Das, was wir hier problematisieren, ist das, was Sie als Möchtegern-Herrenmenschen wollen. Ehrbare Bürgerinnen und Bürger, die seit Jahrzehnten unsere Nachbarn und Freundinnen sind, die unentbehrliche
Stützen unseres Landes in vielen wichtigen Bereichen geworden sind, die wollen Sie aus dem Land jagen. Eine Frau Muhsal aber, die den letzten Landtag betrogen hat, die wollen Sie in den nächsten Landtag wieder zurückholen. Warum? Wegen ihrer langen blonden Haare?
Wir danken hier von Herzen allen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, die wissen, was Anstand ist und was er gebietet. Sie wissen es nicht, Sie kennen nur Hetze und Habgier.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher, ich danke zunächst der SPD-Fraktion für die heutige Aktuelle Stunde – ein hochaktuelles, ein brisantes und auch sehr sensibles Thema, was öffentlich diskutiert gehört. Ich selbst – und ich hoffe, auch die deutliche Mehrheit hier im Hohen Haus – war schockiert von der Konkretheit, von der Umfänglichkeit und auch von der Radikalität der menschenverachtenden Vorstellungen, die im sogenannten Potsdamer Treffen – es ist ja mehrfach schon erwähnt worden – zwischen Vertretern der extremen Rechten ausgetauscht wurden.
Heute ist bekannt geworden, dass es ein ähnliches Treffen bereits zwei Wochen vorher gab – der „Bayerische Rundfunk“ ist damit eben online gegangen –, und zwar in Dasing. Solche Treffen erinnern gerade vor dem Hintergrund des Holocaust-Gedenktags am vergangenen Samstag an die schlimmsten Zeiten deutscher Geschichte, die NS-Zeit, die uns alle in die Pflicht nimmt, und die Hitler-Zeit, die man eben nicht, wie Alexander Gauland bereits vor sechs Jahren – also in 2018 – in widerlicher Entgleisung relativierte, als – Zitat – „Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ so einfach wegwischen kann.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir alle tragen Verantwortung für dieses außerordentlich schwere und auch belastende Erbe. Aber dieser Verantwortung müssen wir uns stellen. Deswegen macht es mich fassungslos, es ist ja geradezu absurd, wenn Herr Höcke – und ich blicke bewusst auch hier weit zurück, es kam ja nicht von ungefähr, eben 2018, jetzt bei Herrn Höcke 2017 – in seiner sogenannten Dresdner Rede seinen Zuhörern zurief – ich zitiere –: „Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad.“ Und da sage ich: Nein, genau das brauchen wir eben nicht.
Mit dem Gedenken an den Holocaust ist die Aufforderung verbunden, Antisemitismus und Rassismus entschieden entgegenzutreten, und gerade jetzt braucht es noch mehr Engagement der Gesellschaft. Es geht nicht nur um das Wachhalten – das haben wir jetzt jahrelang gesagt –, inzwischen geht es wirklich auch um das Wachrütteln. Aber die vielen Demonstrationen in den letzten Tagen in ganz Deutschland, in Thüringen, in Pößneck, aber auch bei uns in Eisenach machen mich zuversichtlich, dass es doch noch etwas Gemeinsames, auch etwas Verbindendes gibt, das uns über alle Parteigrenzen und Parteiinteressen hinweg zusammenhalten lässt.
In Eisenach übrigens wieder an diesem Sonntag, 14.00 Uhr, mit dem passenden Motto heute zur Aktuellen Stunde „Nie wieder ist jetzt“, und auch ich werde dort meinen Redebeitrag halten.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, meine feste Überzeugung sagt mir, dass wir unser Land nicht engstirnigen Miesmachern und auch nicht Menschenfeinden überlassen dürfen, denn eines ist klar: Isolation und Ausgrenzung bringen unser Land nicht voran, sondern führen uns in den Abgrund.
Lassen Sie mich abschließend noch mal deutlich wiederholen und zusammenfassen. Aus unserer Geschichte erwächst eine Verantwortung, eine Verantwortung für die Gegenwart. Wir alle sind verantwortlich dafür, dass nicht noch einmal die Demokratie zum Spielball ihrer Gegner wird und wir dürfen uns auch nicht hineintreiben lassen in Feindschaft und Hass gegen andere Menschen. Ich glaube, das ist auch die Botschaft gewesen der Vorredner, auch bei der Aktuellen Stunde am frühen Nachmittag und wir müssen wieder lernen, miteinander zu leben und nicht gegeneinander. Ich komme damit zum Ende meiner Rede.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, gerade hier im Hohen Haus, unsere Demokratie ist ein zartes Pflänzchen. Sie ist angreifbar, sie ist verletzlich, und deswegen müssen wir sie bewahren und schützen. Im Vorfeld der Aktuellen Stunde habe ich mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde, Prof. Dr. Reinhard Schramm, gesprochen. Ich habe ihn gefragt: Lieber Reinhard, wie siehst Du das denn? Wie nimmst Du denn die aktuelle Situation wahr? Wie bewertest Du diese? Hier tut sich doch irgendwas. Was sind Deine Gefühle? Und ich habe ihn gefragt, welche Botschaft er gern mit auf den Weg geben würde. Er hat mir dann folgendes Zitat übersandt, das will ich hier vortragen: Einzig der Appell „Nie wieder!“ der überlebenden Opfer forderte, künftig erneute Unmenschlichkeit zu verhindern. Das bedeutet im Wahljahr 2024 alle Stimmen den demokratischen Parteien. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, wir haben heute schon viel zu dem unsäglichen Begriff Remigration versus Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gehört. Viele von Politikern verwendete Redewendungen werden irgendwann entweder zum geflügelten Wort oder zu inhaltsleeren Phrasen. Aber das viel beschworene „Nie wieder!“, das darf nicht zur Floskel werden.
Ich möchte an dieser Stelle an ein Ereignis erinnern, das mir persönlich immer wieder nicht nur vor Augen führt, was „Nie wieder!“ bedeutet, sondern was das Verwehren von Asyl bedeutet kann. Manch einem von Ihnen ist vielleicht die Irrfahrt der St. Louis ein Begriff. Im Mai 1939 brach das Passierschiff St. Louis vom Hamburger Hafen aus nach Kuba auf. An Bord waren 937 nahezu ausnahmslos deutsche Juden. Sie wollten ein halbes Jahr nach der Reichspogromnacht vor den Nationalsozialisten flüchten. Die Passagiere hatten Touristenvisa für Kuba, um von dort in die USA weiterzureisen. Jedoch wurde der St. Louis die Anlegeerlaubnis verweigert. Lediglich 29 Personen durften von Bord gehen. Im Hafen hatten vielfach bereits Familienangehörige gewartet. Das Schiff versuchte danach, in den USA und in Kanada anzulegen. Auch dort wurden sie abgewiesen. In den USA waren 1940 Präsidentschaftswahlen und Roosevelts Entscheidung, das
Schiff nicht anlegen zu lassen, wird oft damit in Zusammenhang gebracht. Im Juni 1939 musste das Schiff nach Europa zurückkehren, woran auch eine Meuterei auf dem Schiff nichts änderte. Der Kapitän wollte sogar eine Havarie vor der englischen Küste vortäuschen, um die Passagiere zu retten. Schließlich durfte das Schiff in Antwerpen anlegen und Belgien, die Niederlande, Frankreich und Großbritannien nahmen die Passagiere auf. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs fielen dann doch 254 der Passagiere der St. Louis dem Holocaust zum Opfer. Weitere 80 starben, als das Schiff, mit dem sie von England aus in Internierungscamps in Kanada gebracht werden sollten, von einem deutschen U-Boot versenkt wurde.
Diese Geschichte, meine Damen und Herren, erinnert mich nicht nur daran, was „Nie wieder!“ bedeutet. Sie hat auch Eingang in die Entwicklung der Genfer Flüchtlingskonvention 1951 gefunden. Und damit sind wir bei der Gegenwart. Wir müssen bei den Remigrationsfantasien gegenhalten, die Werte unserer Demokratie vehement verteidigen. Wir müssen den Menschen klarmachen, dass unsere Freiheit und unsere Rechte kein Selbstverständnis sind, sondern hart erkämpft wurden. Unsere Geschichte lehrt uns, dass der Weg zu einer funktionierenden Demokratie steinig ist und dass wir immer wieder für unsere Werte arbeiten müssen. Es ist unsere Aufgabe, diese Werte und Errungenschaften zu schützen und weiterzuentwickeln.
Meine Damen und Herren, derzeit erleben wir, wie mit dem perfiden Begriff der Remigration versucht wird, ein dunkles Süppchen zu kochen. Und, meine Damen und Herren, wir haben es heute wieder erlebt, Sprache ist verräterisch. Doch es reicht eben halt nicht nur aus, gegen etwas zu sein, wir müssen auch für etwas stehen. Wir müssen den Menschen zeigen, dass die Grundprinzipien unserer Demokratie ihnen ein besseres Leben ermöglichen.
Nur so können wir diejenigen erreichen, die bisher von unserer Gesellschaft abgehängt wurden und offen für extremistische Ideen sind. Und wir müssen selbstverständlich auch die ganze Problematik der Einwanderung, die ganze Problematik des Asyls beherzt ordnen, menschlich ordnen, aber so, dass es funktioniert. Dazu sehe ich die neue Gesetzgebung im Bund auf einem guten Weg. Es ist jedenfalls alles besser als das Geschwätz von Remigration. Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, meine Position zur AfD und ihren Plänen habe ich in der anderen Aktuellen Stunde ausreichend dargelegt. Ich will ganz herzlich auch noch mal die „Omas gegen Rechts“, die hier teilweise noch auf der Tribüne sitzen, begrüßen. Schön, dass ihr da seid.
Deswegen will ich eigentlich lieber über das reden, was nach der Correctiv-Recherche passiert ist. Die AfD und auch ihre Wählerschaft versuchen das ja gerade mit einem Shitstorm – also das ist ja wirklich unfassbar, was da gerade in den Social-Media-Kanälen abgeht – kleinzureden. Sie müssen ein Haufen Kohle für diese Trolle übrighaben. Es ist wirklich faszinierend.
Einen schönen Gruß an die Leute, die in den Telegram-Kanälen sozusagen da die Sachen reinbasteln. Es wird irgendwann langweilig, wenn es nur noch ge-copied-and-pasted wird und man das über Social Media reingespült bekommt. Der Versuch sozusagen, das noch mal zu erklären, warum das alles gar nicht so schlimm ist, was Sie da vorhaben.
Das Bemerkenswerte daran ist, dass der AfD anscheinend so ein bisschen der Popo auf Grundeis geht. Das ist, glaube ich, den Menschen zu verdanken, die die letzten Wochen auf der Straße waren, und die, glaube ich, die AfD noch mal auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben bei der Frage, wie viele sie denn eigentlich sind und wo denn eigentlich die anderen stehen, die vielleicht in den letzten Jahren und Monaten zu leise waren, sprachlos waren, nicht die Instrumente dafür hatten, tatsächlich auf die Straße zu gehen.
Ich bin Herrn Walk und auch Herrn Bergner sehr dankbar, denn das ist auch das, was mich sehr bewegte in den letzten Wochen, dass da auf der Straße ganz viele sind und dass auch Sie als CDU-Abgeordnete – der Kollege Bühl war gestern auch in Ilmenau mit dabei – ohne groß mit der Wimper zu zucken sagen, natürlich laufen wir da mit. Ich glaube, das ist ja die Stärke dieser Bündnisse, dass sie breit aufgestellt sind, und die Stärke ist auch, dass die Leute da nicht nur sagen, was sie nicht gut finden. Das ist nämlich nicht so. Auf diesen Demonstrationen wird sehr differenziert darüber gesprochen, was die Menschen von uns als Politikerinnen und Politiker erwarten, aber auch, was sie von der Gesellschaft erwarten.
Und da sind natürlich die Menschen, die Katharina König-Preuss vorhin angesprochen hat, die Angst haben, denen wir aus meiner Sicht das Gefühl geben müssen und wo wir dafür sorgen müssen, dass sie sich wieder sicher fühlen. Das ist unsere Aufgabe für diese Gruppe von Menschen. Da sind aber auch Menschen, die zum Beispiel schon 1989 auf der Straße waren und die sagen: Ich hätte nie gedacht, dass ich mal wieder auf so eine Demonstration gehen muss. Da findet auch eine Repolitisierung statt von einigen, die sagen: Ich muss doch jetzt was machen, das kann ich doch so nicht stehen lassen. Ich glaube, auch diesen Menschen müssen wir ein Angebot machen und mit ihnen ins Gespräch kommen.
Was aber auf allen Demonstrationen gefordert wurde, war – auch an die demokratischen Parteien –, ihr müsst bessere Politik machen.
Ich glaube, das sollten wir uns alle ins Stammbuch schreiben: bessere Politik zu machen. Ich glaube, da geht es vor allen Dingen darum, angemessen auf die Krisen zu reagieren, besser zu kommunizieren, und vor allen Dingen, tatsächlich auch konsistenter Politik zu machen. Ich finde, das sollten wir uns zu Herzen nehmen.
Und die letzte Forderung, die immer aufgemacht wird, ist: Sorgt dafür, dass diese Gesellschaft zusammenhält. Die Leute haben eine klare Forderung nach der Unterstützung des Zusammenhalts. Zusammenhalt hört sich jetzt erst mal an wie eine Wortblase, aber Zusammenhalt ist natürlich auch konkrete Politik, also die Frage, spielen wir Menschengruppen gegeneinander aus, indem wir sagen, denen geben wir Geld, und dann sagen wir den anderen, ja, sorry, wir haben denen schon Geld gegeben, deswegen bekommt ihr keines mehr. Oder schauen wir, dass wir tatsächlich in dieser Gesellschaft finanzielle Mittel umverteilen, reden wir darüber, dass wir tatsächlich aktiv die Schuldenbremse angehen und uns die Frage stellen, ob das
Sinn ergibt, und gucken wir, dass Menschen tatsächlich sich gerecht behandelt fühlen in dieser Gesellschaft. Das heißt also, Zusammenhalt zu organisieren, ist etwas ziemlich Konkretes und ich verstehe das als Auftrag auch an die demokratischen Parteien.
Was wir auch als Auftrag bekommen, ist, zu sagen, dreht den extremen Rechten endlich den Geldhahn zu. Guckt, dass die nicht finanziert werden, und – der Auftrag ist auch klar an die Innenministerien, an den Verfassungsschutz – prüft ein AfD-Verbotsverfahren, sorgt dafür, dass so was im Ernstfall erfolgreich ist. Auch das, finde ich, ist ein wichtiger Auftrag, den wir von den Demonstrationen mitnehmen müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will mich herzlich bedanken bei allen, die in den letzten Tagen auf der Straße waren. Lasst uns das in tatsächliche Solidarität übersetzen in den nächsten Wochen. Vielen Dank.