Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich heiße Sie herzlich willkommen zur heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich in offensichtlich guter Stimmung hier eröffne. Ich begrüße auch die Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung, die Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne, die Vertreterinnen und Vertreter der Medien sowie die Zuschauerinnen und Zuschauer am Internet-Livestream.
Mit der Schriftführung zu Beginn der heutigen Sitzung sind Herr Abgeordneter Gottweiss und Herr Abgeordneter Möller betraut.
Für diese Sitzung haben sich Frau Abgeordnete Dr. Bergner, Frau Abgeordnete Kniese, Herr Abgeordneter Sesselmann, Herr Minister Stengele zeitweise, Frau Ministerin Taubert und Frau Ministerin Werner entschuldigt.
Folgende Hinweise ergehen zur Tagesordnung. Bei der gestrigen Feststellung der Tagesordnung wurden folgende Übereinkünfte erzielt: Der Tagesordnungspunkt 1 soll heute als erster Punkt aufgerufen werden.
Der Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 7/4200 und der Antrag der Parlamentarischen Gruppe der FDP in der Drucksache 7/3265 werden gemeinsam mit dem Antrag zu Tagesordnungspunkt 8 aufgerufen.
Die Wahlen zu den Tagesordnungspunkten 17 und 20 bis 25 sollen heute nach der Mittagspause aufgerufen werden.
Im Anschluss an die Bekanntgabe der Wahlergebnisse soll der Tagesordnungspunkt 16 aufgerufen werden.
Die Wahl einer Vizepräsidentin des Landtags soll als neuer Tagesordnungspunkt 17 a morgen nach der Mittagspause aufgerufen werden.
Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung widersprochen? Gibt es Bemerkungen? Das, sehe ich, ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung festgestellt.
Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zum Thüringen-Monitor 2022 dazu: Gutachten „Politische Kultur in Stadt und Land (Er- gebnisse des Thüringen- Monitors 2022)“ Unterrichtung durch die Landesregierung - Drucksache 7/8028 -
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden uns heute beschäftigen müssen mit etwas, was ich als Vorbemerkung sagen will, wenn ich auf das Glas verweisen darf, ist das Glas halb voll oder ist das Glas halb leer. Wenn man so darüber philosophiert, dann muss man über beide Seiten intensiv reden, denn der Thüringen-Monitor hat uns beides aufgezeigt: das, was an Fülle da ist, aber auch das, was an Problemen aufgezeigt wird.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Abgeordnete, sehr geehrte Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne, auch die Schülerinnen und Schüler aus Hochheim! Meine sehr verehrten Damen und Herren, gut 90 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer fühlen sich mit ihrer Gemeinde, ihrer Region und dem Freistaat verbunden. Diese Werte entsprechen denen, die bereits 2012 und 2018 gemessen worden sind. Mehr noch: Je stärker sich die Thüringerinnen und Thüringer der Heimatgemeinde verbunden fühlen, desto stärker ist auch ihre emotionale Bindung an die Region und das Land und umgekehrt.
Auf meinen Reisen durch unsere Heimat, ob bei Betriebsbesuchen, in Bürgergesprächen oder im Austausch mit Ehrenamtlichen, überall begegnet mir diese Verbundenheit. Sie ist mir Verpflichtung und Ansporn. Sie ist Motivation an schlechten Tagen und das berühmte i-Tüpfelchen auch an guten Tagen.
Die große Heimatliebe der Thüringerinnen und Thüringer sollte uns Leitfaden sein, auch und gerade bei der anschließenden Debatte um diese Regierungserklärung in diesem Hohen Hause. Deswegen mein Appell: Zeigen wir den Bürgerinnen und Bür
gern unseres Freistaats, allen, die bei uns leben, dass wir gemeinsam um die besten Ideen für die Zukunft Thüringens ringen und dass allein das Bessere der Feind des Guten ist!
Sehr geehrte Damen und Herren, der ThüringenMonitor 2022 hat auch in diesem Jahr eine hohe öffentliche Beachtung gefunden und intensive Diskussionen ausgelöst. Das ist zunächst erst mal ein gutes Zeichen, dokumentiert die öffentliche Debatte doch das allgemein hohe Interesse an den Fragen von Demokratie und den Lebensverhältnissen in unserem Freistaat.
Das ist einmal mehr das große Verdienst der Forschungsgruppe der Universität Jena unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Marion Reiser, der ich an dieser Stelle ebenso wie ihrem Team für diese ausgezeichnete Arbeit herzlich danken will.
Ebenso bedanke ich mich bei den Thüringerinnen und Thüringern, die durch ihre Antwortbereitschaft dazu beigetragen haben, dieses Barometer des Meinungsklimas im Freistaat zu ermöglichen. Dass über die besorgniserregenden Aussagen der Erhebung wesentlich intensiver berichtet und diskutiert wird als über ihre durchaus auch vorhandenen positiven Seiten, liegt in der Natur der Sache. Und das ist gut so. Um in dem Bild zu bleiben: Dass erst mal intensiv über das halb leere Glas berichtet wird, was sich aus dem Thüringen-Monitor ergibt, ist erst mal eine Grundlage, um darüber nachzudenken. Aber ich verweise darauf, dass die andere Hälfte des Glases gut gefüllt ist. Beides sollte man im Blick haben.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich würde es sehr begrüßen, wenn auch andere Länder, andere Bundesländer und der Bund verstärkt vergleichbare Langzeitstudien initiieren würden. Wir könnten uns ein besseres Bild davon machen, ob Tendenzen, positive wie negative, auf Thüringen beschränkt sind und/oder auch in anderen Ländern feststellbar sind, also uns einordnen in ein Meinungsspektrum, in ein Meinungsbarometer der ganzen Bundesrepublik und nicht einfach immer nur eine Reduktion, dass wir wie ein Scheinwerfer nur auf Thüringen gelenkt sehen, sondern es vergleichen können müssten mit allen anderen Bundesländern um uns herum, um auch feststellen zu können, wo ist der Unterschied zwischen Westen und Osten. Ich bin der festen Überzeugung, dass solche vergleichenden Studien Vorurteile abbauen könnten, solche, die der Westen gegenüber dem Osten hat, wie auch umgekehrt. Die Äußerungen von Herrn Döpf
Wir können in höherem Maße voneinander profitieren. Das längere gemeinsame Lernen, die umfangreiche Kinderbetreuung, die poliklinische Versorgung sind allesamt Errungenschaften des Ostens, die auch zur Verbesserung der Lebensverhältnisse im Westen hätten führen können. Der berühmte Satz, dass es mehr gibt als grüner Pfeil und Sandmännchen, was der Bundesrepublik Deutschland gutgetan hätte, und dass die Gemeindeschwester Agnes, die heute Vera heißt, eigentlich ein guter Beitrag wäre für den Thüringer Wald oder für die Region, in der ich geboren bin, Norddeutschland.
Ich werde weiter dafür eintreten, Vorurteile abzubauen und Sorgen wie Probleme in Chancen zu verwandeln und Lösungen zuzuführen. Zugleich neigen wir oftmals dazu, jeden Thüringen-Monitor nur für sich zu betrachten. Dabei laufen wir Gefahr, langfristige Trends ebenso aus dem Blick zu verlieren wie wichtige Erkenntnisse früherer Jahre.
Schon 2016 wies Prof. Best darauf hin, dass die Befragungsforschung auf die Teilnahme- und Auskunftsbereitschaft der Bevölkerung angewiesen ist und sie gleichzeitig den Befragten eine Stimme verleiht. Unter dem Schutz der Anonymität können auch Positionen und Auffassungen zum Ausdruck kommen, die außerhalb der Norm etablierter Diskurse, ja selbst außerhalb der Norm des Grundgesetzes liegen. Vielen Befragten scheint sich mit der Interviewteilnahme eine willkommene Gelegenheit zu bieten, ihren politischen Meinungen, ihre persönlichen Sichten, ihrer Zustimmung oder Ablehnung, ihrem Unmut oder ihrem Ärger Luft zu machen.
Ein Jahr später wurden wir daran erinnert, dass in den Thüringen-Monitoren „gemischte Gefühle“ diagnostiziert werden. Mit diesen „gemischten Gefühlen“ können die Bürger und Bürgerinnen offenbar besser umgehen als die meisten der meinungsbildenden Beobachter. Hier offenbart sich aus Sicht der Wissenschaftler ein – Zitat – „wildes Denken“, das sich den Erwartungen von Wissenschaft und Politik an Geschlossenheit und Widerspruchsfreiheit widersetzt. Aber es folgt einer eigenen Logik.
Ich zitiere aus dem Thüringen-Monitor 2017: „Während sich die Demokratiezufriedenheit auf eine positive Bewertung der Ergebnisse politischen Handelns beziehen lässt, bezieht sich Demokratiekritik auf Defekte des politischen Betriebs und die dort
wahrgenommene Abgehobenheit und Selbstbezüglichkeit der Eliten. Beides schließt sich nicht aus, doch steht eine ‚Schönwetterdemokratie‘, die beständig nur durch den Erfolg ihrer Eliten bestätigt werden muss, auf unsicherem Grund.“
Während der Coronapandemie waren für die Demokratieunterstützung und die Demokratiezufriedenheit Rekordwerte in der Langzeitbetrachtung des Thüringen-Monitors gemessen worden. Im Vergleich zu diesen Höchstwerten ist die Demokratieunterstützung aktuell gesunken. Gleichwohl stimmen mehr als vier von fünf Thüringern der Aussage zu, dass die Demokratie die beste aller Staatsformen ist.
Die Demokratiezufriedenheit hingegen ging auf einen Zufriedenheitswert von 48 Prozent zurück – das halbe Glas. Das ist ein starker Rückgang, der zunächst zum Nachdenken und auch zum Handeln auffordert.
Aus früheren Thüringen-Monitoren wissen wir, dass die Demokratiezufriedenheit als positive Bewertung der Ergebnisse politischen Handelns in unserem Freistaat in erster Linie die Sicherung des seit 1990 erreichten und erarbeiteten Wohlstands umfasst, auch wenn der Wohlstand im Durchschnitt nach wie vor signifikant geringer als der im Westen ist. Die Unterscheidung ist nach wie vor vorhanden. Auch bei durchschnittlichen Löhnen, Vermögen, Erbschaften und Ähnlichem ist deutlich zu erkennen, wo Ost und wo West ist. Trotzdem ist das Gefühl, den erreichten Wohlstand in Thüringen zu verlieren, ein Gefühl, das sich auch in der Unzufriedenheit ausdrückt.
Zum Zeitpunkt der Befragung im Herbst 2022 prägten aber die Energiekrise und der Energiepreisschock, die höchste Inflation seit mehr als 70 Jahren, aber auch die Klimakrise die öffentliche Diskussion. Viele Thüringerinnen und Thüringer waren in Sorge. Die Entscheidungen, mit denen Bundesregierung und die Regierungen der Länder dafür Sorge getragen haben, dass die Energiekrise abgewendet werden konnte, waren zum Befragungszeitraum noch nicht getroffen. Das heißt, wir waren mitten in der Auseinandersetzung, ob ein Blackout droht oder eine Gasmangellage eintreten könnte, die auch Thüringer Betriebe möglicherweise an den Stillstand bringen könnte. Zum Glück ist alles überwunden worden und in eine andere Richtung entwickelt worden, aber in dieser Zeit, in der wir diese Unsicherheit hatten, ist der Befragungszeitraum.
Doch auch die nun schon seit Jahren andauernde Vielfachkrise entbindet uns nicht von der Pflicht, demokratisch zu handeln. Ich betone, wir alle müssen demokratisch handeln. Denn wir haben es hier
mit einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe zu tun. Schnelle Schuldzuweisungen bringen Aufmerksamkeit in der Twitterblase und hohe Klickzahlen auf TikTok, Instagram und Facebook. Zur Lösung taugen diese kurzen Kommentare aber nicht.
Ich bin bei aller Sorge zuversichtlich, dass wir mit guter Politik der Regierungskoalition und der Opposition Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unserem Freistaat zurückgewinnen können.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns auch anlässlich dieses Thüringen-Monitors feststellen, dass es uns unter für die bundesdeutsche Geschichte einmaligen politischen Rahmenbedingungen seit 2019 gelingt, wichtige Entscheidungen für unseren Freistaat zu treffen. Bislang haben wir mehrheitlich hier im Parlament alle notwendigen Entscheidungen gemeinsam getroffen, Haushalte geschaffen, Sicherheit verlässlich gestaltet. Auch das hat man Thüringen nicht zugetraut, dass wir in einer Situation trotzdem handlungsfähig sind und bleiben.
In den Jahren 2020, 2021, 2022 wurde jeweils ein Landeshaushalt beschlossen, der für stabile Verhältnisse ebenso wie für programmatische Innovationen bürgt. Der Motor unseres Gemeinwesens läuft, ohne zu stottern. Während andere Länder mit stabilen Regierungsmehrheiten Haushaltssperren verhängen müssen, ist dies in Thüringen bislang nicht notwendig.
Meine Bitte und zugleich mein Appell an die staatspolitische Verantwortung der Mitglieder des Thüringer Landtags bestehen darin, auch in diesem Herbst einen tragfähigen Landeshaushalt für das kommende Jahr zu beschließen. Durch solches Handeln über Parteigrenzen hinweg zeigen wir die Stärke und den Wert demokratischer Politik.
Sehr geehrte Damen und Herren, zum Ende dieses Jahres wird die Internationale Bauausstellung – IBA – Thüringen abgeschlossen sein. Zehn Jahre lang war die IBA Thüringen ein innovatives Entwicklungslabor, ein organisierter Ausnahmezustand auf Zeit. Mit zahlreichen Partnern wurden Projekte initiiert, entwickelt, teilweise wieder verworfen, neu gedacht und letztlich umgesetzt: innovativ, experimentell und praxisorientiert.
Thüringen ist ein – Zitat – „StadtLand im Wandel“. So lautet die Botschaft der IBA Thüringen. Im kulturellen Reichtum des Landes, in der Vielfalt von Städten und Dörfern und den landschaftlichen Qualitäten liegen die Chancen für eine erfolgreiche und lebenswerte Zukunft des Freistaats Thüringen.
Davon ist das IBA-Team um Frau Marta DoehlerBehzadi überzeugt, und die von mir angeführte Landesregierung sieht das genauso.