Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich heiße Sie herzlich willkommen zur heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung, die Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne, die Vertreterinnen und Vertreter der Medien sowie die Zuschauerinnen und Zuschauer am Internet-Livestream.
Mit der Schriftführung sind zu Beginn der heutigen Sitzung Herr Abgeordneter Denny Möller und Herr Abgeordneter Tiesler betraut.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Frau Abgeordnete Tasch, Herr Abgeordneter Gröning, Frau Abgeordnete Güngör, Herr Abgeordneter Dr. Hartung, Herr Abgeordnete Hey, Frau Abgeordnete Kniese, Herr Abgeordneter Stefan Möller, Herr Minister Prof. Dr. Hoff, zeitweise, Herr Minister Holter, Herr Minister Maier. Ich wiederhole mich von gestern, es sind einfach viele erkrankt – das ist ein Hinweis für die Zuschauerinnen und Zuschauer.
Die Hinweise zur Tagesordnung – bei der gestrigen Feststellung der Tagesordnung wurden folgende Übereinkünfte erzielt: Heute Vormittag sollen die Tagesordnungspunkte 7, 29, 5, 9 und 10 aufgerufen werden.
Zu dem Gesetzentwurf zu Tagesordnungspunkt 5 soll die erste und gegebenenfalls zweite Beratung durchgeführt werden, sofern der Gesetzentwurf nicht an einen Ausschuss überwiesen wird. Im Zusammenhang mit der Fristverkürzung hat die Fraktion der CDU bereits mitgeteilt, zu Artikel 1 des Gesetzentwurfs eine Ausschussüberweisung beantragen zu wollen. Einer unmittelbar auf die erste Beratung folgenden zweiten Beratung zu den Artikeln 2 und 3 des Gesetzentwurfs wurde dabei nicht widersprochen.
Der Tagesordnungspunkt 45 soll morgen nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse zu den Tagesordnungspunkten 32, 36, 38 a, 39 und 40 aufgerufen werden, soweit Wahlwiederholungen zulässig sind.
Zu Tagesordnungspunkt 2 wurden ein Entschließungsantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 7/9195 und ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 7/9196 elektronisch bereitgestellt bzw. verteilt.
Ja, guten Morgen, Frau Präsidentin. Ich habe noch einen Platzierungswunsch, nämlich Tagesordnungspunkt 53 morgen am Vormittag noch abzuarbeiten – das ist das Fünfte Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft –, weil das aus unserer Sicht noch gewisse Relevanz auch für den Haushalt hat. Das kann ja auch eine Reduzierung von Einnahmen bedeuten und in dem Fall sollten wir es auch behandeln, bevor wir über den Haushalt noch sprechen. In diesem Sinne würde ich beantragen, das morgen Vormittag noch zu behandeln.
Das ist ein Antrag auf Verschiebung des Tagesordnungspunkts auf den morgigen Vormittag. Das kann mit einfacher Mehrheit bestimmt werden. Wer dafür ist, den Tagesordnungspunkt 53 am morgigen Vormittag aufzurufen, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der CDU-Fraktion und der Gruppe der FDP. Wer ist dagegen? Das sind die Stimmen aus der Koalition. Wer enthält sich der Stimme? Das ist die AfD-Fraktion. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? Das ist nicht der Fall. Dann arbeiten wir entsprechend der Tagesordnung.
Thüringer Gesetz zur Neuordnung der Zuständigkeiten und Aufgaben im Bereich der Migration durch Errichtung einer Zentralen Ausländerbehörde zur Beschleunigung der Aufnahme und Rückführung Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 7/9116 - ERSTE BERATUNG
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist der Fall. Herr Abgeordneter Schard begründet für die CDU-Fraktion. Bitte, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die anhaltend große Zahl von Asylsuchenden stellt nun schon seit geraumer Zeit alle Ebenen in unserem Land, vom Bund über die Länder, aber auch die Kommunen, vor erhebliche und große Herausforderungen. Wir wissen alle, dass in Suhl regelmäßig die Zulässigkeitsgrenzen überschritten werden, und vor wenigen Wochen musste auch in Thüringen ein Aufnahmestopp verhängt werden. In unseren Kommunen sind sämtliche Kapazitäten ausgereizt. Thüringen muss daher umsteuern.
Mit unserem Gesetzentwurf zur Neuordnung der Zuständigkeiten im Bereich der Migration durch Errichtung einer Zentralen Ausländerbehörde zur Beschleunigung der Aufnahme und Rückführung wollen wir die Strukturen optimieren und an den Erfordernissen anpassen. Ein wesentlicher Punkt soll die Errichtung einer zentralen Ausländerbehörde sein, die landesweit Aufgaben bündelt, wodurch dann Synergieeffekte erreicht werden. Ein zweiter Punkt in diesem Zusammenhang mit der Errichtung dieser Behörde ist der Betrieb und auch die Errichtung von landeseigenen Aufnahme- und Rückführungszentren, in denen dann die Aufgaben von Unterbringung und Rückführung ebenfalls wiederum gebündelt werden und wo dann
die Asylsuchenden, Asylbewerber je nach Bleibeperspektive in die Kommunen oder eben dann in diese Rückführungszentren verteilt werden.
Das sind die wesentlichen Punkte. Zur weiteren Erläuterung würde ich dann bei unserem Gesetzesvorschlag noch mal reden. Vielen Dank.
Das war die Begründung zum Gesetzentwurf. Das Wort erhält Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, eben hat die CDU vorgestellt, warum sie diesen Gesetzentwurf jetzt sehr plötzlich auf den Tisch gelegt hat. Man kann diesen Gesetzentwurf ganz sicher nicht losgelöst von der Debatte betrachten, die wir hier seit vielen, vielen Monaten in diesem Haus immer wieder führen.
Ja, es stimmt. Nach wie vor sind weltweit Millionen von Menschen auf der Flucht. Die wenigstens davon schaffen es bis nach Europa – das muss man sich auch immer wieder vor Augen führen – und noch weniger hierher zu uns. Unsere Aufgabe ist es – das ergibt sich auch aus unserem Anspruch und unserem Grundgesetz –, Menschen, die Asyl beantragen, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, selbstverständlich auch das Recht auf Asyl zu gewähren. Gerade in der Weihnachtszeit ist das auch noch mal ein wichtiger Hinweis. Ich will nur einen Satz kurz benennen: „Denn sie fanden sonst keinen Platz in der Herberge“ – steht in der Bibel, als Maria und Josef auf der Suche nach einer Unterkunft waren, wo sie ihr Kind gebären können.
Heute diskutieren wir einen Gesetzentwurf, der alles andere als Lösungen aufzeigt. Einen Gesetzentwurf, der auf Scheinlösungen verweist, die in anderen Bundesländern längst gescheitert sind, ich muss es einfach
so deutlich sagen. Die CDU zielt faktisch darauf ab, sogenannte Ankerzentren zu schaffen. Seien wir ehrlich, was ist das? Das sind Orte der Hoffnungslosigkeit, an denen Menschen mit sogenannter geringer Bleibeperspektive – so heißt es – bis zu zwei Jahre festgehalten werden können. Was wird wohl an Orten wie diesen geschehen? Stellen Sie sich einfach mal vor, Sie bringen Menschen, die kaum eine Bleibeperspektive haben – aus welchem Grund auch immer – in großer Zahl – es sind überwiegend junge Männer – an einen Ort, an dem ihnen keinerlei Teilhabe ermöglicht ist, wo Integration keine Rolle spielt, wo sie nur sitzen und warten sollen, bis sie nach dem Willen der CDU wieder abgeschoben werden können. Dabei suggeriert die CDU auch, es würden gerade gar keine Abschiebungen oder, wenn man es netter formulieren möchte, Rückführungen stattfinden. Das stimmt aber nicht. Natürlich finden sie im Moment auch schon statt. Und viele Länder, muss man wissen, nehmen aber Geflüchtete gar nicht – in Anführungszeichen – zurück, weil dort eben teilweise kriegsähnliche Zustände herrschen, weil sie Menschen nicht anerkennen, weil sie ihnen keine Papiere ausstellen oder eben, weil sie schlichtweg dichtmachen, sich abschotten.
Wir haben einen anderen Anspruch, das will ich ganz deutlich sagen. Deswegen gab es bis vor wenigen Tagen noch einen Gesetzentwurf im Ausschuss für Migration und Justiz, der ein Amt für Migration einrichten wollte. Dieser liegt jetzt leider nicht mehr auf dem Tisch. Dieser Gesetzentwurf ist von der CDU mitnichten positiv oder konstruktiv begleitet worden. Hier hätten wir zueinanderfinden können und überlegen können, wie wir die Unterbringung von Geflüchteten gemeinsam auf gute Beine stellen und vor allem aber auch die
Koordinierung der Aufgaben zusammenbringen, die wir brauchen, um die Versorgung, Unterbringung und natürlich auch die Teilhabe dieser Menschen sicherzustellen. Wenn Sie sich jetzt diesen Gesetzentwurf der CDU anschauen, ist das reine Symbolpolitik. Er setzt einzig und allein auf Abschottung, er setzt darauf, Menschen zu isolieren, und er ist das Gegenteil von dem, was eigentlich als Mammutaufgabe gerade vor uns steht. Ich sagte es, Millionen von Menschen sind weltweit auf der Flucht. Es kommen noch immer wieder Menschen hier zu uns. Worum muss es dann gehen? Wir brauchen Integration, wir brauchen Teilhabe, wir brauchen die Möglichkeit, beispielsweise am Arbeitsmarkt zu partizipieren, denn, viele wissen es immer nicht, Asylsuchende dürfen oftmals gar nicht arbeiten hier bei uns. Diese Chancen für sie müssen wir eröffnen, anstatt darüber zu fabulieren, wie wir Menschen schneller und besser abschieben können.
Was ich aber besonders perfide finde, ist, wenn dann auch noch so getan wird, als würde das Geld sparen.
Davon ist dann nämlich keine Rede im Gesetzentwurf, wie genau die Unterbringung vonstattengehen soll, die bedeutet, dass das Land Tausende neue Unterbringungsplätze schaffen muss. Ich glaube, das Gebot der Stunde sollte sein – und da bin ich auch zuversichtlich, dass uns das mit Katharina Schenk und vielen anderen, den Akteuren vor Ort, den Kommunen, die für die Unterbringung dann zuständig sind, gelingen kann –, dass wir gemeinsam unserer Verantwortung gerecht werden; das heißt, auf Landesebene menschenwürdige Unterbringungsplätze zu schaffen – und da brauchen wir mehr, da sind wir uns einig –, das heißt auch, die Kommunen zu unterstützen, da, wo sie die Geflüchteten aufnehmen und Wohnraum für sie schaffen, das heißt, beispielsweise Deutschkurse anzubieten, das heißt, Integration zu organisieren und das heißt auch, Zugänge zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen genauso wie die Teilhabe in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen des Lebens.
Liebe CDU, warum haben Sie diesen Gesetzentwurf eingebracht? Sie wissen ganz genau, dass Sie diesen Gesetzentwurf nur mit der AfD gemeinsam verabschieden können, einer Fraktion, die sich die Hetze und Abschottung zum Programm gemacht hat, die Menschen ausschließen möchte und die – muss ich ganz offen sagen – den Boden des Grundgesetzes an dieser Stelle schon lange verlassen hat.
Warum haben Sie diesen Gesetzentwurf eingebracht? Wenn Sie ihn fürs Schaufenster brauchen, nehme ich Ihnen das wirklich übel, zumal Sie nach wie vor den Begriff „christlich“ im Namen Ihrer Fraktion führen.
Es geht um die menschwürdige Unterbringung und Aufnahme von Geflüchteten und nicht um rassistische Debatte auf dem Rücken der Menschen, die auf der Flucht sind. Vielen herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Tribünen und wo auch immer, die Kombination aus dem Ukraine-Fluchtzustrom und
den hohen Zuzugszahlen aus anderen Herkunftsstaaten führt derzeit zu einer sehr hohen Belastung für die Kommunen in Deutschland. Auch in Thüringen schlagen kommunale Verantwortungsträger immer wieder Alarm, es fehlt an Wohnraum, dadurch sind auch die Unterkunftsplätze für Ankommende knapp
(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Da muss man mal die Fluchtursachen bekämpfen! und die zur Verfügung gestellten Finanzmittel reichen nicht aus, um die Menschen angemessen zu versor- gen. Die Schulplätze gerade für die Kinder aus der Ukraine waren in den Planungen der Kommunen nicht vorgesehen und müssen nun ad hoc organisiert werden. Das führt teilweise zu Unruhe in der Bevölkerung, wenn um knappe Schulplätze gerungen wird. Auf der anderen Seite der Medaille stehen die Wirtschaft, die dringend Fach- und Arbeitskräfte benötigt, und die Aussicht, dass auch zukünftig durch die Veränderungen in der Welt mit einem dauerhaften Migrati- onsstrom zu rechnen ist. Unter diesem Gesichtspunkt muss Migrations- und Integrationspolitik nicht nur in Thüringen, aber auch in Thüringen als Daueraufgabe angenommen werden und endlich entsprechend recht- lich und ordnungspolitisch aufgesetzt werden. Erste Veränderungen hat die Landesregierung richtigerweise jetzt bereits umgesetzt. Den Wechsel der Zuständigkeiten ins Innenministerium unterstützen wir als Freie Demokraten sehr und unser Antrag dazu ist Ihnen ja auch bekannt. (Beifall Gruppe der FDP)
Wir hätten den vollständigen Übergang des Themas bevorzugt – aber einen Schritt nach dem anderen. Bei allen Vorhaben in der Migrationspolitik ist aber zu berücksichtigen, dass wir nicht im luftleeren Raum agieren. Einen Großteil der Rahmensetzung für Flucht, Asyl und Zuwanderung setzt die Europäische Union, gefolgt von der deutschen Bundesebene. Hier mahnen wir seit Jahren bereits ein abgestimmtes, systematisches Vorgehen an. In dem Zusammenhang bleibt auch abzuwarten, wie sich zum Beispiel die EU zu den Asylund Migrationsvorschlägen der bisherigen Dublin-Verordnung bis Februar 2024 verhält und wie sie diese verändern werden. Aktuell sieht ja ein Vorschlag vor, in einem fünftägigen Identitäts-, Sicherheits- und Gesundheitscheck eine Vorprüfung auf Bleibeperspektive bereits an den EU-Außengrenzen vorzunehmen. Das könnte generell zu einem systematischeren Ankunftsgeschehen führen, hätte aber dann entsprechend
eben auch Auswirkungen auf das, wofür wir hier in Thüringen noch zuständig sind. Ein angemessener EUAußengrenzenschutz ist aus unserer Sicht auch mehr wert als stichprobenartige Grenzkontrollen innerhalb der EU, wie sie aktuell durchgeführt werden.