Guten Morgen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich heiße Sie herzlich willkommen zur heutigen Satzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne.
Ich begrüße die Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung, die Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne, die Vertreterinnen und Vertreter der Medien sowie die Zuschauerinnen und Zuschauer am Internet-Livestream.
Wie Sie sehen, die Blümchen stehen vor dem Herrn Innenminister Maier, er hat heute Geburtstag. Ganz, ganz herzlichen Glückwunsch, bleiben Sie gesund!
Heute hat im Übrigen auch unser Kollege Heyer Geburtstag, der immer dafür sorgt, dass hier auch alles sorgfältig läuft. Gratulation!
Wir begrüßen ganz herzlich die erste Gruppe auch des Girls‘ und Boys‘ Days heute hier auf der Tribüne. Herzlich willkommen hier im Thüringer Landtag!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit der Schriftführung sind zu Beginn der heutigen Sitzung Herr Abgeordneter Liebscher und Herr Abgeordneter Urbach betraut.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Emde, Herr Abgeordneter Henkel, Herr Abgeordneter Hey, Frau Abgeordnete Kniese, Herr Abgeordneter Olaf Müller, Herr Abgeordneter Rudy, Frau Ministerin Denstädt und Frau Ministerin Werner zeitweise.
Die Hinweise zur Tagesordnung: Bei der gestrigen Feststellung der Tagesordnung wurden folgende Übereinkünfte für die heutige Plenarsitzung erzielt: Der Tagesordnungspunkt 1 soll heute als erster Punkt aufgerufen werden. Die Wahlen zu den Tagesordnungspunkten 49 bis 53 sollen heute nach der Mittagspause aufgerufen werden. Daran schließen sich die Fragestunde und die Bekanntgabe der Wahlergebnisse an. Die Tagesordnungspunkte 6 und 42 sollen in dieser Reihenfolge im Anschluss an die Bekanntgabe der Wahlergebnisse aufgerufen werden.
Zur Orientierung möchte ich noch auf die Festlegung für die morgige Plenarsitzung zu sprechen kommen: Die Wahlen zu den Tagesordnungspunkten 44 und 48 sollen als erste Punkte aufgerufen werden.
Die Tagesordnungspunkte 1 a bis 1 g sollen als zweite Punkte aufgerufen werden. Zu diesen Tagesordnungspunkten wird die zweite und gegebenenfalls die dritte Beratung durchgeführt, sofern die Gesetzentwürfe nicht an einen Ausschuss überwiesen werden.
Der Tagesordnungspunkt 41 soll für den Fall von Wahlwiederholungen nach der Bekanntgabe dieser Wahlergebnisse aufgerufen werden. Sollte es nicht zu Wahlwiederholungen kommen, würde dieser Punkt nach der Fragestunde aufgerufen werden.
Elektronisch bereitgestellt bzw. verteilt wurden zu den Tagesordnungspunkten 1 a bis 1 g ein Änderungsantrag der Parlamentarischen Gruppe der FDP mit der Drucksachennummer 7/9948, zu Tagesordnungspunkt 6 ein Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 7/9946 und zu Tagesordnungspunkt 21 eine Neufassung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 7/9871.
Gibt es Bemerkungen zur Tagesordnung? Wird widersprochen? Das, sehe ich, ist nicht der Fall. Dann verfahren wir entsprechend der Tagesordnung.
Regierungserklärung zum Thüringen-Monitor 2023 dazu: Gutachten „Politische Kultur und Arbeitswelt in Zeiten von Polykrise und Fachkräftemangel (Ergebnisse des Thüringen-Moni- tors 2023) “ Unterrichtung durch die Landesregierung - Drucksache 7/9852 -
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer im Netz, aber auch auf der Tribüne, zum 23. Mal ist der Thüringen-Monitor erschienen und es ist die längste Regionalstudie in Deutschland, die quasi eine Tiefenbohrung des politischen Bewusstseins der Thüringerinnen und Thüringer ist.
Zur Erinnerung noch mal: Entstanden ist der Thüringen-Monitor als Resultat, Schlussfolgerung aus einem rechtsextremen Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge im Jahr 2000 und neben den strafrechtlichen Ermittlungen, neben dem Bemühen, sich mit dieser Form von rechtem Terror auseinanderzusetzen, war eine Konsequenz der seinerzeitigen Landesregierung die richtige politische Entscheidung, dass solche Taten nicht von sich aus spontan entstehen, sondern dass es dafür Ursachen geben muss und dass diese Ursachen in einem bestimmten Bewusstsein sind und dass es wichtig ist, sich mit diesem Bewusstsein, dem Entstehen entsprechender Positionierungen auseinanderzusetzen, aber auch insgesamt regelmäßig die Frage zu stellen, was empfinden, wie denken Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Thüringen über gesellschaftliche Entwicklungen.
Der Thüringen-Monitor setzt unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte. Ich werde in meiner Rede darauf eingehen.
Steffen Mau, Dirk Oschmann, Jana Hensel sind Ihnen bekannt, ich will auch die drei nur nennen, weil sie in den vergangenen Jahren dazu beigetragen haben, das vorherrschende Bild von „dem Osten“ infrage zu stellen, Klischees zu problematisieren, Empirie gegen Vorurteile zu formulieren. Der Thüringen-Monitor, der nicht nur eine Quelle für die drei von mir genannten Autorinnen und Autoren ist, der bietet seit knapp
einem Vierteljahrhundert unverzichtbare Daten für eine rationale, für eine empirisch untersetzte Debatte. Das heißt also, er ist keine Vermutungswissenschaft, sondern er ist eine faktenbasierte wissenschaftliche Positionierung. Ich spreche sicher im Rahmen der Mehrheit dieses Hauses, wenn ich den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Frau Prof. Dr. Reiser von der Universität Jena und denjenigen Thüringerinnen und Thüringern danke, die auch in diesem Jahr zur Tiefenbohrung, wie ich das bereits bezeichnet habe, in das demokratische Bewusstsein in unserem Freistaat beigetragen haben.
Wir diskutieren den Thüringen-Monitor im Thüringer Landtag in jedem Jahr, auch in jedem Jahr in einer Regierungserklärung. Das heißt also, ein Mitglied der Regierung, der Ministerpräsident oder ein anderes Mitglied der Regierung, spricht und trägt vor und dann reagieren die Fraktionen und parlamentarischen Gruppen in diesem Haus darauf. Doch diesmal diskutieren wir einen Thüringen-Monitor ein halbes Jahr vor der Landtagswahl, die am 1. September stattfindet, und die Versuchung ist natürlich besonders groß, die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Untersuchung zum Gegenstand eines Schlagabtauschs zu machen zwischen der Regierungskoalition auf der einen Seite und der Opposition auf der anderen Seite und jeweils die Daten herauszupicken und in Aussagen zu übersetzen, die für die eigene Positionierung am besten geeignet sind. Aber für derlei wahlpolitische Auseinandersetzung, die wichtig ist – wahlpolitische Auseinandersetzungen führen dazu, dass Positionen auch zugespitzt werden, dass demokratische Parteien in Austausch miteinander treten, um das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern bitten –, aber für wahlpolitische Auseinandersetzungen wurde der Thüringen-Monitor nicht konzipiert. Er ist ein Meinungsbarometer, er ist kein Steinbruch tagespolitischer Rhetorik. Und durch kontinuierliche jährliche Betrachtung soll Handlungsbedarf im gesellschaftlichen Zusammenleben identifiziert werden und dieser Handlungsbedarf richtet sich eben nicht nur an ein Teil der politischen Akteurinnen und Akteure, also beispielsweise die Regierung, sondern an alle diejenigen, die im Land Verantwortung übernehmen – in der kleinsten Gemeinde, auf Kreisebene oder eben auch auf der Landesebene. Und im besten Fall sollen parteiübergreifend nach gemeinsamer Reflexion und Analyse auf einer wissenschaftlichen Basis eben Handlungsbedarfe und Lösungen identifiziert werden.
unter dem Schutz der Anonymität einer solchen Befragung auch Positionen geäußert werden können, die außerhalb des etablierten Diskurses sind, die auch außerhalb des Grundgesetzes stehen können. Das war früher möglicherweise noch mal eine stärkere Besonderheit, als es heute ist. Warum? Weil man ja durchaus einwenden kann, dass es die Anonymität einer solchen Befragung nicht mehr braucht, um Positionen zu äußern, die außerhalb des Grundgesetzes und außerhalb des öffentlichen Diskurses stehen. Also man muss nur einen Blick in die sozialen Netzwerke werfen, die voll sind von Hass und Hetze, um zu wissen, dass es einen großen Raum der Möglichkeit gibt, sich mit Position außerhalb des etablierten Diskurses, außerhalb des demokratischen Diskurses, außerhalb der Normen und Werte des Grundgesetzes zu bewegen. Aber anders als in den selbstreferenziellen, von Algorithmen gesteuerten Social-Media-Filterblasen ordnet der Thüringen-Monitor diese Positionen und Auffassungen ein, er systematisiert sie und er relativiert beispielsweise die vermeintliche Übermacht demokratieabstinenter Haltungen.
Ich bin ganz froh, dass es Institutionen wie beispielsweise die Landesmedienanstalt gibt, die heute mitgeteilt hat, dass sie an Schulen zunächst als Pilotversuch und dann aber übergreifend durch Medienkompetenz und den Umgang gerade mit Fragen von Fake News, Hass, Hetze etc. versucht, dem aufklärerisch entgegenzuwirken. Wir haben gestern den Fünften Medienänderungsstaatsvertrag verhandelt, der – auf einen Satz gebracht – im Kern dafür Sorge trägt, dass das, was offline verboten ist, nicht online ermöglicht wird.
In der öffentlichen Rezeption, also in der öffentlichen Widerspiegelung des Thüringen-Monitors, gibt es aber die Neigung, den Thüringen-Monitor jedes Jahr nur für sich zu betrachten. Das ist aber schwierig für eine Langzeitstudie, die nun zum 23. Mal erscheint. Denn es ist ja wichtig, langfristige Trends in den Blick zu nehmen und sie nicht aus dem Blick zu verlieren, wichtige Erkenntnisse früherer Jahre einzuordnen, die sich natürlich auch relativieren können, aber nicht zwingend müssen. Wir sollten unser Augenmerk deshalb sowohl auf die feststellbaren, zum Teil signifikanten Veränderungen gegenüber früheren Umfragen als auch auf die konstant gebliebenen Werte richten und daraus Schlussfolgerungen ziehen. Die politische Vernunft verbietet allzu schnelle, allzu selbstgewisse Deutungsversuche gegenüber dem Thüringen-Monitor. Niemand in diesem Hause verfügt über die alleinige Wahrheit, sondern es ist möglicherweise die Debatte um den Thüringen-Monitor gerade der Orte, in denen man klassischerweise sozusagen fast in Habermas‘scher Diskurstheorie sagen kann, der zwanglose Zwang des besseren Arguments könnte in dieser Debatte möglicherweise Gegenstand unseres Austauschs sein.
Sehr geehrte Damen und Herren, die R+V-Studie „Die Ängste der Deutschen“ hat im Februar dieses Jahres ermittelt, dass zwei Drittel der Menschen im Land eine Spaltung der Gesellschaft fürchten. Das steht übrigens durchaus in einem Kontext zu einer anderen Befragung, in der deutlich geworden ist, dass mehr als die Hälfte aktiv Nachrichten vermeidet einfach aus diesem Gefühl heraus, ich kann nicht noch mehr schlechte Nachrichten irgendwie filtern und damit irgendwie umgehen. Aber zwei Drittel, wie gesagt, der Menschen im Land fürchten eine Spaltung der Gesellschaft und diese Sorge ist gegenüber dem Sommer 2023, als das das erste Mal erhoben worden ist, um 16 Prozent gestiegen, also 16 Prozentpunkte mehr im Vergleich zum vergangenen Sommer im Februar dieses Jahres. Und in Ostdeutschland ist die Sorge mit 69 Prozent sogar noch höher als im Bundesdurchschnitt und ausgeprägter als im Westen.
Die Ratgeber, wie Ängste überwunden werden können – man muss nur einen Blick in das Internet werfen –, sind unzählig. Aber weitgehend einig sind sich alle Ratgeber, die – sagen wir mal – guten und die sich gut verkaufenden, dass auf positive Erfahrungen zurückzugreifen und Visionen lebendig zu halten, zwei unverzichtbare Elemente für den Umgang mit Angst sind. Und wenn wir das zugrunde legen, wenn wir mal auf positive Erfahrungen zurückgreifen, Visionen in den Mittelpunkt stellen, dann können wir festhalten, dass sich gut 90 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer mit ihrer Gemeinde, ihrer Region und dem Freistaat verbunden fühlen. Darauf haben wir im vergangenen Jahr im Thüringen-Monitor auch hingewiesen. Diese Werte aus dem Thüringen-Monitor 2022 entsprachen übrigens auch denen, die bereits 2012 und 2018 gemessen wurden. Und mehr noch: Je stärker sich die Thüringerinnen und Thüringer mit der Heimatgemeinde verbunden fühlen, desto stärker ist auch ihre emotionale Bindung an die Region und an das Land, aber eben auch umgekehrt.
Und diese Heimatverbundenheit hat eine praktische Wirkung – viele von Ihnen werden das wissen –: Ein großer Teil von ihnen, auch derjenigen, die auf der Besuchertribüne oder im Netz möglicherweise zuhören, sind Teil des ehrenamtlichen Engagements in unserem Land. Wir haben 2,1 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner und 840.000 Thüringerinnen und Thüringer, die sich freiwillig engagieren. Dieses freiwillige Engagement bringt Menschen zusammen und es schafft Orte des Gemeinsinns. Und dieser Gemeinsinn, dieses Engagement, diese Heimatverbundenheit im besten Sinne des Wortes, das sind unsere positiven Erfahrungen, das sind die Visionen, auf denen wir aufbauen können. Sie versetzen uns hier in Thüringen in die Lage, statt in Ängsten zu erstarren, Hoffnung zu haben und eben auch Gutes zu tun.
Der Soziologe Heinz Bude, der vor ein paar Jahren ein ausgesprochen lesenswertes Buch über die „Gesellschaft der Angst“ formuliert hat, der schreibt in diesem Buch im ersten Kapitel: „Freie Menschen sollen
keine Angst vor der Angst haben, weil es ihre Selbstbestimmung kosten kann. Wer von Angst getrieben ist, vermeidet das Unangenehme, verleugnet das Wirkliche und verpasst das Mögliche. Angst macht die Menschen abhängig von Verführern, Betreuern und Spielern. Angst führt zur Tyrannei der Mehrheit, weil alle mit den Wölfen heulen“. Und Bude verweist dann auch auf Präsident Roosevelt, US-amerikanischer Präsident in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert, der der den New Deal auf den Weg gebracht hat – ein großes Reformprogramm in den Vereinigten Staaten. Dieser New Deal beruhte auf der Überzeugung, dem Gefühl der Angst die Überzeugung von Hoffnung und den Mut einer fortschrittlichen Idee entgegenzusetzen. Darum muss es uns gemeinsam gehen. Darum sollte es uns auch gemeinsam gehen, wenn wir über Thüringens Gegenwart und über Thüringens Zukunft streiten.
Herren, dass wir feststellen – wie wir das auch in den vergangenen Jahren an der einen oder anderen Stelle schon gemacht haben –, dass die Nachwendezeit ein Stück weit zu Ende ist, dass wir aus dieser Nachwendezeit herausgetreten sind. Das heißt übrigens nicht, dass die Herausforderungen weniger geworden sind, ganz im Gegenteil: Der nächste Wandel hat schon wieder begonnen. Aber was uns Hoffnung gibt, ist die Feststellung, dass das Fundament, auf dem wir stehen, heute ein völlig anderes ist, als Anfang der 90er-Jahre.
Dieses Fundament, auf dem wir heute stehen, hat eben nur noch wenig mit der früheren Zeit gemeinsam. Wir stehen als Thüringen gut da, wir brauchen den Vergleich mit anderen Regionen nicht zu scheuen. Der ostdeutsche industrielle Sektor wächst seit Mitte der 90er-Jahre überdurchschnittlich rasch. Knapp ein Viertel der Bruttowertschöpfung im Freistaat Thüringen wird in der industriellen Produktion erarbeitet. 81 Industriearbeitsplätze je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner – damit liegen wir über dem Bundesdurchschnitt, damit liegen wir vor den anderen ostdeutschen Ländern.
Und ja – wir wissen es alle, vor Kurzem hat das Landesamt für Statistik die neuen Zahlen veröffentlicht: Wir haben in den vergangenen 30 Jahren gut eine halbe Million Einwohnerinnen und Einwohner verloren. Die Bevölkerungsentwicklung zeigt, dass wir an einem bestimmten Punkt unter die 2-Millionen-Grenze rutschen werden. Aber was wir festhalten können, ist, dass trotz der Tatsache, dass unsere Bevölkerung um eine halbe Million Menschen quasi abgeschmolzen ist, die Zahl der Erwerbstätigen in den vergangen zehn Jahren stabil bei knapp über 1 Million geblieben ist. Weil wir uns oft eben auch messen mit anderen Regionen – Schweden gilt europaweit als der Musterschüler bei der Erwerbstätigenquote von Frauen. Thüringen liegt darüber, Thüringen muss sich nicht verstecken.
Insofern kann man auch festhalten, sehr geehrte Damen und Herren, dass Thüringen in den vergangenen zehn Jahren entgegen der demografischen Laufrichtung gewachsen ist. Daran wollen wir festhalten, darauf muss unser gemeinsames Bemühen – von allen, die um Vertrauen werben – ausgerichtet sein. Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass es natürlich erhebliche Probleme weiterhin gibt, gerade auf dem Arbeitsmarkt. Das sind – auf den Punkt gebracht – niedrige Löhne und eine hohe Arbeitsbelastung. Niedrige Löhne und eine hohe Arbeitsbelastung tragen gerade in strukturschwachen Regionen zu einem bestehenden tief empfundenen Unsicherheitsgefühl von Bürgerinnen und Bürgern bei. Sie sind – um noch mal auf den Begriff der Angst zurückzukommen – auch ein Aspekt, der – wie man es heute sagt – Ängste triggert.
Dem widmet sich der diesjährige Thüringen-Monitor – die Präsidentin hat das beim Aufruf des Tagesordnungspunkts benannt – in dem Schwerpunkt „Politische Kultur und Arbeitswelt in Zeiten von Polykrise“, also einer Mehrfachkrise, „und Fachkräftemangel“. Die Lohnunterschiede zwischen West und Ost sind weiterhin
eine Generation nach der Friedlichen Revolution – ebenso beträchtlich, wie sie auch ungerecht sind. Mehr als 22 Prozent betrugen sie im Jahr 2021 insgesamt. In manchen Branchen, wie der Textil- oder der Automobilindustrie, sind die Unterschiede zwischen Ost und West bei den Löhnen signifikant höher als diese 22 Prozent. Es gibt immer noch einen relevanten Teil der Ostdeutschen in der Privatindustrie, die gar kein oder weniger Weihnachtsgeld bekommen als in den westlichen Bundesländern.
Der Thüringen-Monitor hält bezogen auf die Arbeitszeit fest: Insgesamt arbeiten die Thüringerinnen und Thüringer durchschnittlich 30 Minuten pro Woche länger als in Westdeutschland, erhalten dafür aber 600 Euro weniger als im Bundesdurchschnitt. Das muss sich ändern, denn 56 Prozent der Beschäftigten hier in Thüringen empfinden laut Befragung im Thüringen-Monitor ihr Gehalt als nicht leistungsgerecht, und knapp die Hälfte – nämlich 45 Prozent – als nicht ausreichend. Zwar richtet sich knapp die Hälfte der Thüringer Unternehmen am jeweiligen Branchentarif aus, aber nur 21 Prozent der Thüringer Unternehmen haben einen Tarifvertrag.