wieder, wie ernst es ihnen ist.

Sie haben eben gesagt, Herr Rudy, da hätte gestern einer auf dem Domplatz offen gegen die AfD gehetzt. Das ist wieder das Problem, was Sie haben. Sie mögen das nicht, wenn einer sich gegen Sie artikuliert,

(Zwischenruf Abg. Henke, AfD: Sie mögen es doch auch nicht!)

weil Sie der einzige Bewahrer des Wahren, Schönen und Guten sind. Kollege Brandner hat vorhin in seiner Rede mindestens gleich zweimal gesagt, man sei doch eigentlich ganz toll, denn man sei bürgerlich, patriotisch und liberal – und dafür würde man bekämpft. Was Sie mit der Aussage machen, ist dieser Alleinvertretungsanspruch. Also bürgerlich sind nur Sie, die anderen sind nicht bürgerlich bzw. unbürgerlich. Patriotisch sind auch nur Sie, die anderen sind Vaterlandsverräter, und liberal sind auch nur Sie und alle anderen sind unfrei. In dieses Denkkonzept passen dann auch die Reden, die hier gehalten werden. Da werden wir immer bezichtigt, dass wir einer Meinungsdiktatur den Weg bereiten, dass wir Volksverräter sind, dass wir die Lügenpresse stützen. Mit diesem Alleinvertretungsanspruch suggerieren Sie den Menschen, dass die Demokratie nicht funktioniert, die Meinungsvielfalt tatsächlich nicht gegeben ist, dass es eine Diktatur gibt zulasten der wahren vaterlandstreuen Gesellen – das sind Sie. Deswegen fühlen sich Menschen zum Widerstand aufgestachelt, und zwar nicht nur verbal, sondern auch durch Tätlichkeiten. Das ist nicht neu, dass solche Erscheinungen im Wahlkampf zugenommen haben und einem der Hass entgegenschlägt. Das war auch schon rund um Ihre Demonstrationen im letzten Jahr der Fall, dass dort auch Gegendemonstranten von irgendwelchen Trupps angegriffen worden sind, die Ihre Worte, Ihre Anstachelung wörtlich genommen haben. Zu den Vorfällen, die schlimm genug sind, jeder einzelne ist zu verurteilen, die jetzt alle schon zitiert worden sind. Es kommt noch hinzu, dass es gestern bei dem Auftritt von Herrn Schulz auf dem Domplatz Bedrängung von Jungsozialisten und Sympathisanten – hätten Sie jetzt gesagt – von diesem Herrn Schulz, der es geschafft hat, offen die AfD anzugreifen, gab, indem man die Fahnen wegnehmen wollte und geschubst hat. Wie gesagt, wir haben ei

ne neue Qualität. Aber wenn Sie jetzt einfach mal Ihre Reden so zusammenschneiden würden, wie Sie das gern in Ihrem eigenen TV-Kanal tun und Sie lesen sich mal die Begriffe vor, für die in Ihrer Fraktion Ordnungsrufe verteilt worden sind, da müssen Sie sich doch nicht wundern, wenn die Leute das glauben, was Sie hier zu vermitteln versuchen. Deswegen sitzen die Brandstifter hier in diesem Raum unter uns, wie es Kollege Mohring schon richtig gesagt hat – hier drüben, auf der rechten Seite. Man kann klar beweisen: Sie sind Mitverursacher dieses Hasses, dieser Kriminalisierung und der Gewalttätigkeitszunahme, die wir jetzt im Wahlkampf haben.

Es hat immer Störungen in Wahlkämpfen gegeben. Es hat immer Leute an Info-Ständen gegeben, die einen mal ein bisschen hart angefasst haben. Es ist auch immer vorgekommen, dass Plakate verunstaltet, geklaut oder von verschiedenen Parteien zerstört wurden, aus verschiedenen Motiven. Aber was wir jetzt haben, ist ein offener Hass, dass Leute auf Vertreter demokratischer Parteien zutreten und sie als Verbrecher beschimpfen. Das ist eine neue Qualität und da müssen Sie sich fragen, wo die geistige Urheberschaft liegt. Bürgerlich, patriotisch, liberal sind Sie nämlich nicht. Sie haben einen Alleinvertretungsanspruch und der ist zutiefst undemokratisch. So verhalten sich dann auch die von Ihnen aufgestachelten Mitbürgerinnen und Mitbürger. Wenn wir gemeinsam vielleicht dann auch noch einmal wieder dazu kommen, dass Meinungsvielfalt ein Gewinn ist und kein Verlust, dann hätten wir da das erste Einfallstor gegen die Gewalttätigkeiten, die jetzt hier überhandgenommen haben. Dazu müssten Sie zuallererst einen Beitrag leisten. Das wollen Sie nicht, weil Sie auf diesen dumpfen Gefühlen aufbauen, um für Ihre Parolen Mehrheiten zu erzielen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Rothe-Beinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mich auch bedanken für die einführenden Worte des Landtagspräsidenten Carius, aber auch für die sachlichen Reden von Mike Mohring, Susanne Hennig-Wellsow und Dorothea Marx. Ich glaube auch, dass wir es alle immer wieder erleben, dass eine Verrohung einsetzt, die uns zu denken geben muss. Auch unsere Gedanken sind natürlich bei dem jungen Mann, der in Vacha Opfer wurde, nur weil er für die CDU, für Angela Merkel auf die Straße gegangen

ist. So etwas darf niemals passieren, genauso wenig wie es sein kann, dass Abgeordnete Angst in ihren eigenen Büroräumen haben müssen, weil sie tätlich angegriffen werden wie gestern Margit Jung.

Der tätliche Übergriff ist meistens erst das Ende einer Gewaltspirale. Diese hat natürlich oft ihren Anfang. Und wenn sich ausgerechnet ein Herr Rudy von der AfD hier vorn hinstellt, der über Facebook verbreitet hat, Herr Gauland hat vollkommen recht mit seiner Aussage. Sie wissen alle, was ich meine. Wenn der Spitzenkandidat der AfD in Thüringen, Herr Brandner, im Porträt in der „Thüringer Allgemeine“ und in vielen anderen Thüringer Zeitungen von einer wildgewordenen linken Vizepräsidentin spricht, die quasi für seine verbalen Ausfälle oder die permanente verbale Diarrhoe verantwortlich sei, die er hier am Pult liefert, dann muss man sich natürlich überlegen, was eigentlich passiert ist. Was ist eigentlich passiert hier in diesem Landtag, was ist passiert auch in den Wahlkämpfen? Wie konnte es so weit kommen und wie gehen wir damit um?

Ich war ja selbst in der letzten Legislaturperiode Vizepräsidentin hier im Landtag, musste auch Sitzungen leiten. Wir alle erinnern uns, für was es da Ordnungsrufe gab. Inzwischen haben wir seit dem Einzug der AfD tatsächlich eine Situation erreicht, die man nur noch mit Verrohung, Respektlosigkeit und Diskreditierung bezeichnen kann. Der gezielte Tabubruch ist das, was die AfD hier permanent betreibt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Dass sie damit zündelt, ist uns allen mehr als bewusst. Es ist gut, dass wir jetzt hier als demokratische Fraktionen zusammenstehen. Das war nämlich nicht immer so. Auch in der letzten Legislatur hat es immer wieder Übergriffe auf einzelne Abgeordnete, auf Wahlkreisbüros gegeben. Es ist gut, dass wir jetzt hier gemeinsam sagen: So kann das nicht sein! Ich will aber auch sagen, lieber Mike Mohring: Wer hier am Pult äußert, ich werde die Bande vor mir hertreiben, und damit die rot-rot-grüne Regierung meint, muss auch ein wenig darauf achten, was solche Worte auslösen.