Aber auch im Internet treten Reichsbürger immer stärker in Erscheinung, so mit einem sogenannten Global Common Law Court, einer Art Phantasiegericht für privatrechtliche Streitigkeiten oder einem Verzeichnis „Global Public Register Offenders Debtors“, in dem mehrere Tausend Vor- und Familiennamen von Justizmitarbeitern unter dem Vorwurf veröffentlicht wurden, sie würden unrechtmäßig Justiz betreiben. In diesem Zusammenhang sei auch auf ein sogenanntes Bundesstrafregister hingewiesen, in dem allgemein zugängliche Steckbriefe veröffentlicht sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Reichsbürger treten in der Regel dann in Erscheinung, wenn behördliches Handeln sichtbar wird, indem sie von Verwaltungsakten betroffen sind und sich diesen Maßnahmen entziehen möchten. In Thüringen gab es bislang glücklicherweise nur wenige Fälle von Gewaltanwendungen gegenüber Richtern, Polizisten, Justizbediensteten bzw. Angehörigen der Ordnungsbehörden. Zahlreiche Amtswalter, Ordnungsämter, Gerichte und Polizeibeamte werden allerdings nicht nur mit seitenlangen Schreiben malträtiert, sondern es kam in Gerichtssälen auch zu Handgreiflichkeiten.
Die Parlamentarische Kontrollkommission hat sich regelmäßig mittels statistischen Materials über das Personenmaterial informieren lassen. Das Vorgehen der Behörden gegenüber sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern wurde zunehmend
repressiver, sei es bei den Zuverlässigkeitsüberprüfungen im Rahmen der Erteilung bzw. dem Entzug von Waffenbesitzerlaubnissen, Durchsuchungsmaßnahmen, der Erhebung von Gebühren für die Verwahrung amtlicher Dokumente wie Personalausweisen oder Reisepässen und der öffentlichen Kommunikation. Da von dieser Personengruppe tatsächliche reale Gefahren ausgehen, ist es notwendig, dass das Amt für Verfassungsschutz seine Kenntnisse bei der Erteilung bzw. dem Entzug von Waffenbesitzerlaubnissen bei entsprechenden Widerspruchsverfahren zur Verfügung stellt, ebenso wie im Vorfeld von Vollstreckungsmaßnahmen von Gerichtsvollziehern und Vollstreckungsbeamten.
Mit der Änderung des Waffengesetzes finden nun seit Februar dieses Jahres im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfungen Regelabfragen im Vorfeld der Erteilung von Waffenerlaubnissen bei den Verfassungsschutzbehörden statt. Dies war auch eine langjährige Forderung der Parlamentarischen Kontrollkommission. Die Regelabfragen sind richtig und waren längst überfällig. Leider fehlt beispielsweise im Bereich der Bundeswehrreservisten aber immer noch eine gesetzliche Grundlage zum Informationsaustausch mit den Reservistenverbänden.
Erkenntnisse zu Reichsbürgern und Selbstverwaltern werden durch das Amt für Verfassungsschutz derzeit für zwei Jahre gespeichert. Wenn sich also die betreffenden Personen innerhalb dieses Zeitraums nicht weiter als Reichsbürger betätigen, keine neuen Erkenntnisse gespeichert werden, werden die Informationen dann nach zwei Jahren gelöscht. Wir finden, es sollte überlegt werden, diese relativ kurze Speicherfrist zu erhöhen, beispielsweise auf fünf Jahre.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich mit dem Islamismus einen weiteren Phänomenbereich ansprechen. Die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität zeigt für den Phänomenbereich religiöse Ideologie für das Jahr 2019 20 Fälle auf. 2018 wurden noch 14 Fälle registriert und 2017 waren es 34. Bei den Gewaltdelikten wurden für 2019 zwei Fälle registriert, nachdem im Vorjahr kein und im Jahr 2017 vier solcher Fälle registriert wurden. Im gesamten Berichtszeitraum wurde die Lage mit weiterhin abstrakt hoher Gefährdungslage und jederzeit möglichen unkoordinierten Spontantaten von IS-Anhängern beschrieben. In Thüringen werden derzeit 186 Personen der islamistischen Szene zugeordnet, davon allein 135 Salafisten. 31 Personen werden der islamistischen nordkaukasischen Szene zugeordnet, weitere Personen sind als Anhänger der Tablighi Jamaat, der Deutschen Muslimischen Gemeinschaft, der Hizb Allah und der Hamas registriert.
Die Konflikte in Syrien und im Irak beeinflussen nach wie vor die Sicherheitslage auch hier bei uns in Deutschland, und dies sicher nicht zuletzt auch infolge der Tötung des IS-Anführers Abu Bakr alBaghdadi durch eine US-Militäraktion bei Idlib im Oktober 2019. Aber auch der anhaltende Konflikt zwischen den USA und dem Iran hat eine hohe Gewaltbereitschaft zur Folge, insbesondere auch aus emotionalisierten Einzeltaten heraus. Ebenso hat die Propaganda-Offensive des IS zum sogenannten Kinder-Dschihad gezeigt, dass die Gefahren, die von dieser Terrororganisation ausgehen, nach wie vor bestehen.
Daneben rückt die sogenannte nordkaukasische Islamistenszene – wir sprechen hier von dem Gebiet von Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan – in den Fokus der Beobachtung. Neben Delikten, die unzweifelhaft im Bereich der organisierten Kriminalität angesiedelt sind, bestehen auch Bezüge zum Islamismus. Deutschland ist nicht nur Kontakt- und Vernetzungsraum für den politischen Salafismus, sondern dient auch als Kontaktraum zu anderen Ethnien, insbesondere balkanstämmigen Extremisten. In Thüringen wird das Potenzial – ich erwähnte es – auf 31 Personen als Rückkehrer aus den Krisengebieten des Nahen und Mittleren Ostens grundsätzlich als kampferprobt eingeschätzt. Es ist davon auszugehen, dass ein Teil dieser Personen auch über die Flüchtlingsbewegung der letzten Jahre den Weg nach Deutschland gefunden hat. So existieren in Thüringen Einzelpersonen bzw. Kleinstgruppen auf regionaler Ebene.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Amt für Verfassungsschutz informierte in diesem Zusammenhang auch darüber, dass es zumindest in einem Fall möglich erscheint, das eine junge Frau aus Thüringen, die sich vor einigen Jahren dem IS angeschlossen hat und in den Nahen Osten ausgereist ist, möglicherweise nach Thüringen zurückkehren wird. Wir als Parlamentarische Kontrollkommission haben mehrfach gefordert, dass hier ein Konzept erstellt wird, wie mit solchen und anderen Rückkehrern umzugehen ist, um Gefahren, die von diesen Personen möglicherweise ausgehen, zu minimieren. Dieses Rückkehrkonzept wurde der Kommission Ende letzten Jahres vorgelegt und in diesem Rahmen war auch die Lage von in Thüringer Gefängnissen einsitzenden Islamisten Gegenstand der Beratungen. Radikalisierte Strafgefangene stellen auch nach Verbüßung ihrer Haftstrafe weiterhin eine Gefahr dar, sollte es nicht gelingen, sie während der Verbüßung ihrer Haftstrafe von ihrem Weg abzubringen. Gegenwärtig sitzt in Thüringen eine einstellige Zahl von Islamisten ein. Unter diesen befindet sich ein sogenannter Gefährder. Die Zahl klingt zunächst einmal überschaubar, jedoch geht
von jeder dieser Personen eine potenzielle Gefahr aus. Im Jahr 2020 wurde daher das Projekt zur Deradikalisierung neu ausgerichtet und firmiert seither unter der Bezeichnung „Kompetent ohne Hass und Gewalt“. Das Projekt richtet sich sowohl an radikalisierte und radikalisierungsgefährdete Gefangene als auch an die verantwortlichen Bediensteten der Justizvollzugsanstalten und der Sozialen Dienste in der Justiz. Wichtig ist es aus unserer Sicht, Radikalisierungsverläufe und ‑risiken zeitnah zu erkennen und sodann präventiv bzw. gegensteuernd tätig zu werden. Die Parlamentarische Kontrollkommission sieht die Gefahr, dass die erstrebten Ziele nicht erreicht werden und appelliert eindringlich an die Landesregierung, ihre Bemühungen zu intensivieren, um so Risiken und Gefährdungen zu minimieren.
In diesem Zusammenhang war für die Parlamentarische Kontrollkommission stets die Zahl der sogenannten Gefährder von besonderem Interesse, wenngleich dieser Begriff dem Gefahrenabwehrrecht entnommen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, insgesamt gibt es in Thüringen derzeit zehn etablierte Moscheevereine, von denen drei salafistisch beeinflusst werden. Ein Verein war deshalb bereits Gegenstand von polizeilichen Durchsuchungsmaßnahmen. Im Fokus der Beobachtung stehen jedoch nicht die Moscheevereine und Gebetsräume als solche – dies möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen –, sondern im Fokus stehen einzelne relevante Personen und Personengruppen, die islamistischen Organisationen zugerechnet werden.
Als eine islamistische Gruppierung ist die libanesische „Hizb Allah“ zu nennen, die Deutschland jedoch überwiegend als Rückzugsraum nutzt. Im Berichtszeitraum bestanden weiterhin Verbindungen des hiesigen schiitischen Vereins zu schiitischen Geistlichen im Iran und Libanon, was für eine Fortsetzung der Einflussnahme von Schiiten aus dem Ausland spricht.
Festzustellen war zudem, dass es in Thüringen keinen lokalen Hotspot islamistisch geprägter Örtlichkeiten gibt. Neben den größeren Thüringer Städten sind in nahezu allen Regionen des Freistaats entsprechende Einrichtungen etabliert.
In Thüringen fehlt es der islamistischen Szene derzeit an einer charismatischen Führungsfigur. Etablierte Strukturen gibt es kaum, lediglich lose Personennetzwerke oder autonom agierende Einzelpersonen. Der bundesweite Trend des Rückzugs ins Private und Konspirative ist auch in Thüringen zu beobachten. Aktivitäten sind somit kaum öffentlich wahrnehmbar. Zunehmend sind auch Verbindungen zwischen den Personengruppen der sala
fistischen Bestrebungen und der islamistisch nordkaukasischen Szene festzustellen. In Thüringen ist die salafistische Szene, welche die einflussreichste Strömung des islamistischen Spektrums in Thüringen darstellt, stark männlich geprägt. Sie stellt allerdings kein reines Jugendphänomen mehr dar, ist somit in allen Altersgruppen vorhanden. Zudem ist wegen langwieriger Asylverfahren ein erhöhtes Frustpotenzial im Bereich von jungen Asylbewerbern zu beobachten, was zur Folge haben kann, dass Kriminalität und die Hinwendung zu islamistischen Strukturen steigen. Etwa 12,2 Prozent der in Thüringen bekannten Salafisten haben einen Gewaltbezug. Die Verknüpfungen zur salafistischen Szene erstarken und die Verdachtsfälle der Radikalisierung sind mehrheitlich bei Personen mit Flüchtlingsstatus festzustellen. Dabei bestehen hier ein erhöhter Nachsorgebedarf und eine ressortübergreifende Kommunikation.
Für die Parlamentarische Kontrollkommission ist deshalb wichtig, dass unsere Sicherheitsbehörden konzeptionell gut aufgestellt sind, um im Falle von Rückkehrern aus den Krisen- und Kriegsgebieten diese unter Beobachtung zu halten, bei Anhaltspunkten für begangene Straftaten diese konsequent zu verfolgen, die Gefahren, die gegebenenfalls von diesen Personen ausgehen, zu minimieren und mittels sogenannter Nachsorgemaßahmen und eines ressortübergreifend abgestimmten Konzepts eine Deradikalisierung und Reintegration vorzunehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein weiterer Schwerpunkt der Beobachtungstätigkeit des Amts für Verfassungsschutz lag im Bereich des Ausländerextremismus. Die „Arbeiterpartei Kurdistans“ – kurz PKK – bildete dabei den Bearbeitungsschwerpunkt unter den ausländerextremistischen Gruppierungen und internationale Konflikte beeinflussten auch hier die Szene. So hatte die türkische Militäroffensive in Syrien bundesweit und auch in Thüringen eine Reihe von Großveranstaltungen und Solidaritätsbekundungen zur Folge. Demonstrationen und Solidaritätsbekundungen gegen die Militäroffensive würden für sich betrachtet die Nachrichtendienste natürlich nicht auf den Plan rufen, handelt es sich doch dabei zunächst um die Wahrnehmung des Demonstrations- und Meinungsfreiheitsrechts. Allerdings war feststellbar, dass es in diesem Zusammenhang zu anhaltenden Rekrutierungsmaßnahmen – auch mittels Videos – der in Deutschland seit dem Jahr 1993 mit einem Betätigungsverbot belegten PKK und zu Solidaritätsbekundungen für den seit dem Jahr 1999 inhaftierten Parteigründer Abdullah Öcalan gekommen ist. Jugendliche und junge Erwachsene sollen so in die Kriegs- und Krisengebiete in Syrien und den Irak
geschickt werden, um dort dann gegen den türkischen Staat zu kämpfen. Auch in Thüringen haben sich PKK-Strukturen etabliert. Diese PKK-Anhängerschaft umfasst etwa 130 Personen und bildet das sogenannte Teilgebiet Erfurt. Die PKK nutzt verschiedene Finanzierungsquellen, unter anderem zum Unterhalt der PKK-Strukturen und zur Finanzierung von Veranstaltungen. Die meisten Einnahmen werden dabei durch Spendenkampagnen unter den Anhängern erzielt, welche durch die jeweiligen Teilgebietsleiter organisiert werden. So wurden allein in Deutschland mehrere Millionen Euro gesammelt. Unterstützungsaktionen der in Deutschland verbotenen PKK eröffnen nach Überzeugung der Parlamentarischen Kontrollkommission immer den Aufgabenbereich des Amts für Verfassungsschutz. Damit – und das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen – wird in keinster Weise das legale Bemühen von in Deutschland und in Thüringen lebenden Kurden für eine Verbesserung der Lebensbedingungen des türkischen Volkes in der Türkei in Abrede gestellt.
einen weiteren Phänomenbereich ansprechen. Die angesprochene Statistik zur politisch motivierten Kriminalität zeigt in diesem Phänomenbereich auf, dass die Fallzahlen beachtlich gestiegen sind. So stieg die Gesamtzahl linksmotivierter Straftaten von 310 im Jahr 2018 auf 646 im Jahr 2019, was mehr als einer Verdopplung entspricht. Im Jahr 2017 wurden 434, im Jahr 2016 442 und im Jahr 2015 373 Fälle registriert. Bei den Gewaltdelikten war hingegen ebenfalls ein Anstieg zu verzeichnen von 30 Delikten im Jahr 2018 auf 42 Delikte im letzten Jahr; die Zahlen für die Vorjahre: 2017 25, 2016 52 und 2015 67 Delikte. Der Schwerpunkt der Aktivitäten in diesem Bereich lag bei den sogenannten antifaschistischen autonomen Gruppen. Die Aktionen richteten sich gegen den Staat – verkörpert zumeist durch Einsatzbeamte der Polizei – und die politischen Gegner im rechten und rechtsextremistischen Bereich. Bürgerlicher Protest gegen Veranstaltungen rechter und rechtsextremer Gruppierungen und Organisationen wurde dazu genutzt, aus der Protestveranstaltung heraus Straftaten zu begehen. Die unmittelbare Konfrontation mit dem politischen Gegner zählte nach wie vor zu den bedeutendsten Betätigungsfeldern der gewaltbereiten linksextremistischen Antifa-Aktivitäten. Gewalt ist ein selbstverständliches Aktionsmittel der Autonomen.
Unter dem Begriff „Nazi-Hunter“ hat sich eine Aktionsform etabliert, bei der vermeintliche oder tatsächliche Angehörige der rechtsextremistischen Szene überfallen und zum Teil schwer verletzt werden. Gerechtfertigt werden diese Angriffe damit, dass es sich um Nazis handelt. So kam es beispielsweise in Eisenach zu mehreren solcher gewalttätigen Übergriffe, ebenso in Bad Blankenburg und in Jena. Aber auch das sogenannte Nazi-Outing gehört seit mehreren Jahren zu den Aktionsformen, bei der detaillierte personenbezogene Informationen des politischen Gegners via Internet veröffentlicht und diese einer realen Gefährdung ausgesetzt werden.
Die Thüringer Szene ist überregional und bundesweit vernetzt. Am gewalttätigen Überfall im Mai letzten Jahres auf eine Polizeiwache im Leipziger Stadtteil Connewitz war zumindest auch ein Tatverdächtiger aus Thüringen beteiligt, der über eine gute überregionale Vernetzung verfügt bis hin zu gewalttätigen Szeneangehörigen aus Berlin. Ebenso kam es im Oktober des gleichen Jahres in Leipzig unter Beteiligung einer aus Thüringen stammenden Person zu erneuten Angriffen auf die Polizei und die Feuerwehr sowie zu Sachbeschädigungen unter anderem auch an Baukränen. Sachbeschädigungen in Form vom Graffiti, sogenannte Entglasungen, Farbbeutelanschläge und Brandstiftungen in mehreren Thüringer Städten waren weitere Mittel der angeblich politischen Auseinandersetzung ebenso wie tätliche Angriffe und Körperverletzungen.
Besonders verwerflich ist, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass auch demokratischer Protest bürgerlicher Bündnisse genutzt wurde, linksextremistische Ziele zu verfolgen und entsprechend motivierte Straftaten wie Sachbeschädigung, Beleidigung und Widerstandshandlung gegen Vollstreckungsbeamte zu begehen. Ebenso war die AntifaDemonstration im März 2019 in Eisenach auch von Linksextremisten geprägt. Die Teilnahme des Schwarzen Blocks, die Verwendung linksextremistischer Symbole und vermummte Personen sprechen dafür.
Die wenigen Beispiele verdeutlichen die Gefahren, die auch vom linksextremistischen Spektrum für unser freiheitliches Gemeinwesen ausgehen. Und eines muss klar sein: Gewalt gegen Personen und Sachen ist nie legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung, kann nie legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung sein.
Vielmehr bedarf es des Konsenses, dass politischer Protest selbstredend nur friedlich erfolgen darf und
Gruppierungen, die diesen Konsens verlassen – davon ist die Parlamentarische Kontrollkommission fest überzeugt –, diskreditieren sich selbst.
Im parteipolitischen Bereich traten bei den Europa-, Kommunal- und Landtagswahlen die Kleinparteien MLPD, DKP und KPD an. Die MLPD nahm an der Landtagswahl mit 35 Bewerbern teil und konnte für ihre Verhältnisse ein sehr gutes Ergebnis erzielen. Dabei kam der Partei sicher auch eine größere Erbschaft und eine bundesweite Spendenkampagne zugute, mit der unter anderem der Wahlkampf finanziert und der Thüringer Landesverband aufgebaut wurde.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum gesetzlichen Beobachtungsauftrag des Amts für Verfassungsschutz gehört auch die Spionageabwehr, wenngleich es scheint, dass sie in der Öffentlichkeit wenig Beachtung findet. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht 2018 findet sie überhaupt keine inhaltliche Erwähnung mehr und im ausstehenden Verfassungsschutzbericht soll sie wieder Aufnahme finden. Schwerpunkte der Tätigkeit des Amts für Verfassungsschutz waren Sensibilisierungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Proliferationsbekämpfung und des Wirtschaftsschutzes sowie im Bereich „elektronische Angriffe auf soziale Netzwerke“. Hierzu dienen auch Vortragsveranstaltungen in potenziell betroffenen Unternehmen. Leider mussten wir den Eindruck gewinnen, dass es bei Thüringer Unternehmen noch keine ausreichende Risikosensibilisierung gibt. Gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlt es zudem häufig an ausreichenden Möglichkeiten und den finanziellen Mitteln, sich vor Spionageangriffen zu schützen.
Lassen Sie mich aber einige Beispiele für Spionageaktivitäten benennen, die verdeutlichen, dass auch unser kleines Thüringen in vielfältiger Weise betroffen ist. Über bestimmte deutsche Homepages aus Russland werden aggressiv Propaganda und Einflussnahme betrieben. Ein Unternehmen war in Proliferationsaktivitäten im Zusammenhang mit dem militärischen Raketenprogramm der Volksrepublik China involviert und chinesische Studenten standen im Verdacht, im Rahmen einer Projektarbeit in Spionageabsicht Fotografien gefertigt zu haben. Seitens des Iran gab es eine Hacker-AngriffKampagne auf sensible Netzbereiche und darüber hinaus versuchten auch iranische Geheimdienste mit Trojanern und E-Mails, sich in Deutschland in Netzwerke zu hacken.
Es gab Hinweise auf weitere proliferationsrelevante Aktivitäten aus Pakistan, mittels Schein- und Tarnfirmen Thüringer Unternehmen zu kontaktieren. So weit spiegelstrichartig einige Beispiele, ich könnte Ihnen konkret die betroffenen Einrichtungen und
Unternehmen benennen, aber aus Gründen des Unternehmensschutzes verzichten wir hier natürlich darauf. Das zurückhaltende Verhalten der Thüringer Unternehmen und Hochschulen ist natürlich in gewissem Maße auch nachvollziehbar und verständlich. Die Information, Opfer eines Hackeroder Spionageangriffs geworden zu sein, möchte niemand mit seinem Unternehmen oder seiner Hochschule in Verbindung gebracht sehen. Allerdings – das wollen wir betonen – sind die Gefahren so real, was bereits die wenigen Beispiele zeigen, und die Spielarten so vielfältig, was dieses Spionagegeschäft betrifft. Daher unser Appell an unsere Unternehmen und Hochschuleinrichtungen: Lassen Sie sich helfen, informieren Sie die Polizei oder Nachrichtendienste, wenn Sie den Verdacht haben, Opfer eines Angriffs geworden zu sein. Nur so kann Ihnen wirksam geholfen und für die Zukunft das Risiko neuer Angriffe minimiert werden.
Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass durch China, Nordkorea, Russland und den Iran intensive Aktivitäten im Spionagebereich entfaltet werden, hier bei uns in Thüringen. Auch in diesem Zusammenhang muss ich auf die Personalausstattung des Amts für Verfassungsschutz hinweisen. Priorisierungen zugunsten anderer Beobachtungsbereiche werden als eine Ursache für fehlende Informationen angesehen und klar ist: Mit größerer Manpower könnte im Bereich der Spionageabwehr deutlich mehr geleistet werden.
Gerade im Zusammenhang mit der deutlich gestiegenen Anzahl und Intensität an Cyberangriffen wird eine personelle Aufstockung von Mitarbeitern mit Ausbildungsexpertenwissen für erforderlich gehalten. Bis dahin ist im Verfassungsschutzverbund auf die Expertise des Bundesamts für Verfassungsschutz und anderer Landesverfassungsschutzbehörden zurückzugreifen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor knapp einem Jahr wurde der 7. Thüringer Landtag gewählt und im Vorfeld der Wahl hat die politische Auseinandersetzung nochmals an Schärfe zugenommen. Wir haben das eben den Zahlen schon entnehmen können. Dies beschreibt in gewisser Weise auch das politische Klima in unserem Land. Das Wahlergebnis spiegelt sich in der Zusammensetzung des Hohen Hauses wider und die Regierungsbildung gestaltete sich – wir wissen es alle – recht schwierig.
Im Vorfeld der Wahlen kam es während des Wahlkampfs zu einer Vielzahl politisch motivierter Straftaten bis hin zu konkreten persönlichen Angriffen. Die Polizei registrierte in diesem Zusammenhang 353 Straftaten – größtenteils Sachbeschädigungen, das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidri
ger Organisationen, Beleidigungen, Diebstähle und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. 115 dieser Straftaten wurden dem Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität – links – zugeordnet und 37 dem der politisch motivierten Kriminalität – rechts –. 201 Straftaten konnten keinem Phänomenbereich zugeordnet werden. Alle im Thüringer Landtag vertretenen Parteien waren davon betroffen.
Dies alles, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, hat eine Dimension erreicht, die wir nicht mehr achselzuckend einfach so hinnehmen können, nicht mehr hinnehmen dürfen. Das politische Klima wird sonst immer weiter vergiftet, die notwendige politische Auseinandersetzung um die besten Ideen und besten Konzepte ist spätestens dann nicht mehr möglich, wenn jeder, der sich dieser Herausforderung stellt, sei es als Plakatekleber, Standbetreuer oder Flyerverteiler, sei es als Kandidat, Partei- oder Fraktionsvorsitzender oder als Mitglied der Landesregierung, Gefahr läuft, verbal oder tätlich angegriffen zu werden, selbst oder der Familienkreis bedroht und Wohnhäuser oder Fahrzeuge beschädigt oder gar zerstört werden.
Ich muss es in diesem Zusammenhang ansprechen: Kollegen auch aus diesem Hause wurden mit dem Tode bedroht. So erhielten Kollege Mike Mohring und Kollegin König-Preuss mehrere DrohE-Mails und es gab auch Bedrohungen des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Nicht zu vergessen die Droh-E-Mails der sogenannten Atomwaffendivision Deutschland gegen die Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir und Claudia Roth. Dies sind nur einige wenige Beispiele einer langen Kette von im wahrsten Sinne des Wortes widerwärtigen Aktionen. Auch viele unserer kommunalen Mandatsträger sind betroffen. Traurig, dass manche ihr ehrenamtliches Engagement daraufhin beendet haben, was aber menschlich durchaus auch verständlich ist. Meist aus der Anonymität des Internets heraus werden die Bedrohungen ausgesprochen und vergiften das Klima in unserem Lande weiter. Es kann und darf nicht sein, dass Menschen, die auf den verschiedensten Ebenen in unserem Land politische Verantwortung übernommen haben oder übernehmen wollen, Angst um ihre Gesundheit, ihr Leben und das ihrer Familien haben müssen.
Deshalb, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist jede einzelne Bedrohung, egal wer davon betroffen ist, ernst zu nehmen. Alle uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten – und da denke ich auch an die Möglichkeiten von Nachrichtendiensten – müssen genutzt werden, um solchen kri
Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine wesentliche Neuerung des am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Verfassungsschutzgesetzes war die gesetzliche Normierung der Stabsstelle Controlling im neuen Amt für Verfassungsschutz. Zu den Aufgaben der Stabsstelle Controlling gehört es, die Recht- und Zweckmäßigkeit der nachrichtendienstlichen Mittel und sonstigen ihr zugewiesenen Maßnahmen zu überprüfen und dem Präsidenten des Amts für Verfassungsschutz Bericht zu erstatten. Die Stabsstelle Controlling ist bei der Beurteilung der Recht- und Zweckmäßigkeit weisungsfrei. Wenngleich die Stabsstelle organisatorischer Bestandteil des Amts für Verfassungsschutz ist, betrachtet die Parlamentarische Kontrollkommission sie aber auch als Unterstützung ihrer Arbeit zur Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgaben. Dankenswerterweise nimmt der Controller regelmäßig an den Sitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission teil und steht für Fragen der Kommissionsmitglieder zur Verfügung. Zudem unterrichtet der Controller die Parlamentarische Kontrollkommission halbjährlich über seine Arbeit und über besondere Schwerpunkte.
Es war seinerzeit die richtige Entscheidung, die Stabsstelle Controlling im Verfassungsschutzgesetz zu verankern und mit umfangreichen Befugnissen auszustatten. Neben der Führungsberatung des Präsidenten lag ein Schwerpunkt der Controllertätigkeit im Berichtszeitraum in der Prüfung der Durchführung der Dokumentation und der Absicherung von Quellentreffs, der Quellenbeschaffung und der besonderen Geheimhaltungserfordernisse. Zudem fungierte die Stabsstelle verstärkt als Bedarfsüberprüfungsstelle. Im Ergebnis dieser Beratungstätigkeit konnte die Qualität der Sachbearbeitung erhöht werden und die Auswertung der gesammelten Informationen wurde intensiviert. Um eine schnellere Einarbeitung in die Sachbearbeitung zu ermöglichen, wurden beispielsweise auch mehr Zwischenvermerke angelegt; Lagebilder, die den aktuellen Wissens- und Kenntnisstand zu Beobachtungsobjekten und ‑schwerpunkten beinhalten, mussten in einigen Fällen verbessert werden. Insbesondere bedurfte es dabei auch einer Intensivierung und Verdichtung der gewonnenen Erkenntnisse.
Für die Parlamentarische Kontrollkommission rückte auch im Rahmen der Berichterstattung des Controllers in der letzten Zeit die Personalsituation im Amt für Verfassungsschutz in den Fokus. Dies nahm die Kommission zum Anlass, die Stabsstelle Controlling aufzufordern, dies in ihrer Berichterstat
tung noch stärker als bisher zu berücksichtigen, auf Mängel und Unzulänglichkeiten sowie unzweckmäßigen Personaleinsatz hinzuweisen.
Im Zuge der Neubesetzung der Funktion des mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestatteten Controllers wurde diese einem langjährigen Mitarbeiter des Amts für Verfassungsschutz übertragen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Koalitionsvertrag vom Dezember 2014 für die 6. Wahlperiode hieß es – ich zitiere –: „Sämtliche beim TLfV gespeicherten Personendaten werden auf ihre rechtliche Zulässigkeit der Erhebung, Speicherung und bislang nicht erfolgten Löschung überprüft.“ Dieser Auftrag wurde mit der „Kommission zur Überprüfung der von dem Amt für Verfassungsschutz Thüringen gespeicherten Personendaten“ unter Leitung des ehemaligen Ministerialbeamten Dr. Schmitt-Wellbrock umgesetzt. Die Kommission nahm ihre Arbeit im März 2019 auf und hat sie im Februar dieses Jahres abgeschlossen. Als problematisch stellte sich im Vorfeld im Rahmen der länderübergreifenden Zusammenarbeit die rechtliche Einordnung der Kommission heraus. Es standen die Fragen im Raum, welche Stellung die Kommission hat, wie das strenge Verschwiegenheitsregime sichergestellt werden kann und wie im Rahmen der Prüfhandlungen mit dem sogenannten Weitergabevorbehalt nach § 6 Bundesverfassungsschutzgesetz umzugehen ist. Diese Umstände führten zunächst zu einer Verzögerung der Arbeitsaufnahme. Insgesamt dauerte es knapp ein Jahr, ich erwähnte es. Die Prüfungskommission wurde von einigen Bundesländern – das muss ich an dieser Stelle leider auch ansprechen – als sogenanntes potenzielles Leck angesehen. Dieser berechtigte und nachvollziehbare Vorwurf resultierte aus den Vorkommnissen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des NSU-Komplexes, als seinerzeit dem Deutschen Bundestag und anderen Landtagen sowie nicht zuletzt auch dem hiesigen Landtag durch die Landesregierung auf äußerst bedenklicher Grundlage umfangreiches Material ohne Abstimmung mit den anderen Ländern zur Verfügung gestellt wurde.