Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich erinnere das Hohe Haus daran, als wir das erste Mal oder wenn wir jeweils hier im Rund über den NSU gesprochen haben, habe ich auch geredet und habe gesagt: Ich kann es nicht nachvollziehen, ich schäme mich, dass alle in irgendeiner Form versagt haben, dass alle in irgendeiner Form in dem konkreten Fall versagt haben.
Das war das Landesamt für Verfassungsschutz – Sie wissen, Herr Ministerpräsident, dass wir den Roewer mit voller Freude aus dem Amt entfernt haben, weil er unfähig war. Ich erinnere daran, dass es Fehler in der Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Landeskriminalamt gab. Ich erinnere daran – alles hier gesagt worden –, dass es Fehler auch bei der Justiz gab, weil man sonst ganz gern immer nur einen oder zwei nimmt, die man dann beschimpfen kann oder zumindest in die Ecke stellt. Auch die Justiz hat an einigen Punkten – auch aus meiner Überzeugung – versagt. Dann gab es auch eine Untersuchung im Verfassungsschutz, da hat damals der Minister Jörg Geibert – es gibt ja noch ein Gremium in dem Hohen Haus, das in geheimen Sitzungen tagt –, wo der, ich weiß nicht mehr, wie der Bundesrichter hieß,
Schäfer! – und noch andere honorige Leute das Ganze betrachtet und bewertet haben, aber ich konnte nirgends lesen und hören, dass es da ein gesamtes Staatsversagen oder irgendwas gegeben hat. Ich konnte das nicht feststellen. Wir haben uns auch intensiv – ich muss jetzt aufpassen, Herr Kollege Adams –, auch in der Kommission, mit den ganzen Dingen beschäftigt, bevor der erste Untersuchungsausschuss kam. Wir haben uns intensiv damit beschäftigt, haben – auch wir haben die Möglichkeit – Leute vorgeladen, haben sie befragt usw. Das haben wir alles gemacht. Auch mir sind heute manche Dinge noch vollkommen unverständlich, auch mir. Ich will jetzt nicht ablenken, aber ich will Sie mal daran erinnern – die ein bisschen älter sind: in den Altländern der Fall „Barschel“. Darüber wird heute noch philosophiert und die Angehörigen, die das nicht glauben und das nicht glauben und das nicht glauben, und man sagt heute noch, wenn man das hört und sieht, das kann doch alles nicht wahr sein. Aber manche Dinge kommen nie raus.
Ich will das nicht in Vergleich setzen, sondern ich will nur sagen, dass es vor allen Dingen für die Angehörigen ja nicht einfach ist, wenn so eine Debatte geführt wird. Dass man oft die Dinge – wir als Par
lament sind nicht nur für die Moral verantwortlich, sondern wir sind auch dafür verantwortlich, unsere eigenen Bediensteten hier nicht einfach nur pauschal schlechtzureden, sondern wenn es einzelne Verfehlungen gibt, dann müssen diese aufgearbeitet werden. Ich möchte daran erinnern, und darum geht es mir vor allem, dass wir – jedenfalls damals die CDU/SPD – Schlussfolgerungen daraus ziehen. Wir haben das Verfassungsschutzgesetz geändert, wo wir noch viel mehr Möglichkeiten haben und andere Dinge.
Es war noch damals so – ich will es nur erwähnen –, dass Die Linke sowieso das ganze Amt infrage stellt. Das sollte man auch heute nicht für so eine schwierige Debatte nutzen. Die können wir später weiterführen.
Deswegen will ich nur ganz klar sagen: Schlussfolgerungen sind für mich das Entscheidende. Das ist einmal, dass die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz auf vernünftige oder auf bessere Füße gestellt wurde. Aber ich habe auch bis jetzt aus Richtung Justiz noch nie ansatzweise gehört, dass da irgendwo mal aufkommt, dass ein Staatsanwalt oder Oberstaatsanwalt oder wer auch immer – oder selbst bis zu Gerichten, wenn sich man manche Dinge anguckt, dass da manche Neonazis eigentlich nie richtig verurteilt wurden –, dass man da sagt, so, jetzt müssen wir mal in die Justiz reingehen. Ich erinnere mich – ich darf ja nicht aus der geschlossenen, aber aus der Innenausschusssitzung reden –, da war damals, wenn ich mich recht entsinne, der Generalstaatsanwalt mit da. Da kam absolut null, dass man auch mal darüber nachdenkt, wie sind vielleicht die Strukturen zwischen Jugendgericht und ordentlicher Gerichtsbarkeit usw. Ich bin ja nun kein Jurist, aber viele haben es ja gehört, wie da bestimmte Dinge sind, die überhaupt nicht zusammenpassen. Wenn der eine gerade nicht da ist, kommt der andere und der weiß von dem nichts und von dem nichts. Da habe ich noch nie gehört, dass sich mal irgendjemand darüber Gedanken macht, dass auch dort was gemacht wird. Ich will jetzt nicht den Opfern oder irgendjemandem zu nahe treten – jedes Opfer ist eins zu viel –, aber wichtig muss doch auch für uns sein, dass Schlussfolgerungen gezogen werden, damit so etwas nach menschlichem Ermessen in Zukunft nicht wieder passiert. Jörg Kellner hat es deutlich gemacht. Auch ich habe wirklich mit vielen Gespräche geführt, weil ich mich äußerst unwohl dabei gefühlt habe, und ich habe das auch von hier vorn gesagt – das können Sie nachlesen –, dass sich eben auch gerade die Bayern wirklich bemüht haben und dann gesagt haben, dass sie noch mal 200 Leute dransetzen usw. Aber es ist eben nichts rausgekommen. Sind das nun alles Leute, die aus rassistischen Gründen im Hintergrund schlecht ermitteln?
Also ich kann Ihnen nur sagen, es mag überall schwarze Schafe geben, im Verfassungsschutz – einen kennen wir, den wir mit Namen benennen können –, in der Polizei und auch in der Justiz, das wissen wir. Da kann ich doch aber nicht pauschal sagen, nun sind alle Polizisten, nun sind alle im Landesamt für Verfassungsschutz oder bis zur Staatsanwaltschaft und in den Gerichten ideologisch in irgendeine Richtung gelaufen. Also ich verwahre mich dagegen, dass das so pauschal gemacht wird und dass man so pauschal damit umgeht. Dagegen verwahre ich mich ausdrücklich, und ich glaube, meine Fraktion sieht das auch so.
Herr Ministerpräsident, ich sehe ja durchaus ein, dass Thüringen versucht, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen und in die Richtung zu gehen. Ich sehe das ein. Aber zu versuchen, jetzt hier eine Fraktion – ich rede nur für meine –, meine Fraktion in eine Ecke zu stellen, wir würden uns verweigern und wir müssen doch, weil das doch moralisch usw. ist. Wir müssen gar nichts, wir sind frei gewählte Abgeordnete und wir entscheiden nach unserem Gewissen und wie wir meinen, das zu können.
Ich weiß, jetzt wird vielleicht ein Aufschrei kommen, aber ich sage es trotzdem –nein, ich mache es andersrum. Wenn leider Gottes Thüringer an diesen schlimmen Dingen beteiligt sind, leider Gottes – aber auch in so einem Volk wie Thüringen gibt es genügend Leute, die halt so sind, wie sie sind, oder so waren, wie sie waren –, wollen wir deswegen alle Thüringer unter Generalverdacht stellen? Wollen wir das?
Wir wollen sie nicht unter Generalverdacht stellen und ich will das auch nicht. Ich will aber auch nicht die Polizei und andere unter Generalverdacht stellen unter dem Motto: Die haben alle nicht zugehört. Deswegen, meine Damen und Herren, ist es mir wichtig, einfach auch zu sagen: Den Ansatz, zu sagen, wir machen was – deswegen wiederhole ich das –, will ich ja wirklich akzeptieren. Aber Thüringen war am Ende nicht das Land, in dem die Morde stattgefunden haben.
Schlimm, schlimm, schlimm! Aber Thüringen war nicht das Land. Wenn überhaupt, müssen die Länder was machen, in denen die Leute zu Tode gekommen sind, oder der Bund. Es wäre besser, wenn es der Bund machen würde. Nicht um wegzuschieben, aber wenn mehrere Länder beteiligt sind,
dann sollte der Bund sich dort mit einbringen, wenn er meint, dass das so gut und richtig ist. Sie können es ja Ihren Grünen-Verhandlern nach Berlin mitgeben, wenn die jetzt dort vielleicht eine neue Koalition verhandeln.
Ich will eins noch sagen und deswegen versuche ich das noch mal ganz ruhig und sachlich zu sagen – ich muss jetzt vorsichtig sein, damit der Ministerpräsident nicht gleich hochgeht und sagt: Ablenkungsmanöver! Es ist kein Ablenkungsmanöver von mir. Ich will jetzt gar nicht von der „normalen“ Kriminalität reden, es ist ja gesagt worden, wie wir mit den Opfern teilweise sträflich umgehen. Wir haben für jeden in der Justiz – und ich rede von bundesdeutscher Justiz – einen Verteidiger und um den, der zu Schaden gekommen ist, muss sich der Weiße Ring kümmern. Wir sind dort noch keinen Schritt weitergekommen und auch das beklage ich, dass wir dort keinen Schritt weitergekommen sind. Aber auch in den drei Jahren, in denen wir einen neuen Minister haben, sind wir nicht weitergekommen, keinen Schritt sind wir weitergekommen, um da mal eine Initiative zu starten. Und ich stelle mir einen Thüringer vor – deswegen sage ich das –, der in Richtung Islam konvertiert. Ich stelle mir das einmal vor, das gibt es ja bekannterweise, leider Gottes, die können ja ruhig konvertieren und können den Glauben wechseln, das ist ihre persönliche Entscheidung. Aber ich stelle mir vor, dass dieser Thüringer sich über die bestimmten Wege, die wir alle kennen, dann in Richtung IS oder anderes bewegt. Dieser Thüringer wird von denen so weit instrumentalisiert, dass er nach Bayern geht und – ich wollte extra nicht Berlin nennen – dort eine Moschee oder was weiß ich sprengt, wo dann was weiß ich wie viel Leute zu Tode kommen.
Sind wir dann, weil der aus Thüringen kommt, verpflichtet, dort entsprechende Schritte zu unternehmen? Man kann sagen, das ist schlimm. Wir müssen nur aufpassen, dass wir im Gesamtzusammenhang nicht die Balance verlieren. Dieses Problem IS ist schlimm genug. Wir wissen, wie schwer das ist, in München sitzt ein Gericht und bemüht sich seit Jahren, nach rechtlichen Grundsätzen zu einem entsprechenden Urteil zu kommen. Hoffentlich kommen sie zu einem ordentlichen Urteil, was auch entsprechend hoch ist. Das wünsche ich mir. Aber wir sollten aufpassen und nicht eine Fraktion – meine Fraktion – in eine Ecke rücken, wenn Ihr hier nicht mitmacht, dann seid Ihr böse Buben.
Das sind wir nicht. Wir stellen uns auch den Dingen, wir werden auch weiter nachhaken, dass in Thüringen noch mehr passiert.
Ich will eines noch sagen: Ich erinnere mich an den Bundesrichter Schäfer. Man könnte jetzt tief einsteigen, aber ich muss aufpassen, ich bin in geheimer Kommission. Aber an einen Ausspruch in einer an
deren Runde erinnere ich mich, was er gesagt hat, der Bundesrichter und dann dieser Staatsanwalt, die da alle dabei waren. Als wir gefragt haben: Hören Sie mal zu, Herr Schäfer, es ist uns überhaupt nicht nachvollziehbar, wieso das bei den Garagen mit der Überwachung und dann mit dem Durchsuchungsbeschluss so dilettantisch, warum das überhaupt so blöd gelaufen ist. Es ist mir heute noch nicht klar. Da hat der Mann geantwortet – also das ist nun wirklich ein anerkannter Mensch plus die Leute, die mitgearbeitet haben: Wissen Sie was, Herr Fiedler, mit dieser dünnen Decke, was dort von der Justiz vorgelegt wurde, hätten Sie in den Altländern überhaupt keinen Beschluss gekriegt. Was dann alles noch drinstand, ins Auto dürfen sie nicht reingucken und so weiter und so fort. Aber das hat der Mann gesagt. Viele werden noch wissen – und dann höre ich auf –, wie dilettantisch das mit dem Schloss war und dass die da jemanden holen mussten, um das aufzumachen, dann gehörte die Garage auch noch zufälligerweise einem Polizisten. Ja, das war bestimmt – also am Ende, wenn man das so weiterverfolgt, könnte man sagen, das war Absicht, der hat die dem vielleicht noch vermietet. Aber in den Befragungen kam dann nichts zutage. Wir sollten uns einfach nur hüten, dass wir jetzt alles infrage stellen, unser gesamtes Land. Ich meine damit Verfassungsschutz, Polizei und Justiz – die Sicherheitsorgane, wie sie immer so schön hießen –, sondern wir müssen den Fehlern und Mängeln, die passiert sind, kategorisch nachgehen. Wo wir keine Kompetenzen haben, Herr Justizminister, müssen wir uns dann dafür starkmachen, dass das im Bund angepackt wird. Ich will jetzt auch Ihnen nichts zuschieben, nicht dass Sie das falsch verstehen, ich weiß, wie Geibert als Innenminister geprügelt wurde und dann alle Akten offengelegt hat. Ab dem Zeitpunkt haben alle Ämter mit uns nicht mehr kommuniziert. Aber das lasse ich auch dahingestellt. Es war zum damaligen Zeitpunkt gut und richtig und deswegen ist es so.
Meine Damen und Herren, ich bitte darum, auch andere Meinungen zuzulassen; andere Meinungen, die sagen, wenn überhaupt, sind dort andere zuständig für diese unsäglichen Morde und nicht wir in Thüringen.
Danke schön. Jetzt habe ich noch zwei weitere Wortmeldungen von Herrn Abgeordneten Möller und von Herrn Abgeordneten Henke. Also, dann nur von Herrn Abgeordneten Möller. Sie haben noch 4 Minuten und 7 Sekunden.
nisterpräsidenten verursacht worden ist, mittlerweile ein bisschen abgekühlt. Mich hat natürlich – Sie sollten es sich eigentlich anhören, Herr Ministerpräsident –
die semantische Verfälschung, mit der er hier versucht hat zu argumentieren, unglaublich aufgeregt. Die AfD-Fraktion hätte angeblich von vermeintlichen Opfern gesprochen. Das ist schlicht unwahr. Wir haben von mutmaßlichen Opfern gesprochen. Genau, Sie wissen natürlich ganz genau, was der Unterschied ist.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es gibt hier keine ver- meintlichen Opfer!)
Das ist die Intention des Worts „vermeintlich“. Man unterstellt, dass es in Wirklichkeit keine sind. Bei „mutmaßlich“ ist es genau andersrum. Was mich jetzt interessieren würde – und vielleicht geht der Herr Ministerpräsident mal ein bisschen in sich –, ist,
(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Sie sind unerträglich! Können Sie sich bitte wieder hinsetzen!)
Frau Kollegin Astrid Rothe-Beinlich, dafür spricht allerdings, wie er seinen Vorwurf der Geschichtsrevision hier vorgetragen hat. Als ich ihn gefragt habe, wo denn bitte hier Geschichtsrevision betrieben worden ist, welcher Fakt denn geleugnet worden ist, da weicht er aus und berichtet über die Mordopfer von Babi Jar, wobei er ganz genau weiß, dass diese Mordtaten von damals von unserer Fraktion genauso verurteilt werden wie vom Rest des Hauses.