Protokoll der Sitzung vom 15.09.2023

Guten Morgen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich heiße Sie herzlich willkommen zur heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung, die Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne, die Vertreterinnen und Vertreter der Medien sowie die Zuschauerinnen und Zuschauer am Internet-Livestream.

Gestatten Sie mir eine Bemerkung. Wir haben heute den „Tag der Demokratie“ zum Anlass genommen, die „Reisende Verfassung“ vor dem Landtag zu präsentieren, da wir uns im 30. Jahr Ihres Bestehens befinden. Dass das Freude auslöst, kann ich nachvollziehen.

Mit der Schriftführung zu Beginn der heutigen Sitzung ist Herr Abgeordneter Liebscher und Herr Abgeordneter Tiesler betraut.

Für die heutige Sitzung haben sich Herr Abgeordneter Gottweiss, Frau Abgeordnete Kniese, Herr Abgeordneter Laudenbach, Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, Frau Abgeordnete Dr. Wagler, Herr Minister Prof. Dr. Hoff, Herr Minister Holter, Frau Ministerin Karawanskij, Herr Minister Maier zeitweise, Herr Minister Stengele, Frau Ministerin Werner zeitweise entschuldigt.

Die Hinweise zur Tagesordnung: Bei der Feststellung der Tagesordnung am Mittwoch sind wir übereingekommen, heute den Tagesordnungspunkt 7 als ersten und den Tagesordnungspunkt 28 als zweiten Punkt aufzurufen.

Elektronisch bereitgestellt bzw. verteilt wurden zu Tagesordnungspunkt 10 ein Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 7/8752, zu Tagesordnungspunkt 25 eine Neufassung des Antrags in der Drucksache 7/7155 und zu Tagesordnungspunkt 28 ein Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 7/8738.

Im Zusammenhang mit dem zuletzt genannten Änderungsantrag ist noch eine Verfahrensfrage zu beantworten. Gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung sind Änderungsanträge zu selbstständigen Vorlagen, die keinen Gesetzentwurf enthalten, nur mit Zustimmung der Antragstellerin bzw. der Antragsteller zulässig. Ich frage deshalb die Fraktion der CDU: Erteilen Sie die Zustimmung zur Einbringung des Änderungsantrags in der Drucksache 7/8738?

Ja, mache ich.

Dann ist das so festgestellt, vielen Dank. Damit ist die Drucksache 7/8738 zulässig.

Die Mündliche Anfrage von Frau Abgeordneter Lukasch in der Drucksache 7/8685 wurde von der Fragestellerin in eine Kleine Anfrage umgewandelt.

Der bisherige Stand der Abarbeitung der Tagesordnung lässt es erneut nicht völlig ausgeschlossen erscheinen, dass unter Berücksichtigung des vereinbarten Endes der heutigen Plenarsitzung nicht alle Punkte aufgerufen werden können, die zum Aufruf hätten kommen sollen. Um diesen Zielkonflikt bereits vorsorglich zu lösen, gehe ich auch dieses Mal davon aus, dass keiner von den betroffenen Einbringerinnen und

Einbringern der Feststellung widerspricht, dass die Zustimmung zur Überschreitung der Beratungsfrist zu denjenigen Tagesordnungspunkten vorliegt, die aufgerufen werden sollen, heute aber nicht mehr aufgerufen werden können. Ich schaue ins Plenum und ich kann dazu keinen Widerspruch erkennen.

Gibt es Widerspruch bzw. sind Bemerkungen zur Tagesordnung angezeigt? Das kann ich nicht erkennen. Dann können wir entsprechend der Tagesordnung verfahren und ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7

Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kindergartengesetzes

Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/8644 - ERSTE BERATUNG

Das Wort zur Begründung ist angezeigt. Das Wort erhält Herr Abgeordneter Wolf, bitte.

Schönen guten Morgen! Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wir behandeln heute ein Gesetz, auf das viele Einrichtungen, viele Kindergärten, viele Kindertageseinrichtungen, aber vor allen Dingen viele Eltern warten. Nach mittlerweile langjähriger Beratung dazu – wir mussten auch immer wieder sehen, was der Bund in dem Bereich macht, wie sich das mit dem Gute-KiTa-Gesetz weiterentwickelt, was wir selber noch übernehmen müssen, wenn wir etwas für die Qualität und Beitragsfreiheit erreichen wollen – bringen wir heute dieses Gesetz ein. Es hat im Wesentlichen drei Komponenten: als Erstes eine deutliche Qualitätsverbesserung mit einer Absenkung oder mit einer Verbesserung des Betreuungsschlüssels von derzeit durchschnittlich 1 zu 14 auf 1 zu 12 und auch eine Vereinheitlichung, damit dieses permanente Hin- und Herrechnen mit dem Alter der Kinder bei den über Dreijährigen aufhört. Als Zweites ein Zentrum für frühe kindliche Bildung – ich will

auch noch mal meiner Kollegin Astrid Rothe-Beinlich, die heute leider nicht da sein kann, herzlich für ihr Engagement danken, sich dafür starkgemacht zu haben,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

gute Besserung, Astrid, ich denke, du schaust auch zu –, was sicherlich auch noch durch die Redner vorgestellt werden wird. Und als Drittes das dritte beitragsfreie Kindergartenjahr. Wir haben gestern eine Diskussion hier im Hohen Haus erlebt, wonach vorgeblich Familien entlastet werden sollten. Tatsächlich werden mit diesem dritten beitragsfreien Jahr 15.000 Familien auf einem Schlag entlastet.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sind keine Familien, die die hohen Bauzinsen und die hohen Baukosten derzeit tragen können, das sind ganz normale Familien von Verkäuferinnen, von Busfahrern, von Facharbeiterinnen und Facharbeitern, die auf diese Entlastung warten, gerade in der heutigen Zeit dringend nötig. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich diejenigen, die sich gestern hier aufgetan haben, um angeblich etwas für Familien zu erreichen, bei dieser Entlastung tatsächlich verhalten. Wir sind stolz darauf, das heute einbringen zu können. Familienentlastung tut dringend not. Ich bin gespannt auf die parlamentarische Diskussion dann auch im Ausschuss und auf die weitere Beratung. Vielen Dank.

(Präsidentin Pommer)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Tischner für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Bildungssystem und speziell unsere Kindergärten mit den rund 16.000 Erzieherinnen und Erziehern leisten täglich für über 94.000 Kinder sowie ihre Eltern und Familien eine hervorragende pädagogische Arbeit. Dennoch stehen unsere Kindergärten vor allergrößten pädagogischen und auch strukturellen Herausforderungen. Eine Herausforderung ist die immer größer werdende Heterogenität im Kindesalter, eine zweite Herausforderung die fortschreitende Digitalisierung mit Auswirkungen in den Einrichtungen, aber vor allem natürlich auch für die Kinder. Eine dritte große Herausforderung ist der voranschreitende Generationswechsel auch in unseren Kindertageseinrichtungen.

Meine Fraktion misst deshalb den Gelingensbedingungen für eine optimale Betreuung, für eine optimale Erziehung und Bildung unserer Kinder sowie der Beratung von Familien größte Bedeutung in der frühkindlichen Bildung bei. Beste frühkindliche Bildung für jedes Kind kann nur mit verlässlichen Rahmenbedingungen in den Kindergärten, mit motiviertem und gut ausgebildetem Fachpersonal, attraktiven Arbeitsbedingungen sowie ausreichenden Zeitkapazitäten im Sinne von mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit gelingen. Die Herausforderungen an unsere Kindergärten sind enorm und sie werden von Monat zu Monat größer. Und auch die Herausforderungen für die Träger und für die Gemeinden werden monatlich größer. Ich finde es schlimm, wenn mir ein Bürgermeister sagt – ich zitiere –: „Am liebsten hätte ich keine Kinder mehr in meiner Gemeinde; die Umlagen für den Kindergarten nehmen mir als Gemeinde die Luft zum Atmen.“ Die Landesregierung und zuvorderst der zuständige Bildungsminister wären angesichts der Herausforderungen an die Kindergärten gefordert gewesen. Seit Jahren werden die Problemanzeigen und die Hilferufe der Kindergärtnerinnen und Kindergärten, der vielen Träger der Kommunen und natürlich der Eltern immer größer. Aber was tut der zuständige Minister, was tut die Landesregierung? Sie ignorieren die Sorgen, sie ignorieren die Herausforderungen, sie ignorieren die Probleme und lassen die Kindergärten allein. Die Landesregierung wäre selbst gefordert gewesen, mit einem Gesetzgebungsverfahren die Baustellen an den Kindergärten mit Blick auf Qualität und Finanzierung in den Griff zu bekommen. Aber stattdessen streiten sich zwei Minister auf offener Bühne und die Fraktionen von Rot-Rot-Grün übernehmen mal wieder den Job der Landesregierung.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das ist … Das wissen Sie!)

Das Ergebnis, Herr Dittes, ist aber leider ein Stückwerk-Gesetz. Ein Stückwerk-Gesetz, das keinen roten Faden für eine Verbesserung der frühkindlichen Bildung enthält und zudem an vielen Stellen handwerklich schlecht gemacht ist. Dieses Niveau zeigt den Zustand der Regierung und der sie tragenden Fraktionen.

(Beifall CDU)

Sie haben keinen Kompass, die Linken drängen auf ein weiteres, zusätzliches beitragsfreies Kindergartenjahr, die SPD wünscht sich eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels und die Grünen brauchen eine Forschungseinrichtung, um zu untersuchen, ob in Thüringer Kindergärten gute Arbeit gemacht wird. Da man sich nicht auf einen gemeinsamen Fahrplan einigen konnte, schreibt man halt alles in ein Gesetz, knallt es dem Landtag hier auf den Tisch und schaut mal, was dann passiert. Und was dem ganzen Verfahren die Krone aufsetzt, ist die Tatsache, dass das Gesetz über Kredite finanziert werden soll. Die Äußerungen der

(Abg. Wolf)

Grünen-Vorsitzenden sind entlarvend. Wie irre ist das, wenn ich Schulden aufnehme auf dem Rücken der Kinder, denen ich eigentlich etwas Gutes tun will?

(Beifall CDU)

Dies wird es mit uns als CDU-Fraktion so nicht geben, trotz einiger Ansätze im Gesetzentwurf, beispielsweise der Personalschlüsselverbesserung, der auch wir offen gegenüberstehen. Meine Fraktion steht im engen Austausch mit den Erziehern,

(Unruhe DIE LINKE)

mit den Trägern und Gemeinden. Wir stehen für eine wirkliche Reform des Systems der frühkindlichen Bildung, nicht für ein Stückwerk, für eine Reform, die Qualität und Finanzierbarkeit mit allen Partnern gemeinsam denkt und nicht auf Kosten einzelner Partner abwälzt.

(Beifall CDU)

Im Ergebnis hat die CDU-Landtagsfraktion ein umfangreiches Positionspapier für die kommenden Jahre auf den Weg gebracht. Aus unserer Sicht ist es nötig, dass wir erstens den Schwerpunkt auf die Betreuungsqualität im Sinne unserer Kinder und Eltern setzen. Für uns ist es wichtig, dass wir den Schwerpunkt auf motivierte Pädagoginnen und Pädagogen setzen und dass wir den Schwerpunkt darauf legen, dass das System der frühkindlichen Bildung partnerschaftlich gelebt und partnerschaftlich finanziert wird. In diesem Sinne wollen wir als CDU eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels, wir wollen eine Vereinheitlichung des Betreuungsschlüssels für die Ü3-Jährigen, wir wollen den Ausbau der Eltern-Kind-Zentren mit Angeboten für die Familienberatung, für die Familienbildung und für die Familienunterstützung. Für uns ist es wichtig, eine Stärkung der sprachlichen Bildung und der Gesundheitsförderung in den Kindergärten herbeizuführen. Wir wollen ausreichende Ressourcen für die inklusive Arbeit, wir wollen Wertebildung und Wertevermittlung von Kindesbeinen an. Wir wollen die Erhöhung der Ausbildungskapazitäten. Es ist notwendig, die Attraktivität des Erzieherberufes zu erhöhen. Es ist dringend notwendig – das sehen wir alle, wenn wir in den Gemeinden unterwegs sind –, den Sanierungsstau an den Kindergärten in den Griff zu bekommen. Es kommt darauf an, gesunde Ernährung zu fördern. Wir brauchen –und das ist der wichtigste Punkt und diese Hausaufgaben müssen eben zuerst gemacht werden – eine verlässliche und partnerschaftliche Finanzierung des gesamten Kindergartensystems.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, für uns als CDU stehen Familien und Kinder im Mittelpunkt unserer Politik und wir wollen deshalb auch die Hortgebühren abschaffen. Dadurch stärken wir zielgerichtet die offene Ganztagsbetreuung in Thüringen und helfen den vielen berufstätigen Eltern da, wo es wirklich notwendig ist.

(Beifall CDU)

Für uns ist klar, dass dieses Gesetz die frühkindliche Bildung nicht voranbringt. Es ist kein Qualitätsgesetz, sondern ein Ausgabengesetz ohne Zielstellung und Vision. Als konstruktiver Gesprächspartner verwehren wir uns keiner Beratung im Bildungsausschuss, halten diese aber auch für nicht notwendig.

(Unruhe DIE LINKE)

Im Gespräch mit den Experten können wir dann im Bildungsausschuss alle unsere Fragen, die sicherlich auch heute hier in der Plenardebatte aufgeworfen werden, noch mal prüfen und diskutieren. Mit einer Mehrheit für dieses Gesetz können Sie aber nicht rechnen. Vielen Dank!

(Beifall CDU)

Für die Fraktion Die Linke erhält Herr Abgeordneter Reinhardt das Wort.

Ich habe einen Traum. Thüringen, das Kindergartenland, wird das Land auf dieser Erde, wo wir die besten Bedingungen zum Aufwachsen und Großwerden unserer Kinder geschaffen haben. Frau Präsidentin, werte Kollegen Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen Erzieher, liebe Eltern, all jene, die im System Kindergarten etwas zu sagen haben, mein persönlicher Traum als Erzieher, als Kindergartenleiter war es damals und ist es heute immer noch, dass wir mehr Qualität in unsere Kindergärten bringen, und zwar über das Kindergartengesetz. Der Traum ist bis zum heutigen Tage geblieben, für unsere Kinder, für meine Kolleginnen und Kollegen, für unser aller Zukunft diese Qualität einzuführen.

Heute als zweifacher Vater sehe ich diese Probleme und die Notwendigkeit noch immer und Herr Tischner, ich erwarte von Ihnen, von den Parlamentariern hier, dass Sie sich dieser Probleme in unseren Thüringer Kindergärten annehmen, und zwar konstruktiv.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser vorliegendes Änderungsgesetz zum Kindergartengesetz bringt nämlich genau diese Chance mit sich, die Betreuung und Bildung in unseren Thüringer Kindergärten zu verbessern, und zwar im Wesentlichen in drei Punkten.